Vermittler werden an einem unklaren Prüfungsstoff geschult

von Oliver Timmermann

(Hamburg, den 15.01.2018) Im Referentenentwurf zur VersVermV bleibt ungewiss, welchen Inhalt die Weiterbildung in puncto Altersvorsorge haben soll, meint Rechtsanwalt Oliver Timmermann. Handwerkliche Fehler führten dazu, dass er der IDD-Richtlinie nicht gerecht wird.

Im kürzlich vorgelegten Entwurf zur Neufassung der Versicherungsvermittler-Verordnung werden die künftig geltenden Auflagen für die Weiterbildung geregelt. Im Bereich der Altersvorsorge wird mit dem Begriff Kapitalanlageprodukte ein inhaltlicher Schwerpunkt vorgegeben. Dieser setzt für die Schulungs- und Weiterbildungspflicht der Versicherungsvermittler jedoch den falschen Maßstab, meint Rechtsanwalt Oliver Timmermann in einem Gastbeitrag. Er sieht handwerkliche Mängel, die in unklaren, unbestimmten Vorgaben zu den geforderten Bildungsinhalten begründet sind.

Seit Ende Oktober liegt der Referentenentwurf zur neuen Verordnung über die Versicherungs-Vermittlung und -beratung vor (VersicherungsJournal 26.10.2017).

Sie hat unter anderem „die Verpflichtung des Gewerbetreibenden und der beschäftigten Personen nach § 34d Abs. 9 S. 2 [GewO] zu einer regelmäßigen Weiterbildung, die Inhalte der Weiterbildung sowie die Überwachung der Weiterbildungs-Verpflichtung“ weiter zu regeln. So heißt es in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung der IDD-Richtlinie vom 20. Juli 2017 (VersicherungsJournal 31.7.2017).

Im Rahmen der Länder- und Verbändeanhörung zum Referentenentwurf können Verbände bis zum 24. November hierzu Stellung nehmen.

Vorläufige Kritik

Bislang begnügten sich erste Stellungnahmen entweder mit einer schlichten Wiedergabe einzelner Normen und/ oder mit einer nur kurzen vorläufigen Bewertung hierüber (VersicherungsJournal 10.11.2017). Die Weiterbildung müsse der Komplexität der Tätigkeiten des Verpflichteten entsprechen.

Sie solle zudem gewährleisten, dass ein angemessenes Leistungsniveau aufrechterhalten wird. Die bisher noch weit verbreiteten „Produktschulungen“ dürften damit nicht mehr zur Weiterbildung geeignet sein. Schließlich wird auch eine Leistungskontrolle erforderlich werden.

Unklarer Prüfstoff

Was aber nicht thematisiert wurde, ist ein weiterer Umstand. Der Referentenentwurf unterscheidet in den Bestimmungen zu den Inhalten der Schulung und Weiterbildung nicht ausreichend zwischen Versicherungen, Versicherungs-Anlageprodukten und Finanzgeschäften. Dabei sieht „Anlage I“ der IDD (Richtlinie (EU) 2016/97 des Europäischen Parlaments und

des Rates vom 20. Januar 2016 über Versicherungsvertrieb) bewusst eine solche Differenzierung vor.

Es bleibt sonach in puncto „Sachkundeprüfung“ und „Weiterbildung“ bereits völlig unklar, was eigentlich zum Prüfungsstoff gehören soll. Kurz, die VersVermV in der vorliegenden Form ist insoweit intransparent.

Unterscheidung von Kapitalanlagen zu Versicherungen

Deutlich macht dies „Anlage 1“ zu § 2 Abs. 3 S. 2 VersVermV, die die „inhaltlichen Anforderungen an die Sachkundeprüfung und Weiterbildung“ beschreiben soll. Hier wird unter Punkt 3.2.2, der die für den Vertrieb wichtige Sparte der Altersvorsorge definieren soll, Folgendes aufgeführt:

„Staatliche Förderung und steuerliche Behandlung der privaten Vorsorge durch Lebens- und Rentenversicherung (3-Schichten-Modell): Basisversorgung; kapitalgedeckte Zusatzversorgung (§§ 10a, 79 ff EStG), Kapitalanlageprodukte; weitere Versicherungsprodukte.“

Die IDD-Richtlinie hat dagegen in der „Anlage I“ explizit unter „Nichtlebensversicherung“, „Versicherungs-Anlageprodukte“ und „Lebensversicherungs-Zweige gem. Anhang II der Richtlinie 2009/138 EG“ eine Unterscheidung getroffen. Es ist der Versuch, auf die zunehmende Konkurrenz zwischen Finanzanlage- und Versicherungsprodukten in der Altersvorsorge eine Antwort zu geben.

Damit Versicherer und deren Vertrieb unter neuen Marktbedingungen – Stichwort Niedrigzinsphase – mit Mischprodukten operieren können, ist es umso wichtiger, dass die Unterscheidung von Kapitalanlagen zu Versicherungen nicht ins Beliebige abgleitet.

Falsche Zuständigkeit

Kapitalanlagen stellen – rechtlich betrachtet – gerade keine Versicherungen dar, sondern werden im Kreditwesen- und Wertpapierprospekt-Gesetz, im Kapitalanlagegesetzbuch oder Vermögensanlagen-Gesetz als Finanzanlagen geregelt. Sie unterfallen in weiten Teilen der „Anlage 1“ zur Sachkundeprüfung von Finanzanlagevermittlern (FinVermV).

Dass dieser Komplett-Inhalt als Prüfungsstoff gewollt sein kann, muss ausgeschlossen werden. Er unterfiele auch schlicht nicht der Zuständigkeit einer Versicherungsvermittler-Verordnung.

Was aber eine Versicherung im rechtlichen Sinne „eigentlich“ ist, wird weder im VVG noch im VAG ausdrücklich geregelt. Der Gesetzgeber hat dies bewusst der Wissenschaft und Praxis überlassen.

Anachronistische nationale Abgrenzung

Feststeht, dass der Referentenentwurf zur neuen VersVermV in einem für den Vertrieb zentralen Betätigungsfeld sich immer noch auf eine Umschreibung verlassen will, die auf die Regelung zum sogenannten „Drei-Schichten-Modell“ der Sachverständigen-Kommission unter Leitung von Professor Dr. Bert Rürup zurückzuführen ist. Diese wurde anlässlich der Beratungen zum Alterseinkünftegesetz von 2003 einberufen (VersicherungsJournal 30.9.200418.3.2003).

Den Vorgaben der modernen IDD-Richtlinie der EU, die auch im Zusammenhang mit der zweiten Finanzmarktrichtlinie (MifId II) und der PRIIPs-Verordnung (Basisinformationsblätter) gesehen werden muss, wird man mit diesen anachronistischen nationalen Abgrenzungen keineswegs gerecht. Nötig ist aktuell eine Neujustierung des Zusammenspiels der unterschiedlichen Anbieter, die – auch in den Augen der Verbraucher – ihren klaren Anwendungsbereich haben.

Handwerklich ungeschickt

Auch die Exekutive hat beim Erlass einer Rechtsverordnung gewisse Bestimmtheits-Anforderungen zu beachten. Dies erst Recht, wenn man den Anwendungsvorrang der europäischen Richtlinie mit ins Kalkül zieht.

In der derzeitigen Fassung bleibt unklar, welchen Inhalt die Sachkundeprüfungen und Weiterbildungsmaßnahmen in puncto Vorsorge haben sollen. Geschult würden so Versicherungsvermittler an einem unklaren Prüfungsstoff.

Man kann viel über „compliance“ regeln und debattieren – Papier ist geduldig. Was den Verbraucher letztlich einzig Vertrauen einflößt, ist (und bleibt) eine beratungssichere Kompetenz. Genau das wird durch solche handwerkliche Ungeschicklichkeit nicht erreicht.