Neuwertspitze und Wiederherstellung bei Insichgeschäft

von Kathrin Pagel

(Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 12.02.2016, AZ I-20 U 126/15)

(Hamburg, den 24.07.2017) Bei der Schadensabwicklung eines Feuerschadens in der Gebäudefeuerversicherung haben Versicherungsmakler ihre Kunden regelmäßig hinsichtlich der Problematik aufzuklären, ob und wann der Versicherer neben dem Zeitwert des Gebäudes auch die sog. Neuwertspitze, d. h. die Differenz zum Neuwert des Gebäudes schuldet.

In den Versicherungsbedingungen finden sich bei Vereinbarung der strengen Wiederherstellungsklausel dann Formulierungen wie beispielsweise in § 15 Abs. 4 VGB 1988:

„Der Versicherungsnehmer erwirbt den Anspruch auf Zahlung des Teils der Entschädigung, der den Zeitwertschaden übersteigt, nur, soweit und sobald er innerhalb von drei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalles sichergestellt hat, dass er die Entschädigung verwenden wird, um versicherte Sachen in gleicher Art und Zweckbestimmung an der bisherigen Stelle wiederherzustellen oder wieder zu beschaffen…“

Die hier verlangte „Sicherstellung“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der an keiner Stelle definiert wird und nicht nur den Versicherungsnehmern sondern auch den Gerichten mitunter Kopfzerbrechen bereitet. Ob und inwieweit eine Maßnahme zur Sicherstellung geeignet und ausreichend ist, ist eine Frage der Würdigung. Damit ist jede Entscheidung in der Sache eine Einzelfallentscheidung.

Das Oberlandesgericht Hamm hatte nun einen Fall zu entscheiden, in dem gerade die Zahlung der sogenannten Neuwertspitze streitgegenständlich war.

Im vorliegenden Fall war das Gebäude abgebrannt und der Zeit- und Neuwert durch einen Privatgutachter festgestellt worden. Der Zeitwertanteil war an den seinerzeit aktuellen Versicherungsnehmer ausgekehrt worden. Sodann hatte die Sparkasse als Realgläubigerin das Zwangsversteigerungsverfahren beantragt und der Kläger hatte den Zuschlag bekommen. Der Kläger wurde danach als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen. Schon zuvor hatte der Kläger bei der beklagten Versicherung die Zahlung des den Zeitwert übersteigenden Betrages, also die Neuwertspitze, angefordert und mitgeteilt, dass er umgehend mit dem Wiederaufbau beginnen würde. Zum Nachweis der Sicherstellung des Wiederaufbaus hatte der Kläger einen Werkvertrag mit der A-Bau GmbH & Co. KG an den Versicherer übermittelt. Später stellte sich heraus, dass der Kläger sowohl Geschäftsführer der Komplementär-GmbH als auch maßgeblicher Gesellschafter beider Gesellschaften war. Darüber ließ er den beklagten Versicherer zunächst im Unklaren.

Im Anschluss wurde das Grundstück von dem Kläger weiter veräußert, wobei im Kaufvertrag die Regelung darüber enthalten war, dass eine Baugenehmigung erteilt sei und die Baugenehmigung mit allen Rechten und Pflichten auf den Käufer übertragen werde. Weiter enthielt der Kaufvertrag eine Regelung, nach der der Käufer sich verpflichtet, innerhalb von 36 Monaten das Grundstück mit einem Ein- oder Zwei-Familienhaus zu bebauen. Für den Fall der nicht fristgemäßen Erfüllung dieses Vertrages vereinbarten die Parteien ein Rücktrittsrecht des Verkäufers.

Das Oberlandesgericht Hamm hatte nun zu entscheiden, ob hier eine ausreichende Sicherstellung der Wiederherstellung im Sinne der im Vertrag enthaltenen strengen Wiederherstellungsklausel erfolgt war.

Dazu hat das Gericht zunächst beleuchtet, ob in dem Bauvertrag eine ausreichende Sicherstellung gegeben sein kann. Zwischenzeitlich hatte es sich herausgestellt, dass der Kläger hier ein In-Sich-Geschäft mit der von ihm dominierten GmbH & Co. KG getätigt hatte. Allerdings war der Kläger dazu auch berechtigt, denn von § 181 BGB, das Verbot des In-Sich-Geschäfts, war er vertraglich befreit worden.

Dieses In-Sich-Geschäft hatte aber auch zur Folge, dass der Kläger aus Sicht des Gerichts keine ausreichende Bindung an den Bauvertrag im Sinne einer Sicherstellung nachweisen konnte. Zwar war der Bauvertrag innerhalb des 3-Jahres-Zeitraums, der durch die strenge Wiederherstellungsklausel vorgegeben war, geschlossen und vorgelegt worden. Ein bindender Bauvertrag kann zur Sicherstellung durchaus ausreichend sein. Dass das Bauprojekt bereits durchgeführt worden sei, ist nach dem Versicherungsvertrag nicht erforderlich. Weiter muss auch keine abschließende Sicherheit garantiert werden, denn das ist oftmals nicht möglich. Darüber hinaus dürfen aber auch keine vernünftigen Zweifel an der Wiederherstellung verbleiben, um Manipulationen zu Lasten des Versicherers möglichst auszuschließen. Üblicherweise wird daher in der Rechtsprechung der Abschluss eines Bauvertrages mit den entsprechenden Regelungen auch für die Sicherstellung als ausreichend angesehen.

Eine entsprechende Bindungswirkung konnte das Gericht hier vorliegend aber nicht erkennen. Aus dem Werkvertrag war der Kläger nicht in solcher Art und Weise gebunden, dass er sich nicht ohne erhebliche Einbußen von diesen wieder lösen könnte. Dies ergab sich auch und gerade aus dem Sachverhalt, dass ein In-Sich-Geschäft hier vorlag. Tatsächlich hatte sich der Kläger zwischenzeitlich auch ohne wirtschaftliche Einschnitte von dem Bauvertrag wieder gelöst.

In zweiter Linie wurde auch der Kaufvertrag mit dem Käufer des Grundstücks nochmals überprüft. Auch hier konnte das Gericht eine ausreichende Sicherstellung nicht erkennen. Auch ein Kaufvertrag, der den Anforderungen der Rechtsprechung mit entsprechender verbindlicher Vereinbarung hinsichtlich durchzuführender Bauleistungen entspricht und Strafzahlungen enthält, kann nach der Rechtsprechung des BGH im Einzelfall für ausreichend angesehen werden. Aber ein solcher Fall war vorliegend ebenfalls nicht gegeben.

Somit scheiterte der Anspruch des Klägers an dem In-Sich-Geschäft, wobei das Gericht klargestellt hat, dass eine Beauftragung des eigenen Bauunternehmens nicht als ausreichende Sicherstellung im Sinne der Versicherungsbedingungen einer konkreten Wiederherstellungsklausel genügend ist.

Versicherungsmakler haben es in der Schadensbearbeitung bei Brandschäden oft schwer, wenn sie den Versicherungsnehmer bei der Geltendmachung seiner Ansprüche begleiten. Zum einen ist der 3-Jahres-Zeitraum für den Wiederaufbau im Falle eines Brandschadens kein sehr langer Zeitraum. Entsteht der Anspruch jedenfalls durch Sicherstellung nicht rechtzeitig, d. h. mit dem taggenauen Ablauf von drei Jahren nach dem Versicherungsfall, entfällt die Neuwertspitze gänzlich. Zum anderen bedingt die Verwendung des unbestimmten Rechtsbegriffes der Sicherstellung in der strengen Wiederherstellungsklausel die Notwendigkeit, jeden Einzelfall separat zu beurteilen. Schnell überschreitet der Versicherungsmakler hier bei seiner Unterstützung des Versicherungsnehmers den Bereich der erlaubten Rechtsberatung und begibt sich in die Gefahr der verbotenen Rechtsberatung. Rechtsberatung schuldet der Versicherungsmakler im Rahmen seiner originären Haupttätigkeit lediglich als Nebendienstleistung, dies beinhaltet jedoch keine vertiefte Prüfung und Beratung im rechtlichen Sinne. Die Beratung in diesen Fällen ist sehr anspruchsvoll.