GmbH-Gründung ohne Gang zum Notar? Ja! Wie?
RA Dr. Robert Boels, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte
(Hamburg, den 27. Oktober 2021) Die Digitalisierung schreitet europaweit voran. Viele Rechtsgebiete sind davon betroffen. Spätestens am 1. August 2021 tritt das Gesetz zur Umsetzung der europäischen Richtlinie (EU) 2017/1132 und der Änderungsrichtlinie (EU) 2019/1151 zum Einsatz digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht in Kraft.
Künftig soll der Gang zum Notar zur Gründung einer GmbH nicht mehr erforderlich sein. Die in § 2 Abs. 3 GmbHG-E vorgesehene Regelung lautet: „Die notarielle Beurkundung des Gesellschaftsvertrages sowie im Rahmen der Gründung der Gesellschaft gefasste Beschlüsse der Gesellschafter können im Fall einer Gründung ohne Sacheinlagen auch mittels Videokommunikation gemäß den §§ 16a bis 16e des Beurkundungsgesetzes erfolgen.“ Dementsprechend wird ein neuer § 16a BeurkG-E eingefügt: „Erfolgt die Beurkundung mittels Videokommunikation soll sich der Notar Gewissheit über die Person der Beteiligten verschaffen anhand eines elektronischen Identitätsnachweises.“
Die Identitätsfeststellung soll über qualifizierte elektronische Identifizierungsmittel erfolgen, die in der elDAS-Verordnung (EU) Nr. 910/2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste sowie der Verordnung (EU) 2016/1191 über öffentliche Urkunden geregelt sind. Gründer müssen sich insoweit in der Videokommunikation mit dem Notar mit dem neuen Bundespersonalausweis mit Online-Ausweisfunktion oder einer qualifizierten elektronischen Signatur ausweisen. Sind deutsche juristische Personen an der Gründung beteiligt, können deren Existenz und deren Vertretungsbefugnis über das elektronische Handelsregister abgerufen werden. Bei ausländischen Gesellschaften ist ein entsprechender elektronischer Nachweis nicht möglich, da die Nachweise regelmäßig in Papierform ausgestellt, beglaubigt und mit einer Apostille versehen werden. Insoweit müssen diese Nachweisdokumente nach wie vor in Papierform eingereicht werden.
Die Gründungserleichterungen betreffen allein die Rechtsform der GmbH (und der UG), die in Anhang IIA der Richtlinie benannt ist. Die Mitgliedsstaaten sollen für die benannten Gesellschaften Gründungsmuster in der eigenen sowie einer Amtssprache der Union, die von einer möglichst großen Zahl grenzüberschreitender Nutzer weitgehend verstanden wird zur Verfügung stellen. Deutschland wird das Muster in deutscher und englischer Sprache (trotz Brexit) veröffentlichen. Die Richtlinie schreibt nicht verpflichtend vor, dass das Online-Verfahren künftig auch für weitere Kapitalgesellschaften vorgehalten werden soll. Die Mitgliedsstaaten können die Anwendbarkeit des Online-Verfahrens jedoch auf weitere Rechtsformen ausweiten. In Deutschland bleibt es hinsichtlich anderer Kapitalgesellschaften wie der Aktiengesellschaft oder der Kommanditgesellschaft auf Aktien bei den bestehenden Gründungsvorschriften. Eine Ausweitung auf diese Rechtsformen ist aufgrund ihrer Komplexität nicht zu erwarten. Die Gründung einer Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) wird als Unterform der GmbH hingegen von den Gründungserleichterungen erfasst sein.
In Zukunft wird es den geschäftsführenden Personen möglich sein, gesellschaftsrechtliche Unterlagen (z.B. Gesellschafterbeschlüsse) und sonstige Handelsregisteranmeldungen (z.B. Satzungsänderungen oder die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern) im Online-Verfahren unter Verwendung eines elektronischen Identitätsnachweises einzureichen. Zudem soll es ermöglicht werden, Zweigniederlassungen für Gesellschaften in anderen EU-Mitgliedsstaaten im Online-Verfahren registrieren zu lassen. Durch die erleichterten Gründungen und Handelsregisteranmeldungen können vor allem Kosten und Zeit eingespart werden. Es soll möglich sein, neue Gesellschaften oder Zweigniederlassungen in einem EU-Mitgliedsstaat binnen weniger Tage, ohne ein persönliches Erscheinen vor einem Notar oder einer Behörde zu Errichten und zur Eintragung zu bringen. Ungelöst dürfte das Problem sein, wie für die neue Gesellschaft angesichts der Europäischen Geldwäscheregularien zeitnah ein Bankkonto eröffnet und dem Notar über das Kreditinstitut der Nachweis erbracht werden kann, dass das erforderliche Haftkapital nach Gründung der Gesellschaft einbezahlt wurde.
Die nationalen Unternehmensregister werden durch ein europäisches System (das BRIS: Business Registers Interconnection System) vernetzt, über welches jeder Informationen aus den Registern der einzelnen Mitgliedsstaaten zu den Gesellschaften erhalten kann. Das System stellt allerdings nicht sicher, dass für alle Gesellschaften Informationen in gleichem Umfang bereitgestellt werden, da die Erhebung der Informationen (noch) uneinheitlich erfolgt. In diesem Zusammenhang werden einheitliche europäische Kennungen vergeben (sog. EUID), die aus einem Länderkürzel, einer Handelsregisterkennung und der Handelsregisternummer bestehen.
Die für die GmbH-Gründung bereitgestellten Gründungsmuster können – aber müssen nicht – im Online-Verfahren verwendet werden. In vielen Fällen deckt das Muster jedoch nicht den individuellen Gestaltungsbedarf ab, insbesondere, wenn mehrere Gründer beteiligt sind. Daher wird nach unserer Einschätzung auch nach der Einführung des Online-Verfahrens ein erheblicher Bedarf an qualifizierter Rechtsberatung gegeben sein. Die Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte steht Ihnen dabei immer gerne beratend zur Seite.