Wann kaufe ich Haftung und wie kann ich als Makler unangenehme Überraschungen vermeiden?

von Dr. Robert Boels

Neu: Jetzt auch Haftung für unehrlich, unredlich und unprofessionell!

(Hamburg, den 08.10.2018) Der Versicherungsmakler ist seit dem 23.02.2018 auch nach § 1a VVG verpflichtet, bei der Beratung, der Vorbereitung, dem Abschluss sowie der Verwaltung und Erfüllung von Versicherungsverträgen stets ehrlich, redlich und professionell im bestmöglichen Interesse des Versicherungsnehmers zu handeln. Den Versicherungsmakler treffen nach §§ 59 Absätze 1 und 3, 60 und 61 VVG entsprechend ausgestaltete Beratungs- und Dokumentationspflichten. Verstößt der Versicherungsmakler gegen die Beratungs- und Dokumentationspflichten, ist er seinem Kunden auch aus § 280 BGB, § 63 VVG und neuerdings nach § 1a VVG zum Ersatz eines dadurch entstandenen Schadens verpflichtet. Die endgültige Verjährung für diese Ansprüche beträgt 10 Jahre, oder 3 Jahre nach Kenntnis.

Für den Versicherungsmakler, der seinen Kundenbestand verkaufen und übertragen will, stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage, ob und in welchem Umfang er nach der Veräußerung der Gesellschaftsanteile einschließlich des Gesamtbestandes („share deal“) oder nach der Veräußerung eines (Teil-) Bestandes („asset deal“) einer Nach-Haftung ausgesetzt ist und ob eine vielleicht sogar nicht versicherte Haftung für (Beratungs-) Fehler des Veräußerers beim Käufer entsteht?

Grundsätzlich sind Haftungsansprüche des Kunden gegen den Versicherungsmakler aus dem laufenden Betrieb durch die seit Mai 2007 vom Versicherungsmakler verpflichtend zu unterhaltenden Vermögensschadenhaftpflichtversicherung (VSH) gedeckt. Wird die VSH beendet, weil der Bestand verkauft und das Gewerbe insoweit nicht mehr ausgeübt wird, beginnt die als „Nachhaftung“ bezeichnete Nachmeldefrist. Die Nachhaftung stellt sicher, dass auch Ansprüche des Versicherungsnehmers aus Pflichtverletzungen des Versicherungsmaklers gedeckt sind, die erst nach dem Versicherungsablauf bekannt geworden sind und daraufhin geltend gemacht werden.

Je nachdem, wie der Bestand von dem verkaufenden Versicherungsmakler auf den Käufer übergehen soll, können Risiken insbesondere für den Käufer bestehen, die von der Nachhaftung eventuell nicht erfasst sind.

1) Share deal

Ist der Versicherungsmakler als juristische Person organisiert, können einfach die Anteile der Gesellschaft auf den Käufer übertragen werden. Mit den Anteilen gehen dann die Inhalte und Werte der Firma, also auch der Bestand auf den Käufer über. Zeitgleich übernimmt der Käufer die volle Haftung für alle Verbindlichkeiten aus der Vortätigkeit des Verkäufers. Die VSH der Gesellschaft tritt zwar nach wie vor für Pflichtverletzungen aus der Vortätigkeit ein. Allerdings richtet sich der jeweilige Versicherungsschutz nach dem Zeitpunkt der Pflichtverletzung. Daher besteht für den Käufer das Risiko, dass die Versicherungssumme zum damaligen Zeitpunkt nicht ausreichend hoch war oder die Versicherung im Fall einer wissentlichen oder vorsätzlichen Pflichtverletzung nicht eintritt. Soweit der Käufer eine neue VSH für die übernommene Gesellschaft abschließt, ist diese für Schäden aus Pflichtverletzungen vor der Übertragung der Anteile grundsätzlich nicht eintrittspflichtig. In Einzelfällen könnten VSH-Versicherer bereit sein, ihre Deckung, zumindest hinsichtlich des Risikos einer unzureichenden Versicherungssumme, bei entsprechender Erhöhung der Versicherungsprämie, zu erweitern oder eine Rückdeckung abzuschließen.

Wenn also Kunden nunmehr Schadenersatzansprüche geltend machen, weil der Vormakler nicht ehrlich, redlich oder professionell beraten hatte, so wäre ab dem 23.02.2018 dieser Schadenersatzanspruch auch noch zusätzlich vom Käufer und der VSH-Versicherung der Gesellschaft zu tragen, sodass sich das Risiko der Überschreitung der Versicherungssumme und Bewertung auch anderer Deckungslücken erhöht. Dies gilt es neuerdings bei der Vertragsgestaltung eines Unternehmenskaufs zu berücksichtigen!

2) Asset deal

Überträgt der Versicherungsmakler den gesamten Kunden-Bestand oder einen Teil des Bestandes durch einen asset deal, wird eine vollständige Haftungsübernahme des Käufers für Fehler des Vormaklers vermieden, da der Käufer den Vertrag mit dem Kunden lediglich fortsetzt. Für die Durchführung eines asset deals ist eine gute Vertragsdokumentation des veräußernden Versicherungsmaklers auch hinsichtlich bereits älterer Kunden-Verträge erforderlich. Denn es müssen für eine künftige Bearbeitung des Bestandes durch den Käufer die Rechte des Versicherungsmaklers aus den Verträgen, die den zu veräußernden Kunden-Bestand betreffen, einschließlich der den Kunden-Bestand selbst bildenden Einzelverträge mit den Kunden und dessen Vollmachten, nach §§ 398, 413 BGB auf den Käufer übertragen werden. Die Veräußerung des Kunden-Bestandes durch einen asset deal bedarf einer sehr engen rechtlichen Begleitung damit weder beim Kunden noch bei Dritten der Eindruck entsteht, der Kläger übernehme die gesamte Rechtsposition des Vormaklers oder erkläre  ungewollt „konkludent“ eine Haftungsübernahme für dessen Verhalten!

Darüber hinaus ist zur Einhaltung der Anforderungen der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und des anzupassenden Art. 20 Absatz 2 Datenschutzkodex des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft „Code of Conduct“ seit dem 25.05.2018 erforderlich, dass der veräußernde Versicherungsmakler rechtzeitig vor der Bestandskundenübertragung eine ausdrückliche Zustimmung der betroffenen Kunden zur Datenweitergabe an den Käufer einholt. Soll ein Bestand übertragen werden, dürfte es in der Praxis für den Versicherungsmakler schwierig sein, von unzählig vielen Kunden kurzfristig einen hohen Rücklauf an Einwilligungserklärungen zu erhalten. Eine Einwilligung zur Weitergabe der Daten zum Zwecke einer möglichen Bestandsübertragung sollte daher von den Kunden schon frühzeitig, z. B. mit Vertragsschluss des Maklervertrages oder bei laufenden Verträgen mit der zu unterzeichnenden Kenntnisnahme der Datenschutzerklärung eingeholt werden!

Auch wenn die Haftung für Pflichtverletzungen des (Vor-) Versicherungsmaklers aus der Zeit vor der Übertragung des Kunden-Bestandes beim Vormakler bzw. dessen VSH verbleibt, wird in der Praxis oft irrtümlich der Käufer in Anspruch genommen. Kommt es zu einem Rechtsstreit, ist nicht ausgeschlossen, dass das Gericht gelegentlich einen Schuldbeitritt, eine Schuldübernahme oder eine Rechtscheinhaftung annimmt und dem Kunden gegen den Käufer einen Zahlungsanspruch zuspricht. Diesen Schaden kann der Käufer dann auch nicht von seiner VSH ersetzt bekommen, da diese frühere Pflichtverletzungen des (Vor-) Versicherungsmaklers nicht umfasst. Daher bleiben dem Käufer in diesen Fällen nur die Streitverkündung im Prozess sowie der anschließende Regress bei dem hoffentlich solventen (Vor-) Versicherungsmakler und bei dessen VSH.

Zur Abwendung der Folgen des vorbezeichneten Risikos einer ungerechtfertigten Inanspruchnahme könnte der Käufer mit dem Versicherungsmakler vereinbaren, dass ein Teil des Kaufpreises auf einem Treuhandkonto als Sicherheit zur Begleichung etwaiger titulierter Ansprüche der Kunden zurückgehalten wird. Alternativ könnte es für den Käufer sinnvoll sein, seinen VSH-Vertrag um eine Subsidiär-Deckung hinsichtlich des erworbenen Bestandes zu erweitern. Der Vorteil einer Versicherungslösung wären die feststehenden Kosten, die bereits bei Vertragsschluss bei der Berechnung des Kaufpreises berücksichtigt werden könnten.

Fazit

Ungeachtet, ob der gesamte Bestand des Versicherungsmaklers im Wege des share deals oder ein (Teil-) Bestand im Wege des asset deals auf den Käufer übertragen werden soll, stellt sich regelmäßig die Frage der Werthaltigkeit der Verträge. Meist lässt sich die Höhe der abzutretenden Courtageansprüche gegen die Versicherungen gut berechnen oder bei umfangreichen Bestandsübertragungen auch das zu erwartende Neugeschäft gut schätzen.

Problematisch gestaltet sich oft die Berechnung von Abschlägen wegen vom Käufer übernommener oder diesem aufgebürdeter bekannter oder unbekannter Haftungsrisiken. Ist der veräußernde Versicherungsmakler bzw. der veräußernde Gesellschafter nicht bereit oder in der Lage, den Käufer bezüglich einer möglichen Inanspruchnahme durch den Kunden unter dem Maklervertrag wegen in der Vergangenheit begangener nicht hinreichend versicherter Pflichtverletzungen freizuhalten oder Sicherheiten zu stellen, wird sich der Käufer das zu übernehmende Risiko durch einen Preisabschlag zur Abdeckung des maximalen Risikos, „abkaufen“ lassen. Zur Einschätzung des Risikos wird sich der Käufer regelmäßig Abschriften des aktuellen VSH-Vertrages, aller Vorverträge sowie den Versicherungsverlauf jedenfalls für die letzten 5-10 Jahre vorlegen lassen. Bei divergierenden Risikoeinschätzungen und Preisvorstellungen sollten Sie in Betracht ziehen, zur Unterstützung der Vertragsverhandlungen ein Wertgutachten anfertigen zu lassen.

Achten Sie daher auf mögliche „unsichtbare“ Haftungsrisiken, die der Verkäufer gesetzt haben könnte, deren Realisierung aber „irgendwann“ noch aussteht. Sie wollen sich doch nicht nur Haftung einkaufen?!