Zusprechend
Gericht: LG Ansbach
Urteil vom: 15.12.2020
AZ: 3 O 852/20

Urteil
Tatbestand

Die Parteien streiten um Leistungsansprüche aus zwei Betriebsschließungsversicherungen anlässlich der Betriebsschließung aufgrund von Corona.

Die Klagepartei hat unter der Versicherungsscheinnummer BSV … und BSV … mit Versicherungsschein vom 13.04.2019 und 05.05.2018 für eine Gaststätte und für ein Eiscafé mit Restaurant eine Betriebsschließungsversicherung abgeschlossen.

Zum Schließungsschaden findet sich im Versicherungsschein folgende Festlegung im Vertrag …:

Der Vertrag … ist insoweit gleichlautend, wobei die Beträge 1 Million € und die Tagesentschädigung 3800 € betragen. Zudem ist dort angegeben, dass die Summenermittlung aufgrund der Basis des Geschäftsjahres 2017 erfolgen.

In den allgemeinen Bedingungen findet sich zum Versicherungsumfang folgende Stelle:
Aufgrund der Allgemeinverfügung der bayerischen Staatsregierung vom 18.03.2020 wurden die beiden Betriebe geschlossen.

Die Klagepartei richtete vor dem 09.03.2020 an den Versicherungsvertreter, den Zeugen … per WhatsApp folgende Anfrage:

Der Versicherungsvertreter der Beklagten, der Zeuge …, sendete an die Klagepartei am 09.03.2020 folgende E-Mail:

Die Klagepartei ist der Auffassung, dass die erfolgte Betriebsschließung aufgrund von Corona vom Versicherungsumfang nach den Versicherungsbedingungen erfasste sei. Die Versicherungsbedingungen seien entsprechend auszulegen, wie sie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer verstehen würde. Zudem sei die Formulierung mehrdeutig im Sinne des § 305c BGB.
Die Klagepartei macht für 40 Tage einen Anspruch geltend.

Hinsichtlich der Höhe beruft sich die Klagepartei auf eine festgelegte Taxe.

Die Klagepartei beantragt, die Beklagte wird verurteilt an die Klägerin 228.000,00 € nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit 08.05.2020 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2792,90 € zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, dass die Aufzählung der Erreger in den allgemeinen Vertragsbedingungen abschließend sei. Es sei kein allgemeiner Verweis auf das Gesetz gegeben, sondern ausdrücklich definiert, welche Krankheiten und Krankheitserreger die Bedingungen erfüllen.

Die Beklagte hält es für zweifelhaft, dass eine Allgemeinverfügung ausreicht um den Versicherungsschutz auszulösen und dass die zuständige Landesregierung keine zuständige Behörde wäre.

Zum übrigen Vorbringen der Parteien wird auf die Schriftsätze und die Erklärung in der mündlichen Verhandlung vom 24.11.2020 Bezug genommen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Zeugen Zum Inhalt und Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 25.11.2020 Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.
I.
Aufgrund der vorliegenden Versicherungsbedingungen ist das Gericht der Auffassung, dass die vorliegende Corona-Pandemie vom Versicherungsschutz nicht umfasst war.
Die in zahlreichen Versicherungsverträgen enthaltenen Klauseln, welche den Versicherungsumfang durch einen Katalog „auf die folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger“ begrenzen, stellt eine klare Definition für den Versicherungsumfang dar. Gerade in dieser Fallgruppe wird ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer schon angesichts der Verwendung des Wortes „folgende“ und „namentlich“ nur davon ausgehen können, dass allein die nachfolgend im Einzelnen aufgezählten Infektionen und Erreger erfasst sein sollen, mithin eine abschließende Aufzählung vorliegt, wie es der Wortlaut eindeutig darlegt, §§ 133, 157 BGB.

Zu beachten ist dabei die versicherungsrechtliche Unterscheidung zwischen der versicherten Gefahr und dem versicherten Schaden. Nur wenn der Eintritt einer versicherten Gefahr (eines Schadenereignisses) einen versicherten Schaden (am versicherten Objekt) verursacht hat, besteht eine Deckung. Betriebsausfallversicherungen knüpfen schon in ihrer Grundform nach an die Verwirklichung bestimmter Gefahren und die Verursachung bestimmter Schäden an (so Rixecker, in Schmidt, COVID-19, Rechtsfragen zur Corona- Krise, § 11 Privatversicherungsrechtliche Probleme der Corona-Krise Rdn. 68, 2. Auflage 2020.)
Die Klausel ist insofern aufgrund des eindeutigen Wortlauts nicht mehrdeutig iSd § 305 c Abs. 2 BGB. Es liegt kein Zweifelsfall vor. Die Klausel hält auch einer (Transparenz-)Kontrolle nach § 307 BGB stand. Unter den Gesichtspunkten der Verständlichkeit und Bestimmtheit wird bei einem durchschnittlichen und verständigen VN durch die Formulierung schon kaum die Erwartung geweckt, dass noch andere im IfSG genannte Erreger und Krankheiten erfasst sein sollen.

II.
a. Eine Haftung ergibt sich nach Auffassung des Gerichts allerdings vorliegend aufgrund der EMail des Zeugen … vom 09.03.2020.
Nach den Grundsätzen der von der Rechtsprechung entwickelten versicherungsrechtlichen Vertrauenshaftung (BGHZ 40, 22, 24 f.) haftet der Versicherer in dem Umfang auf Erfüllung, den der Versicherungsagent dem Versicherungsnehmer vor Vertragsschluss als Inhalt der Versicherung dargestellt hat (Vgl. OLG Schleswig Urt. v. 17.11.2005 – 16 U 8/05, BGH, Urteil vom 26. 9. 2001 – IV ZR 220/00).
Diese vertrauensrechtliche Haftung muss nach Auffassung des Gerichts nicht nur gelten, wenn es um den Abschluss eines Versicherungsvertrages geht. In gleicher Weise muss diese vertrauensrechtliche Haftung entsprechend §§ 280 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB gelten, wenn in einem laufenden Versicherungsvertrag Unklarheiten im Hinblick auf den Versicherungsumfang bestehen und der Versicherungsnehmer sich auf Auskünfte des Versicherers oder eines Versicherungsagenten, welche für die Versicherung auftritt, verlässt im Hinblick auf den Versicherungsumfang. Dabei muss eine derartige Vertrauenshaftung zu einem Zeitpunkt entstehen, zu welchem der Versicherungsnehmer gegebenenfalls noch eine Änderung oder Ergänzung der Versicherung vereinbaren kann bzw. eventuell eine zusätzliche weitere Versicherung in Anspruch nehmen kann.
Für den Versicherungsnehmer stellt sich insoweit die Situation in gleicher Weise dar, dass er für einen bestimmten Versicherungsfall Versicherungsschutz erhalten möchte und aufgrund einer Auskunft seitens der Versicherung eine Entscheidung trifft, ob für ihn weiterer Handlungsbedarf besteht.

b. Aufgrund der unstreitigen WhatsApp, welche zunächst seitens der Klagepartei an den Zeugen … gesandt wurde, ergibt sich aus dem Wortlaut eindeutig nicht nur die Anfrage wie hoch mögliche Leistungen sind, sondern auch die Frage ob es denn tatsächlich überhaupt Leistungen gibt. Auch wenn hier grammatikalisch vielleicht nicht korrekt formuliert wurde, so ergibt sich doch aus der Frage „Schließungen wegen Corona Verhalten gibt es Leistungen“ der klare Hinweis, dass die Klagepartei auch wissen wollte ob es überhaupt Leistungen gibt und nicht nur Informationen darüber erhalten wollte, in welcher Höhe Leistungen gewährt werden. Zudem hätte im Hinblick auf die Frage „wegen corona“ bei einer Nichtleistungspflicht die Antwort erfolgen müssen, dass hier die Leistung in Höhe von 0 € erfolgt.
Der Zeuge … konnte sich an den Vorgang bei seiner Vernehmung nur noch sehr unpräzise erinnern. Er hat allerdings erklärt, dass es schon um die Frage der drohenden Pandemie und der möglichen Reaktionen in der Öffentlichkeit gegangen sei.
Aus der E-Mail vom 09.03.2020 kann für einen vernünftigen Betrachter jedoch nur die Folgerung gezogen werden, dass mögliche Auflagen gegenüber dem Betrieb der Klagepartei durch behördliches Handeln vom Versicherungsumfang umfasst sein mussten.
Die Frage der Schließung der Betriebe ist ausdrücklich im Betreff der E-Mail angesprochen und dort als einziger Beispielsfall „Corona“ konkret angesprochen. Bereits hierdurch wird der Eindruck erweckt, dass die folgenden Auskünfte sich auf eine derartige Betriebsschließung aus Anlass der Pandemie beziehen müssen.
Verstärkt wird diese Betrachtungsweise für einen normalen Betrachter dadurch, dass im Weiteren nochmals ausdrücklich aufgeführt ist, dass von einem Amt eine Betriebsschließung direkt verfügt wird, wobei auch hier bei als Beispielsfall alleine „Corona“ angesprochen wird.
Folglich ist hier das Vertrauen der Klagepartei letztlich zweimal begründet, da bereits aus der Anfrage die Intention des Versicherungsumfang bei einer Betriebsschließung wegen Corona erkennbar zum Ausdruck kommt. Des Weiteren bezieht sich auch die Antwort des Zeugen ausdrücklich auf eine Schließung wegen einer möglichen Pandemie, welche zu diesem Zeitpunkt er durchaus bereits in Betracht gezogen werden konnte.
Im Hinblick auf eine weitere mögliche Auskunft durch die Beklagte ist diese substantiiert der Aussage der Klagepartei nicht entgegengetreten, dass eine Mitteilung über den Ausschluss der Pandemie „Corona“ der Klagepartei erst nach Durchführung der Betriebsschließung erklärt wurde.

c. Nicht durchzudringen vermag die Beklagte mit dem Einwand, dass es sich vorliegend nicht um eine Betriebsschließung durch die zuständige Behörde gehandelt hat.

Eine Behörde stellt insoweit auch die bayerische Staatsregierung dar, welche bekanntermaßen durch Allgemeinverfügung im Zusammenhang mit dem Lockdown Betrieben der Gastronomie Auflagen erteilt hat.

III.

Im Hinblick auf die Schadenshöhe ist das Gericht der Auffassung, dass hier ein fest vereinbarter vertraglicher Tagessatz zwischen den Parteien im Schadensfall zum Tragen kommen sollte, also eine sogenannte Taxe im Sinne des § 76 VVG.

Zugrunde liegt der Taxe vorliegend eine Berechnung der Parteien bei Vertragsschluss, sodass der Versicherungsnehmer sein Risiko entsprechend einstufen kann und im Schadensfall zuverlässig davon ausgehen kann, in welcher Höhe er eine Erstattung erhält. Eine anderweitige Auffassung, dass hier gegebenenfalls gegen Rechnungen in Form von Entschädigungen oder dergleichen erfolgen könnten, oder ein Schaden konkret geltend gemacht werden müsste, lässt sich nach Auffassung des Gerichts aus der vorliegenden Vereinbarung nicht ersehen. Ein diesbezüglicher Nachweis der Einschränkung des Versicherungsschutzes ist von Seiten der Beklagten weder substantiiert vorgetragen, noch bewiesen. Zwar ist im Versicherungsschein aufgeführt, dass es sich um eine maximale Ersatzleistung je Tag handelt. Dabei ist das Wort maximal jedoch lediglich in einem Klammerzusatz enthalten.

Im Einleitungssatz heißt es dagegen ohne jegliche Einschränkung „in Höhe der vereinbarten Tagesentschädigung). Soweit hier eine Aufzählung erfolgt, soll damit nach Auffassung des Gerichts ausgedrückt werden wofür letztlich der Versicherung Schaden bezahlt wird.

Ginge es um eine Ermittlung des genauen Schadensumfangs, hätte nicht zwischen Tagesentschädigungen und Versicherungssummen unterschieden werden müssen, sondern der im Einzelnen aufzuschlüsselnde Schaden wäre, wie bei den Warenschäden, im Rahmen der Versicherungssumme abgedeckt.

Soweit die Beklagte pauschal vorträgt, dass die vereinbarte Taxe erheblich übersetzt sei, liegt insoweit ein substanziierter Sachvortrag nicht vor. Ein erhebliches Übersteigen muss allerdings der Versicherer beweisen (Vgl. BeckOK VVG/Car, 8. Ed. 1.8.2020 Rn. 15, VVG § 76 Rn. 15).

Im Hinblick auf die Dauer der Ausfalltage ist allgemein bekannt, dass die entsprechende Allgemeinverfügung für den Zeitraum ab 18.03.2020 bis 24.05.2020 den Betrieb von Gaststätten untersagt hat. Damit ist vorliegend die Höchstgrenze von 40 Tagen erreicht.

IV.

Im Rahmen des Schadensersatzes hat die Beklagte der Klagepartei auch die notwendigen Kosten der Rechtsverfolgung zu ersetzen. Der Klagepartei steht insoweit ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten zu.

Unter Zugrundelegung des berechtigten klägerischen Anspruchs in Höhe von 228.000,00 € besteht ein Anspruch auf eine 1,3 Gebühr nach Nr. 2003 VV RVG, zuzüglich einer Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG. Dies ergibt den zu erstattenden Betrag in Höhe von 2.792,90 €.

V.

Der Zinsausspruch folgt aus § 288 ZPO.

VI.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 7 09 ZPO.