Abgewiesen
Landgericht Heidelberg
Urteil vom 08.12.2020
Aktenzeichen 2 O 156/20
Stichwörter: Rechtmäßigkeit der öffentlich-rechtlichen Maßnahme irrelevant für Versicherungsschutz, abschließende Aufzählung
Urteil
Tatbestand:
Die Parteien streiten über Ansprüche aus einer Betriebsunterbrechungsversicherung, welche die Klägerin bei der Beklagten abgeschlossen hat.
Die Klägerin betreibt unter ihrer Anschrift ein Hotel mit angeschlossener Gaststätte. Ende des Jahres 2019 schlossen die Parteien unter der Versicherungsscheinnummer FKA 11-… einen Versicherungsvertrag, der unter anderem auch eine „einfache Betriebsunterbrechungs-Versicherung“ beinhaltete. Versicherungsbeginn war der 1. Januar 2020.
In den zugehörigen Versicherungsbedingungen (Anlage K 2, AHK, AS 47 ff. – im Weiteren auch allgemein „AVB“ genannt), die den Stand „6/2015“ aufweisen, heißt es unter anderem:
„§ 1 Gegenstand der Versicherung, versicherte Gefahren
- Versicherungsumfang
Der Versicherer leistet Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – lfSG in der Fassung vom 20.07.2000) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Nr. 2)
- a) den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen schließt; Tätigkeitsverbote gegen sämtliche Betriebsangehörige eines Betriebes oder einer Betriebsstätte werden einer Betriebsschließung gleichgestellt;
…
- Meldepflichtige Krankheiten oder Krankheitserreger Meldepflichtige Krankheiten oder Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten oder Krankheitserreger:
- a) Krankheiten es folgt eine Aufzählung (von 19 Krankheiten), welche COVID-19 (und andere Coronavirus-Erkrankungen) nicht enthält und weder der ursprünglichen Gesetzesfassung des IfSG vom 20. Juli 2000 noch der vom 29. März 2013 bis zum 24. Juli 2017 geltenden Fassung entspricht b) Krankheitserreger es folgt eine Aufzählung (von 49 Krankheitserregern), welche SARS-CoV-2 (und andere Coronaviren) nicht enthält und weder der ursprünglichen Gesetzesfassung des IfSG vom 20. Juli 2000 noch der vom 29. März 2013 bis zum 24. Juli 2017 geltenden Fassung entspricht“
Vereinbart war eine Versicherung für maximal 30 Tage einer Betriebsschließung, wobei je Tag auf Basis des Sachversicherungswertes eine Versicherungssumme von 1.989,01 EUR vereinbart war. Wegen der Einzelheiten dieser Berechnung wird auf Aktenseite 10 f. verwiesen.
Infolge der Ausbreitung des SARS-CoV-2 Virus verfügte die Landesregierung Baden-Württemberg mit Wirkung zum 21. März 2020 durch Änderung der Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus SARS-Cov-2 (CoronaVO) unter anderem die Schließung von Gaststätten und ähnlichen Einrichtungen sowie von Beherbergungsbetrieben. Die Nutzung der letzteren blieb ausnahmsweise zu geschäftlichen Zwecken zulässig. Die Schließung wurde nach der entsprechenden Verordnung (vorläufig) bis zum 19. April 2020 befristet und dann schrittweise bis zum 28. Mai 2020 verlängert. In der Folge mussten auch das Hotel sowie die Gaststätte der Klägerin weitgehend geschlossen werden, wobei allerdings Übernachtungen im Rahmen von Geschäftsreisen o.ä. weiterhin möglich blieben (AS 9)
Am 21. März 2020 meldete die Klägerin der Beklagten den Eintritt eines Versicherungsfalls. Die Beklagte lehnte eine Zahlung ab und bot der Klägerin allenfalls unverbindlich 15 Prozent der nun streitgegenständlichen Summe im Vergleichswege an.
Die Klägerin macht nun die Versicherungssumme für 30 Kalendertage Betriebsschließung geltend.
Die Klägerin ist der Auffassung, ein Versicherungsfall in Form einer behördlichen Betriebsschließung aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten bei Menschen (IfSG) liege vor. Unter die meldepflichtigen Krankheiten nach § 1 Ziff. 2 a) der Versicherungsbedingungen der Betriebsschließungsversicherung falle auch COVID-19, selbst wenn diese Krankheit nicht ausdrücklich genannt sei. Es finde das Infektionsschutzgesetz in der Fassung Anwendung, die bei Eintritt des Schadensfalls gelte. Das SARS-CoV-2-Virus falle unter § 7 Abs. 2 IfSG. Da bereits nach der CoronaV/MeldeV vom 30.1.2020 eine Corona-Virus-Erkrankung meldepflichtig gewesen sei und die Maßnahmen der Landesregierung auf das IfSG gestützt gewesen seien, liege ein Versicherungsfall vor.
Wenn die Beklagte gewollt habe, dass nur bei einer Betriebsschließung wegen der unter § 1 Ziff. 2 a) der Vertragsbedingungen namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger der Versicherungsfall gegeben sein sollte, hätte sie in die Versicherungsbedingungen nicht die Verweisung auf § 6 und § 7 IfSG aufnehmen dürfen. Diesen Verweis könne ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs nur als dynamische Verweisung auf die jeweils geltende Fassung des Gesetzes verstehen. Dies gelte insbesondere, da ein strikter Verweis auf die ursprüngliche Fassung des Infektionsschutzgesetzes dazu führe, dass – streng genommen – ab dessen erster Änderung überhaupt keine Versicherungsfälle mehr eintreten könnten und dass es kaum sinnvoll erscheine, Versicherungsschutz zwar für eine Schließung wegen aus dem Gesetz gestrichener Erkrankungen zu gewähren, nicht aber für neu aufgenommene.
Auch handle es sich trotz der weiterhin möglichen Buchung von Zimmern für Geschäftsreisen o.ä. um eine faktische Betriebsschließung, da angesichts der bundesweiten Einschränkungen auch derartige Geschäftsreisen kaum mehr stattfanden.
Sie beantragt,
1.Die Beklagte zu verurteilen, an sie EUR 59.670,30 nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
2.Die Beklagte zu verurteilen, an sie vorprozessuale Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 1.644,40 zzgl. Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB aus diesem Betrag seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, angesichts der katalogmäßigen Auflistung einzelner Krankheiten und Krankheitserreger sei unzweideutig erkennbar, dass lediglich eine Betriebsschließung aufgrund eines Auftretens dieser Krankheiten oder Krankheitserreger zu einem Versicherungsfall führe. Die Beklagte habe bewusst keine Zusage für jedwede – bei Vertragsschluss noch nicht absehbare – Betriebsschließung aufgrund des IfSG geben wollen.
Im Übrigen unterfalle eine Betriebsschließung aufgrund einer Pandemie bereits nicht dem Zweck einer Betriebsausfallversicherung, da diese stets eine individuelle Betriebsschließung vor Augen habe.
Schließlich habe sich die Klägerin von Dritten erhaltene Mittel, namentlich aus öffentlich-rechtlichen Entschädigungsleistungen anrechnen zu lassen.
Wegen des weiteren Parteivortrags wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze verwiesen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet. Mangels Erwähnung von SARS-CoV-2 oder COVID-19 (bzw. allgemein von Coronaviren oder hierauf zurückzuführenden Erkrankungen) in der Auflistung der Versicherungsbedingungen liegt bereits kein Versicherungsfall vor.
I.
Die Klage es unbegründet, da die Gründe für die (teilweise) Betriebsschließung nicht von dem Versicherungsvertrag umfasst sind.
- Einem Anspruch stünde wohl allerdings nicht entgegen, dass die Schließung des Restaurants und die Untersagung der Aufnahme touristischer Gäste hinsichtlich des Hotels durch Rechtsverordnung des Landes angeordnet worden ist. Da § 1 Ziff. 1 der AVB allein fordert, dass „die zuständige Behörde […] den Betrieb […] schließt“, ohne konkreter auf die Form dieser Schließung einzugehen, ist nach den Bedingungen allein entscheidend, dass die Schließung – wie hier – für die Klägerin behördlich verpflichtend angeordnet worden ist. Ob die Anordnung der Schließung nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften rechtmäßig war und ob sie einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung standhalten würde, ist nicht entscheidend (ebenso LG Oldenburg, Urt. v. 14.10.2020 – 13 O 2068/20, LG München, Urt. v. 17.9.2020 -12 O 7208/20).
- Es fehlt vorliegend aber deshalb an einem Versicherungsfall, weil die durch das Corona-VirusSARS-CoV-2 ausgelöste Krankheit COVID-19 bzw. das Corona-Virus selbst nicht zu den meldepflichtigen Krankheiten und Erregern im Sinne der Bedingungen zählt.
- a) Ob die COVID-19-Erkrankung oder das Corona-Virus (SARS-CoV-2) eine Krankheit oder einen Erreger im Sinne der Bedingungen darstellt, ist anhand von § 1 Ziff. 2 AVB zu beurteilen. Danach sind meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen „die folgenden, im Infektionsgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger“. Diese Auflistung ist nach Auffassung der Kammer abschließend.
- aa) Der Sinngehalt allgemeiner Versicherungsbedingungen ist anhand der sogenannten objektiven Auslegung zu ermitteln (vgl. Bach-Geiger VersR 1993, 659, 660). Die Auslegung muss sich demnach daran ausrichten, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung und aufmerksamer Durchsicht der AVB den erkennbaren Sinnzusammenhang verstehen muss (st. Rspr., vgl. nur BGH, BGHZ 123, 83, 85). Da auf den durchschnittlichen Versicherungsnehmer abgestellt wird, dürfen keine versicherungsrechtlichen Spezialkenntnisse vorausgesetzt werden (BGH, NJW 1982, 2776, 2777), ebenso sind die historische Entwicklung oder der historische Hintergrund einer Klausel nicht zu berücksichtigen, denn diese sind dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer regelmäßig unbekannt (BGH, VersR 2000, 1090). Vielmehr ist zum Verständnis einer Klausel regelmäßig von deren Wortlaut ausgehen (BGH, NZV 1995, 107). Welche Bedeutung ein Begriff hat, richtet sich im Allgemeinen nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch (vgl. Bach/Geiger VersR 1993, 659, 660 m. w. N.).
- bb) Gemessen an diesen Vorgaben sind die verwendeten AVB dahingehend auszulegen, dass zwar grundsätzlich jegliche Betriebsschließung aufgrund des Infektionsschutzgesetzes in der jeweils geltenden Fassung einen Versicherungsfall begründen mag, dies aber dahingehend eingeschränkt wird, dass zusätzlich eine der explizit genannten Krankheiten oder einer der genannten Krankheitserreger Auslöser der Betriebsschließung sein muss.
(1) Ein durchschnittlicher, aufmerksam lesender Versicherungsnehmer wird bei verständiger Würdigung schon angesichts des Wortlauts, insbesondere der Verwendung des Wortes „folgende“ in § 1 Ziff. 2 AVB sowie der sich dann anschließenden umfangreichen Aufzählung davon ausgehen, dass allein die in den Bedingungen im Einzelnen namentlich aufgezählten Krankheiten und Erreger vom Versicherungsschutz erfasst sein sollen (so auch LG Ellwangen, Urt. V. 19.09.2020 – 3 O 187/20; LG Oldenburg, a.a.O.; OLG Hamm, Beschl. V. 15.07.2020 – 20 W 21/20; Lüttringhaus, r+s 2020, 250). Für eine abschließende Auflistung spricht zudem, dass in § 1 Ziff. 2 AVB keine Öffnungsklausel etwa in Form der Verwendung des Wortes „insbesondere“, „u.a.“ oder „beispielsweise“ enthalten ist (vgl. Günther, Anm. zum Beschl. des OLG Hamm v. 15.07.2020 – 20 W 21/20, FD-VersR2020, 431078). Aufgrund der konkreten Formulierung und der Stellung im Satzgefüge kann auch keinesfalls davon ausgegangen werden, dass das Wort „namentlich“ in § 1 Ziff. 2 AVB als Synonym für das Wort „insbesondere“ verwendet wurde. Vielmehr ergibt sich eindeutig, dass auf einzelne, im IFSG „mit ihrem Namen“ oder „konkret“ erwähnte Krankheiten oder Krankheitserreger abgestellt wird.
(2) Im Übrigen dürfte einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer auch einleuchten, dass sich der Versicherer mit der gewählten Formulierung nicht dahingehend binden wollte, dass er für jegliche künftig auftretenden Krankheiten und Krankheitserreger, die zu irgendeinem Zeitpunkt in das IfSG aufgenommen werden sollten, Zahlungsansprüche begründen wollte. Hierdurch würde der Versicherer – zwar auf die jeweilige Höchstdauer der Erstattungszahlungen begrenzte, aber dennoch kaum kalkulierbare – erhebliche Risiken eingehen, ohne auf eine Steigerung des Betriebsschließungsrisikos durch eine Erhöhung von Prämien reagieren zu können. Insbesondere der Wille, für im Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht erkennbare Pandemierisiken einstehen zu wollen, lässt sich den AVB nicht im Ansatz entnehmen.
- bb) Die Klausel ist nach Auffassung der Kammer auch nicht unangemessen benachteiligend oder intransparent im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB.
(1) Eine in der Sache unangemessene Benachteiligung gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB ist nicht zu erkennen.
Dass ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer davon ausgehen könnte, es bestünde für alle Zeiten ein umfassender Versicherungsschutz bei jeglichen Betriebsschließungen nach dem IfSG (so aber wohl LG München I, CoVuR 2020, 640, Rn. 86 ff.), erscheint kaum naheliegend. Auch ohne gesonderte juristische, medizinische oder versicherungsrechtliche Vorbildung dürfte einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer bereits aufgrund der Berichterstattung in den Medien in den letzten Jahrzehnten (etwa zu MERS, SARS, „Schweinegrippe“) bekannt sein, dass neuartige Krankheitserreger auftreten können, ebenso, dass diese zu größeren Krankheitswellen führen können. Vor diesem Hintergrund drängt sich jedem Leser der AVB auf, dass sowohl ein Verweis auf das IfSG zu einem bestimmten Stand (hier: Stand 20. Juli 2000), als auch die Angabe des Standes der AVB (hier Juni 2015) allenfalls die vollständige Abdeckung der damals in dem IfSG namentlich gelisteten Krankheiten und Krankheitserregern bedeuten könnte und keinesfalls die Einbeziehung damals womöglich noch nicht bekannter Krankheiten oder Krankheitserreger.
Da weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass die namentlich aufgeführten Krankheiten und Krankheitserreger gegenüber dem Stand 2000, dem Stand 2015 oder auch dem Stand 2019 des IfSG für den Versicherungsschutz relevante Lücken enthielten, ist eine Benachteiligung durch die enumerative Aufzählung nicht ersichtlich.
(2) Auch ein Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB vermag die Kammer nicht zu erkennen.
Nach dem Transparenzgebot ist der Verwender allgemeiner Versicherungsbedingungen gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass eine Klausel in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich ist. Vielmehr gebieten Treu und Glauben auch, dass sie die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen soweit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (BGH, NJW-RR 2008, 1123, 1125; BGH, NJW 2001, 2014). Dem Versicherungsnehmer soll bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vor Augen geführt werden, in welchem Umfang er Versicherungsschutz erlangt und welche Umstände seinen Versicherungsschutz gefährden (vgl. BGH, NJW 2018, 1544).
Wird der Versicherungsschutz durch eine Klausel eingeschränkt, so muss dem Versicherungsnehmer damit klar und deutlich vor Augen geführt werden, in welchem Umfang Versicherungsschutz trotz der Klausel besteht (BGH, r + s 2013, 601 Rn. 9; r + s 2013, 382 Rn. 40). Nur dann kann er die Entscheidung treffen, ob er den angebotenen Versicherungsschutz annimmt oder nicht (BGH, NJW 2017, 3711). Dabei gilt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass der durchschnittliche Versicherungsnehmer nicht mit Lücken im Versicherungsschutz zu rechnen braucht, ohne dass die Klausel ihm dies hinreichend verdeutlicht (BGH, NJW 2019, 2172).
Mithin sind Allgemeine Versicherungsbedingungen so zu gestalten, dass dem Versicherungsnehmer die leistungsbeschränkende Wirkung einer Klausel nicht erst nach intensiver Beschäftigung oder aufgrund ergänzender Auskünfte deutlich wird. Maßgebend sind auch hier die Verständnismöglichkeiten des typischerweise bei Verträgen der geregelten Art zu erwartenden Durchschnittskunden. Im Rahmen einer gewerblichen Versicherung ist daher auf den geschäftserfahrenen und gewerblich tätigen Unternehmer abzustellen (vgl. BGH, VersR 2011, 920).
Wie bereits dargelegt, konnte der durchschnittliche Versicherungsnehmer auch ohne die Klausel § 1 Ziff. 2 AVB nicht zwingend erwarten, einen umfassenden Schutz gegenüber jeglichen Betriebsschließungen aufgrund des IfSG in seiner jeweils geltenden Form zu erhalten, so dass die Einschränkung auf die namentlichen Krankheiten und Krankheitserreger nicht zu einer überraschenden Lücke im Versicherungsschutz führte. Insbesondere wurde der Versicherungsvertrag auch vor Beginn der COVID-19-Pandemie geschlossen (worin der maßgebliche Unterschied zu dem der Entscheidung LG München I, COVuR 2020, 640 zugrundeliegenden Sachverhalt bestehen dürfte), so dass die Klägerin nicht erwarten durfte, gerade die hierdurch drohenden Betriebsschließungen seien durch den Vertrag abgesichert.
Auch ist die in § 1 Ziff. 2 AVB konkret vorgenommene Beschränkung ist nicht unklar, weil sie einerseits auf die folgenden Krankheiten und Erreger verweist, andererseits aber auf das Infektionsschutzgesetz Bezug nimmt. Der gewollte Regelungsgehalt, dass allein die namentlich aufgezählten Krankheiten und Krankheitserreger versichert sind, ist für den verständigen Versicherungsnehmer eindeutig zu erkennen (so auch LG Oldenburg, a.a.O.; LG Ellwangen a.a.O.). Eine Auslegung dahingehend, dass die konkret benannten Krankheiten und Krankheitserreger nur dann versichert sein sollen, wenn sie auch (noch) im IfSG aufgeführt sind, erscheint demgegenüber fernliegend, so dass sie für einen verständigen Versicherungsnehmer nicht in Betracht kommen dürfte. Für den Versicherungsnehmer ist bei einfacher Lektüre der AVB ohne die Zuhilfenahme sonstiger weiterer Text klar, dass sämtliche der dort aufgelisteten Krankheiten und Erreger – aber auch nur diese – geeignet sind einen Versicherungsfall zu begründen.
- Auf die Frage, ob ein Leistungsanspruch auch im Falle einer Teilschließung besteht, kommt es vor diesem Hintergrund nicht mehr an. Ebenso wenig ist die Frage zu entscheiden, ob – wofür freilich wenig spricht – der Versicherungsschutz sich nur auf nicht pandemisch auftretende Erkrankungen beziehen soll.
- Da die Klägerin keinen Anspruch auf die Versicherungsleistung hat, steht ihr auch kein Anspruch auf Ersatz vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten oder auf Zinsen zu.
II.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.