Abgewiesen
Landgericht Essen
Urteil vom 21.10.2020
Aktenzeichen: 18 O 167/20

Stichwörter: abschließende Aufzählung, namentliche Benennung

Urteil

Tatbestand

Der Kl. begehrt Leistungen aus einer Betriebsschließungsversicherung.

Die Parteien sind seit dem 10.10.2018 über einen Betriebsschließungsversicherungsvertrag verbunden. Im Rahmen dieser Versicherung ist die Kl. u.a. gegen eine Schließung ihres Cafés versichert, wobei ein Schließungsschaden von 500 € täglich für 30 Schließungstage sowie ein Warenschaden von 10.000 € vereinbart wurden.

In § 1 Nr. 1 a AVB der Bekl. (BSV 09) heißt es:

„Der Versicherer leistet Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des […] (lnfektionsschutzgesetz – IfSG) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Nr. 2) den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen schließt; Tätigkeitsverbote gegen sämtliche Betriebsangehörige eines Betriebs oder einer Betriebsstätte werden einer Betriebsschließung gleichgestellt.“

  • 1 Nr. 2 BSV 09 lautet:

Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die folgenden, im lnfektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger:

  1. a) Krankheiten

[…]

  1. b) Krankheitserreger

– […]“

Weder die Coronavirus-Krankheit (COVID-19) noch der Krankheitserreger Severe- Acute-Respi ratory-Syndrome-Coronavirus-2 (SARS-CoV-2) werden in den Versicherungsbedingungen genannt. § 4 Nr. 4 BSV 09 enthält einen Ausschluss für Schäden infolge von Prionenerkrankungen (z.B. BSE).

In § 11 Nr. 1 BSV 09 ist geregelt, dass der Versicherer im Fall einer Schließung den Schaden in Höhe der vereinbarten Tagesentschädigung für jeden Tag der Betriebsschließung bis zur vereinbarten Dauer ersetzt, jedoch Tage, an denen der Betrieb auch ohne die behördliche Schließung geschlossen worden wäre, nicht als Schließungstage zählen.

Am 18.3.2020 erließ der Bürgermeister der Stadt H. eine Allgemeinverfügung „über das Verbot von öffentlichen Veranstaltungen und über weitere kontaktreduzierende Maßnahmen zur Eindämmung der Verbreitung des Corona-Virus SARS-CoV-2“, die in Nr. 9 a u.a. beinhaltete, dass alle Cafés zu schließen sind. Nr. 10 der Allgemeinverfügung sah einen beschränkten Zugang unter Auflagen u.a. für Restaurants und Speisegaststätten vor

Mit Schreiben vom 20.3.2020 forderte die Kl. die Bekl. zur Auszahlung der Schließungsentschädigung i.H.v. 15.000 € auf. Im Anschluss folgte Korrespondenz der Parteien hinsichtlich einer möglichen gütlichen Einigung, die jedoch erfolglos blieb.

Die Kl. behauptet, das Café habe aufgrund der Allgemeinverfügung vom 18.3.2020 bis Mitte Mai 2020 vollständig schließen müssen. Auch ein Außerhausverkauf sei weder möglich noch erlaubt gewesen. Kurzarbeitergeld habe sie nicht erhalten.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe

Die Kl. hat keinen Anspruch gegen die Bekl. auf Zahlung von 15.000 € gem. § 1 S. 1 VVG in Verbindung mit dem zwischen den Parteien bestehenden Betriebsschließungsversicherungsvertrag.

Zwar haben die Parteien einen wirksamen Betriebsschließungsversicherungsvertrag i.S.d. § 1 S. 1 VVG geschlossen. Es ist jedoch kein Versicherungsfall eingetreten. Es kann dahinstehen, ob eine betriebsinterne Gefahr vorliegen muss oder die Allgemeinverfügung der Stadt H. wirksam war. Eine Betriebsschließung wegen der Coronavirus-Krankheit (COVID-19) bzw. des Krankheitserregers Severe-Acute-Respiratory-Syndrome-Coronavirus-2 (SARS-CoV-2) ist nicht vom Versicherungsschutz der streitgegenständlichen Betriebsschließungsversicherung umfasst, denn die Klausel in § 1 Nr. 2 BSV 09 ist nach Auffassung der Kammer wirksam und stellt eine abschließende Aufzählung der versicherten Krankheiten und Krankheitserreger dar.

  1. a) Eine Auslegung der maßgeblichen Versicherungsbedingungen der Bekl., insbesondere § 1 Nr. 2 BSV 09, ergibt, dass eine Betriebsschließung wegen der Coronavirus-Krankheit (COVID-19) bzw. des Krankheitserregers Severe-Acute-Respiratory-Syndrome-Coronavirus-2 (SARS-CoV-2) nicht vom Versicherungsschutz der streitgegenständlichen Betriebsschließungsversicherung umfasst ist.

Bei der Auslegung von Versicherungsverträgen und -bedingungen ist vom Verständnis eines durchschnittlichen VN auszugehen, der ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse die Versicherungsbedingungen aufmerksam liest und dabei die Interessen der Beteiligten und den erkennbaren Sinnzusammenhang berücksichtigt (vgl. Armbrüster in Prölss/Martin, VVG, 30. Aufl. 2018, Einleitung Rz. 116). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist § 1 Nr. 2 BSV 09 dahin gehend auszulegen, dass die dortige Aufzählung von Krankheiten und Krankheitserregern abschließend ist.

Dafür spricht bereits der Wortlaut der Klausel. Die Formulierung unterscheidet sich zwar etwas von dem bereits vom OLG Hamm entschiedenen Fall (vgl. OLG Hamm v. 15.7.2020 – 1-20 W 21/20; LG Essen v. 16.6.2020 – 18 0 150/20), in der die Formulierung „nur die im Folgenden aufgeführten (vgl. §§ 6 und 7 IfSG) Krankheiten und Krankheitserreger“ gewählt wurde. In diesem Fall hat das OLG Hamm entschieden, dass für den VN deutlich werde, dass der Versicherer nur für die benannten, vom Versicherer einschätzbaren Risiken einstehen will und keinen Versicherungsschutz für eine spätere Erweiterung des Gesetzes gewähren möchte. Durch den Begriff „nur“ wurde eindeutig eine abschließende Aufzählung gewählt.

Doch auch in dem nun vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass ebenfalls nur die aufgezählten Krankheiten und Krankheitserreger vom Versicherungsschutz umfasst sein sollten. Es wird verwiesen auf die „folgenden … namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger“, so dass klar wird, dass es sich nicht um eine beispielhafte Aufzählung handelt, die üblicherweise durch Begriffe wie „insbesondere“ oder „beispielsweise“ eingeleitet wird. Der Begriff „namentlich“ stellt hier auch kein Synonym für den Begriff „insbesondere“ dar. Vielmehr bedeutet er in diesem Zusammenhang, dass dann die maßgeblichen Krankheiten und Krankheitserreger mit ihrem Namen benannt werden. Durch den Bezug auf §§ 6 und 7 IfSG wird deutlich, dass die aufgelisteten Krankheiten und Krankheitserreger zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses im IfSG genannt waren, da die Betriebsschließung aufgrund des Infektionsschutzgesetzes versichert ist (vgl. § 1 Nr. 1 BSV 09). Aus der Systematik lässt sich jedoch entnehmen, dass die noch weite Formulierung in § 1 Nr. 1 „aufgrund des […] Infektionsschutzgesetzes“ eindeutig durch § 1 Nr. 2 eingeschränkt wird, da durch den Zusatz „siehe Nr. 2“ eine ausdrückliche Bezugnahme enthalten ist. Insbesondere durch den Begriff der „folgenden“ Krankheiten und Krankheitserreger ist für den VN klar erkennbar, dass nur die dann im Folgenden aufgezählten Krankheiten und Krankheitserreger versichert werden sollten und auch nicht etwa im Sinne einer statischen Verweisung alle zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses in den §§ 6 und 7 des IfSG namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger. Erst recht liegen aufgrund der gewählten Formulierung keine Anhaltspunkte für eine dynamische Verweisung dergestalt vor, dass auch nach Vertragsschluss neu aufgetretene Krankheiten und Krankheitserreger vom Versicherungsschutz umfasst werden sollten, von denen weder der VN noch der Versicherer zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Kenntnis hatten. Das Coronavirus (COVID-19) wurde nämlich erst zum 23.5.2020 in § 6 Abs. 1 Nr. 1 t des IfSG aufgenommen, Ferner enthält § 1 Nr. 2 BSV 09 keinen Auffangtatbestand wie § 6 Nr. 5 IfSG, sondern listet tatsächlich lediglich konkret bezeichnete Krankheiten und Krankheitserreger auf. Auch der in § 4 Nr. 4 BSV 09 aufgenommene Ausschluss des Versicherungsschutzes für Schäden infolge von Prionenerkrankungen (z.B. BSE) spricht nicht dafür, dass alle sonstigen nicht ausdrücklich ausgeschlossenen Krankheiten bzw. Krankheitserreger mit versichert sein sollten, welche zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch völlig unbekannt waren.

Etwas anderes könnte gelten, wenn eine eigene Aufzählung in den Versicherungsbedingungen fehlt und nur ein Verweis auf die Aufzählung im Infektionsschutzgesetz vorgenommen wird, ohne dies zeitlich oder vom Umfang her einzuschränken. Dies ist hier jedoch nicht der Fall.

Des Weiteren müsste ein verständiger VN nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift berücksichtigen, dass Versicherer auch im Hinblick auf die Höhe der Prämien und der Versicherungssummen eine Risikoanalyse vornehmen und es ihnen dabei möglich sein muss, nicht alle bestehenden und eventuell zukünftig auftretenden Risiken zu versichern.

Ferner hält § 1 Nr. 2 der BSV 09 einer AGB-rechtlichen Kontrolle stand. Es handelt sich bei den Versicherungsbedingungen der Bekl. um AGB i.S.v. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB. Sie wurden gem. §§ 305 Abs. 2310 Abs. 3 BGB auch wirksam in den Versicherungsvertrag einbezogen. Außerdem liegt keine unangemessene Benachteiligung der Kl. i.S.v. § 307 Abs. 1 und 2 BGB vor.

Die Klausel verstößt insbesondere nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB (entgegen LG München v. 1.10.2020 – 12 O 5895/20).

Nach dieser Vorschrift kann sich eine unangemessene Benachteiligung daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Dies ist hier nicht der Fall. Eine Auslegung der Klausel ergibt für den VN hinreichend deutlich, welche Krankheiten und Krankheitserreger vom Versicherungsschutz umfasst sind, da diese abschließend in § 1 Nr. 2 der BSV 09 aufgezählt wurden (s.o.). Die Kl. brauchte die Versicherungsbedingungen nur aufmerksam zu lesen, um Kenntnis darüber zu erlangen, welche Krankheiten und Krankheitserreger versichert werden sollten und musste diese Aufzählung nicht etwa mit dem Infektionsschutzgesetz vergleichen, da die Information in den Versicherungsbedingungen ausreichend war. Nach den obigen Ausführungen ist der Umfang des Versicherungsschutzes für den VN hinreichend erkennbar.

Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner weiteren Klärung, in welchem Umfang die Bekl. zur Zahlung einer Entschädigung in Bezug auf den Vertrag verpflichtet wäre.

Neu: Jetzt auch Haftung für unehrlich, unredlich und unprofessionell!

Der Versicherungsmakler ist seit dem 23.02.2018 auch nach § 1a VVG verpflichtet, bei der Beratung, der Vorbereitung, dem Abschluss sowie der Verwaltung und Erfüllung von Versicherungsverträgen stets ehrlich, redlich und professionell im bestmöglichen Interesse des Versicherungsnehmers zu handeln. Den Versicherungsmakler treffen nach §§ 59 Absätze 1 und 3, 60 und 61 VVG entsprechend ausgestaltete Beratungs- und Dokumentationspflichten. Verstößt der Versicherungsmakler gegen die Beratungs- und Dokumentationspflichten, ist er seinem Kunden auch aus § 280 BGB, § 63 VVG und neuerdings nach § 1a VVG zum Ersatz eines dadurch entstandenen Schadens verpflichtet. Die endgültige Verjährung für diese Ansprüche beträgt 10 Jahre, oder 3 Jahre nach Kenntnis.

Für den Versicherungsmakler, der seinen Kundenbestand verkaufen und übertragen will, stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage, ob und in welchem Umfang er nach der Veräußerung der Gesellschaftsanteile einschließlich des Gesamtbestandes („share deal“) oder nach der Veräußerung eines (Teil-) Bestandes („asset deal“) einer Nach-Haftung ausgesetzt ist und ob eine vielleicht sogar nicht versicherte Haftung für (Beratungs-) Fehler des Veräußerers beim Käufer entsteht?

Grundsätzlich sind Haftungsansprüche des Kunden gegen den Versicherungsmakler aus dem laufenden Betrieb durch die seit Mai 2007 vom Versicherungsmakler verpflichtend zu unterhaltenden Vermögensschadenhaftpflichtversicherung (VSH) gedeckt. Wird die VSH beendet, weil der Bestand verkauft und das Gewerbe insoweit nicht mehr ausgeübt wird, beginnt die als „Nachhaftung“ bezeichnete Nachmeldefrist. Die Nachhaftung stellt sicher, dass auch Ansprüche des Versicherungsnehmers aus Pflichtverletzungen des Versicherungsmaklers gedeckt sind, die erst nach dem Versicherungsablauf bekannt geworden sind und daraufhin geltend gemacht werden.

Je nachdem, wie der Bestand von dem verkaufenden Versicherungsmakler auf den Käufer übergehen soll, können Risiken insbesondere für den Käufer bestehen, die von der Nachhaftung eventuell nicht erfasst sind.

1) Share deal

Ist der Versicherungsmakler als juristische Person organisiert, können einfach die Anteile der Gesellschaft auf den Käufer übertragen werden. Mit den Anteilen gehen dann die Inhalte und Werte der Firma, also auch der Bestand auf den Käufer über. Zeitgleich übernimmt der Käufer die volle Haftung für alle Verbindlichkeiten aus der Vortätigkeit des Verkäufers. Die VSH der Gesellschaft tritt zwar nach wie vor für Pflichtverletzungen aus der Vortätigkeit ein. Allerdings richtet sich der jeweilige Versicherungsschutz nach dem Zeitpunkt der Pflichtverletzung. Daher besteht für den Käufer das Risiko, dass die Versicherungssumme zum damaligen Zeitpunkt nicht ausreichend hoch war oder die Versicherung im Fall einer wissentlichen oder vorsätzlichen Pflichtverletzung nicht eintritt. Soweit der Käufer eine neue VSH für die übernommene Gesellschaft abschließt, ist diese für Schäden aus Pflichtverletzungen vor der Übertragung der Anteile grundsätzlich nicht eintrittspflichtig. In Einzelfällen könnten VSH-Versicherer bereit sein, ihre Deckung, zumindest hinsichtlich des Risikos einer unzureichenden Versicherungssumme, bei entsprechender Erhöhung der Versicherungsprämie, zu erweitern oder eine Rückdeckung abzuschließen.

Wenn also Kunden nunmehr Schadenersatzansprüche geltend machen, weil der Vormakler nicht ehrlich, redlich oder professionell beraten hatte, so wäre ab dem 23.02.2018 dieser Schadenersatzanspruch auch noch zusätzlich vom Käufer und der VSH-Versicherung der Gesellschaft zu tragen, sodass sich das Risiko der Überschreitung der Versicherungssumme und Bewertung auch anderer Deckungslücken erhöht. Dies gilt es neuerdings bei der Vertragsgestaltung eines Unternehmenskaufs zu berücksichtigen!

2) Asset deal

Überträgt der Versicherungsmakler den gesamten Kunden-Bestand oder einen Teil des Bestandes durch einen asset deal, wird eine vollständige Haftungsübernahme des Käufers für Fehler des Vormaklers vermieden, da der Käufer den Vertrag mit dem Kunden lediglich fortsetzt. Für die Durchführung eines asset deals ist eine gute Vertragsdokumentation des veräußernden Versicherungsmaklers auch hinsichtlich bereits älterer Kunden-Verträge erforderlich. Denn es müssen für eine künftige Bearbeitung des Bestandes durch den Käufer die Rechte des Versicherungsmaklers aus den Verträgen, die den zu veräußernden Kunden-Bestand betreffen, einschließlich der den Kunden-Bestand selbst bildenden Einzelverträge mit den Kunden und dessen Vollmachten, nach §§ 398, 413 BGB auf den Käufer übertragen werden. Die Veräußerung des Kunden-Bestandes durch einen asset deal bedarf einer sehr engen rechtlichen Begleitung damit weder beim Kunden noch bei Dritten der Eindruck entsteht, der Kläger übernehme die gesamte Rechtsposition des Vormaklers oder erkläre  ungewollt „konkludent“ eine Haftungsübernahme für dessen Verhalten!

Darüber hinaus ist zur Einhaltung der Anforderungen der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und des anzupassenden Art. 20 Absatz 2 Datenschutzkodex des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft „Code of Conduct“ seit dem 25.05.2018 erforderlich, dass der veräußernde Versicherungsmakler rechtzeitig vor der Bestandskundenübertragung eine ausdrückliche Zustimmung der betroffenen Kunden zur Datenweitergabe an den Käufer einholt. Soll ein Bestand übertragen werden, dürfte es in der Praxis für den Versicherungsmakler schwierig sein, von unzählig vielen Kunden kurzfristig einen hohen Rücklauf an Einwilligungserklärungen zu erhalten. Eine Einwilligung zur Weitergabe der Daten zum Zwecke einer möglichen Bestandsübertragung sollte daher von den Kunden schon frühzeitig, z. B. mit Vertragsschluss des Maklervertrages oder bei laufenden Verträgen mit der zu unterzeichnenden Kenntnisnahme der Datenschutzerklärung eingeholt werden!

Auch wenn die Haftung für Pflichtverletzungen des (Vor-) Versicherungsmaklers aus der Zeit vor der Übertragung des Kunden-Bestandes beim Vormakler bzw. dessen VSH verbleibt, wird in der Praxis oft irrtümlich der Käufer in Anspruch genommen. Kommt es zu einem Rechtsstreit, ist nicht ausgeschlossen, dass das Gericht gelegentlich einen Schuldbeitritt, eine Schuldübernahme oder eine Rechtscheinhaftung annimmt und dem Kunden gegen den Käufer einen Zahlungsanspruch zuspricht. Diesen Schaden kann der Käufer dann auch nicht von seiner VSH ersetzt bekommen, da diese frühere Pflichtverletzungen des (Vor-) Versicherungsmaklers nicht umfasst. Daher bleiben dem Käufer in diesen Fällen nur die Streitverkündung im Prozess sowie der anschließende Regress bei dem hoffentlich solventen (Vor-) Versicherungsmakler und bei dessen VSH.

Zur Abwendung der Folgen des vorbezeichneten Risikos einer ungerechtfertigten Inanspruchnahme könnte der Käufer mit dem Versicherungsmakler vereinbaren, dass ein Teil des Kaufpreises auf einem Treuhandkonto als Sicherheit zur Begleichung etwaiger titulierter Ansprüche der Kunden zurückgehalten wird. Alternativ könnte es für den Käufer sinnvoll sein, seinen VSH-Vertrag um eine Subsidiär-Deckung hinsichtlich des erworbenen Bestandes zu erweitern. Der Vorteil einer Versicherungslösung wären die feststehenden Kosten, die bereits bei Vertragsschluss bei der Berechnung des Kaufpreises berücksichtigt werden könnten.

Fazit

Ungeachtet, ob der gesamte Bestand des Versicherungsmaklers im Wege des share deals oder ein (Teil-) Bestand im Wege des asset deals auf den Käufer übertragen werden soll, stellt sich regelmäßig die Frage der Werthaltigkeit der Verträge. Meist lässt sich die Höhe der abzutretenden Courtageansprüche gegen die Versicherungen gut berechnen oder bei umfangreichen Bestandsübertragungen auch das zu erwartende Neugeschäft gut schätzen.

Problematisch gestaltet sich oft die Berechnung von Abschlägen wegen vom Käufer übernommener oder diesem aufgebürdeter bekannter oder unbekannter Haftungsrisiken. Ist der veräußernde Versicherungsmakler bzw. der veräußernde Gesellschafter nicht bereit oder in der Lage, den Käufer bezüglich einer möglichen Inanspruchnahme durch den Kunden unter dem Maklervertrag wegen in der Vergangenheit begangener nicht hinreichend versicherter Pflichtverletzungen freizuhalten oder Sicherheiten zu stellen, wird sich der Käufer das zu übernehmende Risiko durch einen Preisabschlag zur Abdeckung des maximalen Risikos, „abkaufen“ lassen. Zur Einschätzung des Risikos wird sich der Käufer regelmäßig Abschriften des aktuellen VSH-Vertrages, aller Vorverträge sowie den Versicherungsverlauf jedenfalls für die letzten 5-10 Jahre vorlegen lassen. Bei divergierenden Risikoeinschätzungen und Preisvorstellungen sollten Sie in Betracht ziehen, zur Unterstützung der Vertragsverhandlungen ein Wertgutachten anfertigen zu lassen.

Achten Sie daher auf mögliche „unsichtbare“ Haftungsrisiken, die der Verkäufer gesetzt haben könnte, deren Realisierung aber „irgendwann“ noch aussteht. Sie wollen sich doch nicht nur Haftung einkaufen?!