von RA Lasse Conradt

Es stand zu erwarten, dass die aktuelle Entwicklung rund um die Höhe der Zuwanderung in die Bundesrepublik Deutschland eine Vielzahl von juristischen Fragestellungen nach sich zieht. Insbesondere sehen sich momentan Immobilienbesitzer, die ihre Wohnungen bzw. Häuser als Flüchtlingsunterkünfte zur Verfügung stellen wollen, immer häufiger der Problematik ausgesetzt, dass deren Wohngebäudeversicherer die bestehenden Versicherungsverträge kündigen. Dabei sind gehäuft Fälle aufgetreten, in den sich die Versicherer auf eine Gefahrerhöhung durch eine Nutzungsänderung berufen, und insofern auf Grundlage der geltenden Bedingungen, bzw. der § 23, 24 VVG, den Versicherungsvertrag kündigen. Oftmals ist es allerdings so, dass tatsächlich keine Nutzungsänderung im Sinne einer „Gefahrerhöhung“ vorliegt und eine Kündigung mitnichten berechtigt wäre.

Es verbieten sich – wie üblich – pauschale Wertungen. Um dies zu beurteilen, müssen diverse Fallgruppen unterschieden werden, zwei seien in der Folge skizziert. Der – eigentlich baurechtliche – Begriff der „Nutzungsänderung“ ist in der Regel in den Landesbauordnungen der Länder gesondert definiert und zumeist als „Änderung der genehmigten Benutzungsart“ bekannt. Insofern gilt auch in Bezug auf den Versicherungsvertrag, dass sich zumindest der Zweck des Gebäudes grundlegend ändern muss, damit von einer Nutzungsänderung ausgegangen werden kann. So ist von einer solchen unstreitig auszugehen, wenn ein Wohnhaus in einen Gewerbebetrieb umgewandelt wird oder grundsätzlich wesentlich gefährlichere Tätigkeiten in einem bestehenden Gewerbebetrieb ausgeübt werden, als zuvor mit dem Versicherer vereinbart wurde.

Nur eine solche darf dann logischerweise die Kündigungsrechtfertigung des § 24 VVG auslösen, wenn auch eine entsprechende Gefahrerhöhung im Sinne dieser Nutzungsänderung vorliegt. Dazu muss allerdings eine nachträgliche Änderung der im Zeitpunkt der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers tatsächlich vorhandenen „gefahrerheblichen Umstände“, die den Eintritt des Versicherungsfalls und eine Vergrößerung des Schadens wahrscheinlicher machen, vorliegen.[1] Insbesondere das letztgenannte kann keineswegs allein durch die Nutzung als Flüchtlingsunterkunft begründet werden.

So ist etwa in einem Fall, bei dem ein bestehendes Wohnhaus neuerdings an die Gemeinde vermietet wird, damit diese das Wohnhaus als Flüchtlingsunterkunft nutzen kann und sich die Belegungszahl des Wohnhauses nicht maßgeblich ändert, nach unserer Auffassung nicht von einer Nutzungsänderung im Sinne des VVG auszugehen. Denn der Zweck der Nutzung an sich – das Wohnen – ändert sich grundsätzlich nicht, lediglich die Herkunft der Bewohner dürfte sich im Beispielsfalle ändern. Daraus allein lässt sich allerdings eher keine Gefahrerhöhung ableiten, auch wenn der Versicherer dem entgegenhalten könnte, dass es sich lediglich um ein „vorübergehendes Wohnen“ und damit – ähnlich der Bewertung eines Hotelbetriebes – eine höhere Schadenswahrscheinlichkeit zu Tage treten könnte. Allerdings ist die Belegung mit Flüchtlingen mitnichten vergleichbar mit einem Hotelbetrieb, da ein Hotelbetrieb sich insbesondere dadurch auszeichnet, dass eine erhöhte – nahezu tägliche – Fluktuation der Gäste stattfindet. Im Falle einer Belegung mit Flüchtlingen in einem solchen Wohnhaus ist insbesondere davon auszugehen, dass die Bewohner das Wohnhaus als „Zuhause“ und nicht als Erstaufnahmestelle wahrnehmen und nutzen, was einer Art „Hotelnutzung“ insbesondere widerspricht. Ein weiterer interessanter Aspekt ist überdies, dass der Versicherer zumeist in seinen Fragen gemäß der Anzeigepflicht aus § 19 Abs. 1 VVG vor Vertragsschluss weder bezüglich Anzahl noch hinsichtlich Herkunft der Bewohner Auskunft erbittet – wie soll ein Versicherungsnehmer dann bei einem Mieterwechsel damit rechnen, dass später eben diese Umstände eine Gefahrerhöhung begründen?

Anders verhält es sich selbstverständlich dann, wenn beispielsweise leer stehende Baumärkte bzw. Lagerhallen insofern umgewidmet werden, als dass diese nun für eine vorübergehende Unterbringung einer Vielzahl von Flüchtlingen genutzt werden. Dann ist eine Änderung des Zwecks nicht von der Hand zu weisen, da von einem Gewerbe- auf einen Wohnzweck umgestellt worden ist. In diesen Fällen kann sich der Versicherer vermutlich berechtigterweise auf eine Gefahrerhöhung im Sinne der Nutzungsänderung berufen – allerdings ohne die Herkunft der Bewohner bewerten zu dürfen.

Insbesondere bei den bloßen Mieterwechsel-Fällen dürften insofern Kündigungen nicht widerspruchslos hingenommen werden, wenn der Versicherer nicht explizit dargelegt hat, auf welche Anhaltspunkte er seine Kündigung oder Mehrprämienforderung durch Gefahrerhöhung beruft. Sollte „zwischen den Zeilen“ eine erhöhte Anschlagsgefahr bzw. Brandgefahr durch den Versicherer vermutet worden sein, so darf dies wohl nicht zulasten der Bewohner und Vermieter gehen. Abgesehen davon, dass es eines gewissen Zynismus nicht entbehrt, dass nun die Immobilienbesitzer für Verfehlungen einzelner sowie der Unfähigkeit der Exekutive, vor entsprechenden Anschlägen zu schützen, einstehen soll, sollte eine solche erhöhte Anschlagsgefahr auch nicht für das gesamte Bundesgebiet pauschal anzunehmen sein. Insofern steht zu vermuten, dass eine solche Kündigung wegen Gefahrerhöhung aufgrund einer Anschlagsgefahr auch nur dann gilt, wenn dies tatsächlich durch empirische Fakten nachgewiesen werden kann.

Insofern gilt, dass Immobilienbesitzer – sowie der Versicherungsmakler – im Falle von Kündigungen oder Prämienanpassungen durch den Versicherer in keinem Fall diese klaglos hinnehmen, sondern sich insbesondere Rechtsbeistand suchen sollten. In vielen Fällen ist – wie zuvor aufgeführt worden ist – nicht von einer tatsächlichen Begründetheit der Sonderkündigung auszugehen.

Die Problematik ist auch bis in den Geschäftsführerbereich der GDV vorgedrungen, der versichert, dass weiterhin an Lösungen gearbeitet würde und generell um eine „nötige Sensibilität“ der Versicherer gebeten wird. Deren Statement, man habe es bei dieser Problematik „nicht mit einem rechtlichen oder versicherungstechnischen Problem“ zu tun,[2] dürfte allerdings nicht ohne weiteres Zustimmung finden – augenscheinlich handelt es sich sehr wohl auch um eine rechtliche Fragestellung, die oftmals zugunsten der Flüchtlinge und deren Helfer beantwortet werden muss.

– Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte, Hamburg –