Zusprechend
Gericht: LG Darmstadt
Urteil vom 10.02.2021
Az.: 26 O 296/20

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 150.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.04.2020 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Ansprüche aus einer Betriebsschließungsversicherung vor dem Hintergrund des. sog. Lockdowns in der ersten Jahreshälfte 2020 wegen der Corona-Pandemie.

Die Klägerin betreibt eine Trampolin-Halle in [Ort und Bundesland]. Der Betrieb der Klägerin ist außer an Feiertagen montags regelmäßig geschlossen.

Die Klägerin unterhält bei dem Beklagten eine Betriebsschließungsversicherung mit Versicherungsbeginn am 28.02.2020 und Vertragsablauf am 27.02.2021. Als Tagesentschädigung ist ein Betrag von 5.000,00 € bis zu einer Dauer von 30 Schließungstagen vereinbart.

Dem streitgegenständlichen Versicherungsvertrag liegen u.a. die Allgemeinen Bedingungen für die Betriebsschließungsversicherung zum Stand 01.01.2019 (im Folgenden: AVB-BS) sowie die Besonderen Bedingungen für die Betriebsschließungsversicherung zum Stand 01.01.2019 (im Folgenden: „BBR-BS“) zugrunde.

§ 1 AVB-BS unter der Überschrift „Gegenstand der Versicherung, versicherte Gefahren“ lautet auszugsweise wie folgt:

„1. Versicherungsumfang

Der Versicherer leistet Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG [in einer Fußnote heißt es: „Auf Wunsch werde[n] Auszüge zu den genannten Gesetzestexten zur Verfügung gestellt“]) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Nr. 2)
a) den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen schließt; Tätigkeitsverbote gegen sämtliche Betriebsangehörige eines Betriebes oder einer Betriebsstätte werden einer Betriebsschließung gleichgestellt;
[…]“

2. Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger

Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die folgenden, im Infektionsgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger:

a) Krankheiten

[es folgt eine Auflistung von Krankheiten in Spiegelstrichen, bei der die Krankheit COVID-19 nicht enthalten ist und jedenfalls auch folgende Krankheiten gegenüber der Auflistung in § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1-4 IfSG in der im Zeitraum zwischen 25.07.2017 und 29.02.2020 geltenden Fassung nicht enthalten sind: humane spongiforme Enzephalopathie (außer familiär-hereditärer Formen); Keuchhusten; Mumps; Poliomyelitis; Röteln (einschließlich Rötelnembryopathie)]

b) Krankheitserreger

[es folgt eine Auflistung von Krankheitserregern in Spiegelstrichen, bei der das neuartige Corona-Virus SARS-CoV-2 nicht enthalten ist und bei der gegenüber der Auflistung in § 7 Abs. 1 und 3 IfSG in der im Zeitraum zwischen 25.07.2017 und 29.02.2020 geltenden Fassung jedenfalls folgende Krankheitserreger nicht enthalten sind: Bordetella pertussis, Bordetella parapertussis; Mumpsvirus; Norovirus; Varizella-Zoster-Virus]“

§ 2 AVB-BS lautet unter der Überschrift „Umfang der Entschädigung“ auszugsweise wie folgt:

3. Entschädigungsberechnung

„Der Versicherer ersetzt im Falle
a) einer Schließung nach §1 Nr. 1 a) den Schaden in Höhe der vereinbarten Tagesentschädigung für jeden Tag der Betriebsschließung bis zur vereinbarten Dauer. Tage, an denen der Betrieb auch ohne die behördliche Schließung geschlossen wäre, zählen nicht als Schließungstage.
[…]“

§ 3 AVB-BS unter der Überschrift „Ausschlüsse“ lautet auszugsweise wie folgt:

4. Krankheiten und Krankheitserreger
Der Versicherer haftet nicht bei Prionenerkrankungen oder dem Verdacht hierauf.“

§ 21 AVB-BS unter der Überschrift Wegfall der Entschädigungspflicht aus besonderen Gründen lautet auszugsweise wie folgt:

„1. Öffentlich-rechtliches Entschädigungsrecht
a) Ein Anspruch auf Entschädigung besteht insoweit nicht, als Schadensersatz aufgrund öffentlich-rechtlichen Entschädigungsrechts beansprucht werden kann (z.B. nach den Bestimmungen des Infektionsschutzgesetzes, den Vorschriften über Amtshaftung oder Aufopferung oder EU-Vorschriften). Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, unverzüglich entsprechende Anträge zu stellen. Der Versicherungsnehmer kann jedoch verlangen, dass ihm der Versicherer insoweit ein zinsloses Darlehen bis zur Höhe einer nach §§ 2 und 7 berechneten Versicherungsleistung zur Verfügung stellt
[…]“

Wegen der weiteren Einzelheiten der AVB-BS wird auf die Anlage WH 2 (Bl. 30 ff. der Akte verwiesen).

Im Produktinformationsblatt des Beklagten zur Betriebsschließungsversicherung heißt es unter der Überschrift „Was ist versichert“ auszugsweise wie folgt:

„Die Betriebsschließungsversicherung wegen Infektionsgefahr leistet, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz = IfSG) bei Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger
– den versicherten Betrieb schließt;
– Tätigkeitsverbote – auch für einzelne beschäftigte Personen – verhängt;
[…]“

Eine Broschüre des Beklagten stellt insbesondere darauf ab, dass mit der Betriebsschließungsversicherung des Beklagten die Gefahr abgesichert werden kann, dass Keime und Erreger „in einen Betrieb“ gelangen.

In den Fachinformationen des Beklagten (Anlage WH 11, Bl. 260 ff. der Akte), die dem Versicherungsvermittler, der den streitgegenständlichen Versicherungsvertrag vermittelte, übermittelt worden waren, heißt es im Punkte III. 2.2 unter der Überschrift „Empfehlung zur Berechnung der zu versichernden Tagesentschädigung“ u.a.:

„Der Kunde wählt die zu versichernde Tagesentschädigung individuell auf Basis seiner Betriebsgröße aus. Sie sollte höchstens 110% des Betrages ausmachen, der an Geschäftskosten und Gewinn auf einen Tagesumsatz entfällt. Zu beachten ist hierbei, dass bei der […] der Nachweis über den tatsächlichen Bedarf der gewählten Tagesentschädigung entfällt – dies gilt selbstverständlich auch im Schadensfall.“

Am 19.03.2020 machte die Stadt […] die Allgemeinverfügung „zu weiteren kontaktreduzierenden Maßnahmen zur Bekämpfung von übertragbaren Krankheiten nach dem Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz)“ vom 18.03.2020 bekannt, in deren Ziffer 4 es auszugsweise heißt:

„Folgende Einrichtungen, Begegnungsstätten und Angebote sind zu schließen bzw. einzustellen:
a) […]
b) Alle Messen, Ausstellungen, Freizeit- und Tierparks und Anbieter von Freizeitaktivitäten (drinnen und draußen), Spezialmärkte und ähnliche Einrichtungen Trägerschaft oder von Eigentumsverhältnissen
[…]“

Die Allgemeinverfügung stützt sich auf §§ 16 Abs. 1 S. 1, 28 Abs. 1 S. 2 IfSG und wurde mit einer Geltungsdauer bis zum 19.04.2020 erlassen.

Mit Bescheid vom 31.03.2020 untersagte der Oberbürgermeister der Stadt […] der Klägerin den Betrieb ihres Trampolin-Parks ab dem 16.03.2020; als Rechtsgrundlage wird § 28 Abs. 1 S. 2 IfSG angegeben.

In § 3 Abs. 1 CoronaSchVO-NW vom 22.03.2020 in der vom 23.03.2020 bis 30.03.2020 geltenden Fassung heißt es auszugsweise:

„Der Betrieb der folgenden Einrichtungen und Begegnungsstätten sowie die folgenden Angebote sind untersagt:
1. […]
2. Messen, Ausstellungen, Freizeit- und Tierparks, Angebote von Freizeitaktivitäten (drinnen und draußen), Spezialmärkte und ähnliche Einrichtungen,
[…]“

Die Bestimmung in § 3 Abs. 1 CoronaSchVO-NW änderte sich in dem zitierten Umfang auch in der bis zum 26.04.2020 geltenden Fassung nicht.

Die CoronaSchVO-NW vom 22.03.2020 stützt sich in ihrer Eingangsformel auf Bestimmungen des IfSG.

Die Klägerin schloss ihren Betrieb ab dem 17.03.2020 und öffnete ihn wieder am 11.06.2020.

Über ihren Makler meldete die Klägerin ihren Schadensfall dem Beklagten. Mit Schreiben ihrer anwaltlichen Vertreter vom 15.04.2020 forderte die Klägerin den Beklagten zur Zahlung einer Gesamtentschädigung in Höhe von 150.000,00 € bis zum 30.04.2020 auf.

Mit Schreiben vom 29.04.2020 lehnte der Beklagte eine Eintrittspflicht in der Betriebsschließungsversicherung ab.

Die Klägerin behauptet, sie habe die streitgegenständliche Versicherung gerade im Hinblick auf das Corona-Virus abgeschlossen. Sie ist der Auffassung, es liege eine bedingungsgemäße Betriebsschließung vor.

Die Klägerin beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 150.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.04.2020 zu zahlen,

2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 2.743,43 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.04.2020 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, die tabellarische Auflistung der Krankheitserreger in § 1 Nr. 2 AVB-BS sei abschließend und das Coronavirus damit nicht erfasst. Dies ergebe sich insbesondere auch aus dem Fettdruck des Wortes „folgenden“.

Zudem setze ein bedingungsgemäßer Versicherungsfall voraus, dass eine wirksame behördliche Anordnung vorliege. Es habe im Zivilprozess eine inzidente öffentlich-rechtliche Prüfung stattzufinden.

Weiterhin sei nach den Versicherungsbedingungen eine Betriebsschließung nur dann versichert, wenn sie aufgrund einer betriebsinternen Gefahr erfolge. Hierzu verweist der Beklagte auf die Gleichstellung von Tätigkeitsverboten gegen sämtliche Betriebsangehörige mit einer Betriebsschließung. Auch ergebe sich dies aus der übrigen Systematik, wonach im Übrigen nur betriebsinterne Gefahren versichert sein, wie etwa die Desinfektion von Betriebsräumen, die Infektion von im Betrieb beschäftigten Mitarbeitern oder die Kosten von Ermittlungsmaßnahmen, weil jemand krank sei. Auch in den BBR-BS würden ausschließlich betriebsinterne Gefahren versichert, wie infizierte Waren und Vorräte oder Kosten für eine Imagewiederherstellung. Auch gehe es in der gesamten Literatur zur Betriebsschließungsversicherung immer und ausschließlich um betriebsinterne Gefahren. Für diese Auslegung sprächen auch weitere Regelungen in den AVB-BS, wie etwa zum Versicherungsort. Diese Auslegung ergebe sich auch aus der Broschüre und dem Produktinformationsblatt. Hierzu verweist der Beklagte auf den Wortlaut des Produktinformationsblattes, wo auf eine „im Betrieb“ aufgetretene Infektion abgestellt wird. Darüber hinaus sei es auch im Antragsverfahren zu dem Versicherungsvertrag nur um betriebsinterne Gefahren gegangen und sei übereinstimmender Parteiwille gewesen, dass Deckung für betriebsinterne Gefahren gewünscht werde, nicht aber etwa für künftige Schließungen im Rahmen eines „shutdown“.

Schließlich beruft sich der Beklagte darauf, dass nach dem klägerischen Vortrag jedenfalls eine massive Störung der Geschäftsgrundlage vorliege, weil beide Parteien sich die Corona-Pandemie nicht vorgestellt hätten und nicht hätten vorstellen können. Andernfalls wäre der Vertrag überhaupt nicht zustande gekommen oder jedenfalls mit einer völlig anderen Prämie oder einem ausdrücklichen Risikoausschluss.

Der Beklagte wendet sich außerdem gegen die Höhe des von der Klägerin geltend gemachten Entschädigungsanspruchs:

Er wendet ein, dass die Klägerin zur Höhe des tatsächlichen Schadens nichts vortrage. Der Betrieb wäre nach dem Vortrag der Klägerin auch ohne die behördliche Schließung geschlossen worden, weil mehr oder weniger die gesamte Bevölkerung von sich aus alle nicht zwingenden notwendigen Kontakte eingeschränkt habe, es gerade in Bayern eine Art „Ausgangssperre“ gegeben habe „usw. usf.“.

Auch liege eine erhebliche Abweichung des tatsächlichen Schadens im Sinne von § 76 S. 2 VVG von der vereinbarten Tagesentschädigung vor, sodass diese nicht bindend sei.

Der Beklagte verweist darauf, dass nach § 21 AVB Ansprüche bei Bestehen öffentlich-rechtlicher Schadensersatzansprüche ausgeschlossen wären, sowie darauf, dass nach dem Vortrag der Klägerin ein Anspruch aus § 56 IfSG oder § 65 IfSG, aber auch nach den Grundsätzen des enteignenden Eingriffs „usw.“ bestehe.

Schließlich beruft sich der Beklagte auch auf eine Schadensminderungsobliegenheit der Klägerin aus § 82 VVG und verweist hierzu auf Kurzarbeitergeld, Soforthilfe oder „andere Leistungen“.

Gründe

Die zulässige Klage ist weit überwiegend begründet.

Der zulässige Antrag zu 1) ist weit überwiegend begründet.

Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von 150.000,00 € als Zahlung einer Entschädigungsleistung wegen Betriebsschließung an 30 Tagen abzüglich der üblichen Schließungstage (Montage ohne Feiertage) jedenfalls in der Zeit ab dem 19.03.2020 gemäß § 1 S. 1 VVG i.V.m. §§ 1 Nr. 1 a), 2 Nr. 3 a) AVB-BS zu.

Es liegt ein Versicherungsfall im Sinne von § 1 Nr. 1 a) AVB-BS vor, also eine Betriebsschließung durch die zuständige Behörde aufgrund des Infektionsschutzgesetzes wegen des Auftretens einer meldepflichtigen Krankheit oder eines meldepflichtigen Krankheitserregers.

Das neuartige Corona-Virus SARS-CoV-2, dessen Ausbreitung der Anlass der streitgegenständlichen Rechtsverordnungen ist, war bereits zum Zeitpunkt der hier streitgegenständlichen behördlichen Betriebsschließungsanordnung im März 2020 ein bedingungsgemäßer meldepflichtiger Krankheitserreger i.S.v. § 1 AVB-BS.

Das ergibt sich schon daraus, dass § 1 AVB-BS jedenfalls gemäß § 305 Abs. 2 BGB aufgrund der unklaren Regelung hinsichtlich der erfassten Erreger zugunsten der Klägerin so auszulegen ist, dass alle Krankheitserreger, die nach § 7 IfSG in seiner jeweils aktuellen Fassung meldepflichtig sind, einen Versicherungsfall begründen können (vgl. LG Darmstadt, BeckRS 2020, 35645 Rn. 38 ff.)

Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht; wobei es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen ankommt; in erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen; der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (BGH, NJW 2019, 1287 Rn. 16).

Nach diesen Maßstäben verdient jedenfalls eine Auslegung von § 1 Nr. 2 AVB-BS nicht den klaren Vorzug (vgl. BGH, NJW 2002, 3232) dahin, dass der Katalog abschließend ist, weil jedenfalls eine Auslegung als nicht abschließende, lediglich exemplarische Auflistung einzelner Krankheiten und Krankheitserreger gut vertretbar erscheint (vgl. dazu und dem folgenden insbesondere auch: Armbrüster, r+s 2020, 506; LG Darmstadt, BeckRS 2020, 35645 Rn. 41 ff.).

Der um Verständnis bemühte Versicherungsnehmer wird sich fragen, ob der Deckungsumfang, der in § 1 Nr. 1 AVB-BS auf behördliche Maßnahmen wegen nach dem IfSG meldepflichtiger Krankheiten und Krankheitserreger bezogen ist, durch § 1 Nr. 2 AVB-BS inhaltlich dahin bestimmt werden soll, dass die Auflistung in § 1 Nr. 2 AVB-BS abschließend sein soll, und damit die Möglichkeit besteht, dass für eine behördliche Maßnahme gegen seinen Betrieb i.S.v. § 1 Nr. 1 AVB-BS wegen nach IfSG meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger kein Deckungsschutz besteht, weil die Krankheit bzw. der Erreger nicht in der Auflistung von § 1 Nr. 2 AVB-BS enthalten ist. Diese Frage wird sich der Versicherungsnehmer insbesondere auch deshalb stellen, weil er mit der Betriebsschließungsversicherung sich gegen die Gefahr von Behördenmaßnahmen aufgrund IfSG – eben insbesondere eine Betriebsschließungsanordnung – und nicht primär für das Auftreten bestimmter Krankheiten oder Krankheitserreger versichern will, sodass er mit dieser Frage ermitteln wird, ob für den von der Betriebsschließungsversicherung grundsätzlich angebotenen Versicherungsschutz bei den in § 1 Nr. 1 AVB-BS genannten Behördenmaßnahmen aufgrund IfSG gegen seinen Betrieb Deckungslücken bestehen könnten. Der Versicherungsnehmer wird sich daher näher mit dem Wortlaut des einleitenden Satzes von § 1 Nr. 2 AVB-BS beschäftigen und feststellen, dass dort ein eindeutiger Wortlaut für einen abschließenden Charakter – wie vielleicht „nur die folgenden“ oder „ausschließlich die folgenden“ – ebenso wenig zu finden ist, wie ein eindeutiger Wortlaut für eine nur beispielhafte Aufzählung – wie etwa „insbesondere die folgenden“. Es wird dem Versicherungsnehmer dabei auch auffallen, dass das verwendete Wort „namentlich“ für die Beantwortung der Frage von keinerlei Bedeutung ist. Denn mit der konkreten Stellung des Wortes in dem Satz wird den folgenden Krankheiten und Krankheitserregern lediglich die weitere Eigenschaft zugeschrieben, in §§ 6, 7 IfSG namentlich – also mit ihrem Namen – genannt zu sein. Daraus lässt sich aber keinerlei Schluss ziehen, ob diese in §§ 6, 7 IfSG namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger ausschließlich oder insbesondere versichert sein sollen. Nachdem sich der Wortlaut insoweit als unergiebig erweist, wird sich der um Verständnis bemühte Versicherungsnehmer, auch wenn er ein infektiologischer Laie ist, klar machen, dass der Kreis der nach dem IfSG meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger naturgemäß im Laufe der Zeit einem Wandel unterworfen sein muss, weil auch dem infektiologischen Laien klar ist, dass neue Krankheiten und Krankheitserreger auftreten können, die dann nach IfSG meldepflichtig werden, und dass andererseits bisher meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger bedeutungslos werden und die Meldepflicht nach IfSG dann aufgebhoben werden kann. Der Versicherungsnehmer wird verstehen, dass bei diesem erwartbaren Wandel des Kreises der meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger ein Verständnis von § 1 Nr. 2 AVB-BS als abschließender Katalog sich notwendig allein zu seinen Lasten auswirken würde, weil sein Versicherungsschutz sich stets verschlechtern würde. Denn entweder würden bei einem solchen Wandel neue Krankheiten und Krankheitserreger nach §§ 6, 7 IfSG meldepflichtig, sodass der Kreis der nicht versicherten meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserreger größer würde, oder es würde eine Meldepflicht entfallen, sodass der Kreis der versicherten Krankheiten und Krankheitserreger faktisch kleiner würde, weil dann für diese Krankheit oder diesen Krankheitserreger auch keine Behördenmaßnahmen nach IfSG i.S.v. § 1 Nr. 1 AVB-BS mehr zu erwarten wären. Der um Verständnis bemühte Versicherungsnehmer muss bei dem grundsätzlich offenen Wortlaut nicht annehmen, dass sein Versicherer den Deckungsschutz der Versicherung derart einseitig als im Lauf der Zeit erwartbar abschmelzend ausgestalten will, ohne ihn jedenfalls klar darauf hinzuweisen (tendenziell anders: LG Nürnberg-Fürth, BeckRS 2020, 37386 Rn. 31; vgl. zu dieser Problematik auch, ebenfalls in gegenläufiger Tendenz: LG Hamburg, BeckRS 2020, 34910 Rn. 36). Der Versicherungsnehmer wird in der Annahme, dass die Auflistung von § 1 Nr. 2 AVB-BS nicht abschließend gemeint sein kann, noch bestärkt durch § 3 Nr. 4 AVB-BS, wo ausdrücklich bestimmt wird, dass eine Haftung für Prionenerkrankungen nicht besteht. Dies deutet für den Versicherungsnehmer darauf hin, dass die Auflistung in § 1 Nr. 2 AVB-BS nicht abschließend gemeint sein kann, weil es sonst dieses Ausschlusses nicht bedurft hätte. Das gilt auch dann, wenn er nicht erkennen kann, ob in der Auflistung Prionenerkrankungen enthalten sind oder nicht: Wenn Prionenerkrankungen in der Auflistung nicht enthalten sein sollten, bedürfte es bei einer abschließenden Auflistung des Ausschlusses überhaupt nicht. Wenn Erkrankungen in der Auflistung enthalten wären, die allein von Prionen ausgelöst werden, wäre der Ausschluss bei abschließender Auflistung jedenfalls offensichtlich widersinnig zu einer abschließenden enumerativen Auflistung in § 1 Nr. 2 AVB-BS. Und wenn in der Auflistung Krankheiten enthalten wären, die sowohl von Prionen als auch von anderen Erregern ausgelöst werden können, so hätte es bei einer abschließend gemeinten Auflistung sehr viel näher gelegen, diesen partiellen Ausschluss bei der jeweiligen einzelnen Krankheit selbst in dem Katalog aufzunehmen, so wie sich auch sonst in der Auflistung in § 1 Nr. 2 AVB-BS nähere Bestimmungen bei einzelnen Krankheiten oder Krankheitserregern finden.

Bei der Auslegung von § 1 Nr. 2 AVB-BS als nicht abschließende Auflistung ergibt sich der Deckungsschutz im streitgegenständlichen Zeitraum für das neuartige Corona-Virus aus § 1 Nr. 1 AVB-BS in Verbindung mit der jeweiligen Meldepflicht nach IfSG. Unerheblich dabei ist, dass die Meldepflicht gemäß § 7 IfSG für das neuartige Corona-Virus SARS-CoV-2 zunächst ab dem 01.02.2020 auf § 15 IfSG
i.V.m. § 1 Abs. 1 und 3 CoronaVMeldeV beruhte und das Virus erst ab Mai 2020 in den Katalog der ausdrücklich in § 7 IfSG genannten Krankheitserreger aufgenommen wurde. Denn § 1 Nr. 1 AVB-BS bezieht den Versicherungsschutz auf nach IfSG meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger ohne eine Einschränkung auf die in §§ 6, 7 IfSG mit Namen aufgeführten zu beschränken (vgl. anders in dieser Frage LG Bochum, COVuR 2021, 34 Rn. 26, mit ablehnender Besprechung von Armbrüster). Dabei ist auch unbeachtlich, ob dem einzelnen Versicherungsnehmer etwa die CoronaVMeldeV bekannt war oder nicht, weil eben die Auslegung des Versicherungsumfangs ergibt, dass Versicherungsschutz für alle nach IfSG meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger besteht.

Selbst wenn aber § 1 Nr. 2 a) und b) AVB-BS als abschließender Katalog auszulegen wäre, bestünde Deckungsschutz für das neuartige Corona-Virus. Denn dann läge jedenfalls ein Verstoß gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB vor, der gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB zur Unwirksamkeit des einschränkenden Katalogs in § 1 Nr. 2 a) und b) AVB-BS führen würde, weshalb Versicherungsschutz jedenfalls gemäß § 1 Nr. 1 AVB-BS bestünde, der umfassend auf nach dem IfSG meldepflichtige Erreger abstellt (vgl. LG Darmstadt, BeckRS 2020, 35645 Rn. 44).

Der Verstoß gegen das Transparenzgebot wäre bei der Auslegung von § 1 Nr. 2 a) und b) AVB-BS als abschließender Katalog wie folgt begründet:

In der enumerativen Liste fehlen schon mehrere Krankheiten und Krankheitserreger, die bereits zum Zeitpunkt der Erstellung der AVB- BS am 01.01.2019 in den §§ 6 und 7 IfSG als meldepflichtig ausdrücklich genannt waren. Für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer wird in den AVB-BS jedoch nicht hinreichend deutlich erkennbar, dass der AVB-Verwender bereits zum Zeitpunkt der Erstellung der AVB eine eigene, engere Umschreibung der bedingungsgemäßen Krankheiten und Krankheitserreger vornehmen will, als sie nach dem IfSG selbst zum Stand der AVB-BS meldepflichtig waren. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer braucht aber nicht damit zu rechnen, dass er Lücken im Versicherungsschutz hat, ohne dass ihm diese hinreichend verdeutlicht werden (BGH, r+s 2003, 500). Wegen dieses Verstoßes gegen das Transparenzgebot wäre eine Beschränkung des Versicherungsschutzes auf die in den AVB-BS namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger jedenfalls gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam (vgl. Armbrüster, r+s 2020, 506; LG München I, COVuR 2020, 640 Rn. 79 ff.).

Dagegen kann auch nicht eingewandt werden, dass es sich bei dem Katalog in § 1 Nr. 2 a) und b) AVB-BS nicht lediglich um eine Deckungseinschränkung, sondern um das der gerichtlichen Inhaltskontrolle entzogene primäre Leistungsversprechen handele (so aber zu einem vergleichbaren Fall LG Köln,BeckRS 2020, 34067 Rn. 19).

Der gerichtlichen Inhaltskontrolle entzogene Leistungsbeschreibungen sind solche, die Art, Umfang und Güte der geschuldeten Leistung festlegen; Klauseln, die das Hauptleistungsversprechen einschränken, verändern, ausgestalten oder modifizieren, sind hingegen inhaltlich zu kontrollieren; damit bleibt der Überprüfung entzogen nur der enge Bereich der Leistungsbezeichnungen, ohne deren Vorliegen mangels Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhalts ein wirksamer Vertrag nicht mehr angenommen werden kann (BGH, NJW 2001, 1934).

Zu diesem engen Bereich gehört der Katalog in § 1 Nr. 2 a) und b) AVB-BS nicht (vgl. auch Werber, VersR 2020, 661).

Das Hauptleistungsversprechen des Versicherers wird in § 1 Nr. 1 AVB-BS hinsichtlich des Versicherungsfalls so bestimmt, dass er dann leistet, wenn die zuständige Behörde aufgrund des IfSG beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger Maßnahmen vornimmt, wie etwa die Anordnung der Betriebsschließung (vgl. Werber, VersR 2020, 661). Ohne den Katalog in § 1 Nr. 2 AVB-BS läge keine fehlende Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhalts vor; § 1 Nr. 2 AVB-BS – so der Katalog denn als abschließend auszulegen wäre – gestaltet das Hauptleistungsversprechen lediglich einschränkend aus, indem ein Versicherungsfall nicht bei allen nach dem IfSG meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger vorliegen können soll, sondern nur bei der aufgeführten Auswahl. Dagegen kann auch nicht auf den Klammerzusatz in § 1 Nr. 1 AVB-BS verwiesen werden, der seinerseits auf den Katalog in § 1 Nr. 2 AVB-BS verweist (so aber LG Köln, BeckRS 2020, 34067 Rn. 19). Denn Kern des versprochenen Versicherungsfalls, für den Schutz versprochen wird, ist das Eingreifen der Behörde aufgrund des IfSG und nicht etwa das Auftreten bestimmter Krankheiten oder Krankheitserreger; § 1 Nr. 2 AVB-BS gestaltet § 1 Nr. 1 AVB-BS näher aus und nicht umgekehrt, wie sich auch bereits aus der Abfolge der Regelungen ergibt. Versicherungsschutz bei einem Tätigwerden der Behörde aufgrund des IfSG, wie es in § 1 Nr. 1 AVB-BS beschrieben wird, ist das Hauptleistungsversprechen, das der Inhaltskontrolle entzogen ist. Ohne § 1 Nr. 1 AVB- BS wäre der Versicherungsumfang nicht mehr bestimmbar; für § 1 Nr. 2 AVB-BS gilt das gerade nicht. Dem Klammerzusatz in § 1 Nr. 1 AVB-BS kommt damit nicht mehr als die Funktion eines Hinweises auf die vorgenommene einschränkende Ausgestaltung des Hauptleistungsversprechens zu – so § 1 Nr. 2 AVB-BS denn als abschließend auszulegen wäre.

Die weiterhin nach § 1 Nr. 1 a) AVB-BS erforderliche Betriebsschließung durch die zuständige Behörde aufgrund des IfSG liegt jedenfalls im Zeitraum vom 19.03.2020 bis zum 26.04.2020 ebenfalls vor (vgl. LG Darmstadt,BeckRS 2020, 35645 Rn. 46 ff.).

Hier erfolgte die Anordnung der Betriebsschließung in Form einer Allgemeinverfügung bzw. durch Rechtsverordnung.

Unerheblich ist dabei, welche Rechtsform des Verwaltungshandelns – ein an nur einen Adressaten gerichteter Verwaltungsakt, eine Allgemeinverfügung oder eine Rechtsverordnung – vorliegt, weil sich Einschränkungen auf bestimmte Formen von Verwaltungshandeln aus den AVB-BS nicht ergeben.

Unerheblich ist des Weiteren auch, ob die Allgemeinverfügung bzw. Rechtverordnung wirksam ist.

Aus dem Wortlaut der Versicherungsbedingungen sind Einschränkungen auf rechtmäßiges oder rechtswirksames Behördenhandeln nicht ersichtlich (vgl. LG München I, COVuR 2020, 640 Rn. 59). Der durchschnittliche Versicherungsnehmer versteht die Klausel so, dass Versicherungsschutz dann bestehen soll, wenn die Behörde aufgrund des IfSG tatsächlich einschreitet und die Schließung seines Betriebes anordnet, falls nicht ein fernliegender Ausnahmefall vorliegen sollte, dass eine Behörde für jeden Laien offensichtlich schwerwiegend rechtswidrig die Betriebsschließung vornimmt (LG München I, COVuR 2020, 604 Rn. 62). Dieses Risiko will der Versicherungsnehmer versichert haben und will nach seinem Verständnis der Versicherer versichern; dafür, dass der Versicherungsnehmer das Risiko der rechtlichen Beurteilung des Behördenhandeln tragen sollte, ist nichts ersichtlich (vgl. LG München I, COVuR 2020, 640 Rn. 61).

Unerheblich ist dabei im Weiteren insbesondere auch, ob die fragliche Allgemeinverfügung bzw. Rechtsverordnung vielleicht nichtig ist.

Die Nichtigkeit eines Rechtsakts führt nicht dazu, dass er nicht existent wäre und er nicht geeignet wäre, die Tatbestandsvoraussetzungen einer Anspruchsgrundlage zu erfüllen (so aber wohl Günther, VW 2021, 28).

Die Nichtigkeit eines Rechtsaktes bedeutet im Wesentlichen lediglich, dass die Rechtsfolgen, die er herbeiführen sollte, nicht eintreten (vgl. für das Rechtsgeschäft: BGH, BeckRS 1955, 31396031).

Die Nichtigkeit eines Rechtsakts hat nicht die Folge, dass dieser nicht existent wäre oder als nicht existent anzusehen wäre; der Lebenssachverhalt – also das tatsächliche Geschehen der Vornahme des Rechtsakts – wird lediglich von der Rechtsordnung so bewertet, dass die von dem Rechtsakt bezweckten Rechtsfolgen nicht eintreten; der Lebenssachverhalt des tatsächlich vorgenommenen Rechtsakts kann aber natürlich als solcher Anknüpfungspunkt für die Auslösung sonstiger Rechtsfolgen sein (vgl. für die Willenserklärung: BGH, NJW-RR 2017, 114 Rn. 22; vgl. auch zur Willenserklärung: MüKoBGB/Busche, 8. Aufl. 2018, BGB § 142 Rn. 12).

Auf den vorliegenden Fall bezogen bedeutet das: Selbst wenn die relevante Allgemeinverfügung oder Rechtsverordnung nichtig wäre, würde dies nur dazu führen, dass die intendierte öffentlich-rechtliche Schließungspflicht von Anfang an nicht entstanden wäre, es würde aber selbstverständlich nichts daran ändern, dass die Behörde der Klägerin tatsächlich befohlen hat, ihren Betrieb zu schließen.

Allein auf letzteres kommt es für die bedingungsgemäße Schließungsanordnung an, solange nicht die Klägerin erkennen musste, dass die Schließungsanordnung offensichtlich unrechtmäßig war und ihr aus verweigertem Gehorsam keine Nachteile drohen könnten, wofür hier aber nichts ersichtlich ist.

Eine bedingungsgemäße Betriebsschließung erfordert es auch nicht, dass die Behörde aufgrund einer betriebsinternen Gefahr die Schließung anordnet (vgl. LG Darmstadt, BeckRS 2020, 35645 Rn. 50 f.).

Bei dem hier relevanten Versicherungsfall der Betriebsschließung gemäß § 1 Nr. 1 a) HS. 1 AVB-BS ist eine solche Einschränkung im Wortlaut der AVB nicht ersichtlich (vgl. auch LG München I, COVuR 2020, 640 Rn. 66). Der Beklagte stellt für seine Auslegung auf den zweiten Halbsatz von § 1 Nr. 1 a) AVB-BS ab, der ein Tätigkeitsverbot gegen alle Mitarbeiter eines Betriebs oder einer Betriebsstätte der Schließung gleichstellt. Es ist jedoch nicht nachvollziehbar, wie sich daraus eine Beschränkung auf betriebsinterne Gefahren für die Betriebsschließung selbst ergeben soll (vgl. auch LG München I, COVuR 2020, 640 Rn. 67); der Beklagte zitiert den zweiten Halbsatz von § 1 Nr. 1 a) AVB-BS insoweit falsch, als er am Ende des Satzes die Einfügung „(Schließung)“ vornimmt, und so offenbar eine Art Legaldefinition suggerieren will, die sich in den AVB-BS jedoch nicht findet. Der Beklagte verweist im Übrigen darauf, dass die sonstigen Versicherungsfälle betriebsinterne Gefahren beträfen, wie Desinfektion der Betriebsräume, Infektion von Mitarbeitern, Kosten von Ermittlungsmaßnahmen und die Fälle der besonderen Bedingungen bzgl. infizierter Waren und Vorräte sowie Kosten für Imagewiederherstellung. Es ist aber nicht nachvollziehbar, warum daraus folgen sollte, dass auch die Betriebsschließung als maßgeblicher Versicherungsfall nur aufgrund betriebsinterner Gefahren bedingungsgemäß sein soll. Auch ist nicht nachvollziehbar, warum sich aus den Regelungen zum Versicherungsort solches ergeben sollte. Der Beklagte verweist im Übrigen zwar zu Recht darauf, dass jedenfalls im Produktinformationsblatt von Gefahren einer „im Betrieb auftretenden Infektion“ die Rede ist; jedoch wird auch im weiteren Text des Informationsblatts die Haftung nicht ausdrücklich auf eine solche betriebsinterne Gefahr beschränkt und kann eine so beiläufige Formulierung die Auslegung der weiter formulierten AVB-BS nicht maßgeblich beeinflussen. Entsprechendes gilt für die Broschüre, auf die der Beklagte verweist.

Eine Beschränkung des Deckungsschutzes bei Betriebsschließung auf rein innerbetriebliche Vorgänge könnte schließlich auch nicht begründet werden, wenn – was die Klägerin bestreitet – Gegenstand des Antragsverfahrens zu dem streitgegenständlichen Versicherungsvertrag nur betriebsinterne Gefahren gewesen wären. Denn geschlossen haben die Parteien den Versicherungsvertrag mit den vorliegenden AVB-BS, aus denen sich eine Beschränkung des Versicherungsschutzes bei Betriebsschließung auf betriebsinterne Gefahren nicht ergibt. Dafür, dass die Parteien abweichend von dem Regelungsinhalt der AVB-BS gerade im Fall der Klägerin einen geringeren Versicherungsschutz individuell vereinbart hätten, ist nichts ersichtlich und wird von dem Beklagten auch nichts vorgetragen. Ebenso wenig sind konkrete Anhaltspunkte dafür ersichtlich oder von dem Beklagten vorgetragen, dass es das übereinstimmendes Verständnis der Parteien gewesen sein könnte, dass von der Versicherung auch beim Versicherungsfall der Betriebsschließung nur betriebsinterne Gefahren gedeckt wären.

Die Geschäftsgrundlage des Versicherungsvertrags i.S.v. § 313 BGB ist mit der gegenwärtigen Pandemie nicht entfallen. Dies könnte nur dann der Fall sein, wenn es zur Grundlage des Versicherungsvertrages geworden wäre, dass eine Pandemie aufgrund des Auftauchen eines neuartigen Krankheitserregers nach den Vorstellungen der Parteien nicht möglich war, und insbesondere auch dem Beklagten das Festhalten aufgrund der vertraglichen Risikoverteilung nicht zuzumuten wäre. Dafür spricht jedoch nichts. Es kam auch in der Vergangenheit vor dem Abschluss des streitgegenständlichen Vertrags zur Ausbreitung neuartiger Krankheitserreger – wie etwa auch der Corona-Viren SARS-CoV in den Jahren 2002/03 und MERS-CoV im Jahr 2012 – und auch Epidemien oder Pandemien waren bei Vertragsschluss als mögliches Phänomen bei der Ausbreitung von Krankheiten und Krankheitserregern nicht unbekannt. Es dürfte kaum anzunehmen sein, dass sich ein Versicherer, der Schäden aufgrund nach §§ 6, 7 IfSG meldepflichtiger Krankheiten und Krankheitserreger versichert, damit nicht auseinandergesetzt hat. Wenn es dem Versicherer bei seiner Vertragsgestaltung nicht gelingt, rechtswirksam, insbesondere hinreichend transparent, seine Haftung für mögliche neuartige Erreger oder den Fall einer Epidemie oder Pandemie auszuschließen, fällt ihm jedenfalls nach der vertraglichen Risikoverteilung das Risiko des Auftretens eines neuen Erregers und einer möglichen Pandemie zu und ist ihm zuzumuten, an dem von ihm geschlossenen Vertrag festgehalten zu werden (vgl. auch Notthoff, r+s 2020, 551).

Der Anspruch der Klägerin auf Entschädigungszahlung besteht auch in der eingeklagten Höhe von 150.000,00 €.

Gemäß § 2 Nr. 3 a) AVB-BS leistet der Beklagte Entschädigungszahlungen in Höhe der vereinbarten Tagesentschädigung – hier 5.000,00 € – für jeden Tag der Betriebs-schließung ohne regelmäßige Schließungstage bis zur vereinbarten Dauer von hier 30 Tagen.

Der Betrieb der Klägerin war von der behördlichen Schließungsanordnung in diesem Sinn jedenfalls in der Zeit vom 19.03.2020 bis 26.04.2020 mindestens 30 Tage betroffen.

Danach beläuft sich die Entschädigungszahlung auf 150.000,00 €.

Diese Entschädigungssumme ist auch nicht zu kürzen.

Dabei kann dahinstehen, ob es sich um eine Summen- oder Schadensversicherung handelt.

Selbst wenn es sich um eine Schadensversicherung mit der Vereinbarung einer festen Taxe i.S.v. § 76 VVG handelte, ist die Entschädigungssumme nicht gemäß § 76 S. 2 VVG wegen erheblichen Übersteigens des Versicherungswerts durch die Taxe zu kürzen (so im Ergebnis auch LG München I, COVuR 2020, 640 Rn. 101; vgl. auch LG Darmstadt, BeckRS 2020, 35645 Rn. 63 ff.).

Ein erhebliches Abweichen i.S.v. § 76 S. 2 VVG hat der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte schon nicht hinreichend substantiiert vorgetragen.

Es ist dafür nicht ausreichend, dass der Beklagte pauschal vorträgt, der tatsächliche Schaden der Klägerin liege im März und April 2020 deutlich unterhalb der vereinbarten Tagesentschädigung, und zwar um mehr als 50%, und schon vor dem hier maßgeblichen Tag habe es bei der Klägerin einen erheblichen Umsatzrückgang von jedenfalls deutlich mehr als 10% gegeben.

Der Bundesgerichtshof hat in einer Entscheidung vom 04.04.2001 (NJW 2001, 3539; zur identischen Vorgängernorm § 57 VVG a.F.) ausgeführt, dass ein Maßstab von 10% zur Bemessung eines erheblichen Abweichens des Versicherungswerts von der Taxe nicht allen Fällen gerecht wird, und dass außerdem für die Bestimmung des Maßstabs Art und Zweck der Versicherung und der Grund, aus dem die Parteien im jeweiligen Fall eine Taxe vereinbart haben, entscheidend seien. Des Weiteren sei der Zweck der Regelung zur Taxe zu berücksichtigen, der darin bestehe, die Feststellung der Höhe des vom Versicherer zu leistenden Schadenersatzes zu erleichtern. Dieser Zweck werde gefährdet, wenn das Interesse der Parteien an der Verlässlichkeit der Vereinbarung einer Taxe außer Acht bliebe. Deshalb sei diesem Zweck abwägend gegenüberzustellen, dass nach der gesetzlichen Regelung die Taxe erst dann nicht mehr gelten soll, wenn eine erhebliche Bereicherung des Versicherungsnehmers einträte, mit der auch das subjektive Risiko erheblich vergrößert würde. Wenn gerade wegen der Vielzahl der den Schaden bestimmenden Faktoren und der Unsicherheit ihres Eintritts im Einzelnen schon bei Vertragsschluss feststand, dass sich der tatsächliche Schaden innerhalb einer beträchtlichen Schwankungsbreite bewegen kann, sei es nicht gerechtfertigt, dann, wenn sich der tatsächliche Schaden in diesem vorhersehbaren Rahmen hält, den Anspruch des Versicherungsnehmers zu beschränken. Bei der Beurteilung, ob der tatsächliche Wert erheblich von der vereinbarten Taxe abweiche, sei zu berücksichtigen, ob die Parteien mit größeren Abweichungen von der Pauschale gerechnet haben oder auf Grund der Umstände hätten rechnen müssen, aber dennoch die Pauschale wegen der mit ihr verbundenen Vorteile vereinbarten.

Nach diesen überzeugenden Maßstäben des Bundesgerichtshofs hat der Beklagte eine erhebliche Abweichung von der Taxe nicht vorgetragen:

Mit der Vereinbarung eines pauschalierten Schadenersatzes verfolgten die Parteien offenbar jedenfalls den Zweck, die Feststellung der ersatzfähigen Schadenshöhe zu erleichtern. Als versicherter Schaden im Rahmen der streitgegenständlichen Betriebsschließungsversicherung ist nach dem vorliegenden Vertrag ein Umsatz- oder Rohertragsschaden, jedenfalls aber nicht etwa ein Gewinnschaden anzusehen (vgl. auch LG München I, COVuR 2020, 755 Rn. 90). Das wird schon daraus deutlich, dass in den Fachinformationen des Beklagten als Berechnungsbeispiel auf den Rohertrag zuzüglich eines Sicherheitszuschlags abgestellt wird (Anlage WH 11, Bl. 265 der Akte). Auch in dem Fragebogen des Beklagten, den die Klägerin vorgelegt hat (Schriftsatz vom 10.11.2020,
S. 49; Bl. 178 der Akte) wird in einer Fußnote die Berechnung der Tagesentschädigung so erläutert, dass diese sich aus dem Rohertrag als Differenz von Jahresumsatz und Wareneinsatz geteilt durch 360 Tage und zuzüglich eines Sicherheitszuschlags von 10 % ergeben soll.

Der tatsächlich eingetretene Schaden wäre danach zu bestimmen als Differenz zwischen dem hypothetisch ohne den Versicherungsfall erzielten Rohertrag als Umsatz abzüglich Wareneinsatz und dem während der Zeit des Versicherungsfalls tatsächlich erzielten Rohertrag. Der hypothetische Rohertrag ist sehr schwer zu bestimmen, weil bereits der hypothetische Umsatz von einer Vielzahl von Faktoren abhängig ist, die bei Vertragsschluss im Einzelnen nicht vorhersehbar waren. Unvorhersehbar sind dabei die allgemeinen Umstände, die den hypothetischen Umsatz bestimmt hätten, wie etwa die übrigen Marktbedingungen und die Nachfrage nach dem Angebot der Klägerin im konkreten Zeitraum. Gerade im Bereich der Freizeitangebote werden hier regelmäßig – etwa auch in Abhängigkeit vom Wetter – erhebliche Schwankungen vorkommen. Bei der Bestimmung des hypothetischen Umsatzes bereitet zudem Schwierigkeiten, dass dieser durch Wegdenken der gesamten Umstände des Versicherungsfalls, also insbesondere auch des diesen begründenden Krankheitserregers bzw. der diesen begründenden Krankheit, zu bestimmen ist.

Die Parteien mussten danach bei Vertragsschluss mit einer erheblichen Schwankungsbreite des möglichen (Rohertrag-)Schadens rechnen.

Um den Schwierigkeiten der Bestimmung des konkreten Umsatzschadens zu entgehen legten die Parteien die pauschalierte Tagesentschädigung fest, die für beide Seiten Planbarkeit bringt, wobei auch zu beachten ist, dass das subjektive Risiko der Klägerin nicht außergewöhnlich hoch war.

Zudem ist zu beachten, dass der Beklagte es im Rahmen des Vertragsschlusses offenbar, wie es sich aus der vorgelegten Fachinformation ergibt, auch dem Versicherungsnehmer überlassen hat, die Tagesentschädigung individuell nach seinen Bedürfnissen zu bestimmen. Damit war zwischen den Parteien dem Versicherungsnehmer ein ganz erheblicher Ermessenspielraum zur Einschätzung des erforderlichen Bedarfs eingeräumt, der nicht zwingend von konkret festgestellten taggenauen Rohertragszahlen auszugehen hatte, sondern in das unternehmerische Ermessen des Versicherungsnehmers gestellt war. Daraus ergibt sich eine im Rahmen von § 76
S. 2 VVG zu berücksichtigende besonders große Schwankungsbreite bis zum Erreichen eines möglichen erheblichen Abweichens des tatsächlichen Schadens von der Taxe.

Der Beklagte hat nun aber nicht hinreichend konkret dargelegt, dass sich der tatsächliche Rohertragsschaden der Klägerin erheblich oder auch nur überhaupt außerhalb der ganz erheblichen Schwankungsbreite bewegen würde, mit der die Parteien bei Vertragsschluss rechnen mussten.

Nicht ausreichend für eine solche Annahme ist insbesondere eine Betrachtung, wonach die Klägerin aufgrund der sonstigen Umstände der Corona-Pandemie auch ohne die behördliche Schließungsanordnung keinen Umsatz gemacht hätte oder dass der Umsatz wegen der Umstände der Pandemie bereits vor der Schließung eingebrochen sei. Denn für die Bewertung des hypothetischen Umsatzes der Klägerin in der streitgegenständlichen Zeit ist eine hypothetische Betrachtung erforderlich, welches Betriebsergebnis die Klägerin erzielt hätte, wenn in dem fraglichen Zeitraum nicht die Corona-Pandemie geherrscht hätte, die Anlass für die streitgegenständliche Betriebsschließungsversicherung war (vgl. auch Fortmann, r+s 2020, 665). Insbesondere ist nicht eine hypothetische Betrachtung anzustellen, wie das Betriebsergebnis gewesen wäre, wenn es zwar die Corona-Pandemie aber nicht die Betriebsschließungsanordnung gegeben hätte, weil bereits die Pandemielage als Grundlage der Schließungsanordnung hier Teil des Versicherungsfalls ist.

Dabei ist auch zu beachten, dass der Klägerin im Rahmen von § 76 S. 2 VVG jedenfalls keine sekundäre Darlegungslast dahin zukommt, dass sie dem Beklagten ihre betriebswirtschaftlichen Daten zur Verfügung stellen müsste, sodass der Beklagte auf dieser Grundlage etwa näher zu dem tatsächlichen Rohertragsschaden und seinem Verhältnis zu dem von den Parteien bei Vertragsschluss zugrunde gelegten Schwankungsbreite Vortrag halten könnte.

Zwar trägt die Klägerin immerhin eine – schwer nachvollziehbare – Übersicht über ihre Umsätze im Schließungszeitraum vor. Auch auf dieser Grundlage hält der Beklagte keinen konkreten Vortrag zu der von ihm behaupteten erheblichen Abweichung i.S.v. § 76 S. 2 VVG. Der Beklagte meint vielmehr, die Klägerin müsse auch betriebswirtschaftliche Auswertungen für den streitgegenständlichen Zeitraum sowie Belege über Kurzarbeitergeld, Soforthilfe oder „andere Leistungen“ vorlegen.

Eine sekundäre Darlegungslast der Klägerin besteht jedoch nicht.

Zwar kommt in Fallgestaltungen, in denen die darlegungs- und beweispflichtige Partei außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufs steht und die maßgebenden Tatsachen nicht näher kennt, während die andere Partei sie kennt und ihr ergänzende Angaben zumutbar sind, eine solche sekundäre Darlegungslast der beweisbegünstigten Partei in Betracht; eine solche Zumutbarkeit setzt jedoch stets besondere Anknüpfungspunkte voraus, die in besonderen Umständen wie der Art des vorangegangenen Tuns der beweisbegünstigten Partei oder ihrer persönlichen Verhältnisse und Beziehungen zum Gegner zu finden sein können; grundsätzlich ist jedoch keine Partei über materiellrechtliche Auskunftspflichten hinaus verpflichtet, dem Gegner das Material für einen Prozesssieg zu verschaffen, über das er nicht schon von sich aus verfügt; der Umstand, dass die Darlegung im Einzelfall der beweisbelasteten Partei wesentlich schwerer fällt als ihrem Gegner, genügt allein nicht, um diesem eine erweiterte Obliegenheit zum Bestreiten aufzuerlegen (vgl. BGH, NJW 1997, 128).

Nach diesen Grundsätzen kommt der Klägerin hier keine sekundäre Darlegungslast zu. Denn es liegen keine besonderen Anknüpfungspunkte vor, aufgrund derer es ihr zumutbar wäre, ergänzende Angaben zu ihren betriebswirtschaftlichen Verhältnissen zu machen. Es liegen vielmehr besondere Umstände vor, die dagegen sprechen, ihr solches zuzumuten. So haben die Parteien durch ihre vertragliche Vereinbarung – so eine Schadensversicherung anzunehmen ist – einer Tagesentschädigung privatautonom gerade die Lage herbeigeführt, dass für die Bestimmung der Höhe der Entschädigungsleistung die Klägerin – die ohne die Vereinbarung einer Taxe einen konkreten Schaden hätte darlegen und ggf. beweisen müssen – keinen konkreten Schaden darzulegen hat und es vielmehr dem Beklagten nach § 76 S. 2 VVG obliegt, darzulegen und ggf. zu beweisen, dass eine erhebliche Abweichung im Sinn der Norm vorliegt. Dabei musste dem Beklagten auch bewusst sein, dass er den tatsächlichen Schaden ohne die betriebswirtschaftlichen Daten der Klägerin nur sehr schwer würde darlegen oder gar beweisen können. Diese in dem Versicherungsvertrag vorgenommene privatautonome Verteilung der Darlegungslast kann nun aber im Prozess nicht durch das prozessuale Institut der sekundären Darlegungslast unterlaufen werden.

Schließlich wäre es dem Beklagten im vorliegenden Fall aber auch nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB verwehrt, sich auf ein erhebliches Abweichen des tatsächlichen Schadens von der vereinbarten Tagesentschädigung zu berufen. Denn der Beklagte hat in der von der Klägerin vorgelegten Fachinformation gegenüber dem den Vertrag vermittelnden Makler ausdrücklich erklärt, bei ihm sei es so, dass der Nachweis über den tatsächlichen Bedarf insbesondere auch im Schadensfall entfalle. Der Beklagte kann sich dann nicht im Prozess auf § 76 S. 2 VVG berufen, wenn er nach außen in dieser Weise kundgetan hat, dass es auf den tatsächlichen Schaden nicht ankomme.

Der Beklagte kann schließlich auch nicht aus der Schadensminderungsobliegenheit von § 82 Abs. 1 VVG und der Obliegenheit gemäß
§ 86 Abs. 2 S. 1 VVG, mögliche Ersatzansprüche gegen Dritte zu wahren, für sich herleiten.

Dafür, dass die Klägerin gegen ihre Schadensminderungsobliegenheit aus § 82 Abs. 1 VVG verstoßen haben könnte, ist weder etwas ersichtlich noch konkret von dem Beklagten vorgetragen. Dabei ist auch hier entscheidend darauf abzustellen, welcher Schaden unter der streitgegenständlichen Versicherung versichert ist, nämlich ein Umsatz- bzw. konkret im vorliegenden Fall ein Rohertragsschaden aus der Untersagung der Tätigkeit des versicherten Betriebs. Dieser Schaden hätte dadurch gemindert werden können, dass entweder die Schließungsanordnung später erfolgt oder früher aufgehoben wäre; mit der Schließung selbst aber ist der Schaden in Form des Ausbleibens des Umsatzes aus der Tätigkeit des Betriebs bereits entstanden (vgl. auch Piontek, CoVuR 2020, 652; LG Darmstadt, BeckRS 2020, 39534 Rn. 96). Dafür, dass die Klägerin irgendeinen Einfluss darauf hätte haben können, dass die Schließung später angeordnet oder früher aufgehoben wird, ist nichts ersichtlich.

Auch ein Verstoß der Klägerin gegen die Obliegenheit nach § 86 Abs. 1 S. 1 VVG ist nicht ersichtlich. Hier kämen als möglicherweise betroffenen Ersatzansprüche nach dem Grundsatz der Kongruenz nur solche in Betracht, die sich auf den versicherten Schaden, also den Umsatz- bzw. Rohertragsausfallschaden beziehen (vgl. Prölss/Martin/Armbrüster, 31. Aufl. 2021, VVG § 86 Rn. 13). Inwieweit hier die Klägerin gegen ihre Obliegenheit, einen solchen Anspruch zu wahren, verstoßen haben könnte, ist nicht ersichtlich; insbesondere ist nicht ersichtlich, ob und ggf. wann die Klägerin es etwa versäumt hätte, mögliche Ansprüche geltend zu machen, bei denen zwischenzeitlich eine einzuhaltende Frist abgelaufen wäre.

Der Anspruch auf Entschädigung ist auch nicht nach § 21 Nr. 1 a) AVB-BS wegen öffentlich-rechtlicher Schadensersatzansprüche ausgeschlossen oder in der Höhe beschränkt (vgl. LG Darmstadt, BeckRS 2020, 35645 Rn. 74 ff.).

Der Beklagte trägt pauschal vor, auf Basis des Klagevorbringens bestünden öffentlich-rechtliche Schadensersatzansprüche.

Öffentlich-rechtliche Entschädigungsansprüche der Klägerin sind jedenfalls auch nicht unzweifelhaft, wie sich schon daraus ergibt, dass das Landgericht Hannover eine entsprechende Klage abwies (COVuR 2020, 370).

Ein Anspruch auf Verzinsung der Entschädigungsleistung besteht in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 30.04.2020 gemäß §§ 286 Abs. 1 und 2 Nr. 2, 288 Abs. 1 BGB i.V.m. § 187 Abs. 1 BGB analog aufgrund der ernsthaften und endgültigen Leistungsverweigerung des Beklagten im Schreiben vom 29.04.2020. Ein Zinssatz von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz kann nicht gemäß § 288 Abs. 2 BGB verlangt werden, weil hier keine Entgeltforderung in Rede steht.