Zusprechend
Gericht:
LG Verden 8. Zivilkammer
Datum: 16.12.2020
Aktenzeichen: 8 O 102/20

ECLI: ECLI:DE:LGVERDN:2020:1216.8O102.20.00
Dokumenttyp: Urteil

Quelle:
Zitiervorschlag: LG Verden, Urteil vom 16. Dezember 2020 – 8 O 102/20 –, juris

Tenor

Es wird festgestellt, dass die Beklagte dem Grunde nach verpflichtet ist, an die Klägerin bedingungsgemäße Leistungen aus der Betriebsschließungsversicherung SV 92383703 wegen der Schließung des Restaurantbetriebes der Klägerin „B.“ in M. aufgrund der Verordnung des Landes Schleswig-Holstein und der Allgemeinverfügung des Kreises Ostholstein, jeweils vom 17. März 2020, mit Wirkung ab 18. März 2020 zu erbringen, und zwar für die Zeit der Schließung vom 18. März 2020 für den Haftzeitraum von 30 Tagen gemäß Ziffer 8.1 Abs. 2 BBSG 12.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Ansprüche aus einer Betriebsschließungsversicherung.

Zwischen den Parteien des Rechtsstreits besteht eine Betriebsschließungs-Pauschalversicherung. Der Versicherungsschein, zuletzt ausgefertigt am 24. Januar 2019 (siehe Bl. 17 ff.d.A.), führt auf Seite 4 aus: „Versicherte Schäden: Schäden infolge Schließung, Desinfektion und Tätigkeitsverboten; Schäden an Vorräten und Waren sowie Ermittlungs- und Beobachtungsmaßnahmen“. Die Versicherungssumme beläuft sich auf 500.000 €.

Versicherungsort ist das von der Klägerin betriebene Restaurant „B.“ in M., Schleswig- Holstein. Vertragsgrundlagen sind neben dem Versicherungsschein die Bedingungen für die Betriebsschließungs-Pauschalversicherung Gewerbe (BBSG 12) sowie die verbundenen Bedingungen für die Inhaltsversicherung Gewerbe (VBIG 12). In der Kundeninformation für die Betriebsschließungs-Pauschalversicherung Gewerbe heißt es unter Ziffer 2:

„Die Versicherung bietet Schutz vor den finanziellen Folgen von behördlichen Anordnungen, die durch das Infektionsschutzgesetz bedingt sind.“

Sodann erfolgt ein Verweis auf die vorgenannten Versicherungsbedingungen; Ziffer 3 der BBSG 12 lautet u.a. wie folgt:

„3 Versicherte Gefahren und Schäden
3.1 Behördliche Anordnungen zu Schließung, Desinfektion und Tätigkeitsverboten
Der Versicherer leistet bis zu den in Ziffer 9 genannten Entschädigungsgrenzen Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Infektionsschutzgesetzes beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Ziffer 3.4)
3.1.1 den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen nach Ziffer 3.4 ganz oder teilweise schließt; Tätigkeitsverbote gegen sämtliche Betriebsangehörige eines Betriebs oder einer Betriebsstätte werden einer Betriebsschließung gleichgestellt (Schließung) …
3.4 Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger
Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger, ausgenommen sind jedoch humane spongiforme Enzephalopathien nach § 6 (1) 1.d) IfSG. …“

Nach Ziffer 8.1 BBSG gilt als Haftzeit ein Zeitraum von 30 Tagen. Nach dieser Bedingung ersetzt der Versicherer im Fall einer Schließung nach Ziffer 3.1.1 BBSG den entgehenden Gewinn aus dem Umsatz der hergestellten Erzeugnisse, der gehandelten Waren und der Dienstleistung sowie die fortlaufenden Kosten bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Schließung wieder aufgehoben wird, höchstens bis zum Ablauf der vereinbarten Haftzeit. Auf Seite 4, 5 der BBSG ist in einem Anhang ein Auszug aus dem Infektionsschutzgesetz, nämlich zu den §§ 6, 7, 25, 29 und 42 dargestellt. Wegen der weiteren Einzelheiten der Versicherungsbedingungen BBSG 12 wird auf Bl. 41 ff. d.A. Bezug genommen.

Das Land Schleswig-Holstein hat mit der Landesverordnung über Maßnahmen zur Bekämpfung der Ausbreitung des neuartigen Corona-Virus SARS-CoV-2 in Schleswig-Holstein am 17. März 2020 unter § 3 angeordnet, dass Gaststätten im Sinne des § 1 Gaststättengesetz zu schließen sind. Leistungen im Rahmen eines Außer-Haus-Verkaufs für den täglichen Bedarf dürfen nach telefonischer oder elektronischer Bestellung erbracht werden. Die Verordnung ist am 18. März 2020 in Kraft und am 19. April 2020 außer Kraft getreten. Die Schließungsanordnung ist mit weiteren Verordnungen verlängert worden.

Die Klägerin meldete der Beklagten am 19. März 2020 die Betriebsschließung und bezifferte ihren Schaden vorläufig auf 82.000,00 €. Die Beklagte lehnte eine Eintrittspflicht mit Schreiben vom 8. April 2020 (Bl. 12 d.A.) mit der Begründung ab, die Allgemeinverfügungen der Bundesländer oder Kreise würden sich pauschal gegen alle Betriebe einer Region richten und diese Schließungen hätten präventiven Charakter. Es fehle an einer individuellen Anordnung der Betriebsschließung. Wegen der ungeklärten Rechtslage unterbreitete die Beklagte einen Vergleichsvorschlag auf Basis der Zahlung von 6.250,00 €, den die Klägerin ablehnte.

Die Klägerin forderte die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 16. April 2020 auf, binnen einer Frist von 10 Tagen dem Grunde nach zu erklären, dass der eingetretene Schaden ausgeglichen werde. Der vorläufige Schaden wurde auf 82.000,00 € beziffert.

Die Beklagte wiederholte ihre Leistungsablehnung mit weiterem Schreiben vom 17. April 2020.

Die Klägerin ist der Ansicht, auch die Schließung ihres Gastronomiebetriebes durch die Allgemeinverfügung bzw. die Verordnung des Landes Schleswig-Holstein sei von dem Versicherungsvertrag erfasst. Es würden dieselben Auswirkungen vorliegen wie bei einer individuell angeordneten Betriebsschließung. Anhaltspunkte für die Unwirksamkeit der rechtlichen Verordnung bestünden nicht. Die Auslegung der BBSG i.V.m. dem Versicherungsvertrag ergebe, dass es sich um eine Rund-um-Versicherung handele. Der Verweis auf die §§ 6, 7 IfSG sei dynamisch und nicht statisch zu verstehen, denn es bestehe Versicherungsschutz für alle unter das Infektionsschutzgesetz fallenden meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger, auch wenn diese erst nachträglich in das Gesetz aufgenommen würden. Dies gelte insbesondere auch wegen der Generalklausel in § 6 Abs. 1 Nr. 5 IfSG. Eine andere Art der Auslegung würde zu einem Widerspruch zwischen dem umfassend formulierten Versicherungsschutz, wie er sich auch aus den Überschriften der BBSG und der Kundeninformation ergebe, führen. Eine derartige unklare, überraschende und missverständliche Klausel gehe zu Lasten des Verwenders. Etwaige öffent lich-rechtliche Ansprüche der Klägerin gegen das Land Schleswig-Holstein würden nicht bestehen.

Die Klägerin beantragt,

1. – wie erkannt -,

2. die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Verzugskosten in Höhe von 887,03 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 26. Mai 2020 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, die Feststellungsklage sei bereits unzulässig.

Die Beklagte ist der Ansicht, es bestehe kein Versicherungsschutz. Nach Ziffer 3.4 BBSG werde eindeutig nur auf die „namentlich genannten Krankheiten bzw. Krankheitserreger“ verwiesen. SARS CoV 2 sei am 18. März 2020 nicht namentlich genannt gewesen und bei dem Erreger MERS-CoV handele es sich um einen anderen Erreger. Da in der vorgenannten Klausel eine bestimmte im Infektionsschutzgesetz namentlich genannte Krankheit ausdrücklich ausgeschlossen sei, sei erkennbar, dass es keine dynamische Verweisung auf die jeweilige Fassung des IfSG sei. Die Beklagte bestreitet eine wirksame behördliche Anordnung und ist der Auffassung, dass die Rechtmäßigkeit der Verordnung inzident zu prüfen sei, um einen Versicherungsschutz auszulösen. Zudem sei eine präventive Schließung – wie hier – nicht erfasst, sondern nur eine Schließung aufgrund einer betriebsinternen Gefahr versichert. Es liege auch keine Betriebsschließung vor, sondern nur eine Betriebseinschränkung und auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise käme es nicht an. Die Klägerin müsse sich etwaige Ansprüche gegen den Staat wegen eines enteignenden Eingriffs nach Ziffer 12 BBSG sowie Ansprüche auf Kurzarbeitergeld, Soforthilfen etc. nach § 82 VVG anrechnen lassen.

Wegen der weiteren umfangreichen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Feststellungsklage ist zulässig und begründet. Der Antrag zu 2) ist unbegründet.

I.

Die Feststellungsklage ist zulässig.

Ausnahmsweise ist die Klägerin nicht auf den sogenannten Vorrang der Leistungsklage zu verweisen. Nicht zumutbar ist die Beachtung des Vorrangs der Leistungsklage nämlich, wenn der Kläger seinen Anspruch noch nicht oder nicht ohne Durchführung einer aufwändigen Begutachtung beziffern kann. Befindet sich der anspruchsbegründende Sachverhalt zur Zeit der Klageerhebung noch in der Fortentwicklung, so ist die Feststellungsklage insgesamt zulässig, auch wenn der Anspruch noch teilweise beziffert werden könnte (vgl. dazu Zöller/Greger, § 256 Rdnr. 7a m.w.N.).

Das Steuerjahr 2020 ist unstreitig nicht abgeschlossen. Bereits jetzt zeichnet sich ein Streit der Parteien auch darüber ab, wie der nach den Versicherungsbedingungen benannte entgangene Gewinn zu berechnen ist. Auch nach dem Vortrag der Beklagten ist ein Schaden der Klägerin, soweit es sich um einen bedingungsgemäßen Versicherungsfall handelt, nicht auszuschließen, z.B. in Form von nicht einsparbaren Kosten. Es ist aus Sicht der Kammer der Klägerin nicht zuzumuten, zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine Leistungsklage mit offensichtlich unvollständigen Daten zu erheben. Angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung des Rechtsstreits für die Klägerin ist es ihr auch nicht zuzumuten, die Fortentwicklung des Schadens vollständig abzuwarten, um nach einer aufwändigen Begutachtung und Inanspruchnahme fachlicher Hilfe einen Schaden zu beziffern. Aus diesen Gründen ist ausnahmsweise der Vorrang der Leistungsklage zurückzustellen.

Zwischen den Parteien besteht ein gegenwärtiges Rechtverhältnis, das – wie bereits ausgeführt – auch nach dem Vortrag der Beklagten zu einem Schaden führen kann. Das Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO ist allein deshalb zu bejahen, weil die Be klagte außergerichtlich ihre Einstandspflicht mehrfach ernsthaft und endgültig abgelehnt hat.

II.

Die Feststellungsklage ist auch begründet. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Leistungen nach dem Versicherungsvertrag i.V.m. Ziffer 1, 3 BBSG dem Grunde nach zu.

Das Restaurant in M. ist durch eine Anordnung der zuständigen Behörde ganz oder teilweise geschlossen worden. Die Schließung des Betriebes zum (präventiven) Schutz der Verbreitung von Krankheiten und Krankheitserregern, nämlich vor der Verbreitung des Covid-Erregers, ist vom Versicherungsschutz umfasst. Etwaige noch nicht abschließend bezifferbare Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag sind auch nicht wegen vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Obliegenheitsverletzungen in voller Höhe ausgeschlossen. Im Einzelnen:

1. Unstreitig handelt es sich bei dem Restaurant „B.“ in M. um den versicherten Betrieb.

2. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten ist dieser versicherte Betrieb durch eine behördliche Anordnung der zuständigen Behörde geschlossen worden.

a) Die Schließung erfolgte aufgrund der Landesverordnung vom 17. März 2020. Die Ermächtigungsgrundlage für diese Landesverordnung des Landes Schleswig-Holstein findet sich in § 32 S. 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 S. 1, 2 IfSG. Die Landesverordnung ist entsprechend § 60 LVWG verkündet worden. Gemäß § 32 Satz 1 IfSG werden die Landesregierungen ermächtigt, unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen nach den §§ 28-31 IfSG maßgebend sind, auch durch Rechtsverordnungen entsprechende Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu erlassen. Nach § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG trifft, wenn Kranke, Krankheitsverdächtigte, Ansteckungsverdächtigte oder Ausscheider festgestellt werden oder sich ergibt, dass ein Verstorbener krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist. Die vorgenannten Normen stellen eine taugliche, insbesondere den verfassungsrechtlichen Vorgaben genügende Ermächtigungsgrundlage dar (vgl. so Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein vom 23. Oktober 2020, Az. 3 MR 47/20).

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist dem Wortlaut der Versicherungsbedingungen nicht zu entnehmen, dass die Betriebsschließung formell und materiell rechtmäßig angeordnet worden sein muss. Das Land Schleswig-Holstein hat als zuständige Behörde gehandelt. Auf weitere Fragen der formellen und materiellen Rechtmäßigkeit der Landesverordnung kommt es aus Sicht der Kammer nicht an. Die Auslegung der BBSG ergibt nämlich nicht, dass die formelle und materielle Rechtmäßigkeit der Anordnung Voraussetzung für den Eintritt des Versicherungsfalles ist. Auf die Frage, ob die Klägerin unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderung verpflichtet gewesen wäre, die formelle und materielle Rechtmäßigkeit z.B. im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes überprüfen zu lassen, kommt es für die Frage des Versicherungsfalles nicht an.

Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach der Rechtsprechung des BGH so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen kann. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit – auch – auf seine Interessen an. Das bedeutet zugleich, dass vom Versicherer verfolgte Ziele nur dann maßgeblich sind, wenn sie in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen hinlänglich für den verständigen Versicherungsnehmer erkennbaren Ausdruck haben. Maßgeblich ist in erster Linie der Klauselwortlaut. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind dabei „aus sich heraus“, also ohne Heranziehung anderer Texte, auszulegen. Maßgeblich ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses (vgl. zur Auslegung Prölss/Martin Einleitung I, 30. Auflage ab Rn. 258 ff.).

Gemessen an diesen Grundsätzen ist der Ziff. 3.1.1 BBSG nicht zu entnehmen, dass nur die Schließung aufgrund einer formell und materiell wirksamen Anordnung erfasst ist. Maßgeblich ist in erster Linie der Klauselwortlaut. Der Wortlaut enthält keine derartige Einschränkung. Auch bei verständiger Würdigung und dem erkennbaren Sinnzusammenhang folgt keine derartige Einschränkung. Vielmehr wird der nicht einschränkende Wortlaut durch weitere Bedingungen in den BBSG bestätigt. Nach Ziff. 11.1 BBSG hat der Versicherungsnehmer den Versicherer bei Eintritt des Versicherungsfalles unverzüglich zu informieren und seinen Weisungen zu folgen. Zudem bestimmt Ziff. 12 BBSG, dass

ein Anspruch auf Entschädigung nicht besteht, wenn ein Schadensersatzanspruch auf Grund öffentlich-rechtlichen Entschädigungsrechts beansprucht werden kann z.B. nach den Bestimmungen des IfSG, den Vorschriften der Amtshaftung oder Aufopferung. Diese öffentlich-rechtlichen Entschädigungsansprüche ihrerseits setzten Pflichtverletzungen etc. der zuständigen Behörde voraus und berühren damit die formelle und materielle Wirksamkeit der Anordnung. Dann aber muss der durchschnittliche verständige Versicherungsnehmer nicht davon ausgehen, dass der Versicherungsfall über den Wortlaut hinausgehend nur eintreten kann, wenn die Anordnung der Behörde formell und materiell rechtmäßig war. Darin läge ein nicht aufklärbarer Widerspruch. Der Versicherungsvertrag aber bietet – wie schon im Versicherungsschein ausdrücklich ausgeführt – Schutz vor Schließungen des Betriebes.

Die Erklärung der Beklagten mit Nichtwissen zur Betriebsschließung im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 26.11.2020 hat die Kammer zur Kenntnis genommen, auch wenn die Grenze der Wahrheitspflicht auf Seiten der Beklagten erreicht sein dürfte. Offensichtlich nach der Erkenntnis (aufgrund der Erörterungen im Termin), dass auch eine teilweise Betriebsschließung ausdrücklich versichert ist (s. b), wird nunmehr vermutet, dass der Betrieb nicht geschlossen war. Diese Vermutung ins Blaue hinein entbehrt jeder Grundlage oder will die Beklagte tatsächlich behaupten, dass das Restaurant der Klägerin ungeachtet der behördlichen Anordnungen den gesamten Haftzeitraum über geöffnet geblieben ist. Aufgrund der allgemein bekannten behördlichen Schließungsanordnung und mangels auch nur ansatzweise nachvollziehbarer Anhaltspunkte steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Betrieb geschlossen war. Diesen Umstand hat die Klägerin der Beklagten schließlich auch am 19.03.2020 angezeigt und zu diesem Zeitpunkt hegte die Beklagte auch keinerlei Zweifel.

b) Mit der vorgenannten Verordnung ist der Restaurantbetrieb in Schleswig-Holstein mit Ausnahme des Außer-Haus-Verkaufs geschlossen worden. Auf die Frage, ob der nach § 3 Abs. 2 der Landesverordnung weiterhin möglich gewesene Außer-Haus-Verkauf dazu führt, dass keine Betriebsschließung anzunehmen ist, kommt es vorliegend nicht an. Nach den vereinbarten Versicherungsbedingungen ist nämlich auch eine teilweise Betriebsschließung durch den Versicherungsvertrag erfasst.

c) Die Auslegung der Versicherungsbedingungen ergibt nicht, dass nur eine Betriebsschließung, die aufgrund einer betriebsinternen Gefahr angeordnet wird, erfasst ist.

Der Wortlaut von Ziff. 3.1.1 BBSG unterscheidet nicht zwischen präventiven und individuellen Betriebsschließungen. Es ist der Beklagten zuzustimmen, dass der verständige Versicherungsnehmer aufgrund der weiteren Bestimmungen in Ziff. 3.1 BBSG erfassen kann, dass Gefahren, die aus dem Betrieb heraus resultieren z.B. Tätigkeitsverbote gegen sämtliche Mitarbeiter des Betriebs ebenfalls als Betriebsschließung erfasst sind. Aus Sicht der Kammer folgt aus dem Verständnis aber nicht der zwingende Rückschluss für den verständigen Versicherungsnehmer, dass nur betriebsinterne Gefahren versichert sind. Ausgehend vom Begriffsverständnis „Betriebsschließung“ stellt es vielmehr eine Erweiterung des Versicherungsschutzes dar, dass auch Tätigkeitsverbote gegen sämtliche Mitarbeiter – die faktisch eine Einstellung des Geschäftsbetriebes bedeutet – der Betriebsschließung gleichsteht. Der verständige Versicherungsnehmer muss aber nicht den Rückschluss ziehen, dass nur eine Betriebsschließung durch individuelle Verwaltungsakte vom Versicherungsschutz erfasst ist. Für den Schutz des versicherten Interesses ist das gleichgültig.

3. Die Anordnung der Betriebsschließung ist aufgrund des Infektionsschutzgesetzes beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger (Ziff. 3.1 BBSG) erfolgt. Die Auslegung von Ziffer 3.4 BBSG ergibt aus Sicht der Kammer, dass der verständige Versicherungsnehmer nach dem Wortlaut der Versicherungsbedingungen und unter Bezugnahme auf den Anhang in den Versicherungsbedingungen davon ausgehen konnte und durfte, dass die Schließung aufgrund des Covid-Erregers vom Versicherungsschutz erfasst ist. Die Schließung des Restaurants der Klägerin ist nämlich durch die zuständige Behörde aufgrund einer meldepflichtigen Krankheit/Krankheitserregern nach §§ 6 Abs. 1 Nr. 1, 7 Abs. 1 S. 1 IfSG erfolgt.

a) Dem Wortlaut nach nimmt Ziff. 3.4 BBSG auf den gesamten Regelungsinhalt der §§ 6, 7 IfSG Bezug, mit Ausnahme von § 6 Abs. 1 Nr. 1d IfSG. Der verständige Versicherungsnehmer kann deshalb nur unter Betrachtung des Wortlautes von Ziff. 3.4 BBSG davon ausgehen, dass alle weiteren Krankheiten und Krankheitserreger, soweit in §§ 6, 7 IfSG aufgeführt, erfasst sind.

Für die Auslegung im Sinne einer dynamischen Verweisung spricht weiter, dass in den hier maßgeblichen Bedingungen keine enumerative Aufzählung von verschiedenen Erregern bzw. Krankheiten erfolgte, sondern die §§ 6, 7 IfSG in Bezug genommen werden.

In § 6 Abs. 1 Nr. 5 IfSG findet sich eine generalklauselartige Formulierung, dass auch nicht nach den Nr. 1-4 bereits meldepflichtige bedrohliche und übertragbare Krankheiten zu melden sind, wenn die Krankheit auf eine schwerwiegende Gefahr für die Allgemeinheit oder einen epidemischen Zusammenhang hinweist. Soweit die Beklagte darauf abstellt, dass die Auslegung des Klauselwortlautes ergebe, dass dabei nur „namentlich“ erfasste Krankheiten und Krankheitserreger erfasst würden, ist dem aus Sicht der Kammer nicht zuzustimmen. Unabhängig davon, wie das verwendete Wort „namentlich“ verstanden werden soll, folgt aus dem Anhang in den Versicherungsbedingungen, dass auch die mit der sog. Öffnungsklausel in § 6 Abs. 1 Nr. 5 IfSG erfassten Krankheiten „namentlich zu melden“ sind. Der Begriff „namentlich“ ist nämlich vor die Aufzählung gezogen. Noch deutlicher ist der abgedruckte Wortlaut zu § 7 Abs. 2 IfSG: „Namentlich sind in dieser Vorschrift nicht genannte Krankheitserreger zu melden, soweit … auf eine schwerwiegende Gefahr für die Allgemeinheit hinweist. “. Die Kammer hat erhebliche Zweifel, ob sich das Wort „namentlich“ im IfSG auf die Namen der Krankheiten beziehen soll (so die Wertung der Beklagten mit ihren Rückschlüssen) oder nicht so verstanden werden muss, dass die Infizierten bei einer Infektion der aufgezählten bzw. bei bedrohlichen Krankheiten mit Namen (also namentlich) zu melden sind. Derartiges ist im Umfang mit der Kontaktverfolgung von erheblicher Relevanz. Wenn beispielsweise eine mit Corona- Infizierte Person durch den Arzt dem Gesundheitsamt nicht mit ihrem Namen gemeldet werden würde, könnte die Kontaktverfolgung und damit die Verhinderung der Verbreitung kaum stattfinden. Dann aber stände das Begriffsverständnis zu „namentlich“ im Sinne der BBSG nach der Wertung der Beklagten im Widerspruch zum Infektionsschutzgesetz mit der Folge einer Unklarheit. Für dieses Begriffsverständnis des IfSG spricht zudem § 7 Abs. 3 IfSG, denn dort heißt es: „Nichtnamentlich ist bei folgenden Krankheitserregern der direkte oder indirekte Nachweis zu melden “ es folgt eine Aufzählung von mit ihrem Namen benannten Krankheitserregern. Die Krankheitserreger werden zwar mit dem Namen (also namentlich) benannt z.B. das HIV-Virus, aber als „nichtnamentlich zu melden“ bezeichnet. Daraus kann nur der Rückschluss gezogen werden, dass sich das Wort namentlich auf die infizierte Person bezieht, welches mit den dort benannten

Krankheiten in Einklang zu bringen ist. So besteht z.B. beim HIV-Virus allgemeinbekannt eine stark eingeschränkte Verbreitungsmöglichkeit, die nicht auf die gesamte Bevölkerung bezogen werden kann. Mithin ist eine Kontaktverfolgung auch nicht notwendig. Mit diesem Begriffsverständnis kann auch in Einklang gebracht werden, dass auch Krankheiten nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 IfSG „namentlich“ zu melden sind.

Die Kammer kann der Argumentation der Beklagten, ein verständiger Versicherungsnehmer hätte bei Abschluss des Vertrages nicht erwarten dürfen, dass auch zukünftige unbekannte Krankheiten erfasst sind, nicht folgen. Vielmehr hat die Beklagte mit den von ihr verwendeten Bedingungen, in denen im Anhang die Vorschriften aus dem Infektionsschutzgesetz zitiert werden, genau diesen Eindruck erweckt. Der verständige Versicherungsnehmer wird den Wortlaut in Ziff. 3.4 lesen und erkennen, dass namentlich meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger nach §§ 6, 7 IfSG vom Versicherungsschutz erfasst sind. Der verständige Versicherungsnehmer, dem im Übrigen die Vorschriften aus dem Infektionsschutzgesetz nicht geläufig sein werden, kann aufgrund des Anhangs annehmen, dass exakt die dem Wortlaut nach dargestellten Krankheiten und Krankheitserreger in §§ 6, 7 IfSG, auf die Bezug genommen worden ist, vom Versicherungsschutz umfasst sind. Dann aber wird er auch annehmen dürfen, dass – so der abgedruckte Text
– auch bedrohliche Krankheiten/Krankheitserreger bzw. Erkrankungen mit der Vermutung eines epidemischen Zusammenhangs nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 und § 7 Abs. 2 IfSG vom Versicherungsschutz erfasst sind. Diese Bezugnahme in den Versicherungsbedingungen wird ihn in seinem Verständnis stärken, dass mit der Betriebsschließungsversicherung ein umfassender Versicherungsschutz gewährt wird.

b) Die Schließung des Restaurants des Klägers ist durch die zuständige Behörde aufgrund einer meldepflichtigen Krankheit/Krankheitserregern nach §§ 6 Abs. 1 Nr. 1, 7 Abs. 1 S. 1 IfSG erfolgt.

Nach § 15 IfSG darf die Meldepflicht nach dem IfSG im Fall einer epidemischen Lage durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates – in dringenden Fällen ohne Zustimmung – anpasst werden. Auf dieser Rechtsgrundlage beruht die „Verordnung über die Ausdehnung der Meldepflicht nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 und § 7 Absatz 1 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes auf Infektionen mit dem erstmals im Dezember 2019 in Wuhan/Volksrepublik China aufgetretenen neuartigen Coronavirus („2019-nCoV“)“. Es ist allgemeinbekannt, dass das Bundesministerium für Gesundheit die Verordnung über die Ausdehnung der Meldepflicht nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und § 7 Abs. 1 S. 1 IfSG mit dem Coronavirus verkündet hat. Diese Verordnung trat am 01.02.2020 in Kraft, mithin vor
der angeordneten Betriebsschließung. Eines Rückgriffs auf die Öffnungsklauseln in § 6 Abs. 1 Nr. 5 und § 7 Abs. 2 IfSG bedarf es deshalb nicht. Der Corona-Erreger/die Corona- Erkrankung ist durch Rechtsverordnung ausdrücklich als weitere meldepflichtige Krankheit/Krankheitserreger aufgenommen worden. Die zunächst durch Rechtsverordnung angeordnete Meldepflicht, ist mit der Änderung des IfSG i.d.F. vom 19.05.2020 auch in den Gesetzeswortlaut übernommen worden. Unstreitig sollten die Verordnungen des Landes Schleswig-Holstein zum Schutz vor der Verbreitung des seit dem 01.02.2020 meldepflichtigen Coronavirus SARS-CoV-2 dienen. Unstreitig erfolgte die Anordnung der Betriebsschließungen zur Verhinderung und Verbreitung des Corona-Erregers angesichts der Corona-Epidemie zum Schutz der Bevölkerung.

4. Eine Anspruchskürzung ist aus Sicht der Kammer von der darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten nicht substantiiert vorgetragen worden.

a) Ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht des § 82 Abs. 1 VVG ist nicht deshalb zu bejahen, weil die Klägerin die Rechtmäßigkeit der Landesverordnung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes nicht hat überprüfen lassen.

Eine derartige Schadensminderungspflicht ist in den BBSG bzw. den VBIG nicht ausdrücklich normiert. Ziff. 11 BBSG verpflichtete die Klägerin dazu, den Versicherungsfall unverzüglich anzuzeigen und den Weisungen der Beklagten Folge zu leisten. Diese Obliegenheit hat die Klägerin erfüllt.

Die ungeschriebene Obliegenheit zum Ergreifen einstweiligen Rechtsschutzes ist auch nicht aus der allgemeinen Regelung zur Schadensminderung nach § 82 Abs. 1 VVG zu entnehmen. Ob die Vorschrift auf die Betriebsschließungsversicherung überhaupt Anwendung findet, kann offenbleiben. Jedenfalls wird die Pflicht hinsichtlich der Rechtmäßigkeit von Anordnungen durch Ziff. 11.1.2 BBSG ausgeformt. Die Beklagte muss danach die Klägerin unverzüglich über Weisungen der Behörde informieren und das weitere Vorgehen gegenüber diesen Weisungen mit dem Versicherer abstimmen. Im Umkehrschluss folgt daraus aber, dass nicht über die konkret ausgestaltete Verpflichtung im Umgang mit behördlichen Anordnungen automatisch auch die Verpflichtung besteht, dass der Versicherungsnehmer einstweiligen Rechtsschutz in Anspruch nehmen muss. Zudem ist die Beklagte mit diesem Einwand ausgeschlossen, denn sie hat der Klägerin gerade nicht die Weisung erteilt, die behördliche Anordnung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes überprüfen zu lassen. Die Beklagte ist bereits am 19.03.2020 über die behördliche Anordnung, die der Beklagten im Übrigen auch aufgrund der Berichterstattung in den Medien hätte bekannt sein müssen, informiert worden. Sie hat entgegen ihrer jetzt vertretenen Auffassung die Klägerin aber nicht unverzüglich darüber informiert, dass die Anordnung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes überprüft werden soll. Sie verhält sich mit ihrer im Rechtsstreit vertretenen Auffassung erheblich widersprüchlich, wenn sie nunmehr meint, diese Verpflichtung habe bestanden.

b) Ein den Anspruch ausschließender Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht nach § 82 Abs. 1 VVG ist auch nicht deshalb anzunehmen, weil die Klägerin keinen Außer-Haus-Verkauf angeboten hat.

Auch diese von der Beklagten behauptete Verpflichtung ist nicht als Obliegenheit in den Versicherungsbedingungen formuliert. Nach § 82 Abs. 1 VVG ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, bei Eintritt des Versicherungsfalles Maßnahmen zur Schadensabwendung oder –minderung zu ergreifen, soweit dies möglich ist. Dem Versicherungsnehmer sind Maßnahmen nicht zuzumuten, die außer Verhältnis zum drohenden Schaden stehen. Hat der Versicherer die Deckung abgelehnt, kann die Durchführung von Maßnahmen zur Schadensminderung unzumutbar sein (vgl. NK/Schimikowski, 3. Auflage, § 82 Rn. 13). Zudem ist der Versicherungsnehmer nicht zu sinn- und zwecklosen Maßnahmen verpflichtet. Die konkret in Betracht kommenden Maßnahmen müssen vielmehr generell zur Schadensabwehr und –minderung geeignet sein. Im Streitfall muss der Versicherer darlegen und beweisen, welche konkreten Maßnahmen der Versicherungsnehmer hätte ergreifen können und als „ordentlicher“ Versicherungsnehmer hätte ergreifen müssen (vgl. NK/Schimikowski, 3. Auflage, § 82 Rn. 14).

Aus Sicht der Kammer stellt sich die Argumentation der Beklagten als unzulässige Rechtsausübung dar, wenn sie den Versicherungsnehmer auf einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht verweisen möchte, obgleich die Maßnahme dem Versicherungsnehmer aus wirtschaftlichen Gründen unzumutbar ist. Der Betrieb der Klägerin befindet sich in einem touristisch geprägten Gebiet, in dem das sog. „Mitnahmegeschäft“ untergeordnete Bedeutung hat. Auch die Beklagte führt nicht aus, welche Umsätze bzw. Gewinne die Klägerin bei einem Außerhaus-Verkauf hätte erzielen können, obgleich – wie allgemein bekannt ist – der Tourismus im Land Schleswig-Holstein im betroffenen Zeitraum ebenfalls untersagt war. Die Beklagte hat obgleich ihrer Darlegungslast auch nicht substantiiert ausgeführt, welche weitere konkrete Maßnahme die Klägerin beim Wegfall des Tourismusgeschäfts hätte ergreifen können und müssen, um in sinnvoller Weise den Schaden zu minimieren. Insbesondere ist nicht einmal ersichtlich, dass durch das Angebot eines Außer-Hausverkaufs im konkreten Fall der Schaden gemindert und nicht etwa aufgrund von Vorhaltekosten, erhöht worden wäre.

c) Ein Verstoß gegen Ziff. 12 BBSG ist ebenfalls nicht ersichtlich. Der Vortrag der Beklagten ist unsubstantiiert. Der Versicherungsnehmer ist nach dieser Vorschrift verpflichtet, unverzüglich entsprechende Anträge hinsichtlich etwaiger Ansprüche auf Entschädigung zu stellen. Die Beklagte ist darlegungs- und beweisbelastet dafür, dass und welche Entschädigungsansprüche es geben soll. Die maßgeblichen Anordnungen der Behörde sowie die Rechtsnormen sind allgemein bekannt. Dennoch hat die Beklagte nicht substantiiert vorgetragen, dass die Klägerin aus welchen Gründen z.B. einen durchsetzbaren Anspruch aus Amtshaftung haben soll. Es wird nur allgemein Bezug genommen auf grundsätzlich denkbare, d.h. nicht auf die konkrete Fallgestaltung bezogene, Ansprüche sowie auf Lohnersatzleistungen für Arbeitnehmer, die bereits gedanklich nicht dem Arbeitgeber zuzuordnen sind, oder aber auf Überbrückungskredite, die per se keine Entschädigung darstellen. Erst wenn die Beklagte zum hiesigen Einzelfall substantiiert vorgetragen hätte, welche Ansprüche konkret bestehen sollen, hätte geprüft werden können, ob entsprechende Anträge gestellt worden sind und ob diese nicht noch immer gestellt werden können. Der mangelnde Vortrag geht zu Lasten der Beklagten.

5. Ob und in welcher Höhe etwaige bislang von der Beklagten nur pauschal und damit unsubstantiiert in den Raum gestellte öffentlich-rechtliche Entschädigungsansprüche den konkreten Schaden mindern, ist erst im Betragsverfahren zu klären. Die Haftung dem Grunde nach wird davon nicht berührt, denn eine Obliegenheitsverletzung ist abzulehnen (s.o.).

III. Der Antrag zu 2) ist unbegründet.

Ein Anspruch auf Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 887,03 € besteht nicht. Unabhängig von einer Anspruchsgrundlage und unabhängig von der geltend gemachten Höhe (eine Berechnung ist der Kammer nicht vorgelegt worden), hat die Klägerin nicht vorgetragen, dass ihr gegenüber eine Rechnung gestellt worden ist. Ein etwaiger Anspruch ist damit jedenfalls nicht fällig. Gemäß § 10 Abs. 1 RVG kann ein Rechtsanwalt die Vergütung nämlich nur aufgrund einer von ihm unterzeichneten und dem Auftraggeber mitgeteilten Berechnung einfordern. Diese Abrechnung hat die Klägerin nicht vorgetragen, ebenso wenig wie eine Zahlung an den Klägervertreter.

IV.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1 Nr. 1, 709 S. 1, 2 ZPO. V.

Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 26.11.2020 war gem. § 296a ZPO unbeachtlich bot keinen Anlass zum Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung. Die Beklagte wiederholt im wesentlichen ihre Rechtsauffassungen und vertieft die Unzulässigkeit eines Grundurteils. Dieses steht in diesem Rechtsstreit nicht im Raum und insbesondere ist die Gefahr widersprechender Teilurteile nicht gegeben, auch weil eine Kürzung dem Grunde nach mangels substantiiertem Vortrag der Beklagten nicht angenommen werden kann. Außerdem nimmt die Beklagte auf Entscheidungen anderer Landgerichte Bezug, die sich scheinbar der Auffassung der Beklagten angeschlossen haben. Die Kammer hat diesen Vortrag zur Kenntnis genommen; eine Bindungswirkung besteht jedoch nicht.