Wichtige Aspekte des Bestands(ver)kaufs

von Stephan Michaelis

I. Einleitung

(Hamburg, den 15.10.2016) In der täglichen Beratungspraxis wird deutlich, dass der Aspekt des Bestandsverkaufs bzw. Bestandsankaufs zunehmend an Bedeutung gewinnt. Dies nicht nur vor dem Hintergrund, dass viele Makler, die sich aus Altersgründen zur Ruhe setzen, den von ihnen aufgebauten Bestand in vertrauensvolle Hände übergeben wollen, auch bei florierenden und aktiv tätigen Maklerunternehmen wird der Bestandsverkauf und Bestandsankauf immer wichtiger. Die Erfahrung lehrt aber auch, dass beim Vollzug solcher Übertragungen die Vermittler vielfach nicht genau wissen, was sie in rechtlicher Hinsicht zu bedenken haben und wo die neuralgischen Punkte beim Bestandsverkauf und der entsprechenden Übertragung liegen.

Dieser nachfolgende Artikel soll im Überblick anreißen, welche Aspekte dabei von besonderer Bedeutung sind. Selbstverständlich ist das Thema des Bestandsverkaufs ein sehr komplexes, welches natürlich nicht in Gänze in einem Artikel abgehandelt werden kann. Die nachfolgenden Ausführungen sollen aber etwas dafür sensibilisieren, worauf insbesondere zu achten ist.

II. Was ist ein Bestand?

Wenn man sich mit dem Thema Bestandsübertragung auseinandersetzt, gilt es als erstes zu klären, was unter dem Begriff des „Bestandes“ überhaupt zu verstehen ist. In juristischer Hinsicht ist dies kein feststehender Begriff. Der Bestand ist vielmehr eine Bündelung verschiedener rechtlicher Ansprüche und Positionen.

Zum einen macht den Bestand die Verbindung des Maklers zu seinen Kunden aus, namentlich also der Maklervertrag und die Maklervollmacht. Diese Rechtsbeziehung berechtigt und verpflichtet den Makler, dem Kunden adäquaten Versicherungsschutz angedeihen zu lassen und fortlaufend unterstützend zur Seite zu stehen (wobei die Reichweite der fortlaufenden Betreuungspflichten im Einzelnen sehr umstritten ist). Auf der Grundlage der sodann vermittelten und betreuten Verträge erhält der Makler vom Versicherer insbesondere Abschluss- und Bestandspflegeprovisionen.

Insgesamt ist daher der Bestand quasi die Bündelung von Ansprüchen auf Courtagezahlung sowie die Möglichkeit, im Kundenkreis Neugeschäfte zu platzieren.

Geht es also um einen Bestandsverkauf, ist dies in rechtlicher Sicht wohl am ehesten eine Abtretung von Ansprüchen auf Zahlung von Courtage verbunden mit der Einräumung der Möglichkeit, neue Verträge beim Kundenstamm zu platzieren.

III. Was ist beim Bestandsverkauf zu beachten?

Um dies schon einmal vorweg zu nehmen: Eine Übertragung von Beständen, ohne dass der jeweilige Kunde in die Übertragung eingewilligt hat, ist rechtlich nicht möglich! Insofern sei dringend davon abzuraten, Bestände einfach zu übertragen, ohne die Einwilligung der Kunden einzuholen. Es ist in diesem Zusammenhang auch nicht anzuempfehlen, bei Nachfragen des Versicherers im Rahmen der Bestandsübertragung diesem gegenüber schlicht zu behaupten, die Kunden seien einverstanden, ohne dass die Kunden tatsächlich gefragt wurden.

All dies hat folgenden rechtlichen Hintergrund: Ursprünglich wurde der Maklervertrag zwischen dem verkaufswilligen Makler und dem Kunden geschlossen. Auch wurde in diesem Verhältnis die entsprechende Vollmacht ausgestellt. Im Wege eines Bestandsverkaufs soll nun schließlich auch die Möglichkeit auf den Nachfolger übergehen, den Kunden betreuen zu können, um die entsprechende Betreuungscourtage einzustreichen. Folglich bedarf es auch des Übergangs des Maklervertrags und der Vollmacht als Legitimation für diese Betreuungstätigkeiten.

Das Gesetz besagt aber, dass eine Übertragung des Vertrages, also ein Austausch eines Vertragspartners, immer nur dann möglich ist, wenn der andere Vertragspartner damit einverstanden ist. Der Kunde muss also damit einverstanden sein, dass sein Maklervertrag und seine Vollmacht auch zugunsten eines Übernehmers gelten sollen. Ihm kann quasi nicht einfach so ein anderer Makler vorgesetzt werden.

Auch sind hier datenschutzrechtliche Dimensionen zu beachten. Durch die Bestandsübertragung bekommt der Erwerber die Möglichkeit, auf die Daten der Kunden zuzugreifen. Hat der Kunde in diese Datenweitergabe nicht eingewilligt, liegt hier ein Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmung, insbesondere solche des Bundesdatenschutzgesetzes, vor.

Besonders brisant wird es dann, wenn sensible Daten, wie etwa Gesundheitsdaten, weitergegeben werden. Diese genießen einen besonderen Schutz. Es sei in diesem Zusammenhang auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10.02.2010 verwiesen, Az.: VIII ZR 53/09. Hier hatte ein Versicherungsvertreter seinen Bestand übertragen, ohne die Kunden entsprechend vorher gefragt zu haben. Der BGH sah hier eine strafbare Handlung gemäß § 203 StGB und sprach dabei aus, dass die Bestandsübertragung rückabzuwickeln ist. Dieses Urteil betrifft zwar originär nur den Versicherungsvertreter. Inwieweit hier auch Ableitungen zur Situation eines Maklers gemacht werden können, ist bislang offen geblieben. Der Makler sollte aber wissen, dass er sich auf sehr sensiblem Terrain befindet.

Denkbar ist es, hier mit sogenannten Rechtsnachfolgeklauseln zu arbeiten, dergestalt, dass bereits im ursprünglich abgeschlossenen Maklervertrag und in der Vollmacht aufgenommen wird, dass diese auch zugunsten eines Rechtsnachfolgers gelten. Es gibt allerdings noch keine abschließende ausgefeilte Rechtsprechung dazu, welche Anforderungen genau an eine solche Rechtsnachfolgeklausel zu stellen sind. Im Zweifel steht derjenige Veräußerungswillige, der eine entsprechende Klausel vorhalten kann, aber besser da, als ein solcher, der eine Rechtsnachfolgeklausel nicht vorweisen kann.

Neben diesem Themenaspekt sei dem Erwerbswilligen geraten, eine umfangreiche Risikoprüfung (Due-Diligence) durchzuführen. Gibt es Deckungslücken im Bestand? Ist der Veräußerungswillige gar bereits mit Schadensersatzansprüchen wegen fehlerhafter Beratung konfrontiert worden? Wie hoch ist etwa die Stornoquote im Bestand? Hat der Veräußerungswillige stets sauber dokumentiert, sodass hier keine „tickenden Zeitbomben“ lauern? Dies sind nur einige Fragen, die sich ein gewissenhafter Erwerber stets stellen wird.

Ein bislang in Bestandsübertragungsvorgängen nur wenig beachteter Aspekt ist derjenige des § 613a BGB. Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so gehen damit auch die Arbeitsverhältnisse mit Übergang des Betriebsteils auf den Erwerber über. Nun wird der eine oder andere Leser den an sich berechtigten Einwand haben, dass doch nur ein Bestand gekauft wird und nicht der ganze Betrieb. Insbesondere dann aber, wenn der Bestand im Grunde wesentlicher Asset des Betriebs ist, dies wird man im Zweifel zumindest beim klassischen Ein-Mann-Maklerbetrieb annehmen dürfen, dürfte der § 613a BGB zur Anwendung gelangen. Arbeitnehmer würden „huckepack“ dann mit auf den Erwerber übergehen, sodass die erforderliche Belehrung der Arbeitnehmer gemäß § 613a Abs. 5 BGB sicherzustellen ist.

Auch ist ein Blick auf § 75 der Abgabenordnung zu empfehlen. Dieser kann im Einzelfall zu einer Haftung für die Steuerverbindlichkeiten des Veräußerers führen. Es empfiehlt sich daher, vor allem an dieser Stelle den Steuerberater beim Übertragungsvorgang mit ins Boot zu holen.

Auch in Ansehung des Kaufvertragsinhalts sollte einiges bedacht werden. Es ist durch entsprechende Regelungen vorzubeugen, dass der verkaufende Bestandsinhaber nicht gleich am nächsten Tag wieder auf seine Kunden zugeht und versucht, den Bestand wieder umzudecken. Entsprechende Vorkehrungen, möglichst durch Vertragsstrafen gesichert, sollte ein guter Bestandskaufvertrag enthalten.

Auch sollte der Verkäufer dazu angehalten werden, wesentliche Eigenschaften des Bestandes zuzusichern. In diesem Zusammenhang empfiehlt es sich, den zu zahlenden Kaufpreis nicht in einer Summe zu begleichen, sondern diesen aufzuteilen. Sollte sich etwa vor Zahlung der zweiten Rate herausstellen, dass die vom Verkäufer abgegebenen Zusicherungen nicht zutreffen, so hat etwa der Käufer die Möglichkeit bei entsprechender vertraglicher Ausgestaltung die zweite Rate zu mindern.

Üblich und vertraglich zu fixieren ist es, dass der Veräußernde dem Erwerber in einer Übergangszeit noch mit Rat und Tat zur Seite steht und insbesondere der Verkäufer den Erwerber bei den wichtigsten Kunden einführt.

Daneben gibt es eine Vielzahl weiterer individuell festzulegender Parameter, die in einem Kaufvertrag niedergelegt werden sollten. Für die entsprechende Umsetzung sollte unbedingt ein mit derartigen Angelegenheiten erfahrener Rechtsanwalt konsultiert werden.

Hinsichtlich der Abwicklung eines Transaktionsvorgangs empfiehlt es sich generell, noch vor Beginn der tatsächlichen Vertragsverhandlungen in einem Letter of Intent festzulegen, wie sich die Parteien im Groben den Ablauf der Übertragung vorstellen. In diesem Letter of Intent sollten insbesondere auch Vorkehrungen bzw. Verschwiegenheitsverpflichtungen aufgenommen werden, die dann greifen, wenn die Transaktion letztlich platzt. Üblicherweise gibt insbesondere der Verkäufer im Rahmen der Vertragsverhandlungen einige sensible Informationen preis, sodass sicherzustellen ist, dass der Erwerbswillige von diesen keinen Gebrauch macht, wenn der Verkauf – gleich aus welchem Grund – nicht stattfindet.

IV. Fazit

Bestandsverkäufe bzw. Bestandskäufe sind ein wirtschaftlich sehr attraktiver Vorgang, um das eigene Unternehmen relativ schnell zu vergrößern bzw. Erlös aus der bisherigen Arbeit zu erzielen. Die Erfahrung zeigt aber, dass hier oft sehr blauäugig vorgegangen wird und sich die Beteiligten der Risiken nicht vollends bewusst sind. Um hier das Risiko aber zu minimieren und dauerhaft wirtschaftliche Vorteile aus dem erworbenen Bestand ziehen zu können, ist es ratsam, den Transaktionsvorgang gut vorzubereiten und sauber durchzuführen. Es empfiehlt sich daher stets, einen versierten Rechtsanwalt und Steuerberater bei derartigen Transaktionsvorgängen zu konsultieren, der die typischen Hindernisse zu umschiffen hilft.