Keine Haftung des Anschlussinhabers für die Telefonnutzung Minderjähriger – Verbraucherschutz geht vor
von Stephan Michaelis
(Hamburg, den 08.06.2017) Grundsätzlich haftet gem. § 45i TKG der Inhaber eines Telefonanschlusses für die Kosten der darüber getätigten Anrufe, soweit dieser gem. § 45i IV S. 1 TKG nicht nachweist, dass ihm die Inanspruchnahme von Leistungen des Anbieters nicht zugerechnet werden kann. Durch diese Norm soll der Anschlussinhaber die Begleichung der Telefonrechnung gerade nicht durch Bestreiten der Nutzung entgehen können und somit dem Schutz des in Vorleistung gehenden Telekommunikationsanbieters dienen.
Problematisch sind hierbei die sogenannten Mehrwertdienste-Telefonnummern. Mehrwertdienste sind Dienstleistungen, die über die reine Telefonverbindung zwischen zwei Anschlüssen hinausgehen und mit der Telefonrechnung verrechnet werden. Bezahlt wird nicht nur für die Verbindung selbst (Telefongebühr), wie das bei einem normalen Telefongespräch der Fall ist, sondern auch für eine darüber hinausgehende andere Dienstleistungen. Der Nutzer wählt eine kostenpflichtige Mehrwertdienstnummer, die mit bestimmten Vorwahlen wie beispielsweise 0900 versehen sind. Der Anbieter eines Mehrwertdienstes ist nicht der Betreiber selbst, sondern ein anderes Unternehmen (Dienstanbieter). Durch dieses Pay by Call Verfahren bezahlt der Nutzer das Produkt mithin per Telefonanruf. Somit kann der Nutzer eines Telefonanschlusses im Wege des Pay by Call Verfahrens dem Anschlussinhaber erhebliche Kosten aufbürden. Fraglich ist daher, ob der Grundsatz der Haftung des Inhabers eines Telefonanschlusses aus § 45i TKG auch für die Anwahl von Mehrwertdienstnummern gilt.
Keine Anwendung von § 45i IV 1 TKG auf das Pay by Call-Verfahren
Mit dieser Problematik beschäftigte sich der Bundesgerichtshof in dem Urteil vom 06.04.2017 unter dem Aktenzeichen III ZR 368/16. Hier ging es um eines Dienstleistung eines Spieleunternehmens, das unter einer 0900er-Nummer Credits für ein zunächst kostenloses Computerspiel anbot. Alleine für den Telefonanruf wird von dem Spieleunternehmen über den Telefonanbieter eine feste Gebühr berechnet, die Abrechnung erfolgt über die Telefonrechnung. Der minderjährige Sohn der Klägerin hatte über den Telefonanschluss der Mutter 21-mal diese kostenpflichtige, auf der Internetseite des Spielebetreibers angegebene Pay by Call- Nummer angerufen, um die Credits für das Computerspiel zu erwerben. Somit wurde eine Rechnung in Höhe von 1.253,93 Euro verursacht. Nach den getätigten Anrufen konnte der Sohn das Computerspiel weiter nutzen. Da die Mutter sich weigerte zu zahlen, verklagte das Spieleunternehmen sie.
Der BGH sah die Vorschrift des § 45i TGK nicht als einschlägig an, da es sich nicht um eine Telefongebühr für das Angebot von Telekommunikationsdiensten im Sinne des § 3 Nr. 24 TKG handele, sondern um einen Zahlungsdienst im Sinne von §§ 675c f. BGB. Die Zustimmung des Zahlers zur Ausführung des Zahlungsvorgangs wird nach § 675c III BGB i.V.m. § 1 II Nr. 5 ZAG über das Telefon übermittelt und die Abrechnung erfolgt über die Telefonrechnung. Lediglich die Beauftragung erfolgt über die Telekommunikationsverbindung. Die inhaltliche Leistung des Dienstleisters wird nicht innerhalb der Telekommunikationsverbindung erbracht, sondern durch außerhalb der Telefonverbindung.
Vorliegend ist der Zahlungsdienst nach Ansicht des BGH nicht autorisiert, d. h. dem Inhaber des Telefonanschlusses auch nach den allgemeinen Vertretungsregeln nicht zuzurechnen. Die Mutter hatte von den Anrufen des Sohnes keine Kenntnis und dafür auch keine Erlaubnis erteilt, sodass die (etwaige) auf Abschluss eines Zahlungsdienstvertrages gerichtete konkludente Willenserklärung des Sohnes der Beklagten nicht zuzurechnen ist. Auch war der Sohn nicht von seiner Mutter bevollmächtigt, einen solchen Vertrag zu schließen bzw. ihrem Sohn nicht gestattet, ihren Telefonanschluss für die Bezahlung von Spielegewährung für das von ihm genutzte Computerspiel zu verwenden. Eine Zurechnung etwaiger Erklärungen aufgrund einer Anscheinsvollmacht scheidet ebenfalls aus. Gem. § 675u BGB haftet der Zahlungsdienstleister für nicht autorisierte Zahlungsvorgänge und hat keinen Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen. Der für Zahlungsdienste geltende § 675u BGB dient dem Verbraucherschutz und darf nach Ansicht des BGH nicht durch § 45i IV TKG unterlaufen werden. Der Zahlungsdienstleister hat demnach gem. § 675u BGB keinerlei Anspruch auf die Zahlung der rund 1.250 € gegen die Mutter.
Nach dieser Entscheidung des Bundesgerichtshofs soll die Haftung des Inhabers eines Telefonanschlusses für die Kosten der darüber getätigten Anrufe mithin nicht gelten, wenn über dem Anschluss im so genannten Pay-by-Call-Verfahren kostenpflichtige Dienste erworben werden. Solange der Anschlussinhaber die Zahlung nicht autorisiert hat, haftet demnach der Dienstleister. Der Schutz der Eltern als Anschlussinhaber geht dem Interesse der Pay-by-Call- Anbieter vor. Diese verbraucherfreundliche Entscheidung gilt nicht nur für Eltern, sondern für jeden Anschlussinhaber, über dessen Anschluss teure Mehrwertdienste-Telefonnummern angerufen wurden, ohne dass er dazu zuvor sein Einverständnis erteilt hat.
Fazit
Sollten Sie als Anschlussinhaber mithin teure Mehrwertdienste-Telefonnummern nicht angewählt haben und kein Einverständnis gegeben haben, dass ein anderer Nutzer über Ihren Anschluss solche Telefonnummern anwählt, so brauchen Sie mithin auf etwaige Forderungen des Dienstanbieters nicht eingehen.
Sollten Sie als Dienstanbieter PayPal als Bezahlmöglichkeit verwenden wollen, ist dieses keine rechtssichere Möglichkeit an das für die Leistung geschuldete Entgelt zu gelangen, sofern nicht der Anschlussinhaber die Zahlung autorisiert. Auch die Rückabwicklung gestaltet sich als schwierig, da die Leistung –hier die Credits – als virtuelle Gegenstände nicht zurückerworben werden können.