Abweisend
Landgericht Bochum
Urteil vom 15.07.2020
Aktenzeichen: 4 O 215/20
Stichwörter: Einstweiliger Rechtsschutz, keine Vorwegnahme der Hauptsache, enumerative Aufzählung
Urteil:
Tatbestand:
Die VerfKl. begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes von der VerfBekl. Leistungen
aus einer Betriebsschließungsversicherung vor dem Hintergrund der Corona-Krise.
Die VerfKl. betreibt als gaststättenrechtliche Konzessionsinhaberin ein Restaurant mit
Biergarten …
Zwischen den Prozessparteien besteht … für diesen gastronomischen Betrieb eine
Betriebsschließungsversicherung. Vereinbart ist eine Haftzeit von maximal 6 Wochen bei
einer Versicherungssumme von 250.000 EUR. Einbezogen sind die Allgemeinen Bedingungen
für die verbundene Firmenversicherung (ABF FirmenPlus), Stand 5. 2018. In Teil B der ABF
ist unter Ziff. 8. 2 „Betriebsschließung“ u. a. Folgendes geregelt:
„8.2.1 Der VR leistet Entschädigung, wenn die zuständige Behörde auf Grund von Gesetzen
zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen beim Auftreten
meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger gemäß Ziffer 8.2.2
8.2.1.1 den versicherten Betrieb ganz oder teilweise schließt. Tätigkeitsverbote gegen
sämtliche Betriebsangehörige eines versicherten Betriebes werden einer Betriebsschließung
gleichgestellt; (…)
8.2.2 Meldepflichtige Krankheiten oder meldepflichtige Krankheitserreger im Sinne dieses
Vertrages sind nur die im Folgenden aufgeführten
8.2.2.1 Krankheiten
Botulismus, Cholera, Diphtherie, akute Virushepatitis, enterophatisches
hamolytischuramisches Syndrom (HUS), virusbedingte hämorrhagisches Fieber, Masern,
MeningokokkenMeningitis oder -Sepsis,
LG Bochum: Betriebsschließungsversicherung, enumerative Aufzählung
von Krankheiten(r+s 2020, 503) 504
Milzbrand, Poliomyelitis (als Verdacht gilt jede akute schlaffe Lähmung, außer wenn
traumatisch bedingt), Pest, Tollwut, Typhus abdominalis/Paratyphus, eine
behandlungsbedurftige Tuberkulose (auch wenn ein bakteriologischer Nachweis nicht
vorliegt), eine mikrobiell bedingte Lebensmittelvergiftung, eine akute infektiöse
Gastroenteritis, eine über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehende
gesundheitliche Schädigung, die Verletzung eines Menschen durch ein tollwutkrankes, –
verdächtiges oder -ansteckungsverdächtiges Tier sowie die Berührung eines solchen Tieres
oder Tierkörpers;
8.2.2.2 Krankheitserreger
Adenoviren, Bacillus anthracis, Borrelia recurrentis, Brucella sp., Campylobacter sp.
(darmpathogen), Chlamydia psittaci, Clostridium botulinum oder Toxinnachweis,
Corynebacterium diphtheriae (Toxinbildend), Coxiella brunetii, Cyrptosporidium parvum,
Ebolavirus, Escherichia coli (enterohämorrhagische Stämme (EHEC), Escherichia coli
(sonstige darmpathogene Stämme), Francisella tularensis, FSME-Virus, Gelbfiebervirus,
Giardia lamblia, Haemophilus influenza, Hantaviren, Hepatitis-A-Virus, Hepatitis-B-Virus,
Hepatitis-C-Virus, Hepatits-D-Virus, Hepatitis-E-Virus, Influenzaviren, Lassavirus, Legionella
sp., Leptospira interrogans, Listeria monocytogenes, Marburgvirus, Masernvirus,
Mycobacterium leprae, Mycobacterium tuberculosis/africanum, Mycobacterium bovis,
Neisseria meningitidis, Norwalkähnliches Virus, Poliovirus, Rabiesvirus, Rickettsia prowazekii,
Rotavirus, Salmonella Paratyphi, Salmonella Typhi, Salmonella (sonstige), Shigella sp.,
Trichinella spiralis, Vibrion cholerae 0 1 und 0 139,Yersini enterocolitica
(darmpathogen),Yersinia pestis, andere Erreger hämorrhagischer Fieber, reponema pallidum,
HIV, Echinococcus sp., Plasmodiumsp., Rubellavirus, Toxoplasma gondii.“
Aufgrund der pandemischen Ausbreitung des Corona-Virus sind ab Mitte März 2020 auf
entsprechende Weisungen des zuständigen Landesministeriums in Nordrhein-Westfalen
zunächst durch die örtlich nach dem Infektionsschutzgesetz zuständigen Städte und
Gemeinden und dann einige Tage später direkt durch das Gesundheitsministerium des
Landes Nordrhein-Westfalen hoheitliche Regelungen getroffen worden, nach denen u. a. der
Betrieb von Restaurants und Gaststätten sowie von Kneipen und Cafés und anderer
gastronomischer Einrichtungen untersagt wurde.
Für das Stadtgebiet von R. erließ der Bürgermeister unter dem Datum 17. 3. 2020 und
bekanntgemacht im Amtsblatt für die Stadt R. Nr. 16 vom 17. 3. 2020 eine
Allgemeinverfügung, die u. a. folgende Regelung enthält:
„2. Folgende Einrichtungen und Angebote sind zu schließen beziehungsweise einzustellen:
- Alle Bars, Schankwirtschaften, Clubs, Diskotheken, Tanzschulen, Tanzveranstaltungen,
Theater, Varieté, Kinos, Tierparks, Museen, Teestuben, Shisha-Bars, Veranstaltungshallen,
Internet-Cafés, Kulturvereine (…);“
Entsprechende Regelungen befanden sich auch in weiteren von der Stadt R. erlassenen
Allgemeinverfügungen, die in den Amtsblättern Nr. 17 vom 18. 3. 2020 und Nr. 19 vom 20.
- 2020 bekanntgemacht worden waren.
Die letzte, im Amtsblatt … Nr. 19 vom 20. 3. 2020 bekanntgemachte Allgemeinverfügung
wurde dann mit Bekanntmachung im Amtsblatt für die Stadt R. Nr. 20 vom 23. 3. 2020
aufgehoben und durch eine landesweit unmittelbar geltende Regelung auf der Grundlage
einer ministeriellen Rechtsverordnung ersetzt, und zwar durch die „Verordnung zum Schutz
vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (Corona SchVO) des Ministeriums für
Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen vom 22. 3. 2020, die
gemäß § 15 am Tag nach der Verkündung, also zum 23. 3. 2020, in Kraft trat. Diese
Rechtsverordnung des nordrhein-westfälischen Gesundheitsministers enthielt in § 9 folgende
Regelung:
„§ 9 Gastronomie
(1) Der Betrieb von Restaurants, Gaststätten, Imbissen, Mensen, Kantinen, Kneipen, Cafès
und anderen gastronomischen Einrichtungen ist untersagt (…)
(2) Abweichend von Absatz 1 sind die Belieferung mit Speisen und Getränken sowie der
Außer-Haus-Verkauf durch Restaurants, Gaststätten, Mensen, Cafès und Kantinen zulässig,
wenn die zum Schutz der Infektionen erforderlichen Abstände eingehalten werden. Der
Verkehr ist in einem Umkreis von 50 Metern um die gastronomische Einrichtung untersagt.“
Diese am 20. 4. 2020 außer Kraft getretene Regelung war dann durch zwei weitere
Rechtsverordnungen des Gesundheitsministers zunächst bis zum 3. 5. 2020 und sodann
nochmals bis zum 10. 5. 2020 verlängert worden.
Die VerfKl. hat aus staatlichen Mitteln eine Soforthilfe für den Betrieb der Gaststätte „C“ iHv
25.000 EUR erhalten. Nach den Bedingungen des Zuwendungsbescheides ist dieser Betrag
jedoch zurückzuzahlen, soweit die VerfBekl. Leistungen aus dem streitgegenständlichen
Versicherungsverhältnis erbringt.
Nachdem die VerfBekl. zunächst auf telefonische Nachfrage der VerfKl. mitgeteilt hatte,
dass kein Versicherungsschutz bestehe, zeigte die VerfKl. die durch die Allgemeinverfügung
der Stadt R. zum 18. 3. 2020 unter Berufung auf das Infektionsschutzgesetz ausgesprochene
Betriebsschließung … an. Mit Schreiben vom 5. 5. 2020 lehnte die VerfBekl. den
Versicherungsschutz ab.
Der auf den 5. 6. 2020 datierte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ging
sodann per Fax am 19. 6. 2020 bei Gericht ein.
Die VerfKl. macht geltend, dem Eintritt des Versicherungsfalls stehe nicht entgegen, dass
zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Jahr 2018 weder das neuartige Corona-Virus als
Krankheitserreger noch die bei einer Infektion auftretende Krankheit Covid-19 in der
Auflistung unter Ziff. 8.2.2.1 bzw. 8.2.2.2 Teil B ABF enthalten seien. Denn den
Versicherungsbedingungen sei zu entnehmen, dass diese Auflistung maßgeblich auf die
gesetzlichen Regelungen im Infektionsschutzgesetz (IfSG) abheben solle und gezielt darauf
verweise. Die Regelung in Teil B Ziff. 8.2.2 müsse nach dem maßgeblichen
Empfängerhorizont dahin ausgelegt werden, dass der Versicherungsschutz einer
Betriebsschließungsversicherung für hoheitlich angeordnete Betriebsschließungen immer
dann zum Tragen komme, wenn sich die betreffende Krankheit bzw. der betreffende
Krankheitserreger zum Zeitpunkt der Betriebsschließung in der Liste der meldepflichtigen
Krankheiten nach § 6 IfSG bzw. in der Liste der Krankheitserreger nach § 7 IfSG befinde. Die
Bedingungen seien nicht als „statische Verweisung“ auf die zum Zeitpunkt des
Vertragsabschlusses in den genannten gesetzlichen Normen aufgezählten Krankheiten und
Krankheitserreger zu verstehen, vielmehr müssten sie im Sinne einer „dynamischen
Verweisung“ schlichtweg alle, auch die erst durch nachträgliche Gesetzesänderungen in das
Gesetz aufgenommene, meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger, umfassen.
Im Hinblick auf den erforderlichen Verfügungsgrund ist die VerfKl. der Auffassung, dass
die strengen Maßstäbe für die Zulassung einer Leistungsverfügung mit einer Vorwegnahme
der Hauptsache im Streitfall nicht anwendbar seien. Denn mit dem Hinweis auf die
Zuerkennung einer Abschlagszahlung innerhalb von drei Wochen nach Meldung des
Schadens gemäß der Versicherungsbedingungen habe die VerfBekl. sich selbst zu einer
kurzfristigen Zahlung des dem jeweiligen VN entstandenen Betriebsschadens – auch auf der
Grundlage einer pauschalen Berechnung – verpflichtet. Zudem stehe die erhaltene staatliche
Soforthilfe der Annahme des Verfügungsgrundes nicht entgegen. Die Gewährung staatlicher
Soforthilfen sei autark zu betrachten; die begehrten Versicherungsansprüche seien gänzlich
unabhängig von derartigen staatlichen Vergünstigungen zu behandeln. …
Die VerfKl. beantragt,
die VerfBekl. zu verpflichten, an die VerfKl. 30.465,71 EUR nebst Zinsen … seit dem 15. 4.
2020 zu zahlen.
Die VerfBekl. … … macht geltend, es fehle an einem Verfügungsanspruch, da keine bedingungsgemäße
Betriebsschließung vorliege. … Da das Corona-Virus in Teil B Ziff. 8. 2. 2 ABF nicht genannt
sei, zähle dies schon nach dem eindeutigen Wortlaut der Bedingungen nicht zu den
versicherten Gefahren. …; die positive Risikobeschreibung durch die ausdrückliche
abschließende Aufzählung offensichtlich bekannter Krankheiten oder Krankheitserreger gebe
dem VN wie auch dem VR die Möglichkeit, den Umfang des Versicherungsschutzes genau
nachzuvollziehen.
Darüber hinaus fehle es an einer bedingungsgemäßen behördlichen
Schließungsmaßnahme. Bei den … Maßnahmen handele es sich um allgemeingültige socialdistancing-
Maßnahmen zur Regulierung des gesellschaftlichen Zusammenlebens als Teil der
weltweiten Reaktion auf das neuartige Corona-Virus. Derartige Maßnahmen bezögen sich
nicht unmittelbar auf den Betrieb, sondern entfalteten allenfalls Reflex-
LG Bochum: Betriebsschließungsversicherung, enumerative Aufzählung
von Krankheiten(r+s 2020, 503) 505
wirkungen und seien daher für einen verständigen VN erkennbar nicht versichert. Eine
versicherte Betriebsschließung setze im Mindestmaß die Manifestierung einer versicherten
Krankheit oder eines versicherten Krankheitserregers im versicherten Betrieb und eine
dadurch verursachte Schließung des versicherten Betriebes voraus.
Des weiteren wird ein Betriebsschließungsschaden in Abrede gestellt.
Schließlich fehle es an einem Verfügungsgrund, da die strengen Voraussetzungen für eine
Vorwegnahme der Hauptsache nicht gegeben seien. …
Aus den Gründen:
Ein Verfügungsanspruch ist nicht gegeben. Darüber hinaus fehlt es am erforderlichen
Verfügungsgrund.
- Der VerfKl. steht kein Verfügungsanspruch zu. Sie hat keinen Anspruch gegen die
VerfBekl. auf bedingungsgemäße Versicherungsleistungen aus der
Betriebsschließungsversicherung.
Es gibt keine allgemeingültige rechtliche Bewertung von Ansprüchen aus
Betriebsschließungsversicherungen im Hinblick auf die Corona-Problematik. Vielmehr ist eine
differenzierte Betrachtung der Versicherungsverträge, insbesondere der jeweils verwendeten
Vertragsbedingungen im konkreten Einzelfall notwendig.
Nach den im Streitfall wirksam einbezogenen Versicherungsbedingungen ABF FirmenPlus,
Stand 5. 2018, fehlt es schon deshalb an einem Versicherungsfall, weil das Corona-Virus
nicht zu dem mit dem Versicherungsvertrag abgedeckten Katalog meldepflichtiger
Krankheiten und Krankheitserreger gehört.
Maßgeblich ist die Bedingung in Ziff. 8.2.2 ABF, die eine enumerative Auflistung der
einzelnen Krankheiten (8.2.2.1) und Krankheitserreger (8.2.2.2) beinhaltet, auf die sich der
Versicherungsschutz beziehen soll. Der Einleitungssatz in Ziff. 8.2.2 enthält mit dem Wort
„nur“ eine ausdrückliche Erklärung, wonach eben nur die im Folgenden aufgeführten
meldepflichtige Krankheiten oder meldepflichtigen Krankheitserreger solche im Sinne dieses
Vertrages sind. Das zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht bekannte Corona-Virus
ist in dieser enumerativen Auflistung nicht enthalten.
Entgegen der Auffassung der VerfKl. kommt eine Auslegung dieser Klausel dahingehend,
dass auch künftige, erst später in das Infektionsschutzgesetz aufgenommene Krankheiten
oder Krankheitserreger dem Versicherungsschutz unterfallen, nicht in Betracht.
Maßstab für die Auslegung ist, wie ein durchschnittlicher VN ohne versicherungsrechtliche
Spezialkenntnisse die jeweilige Klausel bei verständiger Würdigung, aufmerksamer
Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Zusammenhangs verstehen muss, ein
individuelles Sonderwissen eines VN ist zu berücksichtigen, die Entstehungsgeschichte der
Bedingung hingegen nicht (vgl. BGH, VersR 2004, 1039 = r+s 2004, 385; BGH, VersR 2002,
1503 = r+s 2003, 16). Verbleibende Zweifel gehen nach § 305 c Abs. 2 BGB zu Lasten des
Verwenders.
Legt man diesen Maßstab an, kann angesichts des klaren Wortlauts und des eindeutigen
Sinnzusammenhangs der Klauseln zu Ziff. 8.2. ff. ABF ein Verständnis dahin, dass auch
weitere, etwa erst zum Zeitpunkt der Betriebsschließung bekannte und in das
Infektionsschutzgesetz aufgenommene Krankheiten oder Krankheitserreger vom
Versicherungsschutz umfasst seien, obwohl sie in der Auflistung nicht genannt sind, nicht
angenommen werden. Anders als in dem vom LG Mannheim entschiedenen Fall (LG
Mannheim, Urt. v. 29. 4. 2020, Az. 11 O 66/20, BeckRS 2020, 7522 = COVuR 2020,195 =
r+s 2020, 338) stellt sich bei der hier einschlägigen Klausel schon gar nicht die
Auslegungsfrage, ob eine statische oder dynamische Verweisung auf das
Infektionsschutzgesetz gegeben ist. Denn die Klauseln zu Ziff. 8.2 ff. ABF beinhalten
überhaupt keine Verweisung auf das Infektionsschutzgesetz, sondern listen eigenständig die
vom Versicherungsschutz umfassten meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger
auf. Aufgrund des unmissverständlichen Wortlauts der abschließenden Auflistung, welcher
einleitend noch durch die Bezeichnung „nur“ verstärkt wird, verbietet sich eine Auslegung
dahin, dass die Aufzählung etwa lediglich beispielhaft gemeint sein könnte.
Die Klausel ist auch interessengerecht. Die klare enumerative Auflistung ermöglicht es
dem VN wie auch dem VR gleichermaßen, den Umfang des Versicherungsschutzes klar
nachzuvollziehen und möglichen Streitigkeiten hierüber von vornherein aus dem Weg zu
gehen. Nicht zuletzt ist auch der Risikoeinschätzung des VR, insbesondere in Bezug auf die
Prämienhöhe bei der eher als Nischenprodukt zu bezeichnenden
Betriebsschließungsversicherung im Hinblick auf den Schutz der Versichertengemeinschaft
Rechnung zu tragen, was für den durchschnittlichen VN durchaus erkennbar ist.
Bedenken im Hinblick auf die Wirksamkeit der Klausel im Rahmen einer AGB-Kontrolle
sind nicht ersichtlich. Derartiges ist von der VerfKl. auch nicht gerügt worden.
- Darüber hinaus fehlt es an einem Verfügungsgrund.
Bei einer Leistungsverfügung – wie vorliegend – als Unterfall der Regelungsverfügung
gemäß § 940 ZPO ist ein Verfügungsgrund aufgrund der dadurch eintretenden Vorwegnahme
der Hauptsache nur in Ausnahmefällen und unter strengen Vorgaben anzunehmen. Hierzu
müssen kumulativ drei Voraussetzungen erfüllt sein: Die VerfKl. muss sich in einer
existenziellen Notlage befinden, die die erstrebte Zahlung so dringlich macht, dass sie nicht
bis zum Erlass eines vollstreckbaren Urteils in der Hauptsache warten kann; sie muss mit
hoher bis an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Hauptsacheverfahren obsiegen und
das Interesse der VerfKl. an der Zuerkennung des Zahlungsanspruchs bereits im Verfahren
der einstweiligen Verfügung muss das Interesse der VerfBekl. unter Abwägung der
beiderseitigen Belange, insbesondere des der VerfKl. aus der Nichterfüllung entstehenden
oder drohenden Schadens einerseits und des von der VerfBekl. aus der sofortigen Erfüllung
zu erwartenden Schadens andererseits, bei weitem überwiegen. (vgl. OLG Koblenz, NJW-RR
2013, 234; OLG München, BeckRS 2018, 13312).
Die Argumentation der VerfKl., wonach diese strengen Maßstäbe im Streitfall nicht
anzuwenden seien, überzeugt nicht. Aus dem Sinn und Zweck der
Betriebsschließungsversicherung, insbesondere aus der Vereinbarung von
Abschlagszahlungen innerhalb von drei Wochen nach Meldung des Schadens, ergeben sich
keine Gründe, von den oben genannten strengen Voraussetzungen im Hinblick auf das
grundsätzliche Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache abzusehen.
- a) Die VerfKl. hat bereits eine existenzielle Notlage nicht dargelegt. Anders als
möglicherweise bei einer GmbH (vgl. BGH, Beschl. v. 14. 7. 2005, Az.: IX ZB 224/04) kann
dies zwar bei der VerfKl. als GbR grundsätzlich in Betracht kommen. Jedoch ist eine
tatsächliche existenzielle
LG Bochum: Betriebsschließungsversicherung, enumerative Aufzählung
von Krankheiten(r+s 2020, 503) 506
Notlage nach eigenem Vorbringen der VerfKl. nicht ersichtlich. Sie hat unstreitig eine
staatliche Soforthilfe iHv 25.000 EUR erhalten. Nach eigenen Angaben soll diese vorbehaltlich
einer möglichen Versicherungsleistung gezahlt worden sein. Soweit die VerfBekl. also
Versicherungsleistungen erbringt, wäre die Soforthilfe zurückzuzahlen. Vor diesem
Hintergrund ist schon nicht nachvollziehbar, wie die VerfKl. mit einem Überschuss bei
Auskehrung der begehrten Versicherungsleistung von lediglich noch rund 5.000 EUR eine
wirkliche existenzielle Notlage abwenden will. Hierbei ist auch zu beachten, dass ohnehin nur
eine Betriebsschließungszeit von maximal 6 Wochen versichert ist. Angesichts der
Rückzahlungsverpflichtung ist schlicht unverständlich, warum die VerfKl. zur Abwendung
einer aktuellen existenziellen Notlage dringend auf die Versicherungsleistung – die sie
wirtschaftlich betrachtet im Saldo gar nicht behalten darf – angewiesen sein will, ohne die
Durchführung eines Hauptsacheverfahrens abwarten zu können.
- b) Wie die obigen Ausführungen zu I. 1. zeigen, besteht gerade keine hohe
Wahrscheinlichkeit des Obsiegens im Hauptsacheverfahren.
- c) Schließlich lässt sich auch bei der erforderlichen Interessenabwägung ein
überwiegendes Interesse der VerfKl. nicht begründen. Dagegen spricht neben den oben
bereits erörterten Umständen unter anderem auch, dass schon aus dem eigenen Verhalten
der VerfKl. eine besondere Dringlichkeit für eine Entscheidung im Eilverfahren nicht
erkennbar ist. Der unter dem 5. 6. 2020 datierende Antrag auf Erlass der einstweiligen
Verfügung ist erst am 19. 6. 2020 per Fax bei Gericht eingereicht worden. Die Antragstellung
erfolgte damit erst zwei Monate nach der Ablehnungsentscheidung der VerfBekl. und sieben
Wochen nach Ende des behaupteten Schließungszeitraums.