Liebe Mandantinnen und Mandanten, liebe Versicherungsmaklerinnen und Versicherungsmakler,
der Versicherungsmakler ist unzweifelhaft der treuhandähnliche Sachwalter des Versicherungsnehmers. Doch im Rahmen der Vermittlung von Versicherungsverträgen sind häufig eine Vielzahl von Akteuren, auch von Seiten der Versicherungsgesellschaften, am Werk. Nicht selten kommt es im Rahmen des Vermittlungsvorganges zur Unachtsamkeit oder Fehlern auch auf Seiten der Versicherungsgesellschaften. Häufig stellt sich dann im Schadenfall, der nicht vollständig gedeckt ist, die Frage, wer hat diesen Fehler bei der Vertragsanbahnung zu verantworten und muss sich der Versicherungsmakler den Fehler eines Versicherers zurechnen lassen?
In der Grundkonstellation ist klar, dass der Versicherungsmakler für Fehler bei der Beratung und Vermittlung des Versicherungsnehmers für Schäden nach § 63 VVG aufkommt. Dies überrascht auch keinesfalls, letztlich haftet jeder für seine Fehler. Schwierig sind jedoch die Fälle zu bewerten, bei denen sich der Versicherungsmakler der Kooperation und intensiven Unterstützung der Versicherungsgesellschaft bedient.
Im Kern bleibt wohl der Versicherungsmakler auch bei der Einschaltung von Dritten zur Beratung verpflichtet und haftet damit am Ende auch, wenn der Versicherungsschutz „fehlerhaft“, bzw. ungenügend ist. Es müsste also eigentlich besser gefragt werden, wann der Versicherungsmakler denn nicht für Fehler der Versicherungsgesellschaft haftet?
Anders als die die gesetzlichen Regelungen für die Versicherer gibt es keine Spezialvorschrift, welche regelt, dass Versicherungsmakler von einer Beratung befreit sind. Versicherungsgesellschaften sind gem. § 6 Abs. 1 VVG grundsätzlich (auch) dazu verpflichtet, den Versicherungsnehmer bei Abschluss des Versicherungsvertrages zu beraten. Für Fehler, die aus einer derartigen Beratung herrühren, haftet der Versicherer dem Versicherungsnehmer auch auf Schadenersatz nach § 6 Abs. 5 S. 1 VVG. Eine derartige Beratung durch die Versicherungsgesellschaft ist jedoch dann nach § 6 Abs. 6 VVG ausgeschlossen, wenn der Versicherungsvertrag durch einen Versicherungsmakler vermittelt wird. Die Gesetzesbegründung führt hierzu in BT-Drucks. 16/3945 S. 58 aus: „Der Versicherer darf jedoch im Fall der Einschaltung eines Versicherungsmaklers davon ausgehen, dass dieser seine ihm gegenüber dem Versicherungsnehmer obliegende Frage- und Beratungspflicht erfüllt. Aus diesem Grund ist es in diesen Fällen nicht erforderlich, auch dem Versicherer eine entsprechende Pflicht aufzuerlegen.“
Umstritten ist also die Frage, was mit der Beratungspflicht des Versicherers, und letztlich der Haftung des Versicherers bei Fehlern in der Beratung passiert, wenn der Versicherungsmakler den Versicherer, den Maklerbetreuer oder aber Experten des Versicherers, welche besonderes Know-how in der jeweiligen Sparte haben, um Hilfe bittet bzw. diese in den Vermittlungsprozess einschaltet.
Die Rechtsprechung hat diese Problematik durchaus bereits erkannt, sodass das OLG Saarbrücken – Urteil vom 04.05.2011 (5 U 502/10-76) – bereits ausführte: „Grundsätzlich trifft zwar einen Versicherer nach § 6 Abs. 6 VVG keine Beratungspflicht nach den Absätzen 1 bis 5 des § 6 VVG, wenn der Vertrag mit dem Versicherungsnehmer von einem Versicherungsmakler vermittelt wird.
Dies gilt aber nur hinsichtlich der Pflichten nach den Abs. 1 bis 5, nicht aber hinsichtlich einer Aufklärungspflicht nach § 242 BGB, wenn der Versicherer erkennt, dass sich der VN trotz der Beratung durch einen Versicherungsmakler im Irrtum über den Vertragsinhalt befindet. In einem solchen Fall ist der Versicherer nach Treu und Glauben zu einer Richtigstellung gegenüber dem Versicherungsnehmer verpflichtet (Rixecker aaO § 18 a Rn. 21; Armbrüster in Münch. Komm. zum VVG § 6 Rn. 352; Schwintowski in Bruck/Möller, VVG 9. Aufl. § 6 Rn. 48; Prölss in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. § 6 Rn. 70). Auch vor Einführung des § 6 VVG wurde der Versicherer jedenfalls dann zur Aufklärung für verpflichtet gehalten, wenn er erkennen musste, dass der Versicherungsnehmer einer Belehrung bedurfte, weil er über einen für ihn wesentlichen Vertragspunkt irrige Vorstellungen hatte (BGH vom 13. 4. 2005 – IV ZR 86/04 – VersR 2005, 824). Dieser Grundsatz behält weiter Gültigkeit.
Wenngleich der Fall, den das OLG Saarbrücken zu entscheiden hatte, nicht mit dem hier zugrunde liegenden Problem identisch ist, so lässt sich aus den Überlegungen des OLG Saarbrücken durchaus ableiten, dass in Einzelfällen aufgrund von § 242 BGB trotz des Vorhandensein eines Versicherungsmaklers eine originäre Beratung und damit auch Haftung der Versicherungsgesellschaft bestehen könnte. Wann immer das Korrektiv von Treu und Glauben nach § 242 BGB eingreift, bestehen gewisse Fallgruppen, die es herauszuarbeiten gilt, für die eine Haftung des VR prognostiziert wird.
Fallgruppe 1: Bloße Antragsstellung oder Weiterleitung des Antrags über den Maklerbetreuer Leitet der Versicherungsmakler den von ihm und dem Versicherungsnehmer ausgearbeiteten Antrag lediglich an den Maklerbetreuer oder andere bei der Gesellschaft tätigen Personen ohne jeglichen Kommentar weiter, so dürfte keine besondere Beratungspflicht für den Versicherer ersichtlich sein. Der Antrag müsste ansonsten zwingende Gründe der Nachfrage provozieren. Ansonsten dürften Fehler bei der Beratung oder in den Antragsunterlagen allein zulasten des Versicherungsmaklers gehen.
Fallgruppe 2: Der Versicherungsmakler bedient sich Experten oder Sachverständige des Versicherers Zur Unterstützung der Risikoanalyse und zur Begutachtung des Versicherungsobjektes werden häufig auch die Spezialisten und „Gutachter“ der Versicherer hinzugezogen. Bewertet nunmehr der Gutachter des Versicherers das Gebäude falsch und führt dies zu einer Unterversicherung, so kann dies der Versicherer im Leistungsfall kaum einwenden. Zwar obliegt dem Versicherungsmakler die Risikoerhebung und Risikoanalyse, gleichwohl wäre es unbillig, wenn der Versicherer sich auf fehlerhafte Risikoangaben beruft, die er selbst ermittelt hat. Diese gilt selbstverständlich nur, wenn die Ermittlungen der Gutachter des Versicherers die Grundlage des Angebotes waren.
Fallgruppe 3: Der Versicherer unterstützt den Versicherungsmakler bei seiner Beratung Am schwierigsten zu bewerten wird sicherlich der Fall sein, dass der Versicherer den Versicherungsmakler, meist auf Verlangen des Versicherungsmaklers, bei der Beratung des Versicherungsnehmers oder in der Angebotserstellung unterstützt. Hierbei gilt es freilich zu differenzieren: Überreicht der Versicherer lediglich vertriebsunterstützende Materialien, wie Flyer oder Leistungsübersichten, so dürfte dies nicht zu einer Erkennbarkeit weitergehender Beratungspflichten oder eines bestehenden Beratungsbedarfs führen.
Wendet sich der Versicherungsmakler jedoch aktiv an den Versicherer und teilt mit, dass ihm etwa in bestimmten Bereichen das Know-how fehle, z.B. im Bereich der Versicherungsanlageprodukte, und er deshalb um direkte Beratungsunterstützung/-hilfe des Versicherers bittet, so dürfte für den Fall, dass der Versicherer erkennt, dass er hier eine eigene Beratung durchführen soll, auch eine aus § 242 BGB erwachsene Pflicht zur Beratung bestehen. Berät nunmehr der Versicherer falsch oder unvollständig, so trifft eine Haftung auch den Versicherer.
Eine derartige eigene Pflicht des Versicherers stellt aufgrund der Gesetzesformulierung in § 6 Abs. 6 VVG und der Gesetzesbegründung die absolute Ausnahme dar und kann nur dann greifen, wenn der Versicherungsmakler eine derartige Verbindlichkeit der Beratung durch den Versicherer einfordert. Folglich sollte nur in Notfällen auf eine derartige „gemischte“ Beratung zurückgegriffen werden, in denen der Versicherer berät und der Versicherungsmakler vermittelt.
Wenn ein Versicherungsmakler sich der Unterstützung eines Versicherers bedient, so ist ihm dringend zu empfehlen, dass er für die Unterstützung eine Verbindlichkeit des Versicherers einfordert und dies seitens des Versicherers bestätigt wird. Ansonsten besteht das Risiko, dass bei Fehlern des Versicherers in der Beratung der Versicherungsmakler als Vermittler trotzdem alleine haftet. In Einzelfällen, wenn der Versicherungsmakler keine Beratung leisten kann, kommt sicherlich auch ein Beratungsverzicht seitens des Versicherungsnehmers nach § 61 Abs. 2 VVG in Betracht.
Fazit Der Versicherungsmakler ist zur umfangreicheren Beratung verpflichtet, wenn er im eigenen Namen einen Versicherungsvertrag vermittelt. Wann immer ein Vertrag formal über ein Versicherungsmakler vermittelt wird, ist der Versicherer grundsätzlich von seiner eigenen Beratungspflicht befreit. Eine derartige Beratungspflicht des Versicherers kann im Einzelfall aufgrund von § 242 BGB wieder aufleben, wenn für den Versicherer erkennbar ist, dass der Versicherungsnehmer weitergehende Beratung benötigt. Diese Fallgruppe hat einen sehr eingeschränkten Anwendungsbereich und ist in der Rechtsprechung noch nicht ausreichend auf vergleichbare Konstellationen herausgearbeitet.
Sofern der Versicherungsmakler sich der Unterstützung des Versicherers bedient, sollte er auf eine Verbindlichkeit der Beratung und Unterstützung des Versicherers drängen und dies dokumentieren, da andernfalls eine alleinige Haftung des Versicherungsmaklers drohen dürfte. Es könnte sonst hier zu der Situation kommen, dass der Makler für Beratungsfehler des Versicherers einzustehen hätte. Denn „eigentlich“ müsste der Makler die Fehler des Versicherers erkennen und als Sachwalter des Kunden diesen schadlos halten.
Kommen Sie gut durch den Sommeranfang!
Herzliche Grüße,
Ihr,
Stephan Michaelis LL.M.
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht