Abgewiesen
Landgericht Nürnberg-Fürth
Urteil vom 19.12.2020
Aktenzeichen: 2 O 4499/20

Stichwörter: kaufmännische Versicherungsnehmer, keine dynamische Verweisung, geringe Prämie

Urteil

Tatbestand

Die Parteien streiten um Ansprüche aus einer Betriebsschließungs-Versicherung.

Der Kläger betreibt das in der Nürnberger Altstadt, … N., gelegene Restaurant …. Zwischen den Parteien besteht ein Versicherungsverhältnis über eine BetriebsschließungsVersicherung (…). Versicherungsbeginn war der 19.08.2010. Versichert für das Restaurant ist eine Betriebsschließungssumme von 400.000,00 €, die versicherte Tagesentschädigung beträgt 1.400,00 €. Versichert ist darüber hinaus ein Warenschadenrisiko von 5.000,00 €. Der vom Kläger zu entrichtende Jahresbeitrag beträgt 90,00 € (vgl. zu alledem Versicherungsschein vom 09.08.2010, Anlage K 1). Dem Vertrag zugrunde liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten zur Betriebsschließungsversicherung infolge von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern BS 311/05 (AVB – dyn. BS, Anlage K 1; im Folgenden: AVB). Diese enthalten auszugsweise folgende Bestimmungen:

„A Welchen Versicherungsschutz bietet Ihnen die Betriebsschließungsversicherung? (§§ 1-4)

  • 1 Was ist Gegenstand der Versicherung?
  1. Welchen Versicherungsschutz bietet Ihnen die Betriebsschließungsversicherung?

Die Betriebsschließungsversicherung bietet Ihnen Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger

  1. den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen schließt; als Schließung ist es auch anzusehen, wenn sämtliche Betriebsangehörige Tätigkeitsverbote erhalten;

  1. Wann ist der Versicherungsfall gegeben?

Ein Versicherungsfall ist

  1. Im Fall des Abs.

Nr. 1: die behördliche Anordnung der Schließung;

III. Welche Krankheiten und Krankheitserreger sind meldepflichtig? Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger sind die folgenden, im IfSG in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger:

Es folgt eine Aufzählung von Krankheiten und Krankheitserregern, in der weder das sog. Corona-Virus (Severe-Acute-Respiratory-Syndrom-Corona-Virus (SARS-CoV-1) bzw. Severe-Acute-Respiratory-Syndrom-Corona-Virus-2 (SARS-CoV-2) noch die hierdurch ausgelöste Krankheit Corona-Virus 2019 (COVID-19) enthalten sind.

  • 2 Welche Leistungen können Sie von uns verlangen?
  1. Unsere Leistungen

Wir ersetzen im Falle

  1. einer Schließung nach § 1 I Ziffer 1:

den Schaden in Höhe der vereinbarten Tagesentschädigung für jeden Tag der Betriebsschließung bis zur Dauer von 30 Schließungstagen. Tage, an denen der Betrieb auch ohne die behördliche Schließung geschlossen wäre, zählen nicht als Schließungstage.

…“

Aufgrund Ziffer 3. der Allgemeinverfügung der Bayerischen Staatsministerien für Gesundheit und Pflege sowie für Familie, Arbeit und Soziales vom 16.03.2020 (Az. 51-G8000-2020/122- 67) wurden Gastronomiebetriebe aller Art untersagt. Ausgenommen von dieser Untersagung waren Betriebskantinen sowie Speiselokale und Betriebe, in denen überwiegend Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle abgegeben werden. Ausgenommen war außerdem die Abgabe von Speisen zum Mitnehmen bzw. deren Auslieferung. Mit Allgemeinverfügung vom 17.03.2020 (Az. 51-G8000-2020/122-83) wurde die Allgemeinverfügung vom 16.03.2020 dahingehend geändert, dass auch die bewirteten Freiflächen (Außengastronomie) von der Untersagung erfasst wurden. Die Regelung trat am 18.03.2020 in Kraft und galt bis einschließlich 30.03.2020. Grund für die Untersagung war das Infektionsgeschehen im Zusammenhang mit dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2, welches von der WHO am 11.03.2020 als Pandemie bewertet worden war.

Auf die Schadensmeldung des Klägers vom 06.04.2020 wies die Beklagte mit Schreiben vom 23.04.2020 (Anlage K 2) einen vertraglichen Leistungsanspruch zurück und unterbreitete zugleich ein Vergleichsangebot in Höhe von 15% der vertraglich vereinbarten Tagesentschädigung für maximal 30 Tage. Dieses Angebot lehnte der Kläger mit Anwaltsschriftsatz vom 03.06.2020 (Anlage K 3) ab; darin wurde die Beklagte außerdem aufgefordert, den Versicherungsfall dem Grunde nach bis spätestens 15.06.2020 anzuerkennen. Dies wies die Beklagte mit Schreiben vom 09.06.2020 (Anlage K 4) zurück.

Der Kläger ist der Ansicht, dass ihm ein Zahlungsanspruch aus dem Versicherungsvertrag in Höhe von 42.000,00 € zustehe, da sein Betrieb aufgrund der vorstehend dargestellten Allgemeinverfügung vom 16.03.2020 bis in den Monat Mai hinein komplett eingestellt und geschlossen gewesen sei. Es handle sich insofern um eine bedingungsgemäße Betriebsschließung durch die zuständige Behörde aufgrund des IfSG. Er trägt hierzu außerdem vor, bei seinem Gastronomiebetrieb handle es sich um eine Präsenzgaststätte ohne Außenbereich; ein relevanter Take-Away- oder Abholbetrieb bestehe nicht.

Das Corona-Virus SARS-CoV-2 und die hierdurch ausgelöste Krankheit (COVID-19) seien vom Versicherungsschutz umfasst. Es komme vorliegend nicht darauf an, ob die Krankheit in den Versicherungsbedingungen ausdrücklich genannt werde. Bei der Auslegung der entsprechenden Klausel A § 1

III.

AVB sei die Formulierung „die folgenden, im IfSG in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger“ lediglich eine beispielhafte Aufzählung bzw. als dynamische Verweisung anzusehen. Der Katalog der aufgezählten Krankheiten und Krankheitserreger sei nicht abschließend. Die Klausel sei insofern nach ihrem systematischen Zusammenhang sowie ihrem Sinn und Zweck so auszulegen und vom Kläger auch nur so zu verstehen, dass ihm eine Entschädigung für den Fall des Auftretens meldepflichtiger Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne des IfSG in der jeweils aktuellen Fassung versprochen werde. Insbesondere enthalte auch § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 IfSG eine generalklauselsartige Meldepflicht hinsichtlich bedrohlicher übertragbarer Krankheiten, die (noch) nicht in den Katalog des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 IfSG aufgenommen wurden. Anderenfalls sei die Klausel als intransparent im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB anzusehen.

Der Kläger ist außerdem der Ansicht, dass ihm vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.706,94 € zu erstatten seien.

Der Kläger beantragt,

  1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 42.000,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 10.06.2020 zu bezahlen.
  1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger die außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.706,94 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 10.06.2020 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagte ist der Auffassung, der Kläger habe keinen Anspruch auf Leistung aus dem streitgegenständlichen Betriebsschließungsversicherungsvertrag. Bei dem Katalog der versicherten Krankheiten und Krankheitserreger in A § 1

III.

AVB handle es sich um eine abschließende Aufzählung. Insbesondere werde dort ausschließlich auf die „folgenden“ Krankheiten und Krankheitserreger verwiesen. Die entsprechende Formulierung sei eindeutig und für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer, der die AVB aufmerksam liest und verständig würdigt, nicht misszuverstehen.

Ergänzend trägt die Beklagte vor, dass ein Versicherungsfall auch deshalb nicht vorliege, da es an einer rechtlich wirksamen Betriebsschließung durch die zuständige Behörde fehle. Insbesondere sei keine Betriebsschließung durch konkrete Verfügung, d.h. einen „individuellen“ Verwaltungsakt, angeordnet worden. Im klägerischen Betrieb seien auch keine meldepflichtigen versicherten Krankheiten oder Krankheitserreger aufgetreten, sodass es sich bei der Allgemeinverfügung vom 16.03.2020 lediglich um eine abstraktgenerelle präventive Gesundheitsmaßnahme handele. Insofern liege auch jedenfalls keine vollständige Schließung des klägerischen Betriebs vor; bestritten wird, dass es sich hierbei um eine reine „Präsenzgaststätte“ ohne relevanten Liefer- oder Abholbetrieb handle. Im Übrigen sei die Allgemeinverfügung auch als ex tunc nichtig zu betrachten, da sie auf keiner tauglichen Ermächtigungsgrundlage beruhe und verfassungswidrig sei.

Hinsichtlich der Schadenshöhe handele es sich bei der Betriebsschließungsversicherung nicht um eine Summen-, sondern eine Schadensversicherung. Die im Versicherungsschein vereinbarte Tagesentschädigung sei eine sog. feste Taxe im Sinne des § 76 VVG. Diese sei nicht bindend, wenn sie „erheblich“ von dem tatsächlichen Schaden abweiche, § 76 Abs. 1 Satz 2 VVG. Sowohl staatliche Soforthilfen als auch Kurzarbeitergeld seien schadensmindernd abzuziehen, da ansonsten eine Bereicherung des Klägers eintreten würde. Ein Anspruch des Klägers bestehe außerdem auch deswegen nicht, da dieser Schadensersatz aufgrund öffentlichrechtlichen Entschädigungsrechts beanspruchen könne.

Die Kammer hat in der Sache am 23.11.2020 mündlich verhandelt, wobei der Beklagtenvertreter nach entsprechender Gestattung durch Beschluss vom 19.10.2020 (Bl. 58 f. d.A.) gemäß § 128a Abs. 1 ZPO im Wege der Bild- und Tonübertragung teilnahm. Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden. Es wird auf das Sitzungsprotokoll von 23.11.2020, im Übrigen zur Ergänzung des Tatbestandes auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

A.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

  1. Der Kläger hat keinen Zahlungsanspruch aus dem Versicherungsvertrag. Die streitgegenständliche Einschränkung des klägerischen Gastronomiebetriebes im Zusammenhang mit der Corona-Virus-Krankheit-2019 (COVID-19) bzw. wegen des SARSCoV-2-Erregers ist nicht vom Versicherungsschutz gedeckt. Es handelt sich dabei nicht um „Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger“ im Sinne des Versicherungsvertrages.

Die Aufzählung in A § 1 III.  AVB – die unstreitig weder die COVID-19-Krankheit, noch den SARS-CoV-2-Erreger benennt – ist abschließend. Dies ergibt die Auslegung der für die Leistungspflicht der Beklagten maßgeblichen vertraglichen Vereinbarung.

Durch den Abschluss des Versicherungsvertrages ist eine Betriebsschließung wegen des Auftretens einer Corona-Virus-Krankheit-2019 (COVID-19) bzw. wegen des SARS-CoV-2- Erregers nicht versichert.

  1. Bei den Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten zur Betriebsschließungsversicherung infolge von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern BS 311/05 (AVB – dyn. BS) handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen gemäß §§ 305 ff. BGB.
  1. a) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind. Abzustellen ist insoweit auf den typischen Adressaten- und Versichertenkreis der konkreten Bedingungen. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind dabei „aus sich heraus“, also ohne Heranziehung anderer Texte, auszulegen. Maßgeblich ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses (st. Rspsr. vgl. BGH, Urt. v. 22.01.2020, Az. IV ZR 125/18, = r+s 2020, 222; BGH, Urteil vom Urt. v. 06.03.2019, Az. IV ZR 72/18, r+s 2020, 85 sowie zuletzt BGH, Urt. v. 18.11.2020 – IV ZR 217/19 -, juris).
  1. b) Betriebsschließungsversicherungen werden von gewerblich tätigen Versicherungsnehmern abgeschlossen, insbesondere von Betrieben, die mit der Lebensmittelherstellung oder – verarbeitung zu tun haben (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 2 IfSG). Bei solchen Unternehmen besteht die Gefahr, dass eine Behörde den Betrieb aufgrund von Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) schließt. Dabei handelt es sich regelmäßig um Betriebe, die einen kaufmännisch eingerichteten Gewerbebetrieb erfordern, weshalb man von den Inhabern oder Geschäftsführern jeweils entsprechende kaufmännische Kenntnisse und Sorgfalt bei dem Durchlesen eines Vertragsformulars erwarten kann. Im Regelfall besitzen die Inhaber oder Geschäftsführer dieser Betriebe jedoch keine vertieften Kenntnisse medizinischer oder rechtlicher Art im Zusammenhang mit dem Inhalt des IfSG (LG München I, Urt. v. 01.12.2020 – 12 O 5895/20, r+s 2020, 618).
  1. Gemessen am Vorstehenden ist für einen durchschnittlichen „GastronomiebetriebVersicherungsnehmer“ die Aufzählung der namentlich benannten Krankheiten und Krankheitserreger in A § 1 III.  AVB abschließend. Ihm wird hinreichend deutlich, dass der Versicherer nur für diese dort ausdrücklich genannten Risiken einstehen will.

Die Kammer schließt sich für die streitgegenständlich formulierten Versicherungsbedingungen („namentlich“-Klausel) aufgrund eigener Überzeugungsbildung der insoweit auch nahezu einheitlichen Rechtsprechung anderer Landgerichte an, wie z.B.:

– LG Ellwangen, Urt. v. 17.09.2020 – 3 O 187/20, r+s 2020, 626,

– LG Bayreuth Urt. v. 15.10.2020 – 22 O 207/20, BeckRS 2020, 29045,

– LG Bochum Urt. v. 4.11.2020 – 13 O 68/20, BeckRS 2020, 34878,

– LG Essen Urt. v. 11.11.2020 – 18 O 180/20, BeckRS 2020, 34553,

– LG Oldenburg Urt. v. 18.11.2020 – 13 O 1272/20, BeckRS 2020, 31483,

– LG Hanau Urt. v. 24.11.2020 – 9 O 662/20, BeckRS 2020, 34147,

– LG Hamburg Urt. v. 10.12.2020 – 332 O 238/20, BeckRS 2020, 34910,

– LG Lüneburg Urt. v. 30.11.2020 – 5 O 171/20, BeckRS 2020, 33998,

– LG Köln Urt. v. 2.12.2020 – 20 O 139/20, BeckRS 2020, 3406,

– LG Stuttgart Urt. v. 7.12.2020 – 18 O 270/20, BeckRS 2020, 34908,

– LG Hannover Urt. v. 7.12.2020 – 2 O 145/20, BeckRS 2020, 35183

– LG Kempten Urt. v. 08.12.2020 – 31 O 714/20, BeckRS 2020, 34906,

– LG Regensburg Urt. v. 11.12.2020 – 34 O 1277/20, BeckRS 2020, 34790.

Der zu einem anderen Ergebnis führenden Argumentation des LG München I (Urt. v. 01.12.2020 – 12 O 5895/20, r+s 2020, 618), des LG Hamburg (Urt. v. 4.11.2020 – 412 HKO 91/20, BeckRS 2020, 30449) und des LG Darmstadt (Urt. v. 9.12.2020 – 4 O 220/20, BeckRS 2020, 35645) vermag sich die Kammer nicht anzuschließen.

  1. Ergänzend bzw. vertiefend zu den in den vorgenannten Entscheidungen bereits ausführlich erörterten Argumenten hebt die Kammer noch die folgenden Aspekte hervor:
  1. a) Im Ausgangspunkt wird ein Gastronomiebetreiber, der seinen Betrieb gegen Schäden aufgrund einer behördlich angeordneten Schließung nach dem Infektionsschutzgesetz versichern will, erkennen, dass die versicherten Gefahren „Krankheiten und Krankheitserreger“ dynamisch sind und Veränderungen unterliegen:

Anders als andere versicherte Gefahren wie „Feuer“ oder „Einbruchdiebstahl“, die abschließend beschrieben und definiert werden können, ist allgemein und insbesondere Inhabern lebensmittelverarbeitender Betriebe bekannt (vgl. Belehrungspflichten nach § 43 IfSG), dass es keinen abschließenden Katalog von Krankheiten und Krankheitserregern gibt. Daraus folgt, dass erkennbar der Frage entscheidende Bedeutung zukommt, ob die versicherten Gefahren „Krankheiten und Krankheitserreger“ zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses entweder abschließend und unabänderlich be- und festgeschrieben sind oder auch zukünftig neu auftretende bzw. entdeckte Krankheiten und Krankheitserreger einbezogen sein sollen. Einem kaufmännisch denkenden Versicherungsnehmer ist klar, dass ein im letztgenannten Sinne dynamischer Versicherungsschutz, der quasi einer „BlankoDeckung“ gleichkommt, für den Versicherer mit kaum überschaubaren finanziellen Risiken verbunden wäre. Dies bedeutet zwar nicht, dass aus Sicht des „GastronomieVersicherungsnehmers“ die Übernahme eines solch hohen Risikos durch den Versicherer von vornherein ausgeschlossen ist. Der kaufmännische Versicherungsnehmer wird seine Augen aber nicht davor verschließen können, dass derartiger Versicherungsschutz „seinen Preis“ hätte. Der Versicherer hätte zwar durch die limitierte Haftzeit von 30 Tagen (A § 2 I.  Nr. 1 AVB) eine verlässliche Kalkulationsbasis. Unkalkulierbar wäre für ihn aber die Zahl der Betroffenen Betriebe/Versicherungsnehmer, wenn es – wie streitgegenständlich – infolge einer Pandemie zu flächendeckenden Betriebsschließungen/Versicherungsfällen kommt.

Eine Jahresprämie von 90,00 € für die abgeschlossene Sach-Inhaltsversicherung kann einer solchen kaufmännischen Betrachtung nicht standhalten – ohne dass es hierzu vertiefter versicherungsmathematischer Kenntnisse bedürfte.

Ungeachtet dessen würde auch im Falle einer dynamischen Verweisung auf das IfSG in seiner jeweils geltenden Fassung nicht dazu führen, dass der Kläger Versicherungsleistungen beanspruchen könnte. Die „Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19)“ wurde als § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. t erst durch Gesetz vom 19.05.2020 mit Wirkung vom 23.05.2020 (BGBl. I S. 1018) in das IfSG aufgenommen. Zum Zeitpunkt des Eintritts des streitgegenständlichen Versicherungsfalls, also mit behördlicher Anordnung der Schließung zum 16. bzw. 17.03.2020 (A. § 1 II.  1. AVB) lag also auch nach § 6 IfSG noch keine meldepflichtige Krankheit vor. Der vom Kläger für den Zeitraum vom 21.03. bis 19.04.2020 geltend gemachte Anspruch liegt also noch vor der entsprechenden Gesetzesänderung.

  1. b) Dass einmal vereinbarter Versicherungsschutz durch Zeitablauf nicht mehr den ursprünglichen Erwartungen entspricht, weil die vereinbarten Regelungen durch die tatsächliche (hier: medizinische) Entwicklung zum Teil überholt bzw. entwertet werden, kann nicht dazu führen, ein eindeutiges Verständnis der vereinbarten Klauseln zugunsten des Versicherungsnehmers zu „biegen“. Es ist keine Besonderheit des Versicherungsrechts, sondern entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung in vielen Bereichen, dass durch Zeitablauf etwa die technische Entwicklung einmal geschlossene Verträge weit weniger attraktiv bzw. sogar überflüssig werden lässt. Man denke nur an das Preis-Leistungsverhältnis eines Festnetz- oder Mobilfunk-Vertrages, der vor 5 Jahren geschlossen wurde im Vergleich zu aktuell marktgerechten Konditionen.
  1. c) Die Formulierung in A § 1 III. AVB, wonach „die folgenden … genannten Krankheiten und Krankheitserreger“ meldepflichtig und damit versichert sind, spricht nach ihrem klaren Wortlaut und der gebotenen unbefangenen Betrachtung dafür, dass eben nur die im Anschluss genannten Krankheiten und Krankheitserreger vom Versicherungsschutz erfasst sein sollen (anders in den Bedingungen im Fall des LG Mannheim, Urt. v. 29.04.2020, 11 O 66/20 = r+s 2020, 338, wo das Wort „folgende“ nicht verwendet wurde). Wäre insoweit eine dynamische Verweisung oder eine Verweisung auf den vollständigen Katalog der vorgenannten Regelungen gewollt gewesen, hätte es einer Auflistung der Krankheiten und Krankheitserreger gar nicht (mehr) bedurft. Schon dies spricht dafür, dass die Klausel nicht dahingehend zu verstehen ist, dass alle in §§ 6 und 7 IfSG aufgelisteten Krankheiten versichert sein sollen (abweichend insoweit wiederum im Fall des LG Mannheim Urt. v. 29.04.2020, 11 O 66/20, r+s 2020, 338, wo in den AVB keine enumerative Aufzählung erfolgte, sondern nur auf §§ 6, 7 IfSG verwiesen wurde).
  1. d) Der Umstand, dass sich in der Klausel kein eine Öffnung indizierender Zusatz wie „insbesondere“ oder „beispielsweise“ wiederfindet, ist hingegen ohne Aussagekraft: Die ausdrückliche Formulierung einer solchen „Öffnung“ spräche zweifelsohne für einen nicht abschließenden Charakter. Umgekehrt kann bei einer – wie hier nicht – im Übrigen bezüglich einer Öffnung neutralen Wortwahl nicht daraus geschlossen werden, dass eine Öffnung nicht beabsichtigt sei (so aber wohl LG Magdeburg, Urt. v. 06.10.2020 – 31 O 45/20 -, juris; zutreffend LG Hannover Urt. v. 7.12.2020 – 2 O 145/20, BeckRS 2020, 35183 Rn. 24 mit hingegen nicht durchgehend angemessener Diktion). Entsprechendes gilt für das Fehlen einer Formulierung, die eindeutig auf den Ausschluss einer Öffnung hinweist (so aber wohl LG Essen Urt. v. 11.11.2020 – 18 O 180/20, BeckRS 2020, 34553), wie z.B. „ausschließlich“ (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 15.07.2020 – I-20 W 21/20, r+s 2020, 506, vorgehend LG Essen, Beschluss vom 16.06.2020 – 18 O 150/20, r+s 2020, 506; LG Köln Urt. v. 26.11.2020 – 24 O 262/20, BeckRS 2020, 35063: „nur die im Folgenden aufgeführten …“).
  1. e) Auch das in der Klausel verwendete Wort „namentlich“ kann vorliegend nicht als Synonym für „insbesondere“ angesehen werden. Denn es steht an einer Stelle, an der auf die §§ 6 und 7 des IfSG verwiesen wird und bezieht sich eindeutig nicht auf den Teil des Satzes, der die „folgende“ Auflistung betrifft (LG Oldenburg Urt. v. 18.11.2020 – 13 O 1272/20, BeckRS 2020, 31483). Hiergegen spricht bereits eindeutig die Stellung des Wortes „namentlich“ in der Satzkonstruktion. Vor diesem Hintergrund kann es dahinstehen, ob „namentlich“ hier bedeuten soll, dass „die maßgeblichen Krankheiten und Krankheitserreger mit ihrem Namen benannt werden“ (so LG Essen, Urt. v. 21.10.2020 – 18 O 167/20 -, juris) oder aber, dass „namentlich“ hier synonym zur Verwendung in § 6 Abs. 3 i.V.m. § 9, § 10 IfSG verwendet wurde. Dort ist „namentlich“ in dem Sinne zu verstehen, dass die aufgezählten Krankheiten mit Nennung des Namens der erkrankten Personen zu melden sind.
  1. f) Anderes ergibt sich auch nicht aus der in der Klausel vorgenommenen Bezugnahme auf § 6 und § 7 IfSG.

Insbesondere der ausdrückliche Ausschluss für Prionenerkrankungen in A § 4 Ziffer 4 AVB ist nicht dazu angetan, bei einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer den Umkehrschluss zu provozieren, dass dieser Risikoausschluss ohne offene Formulierung der versicherten Krankheiten und Krankheitserreger gegenstandslos sei (so aber z.B. Armbrüster in Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz 31. Aufl. 2021 AVB BS 2002 Rn. 11). Zum einen hätte die Ausschlussklausel auch als klarstellende und deklaratorische Aussage eine Rechtfertigung, um etwaige Fehlvorstellungen auszuschließen. Zum anderen würden derartige Erwägungen einen mehr als überdurchschnittlichen Versicherungsnehmer erfordern, der der über vertiefte Kenntnisse medizinischer oder rechtlicher Art im Zusammenhang mit dem Inhalt des IfSG verfügt (LG Köln Urt. v. 2.12.2020 – 20 O 139/20, BeckRS 2020, 3406; vgl. auch LG München I, Urt. v. 01.12.2020 – 12 O 5895/20, r+s 2020, 618). Dieser überdurchschnittliche Versicherungsnehmer, der „obligatorisch“ dass IfSG zu Rate zieht (so ausdrücklich LG Hamburg Urt. v. 4.11.2020 – 412 HKO 91/20, BeckRS 2020, 30449 Rn. 37), ist allerdings nicht Auslegungsmaßstab für den Inhalt der Vertragsklausel.

Schließlich ist zu sehen, dass zwar die in § 6 und § 7 IfSG im Zeitpunkt des Vertragsschlusses namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger im Wesentlichen in die katalogmäßige Aufzählung im Klauselwerk übernommen wurden, die generalklauselartigen Formulierungen in § 6 Abs. 1 Nr. 5 und § 7 Abs. 2 IfSG hingegen nicht (LG Ellwangen, Urt. v. 17.09.2020 – 3 O 187/20, r+s 2020, 626). Gerade der große Umfang der Aufzählung macht nur dann Sinn, wenn er sich vom identischen Inhalt der genannten § 6 und § 7 IfSG unterscheidet (vgl. LG Hamburg Urt. v. 10.12.2020 – 332 O 238/20, BeckRS 2020, 34910 Rn. 23).

  1. Die Klausel ist auch nicht etwa deshalb intransparent gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, weil sie einerseits auf die folgenden Krankheiten und Erreger verweist, andererseits aber auf das Infektionsschutzgesetz Bezug nimmt.

Hiernach ist der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass die Klausel in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich ist. Vielmehr gebieten Treu und Glauben, dass die Klausel die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen soweit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann. Dem Versicherungsnehmer soll bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vor Augen geführt werden, in welchem Umfang er Versicherungsschutz erlangt und welche Umstände seinen Versicherungsschutz gefährden. Nur dann kann er die Entscheidung treffen, ob er den angebotenen Versicherungsschutz nimmt oder nicht (st. Rspr., z.B. BGH, Urt. v. 20.11.2019 – IV ZR 159/18, r+s 2020, 45).

Auch hinsichtlich des Transparenzgebotes sind maßgebend die Verständnismöglichkeiten des typischerweise bei Verträgen der geregelten Art zu erwartenden Durchschnittskunden. Insoweit gilt kein anderer Maßstab als derjenige, der auch bei der Auslegung von Versicherungsbedingungen zu beachten ist (BGH, Urt. v. 20.11.2019 – IV ZR 159/18, r+s 2020, 45).

Nach dem Vorstehenden ist der Regelungsgehalt, wonach eben nur die folgenden aufgezählten Krankheiten und Erreger versichert sind, ausreichend klar erkennbar. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt damit nicht vor.

  1. Schließlich stellt die Klausel auch im Übrigen keine den Versicherungsnehmer i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen benachteiligende Regelung dar. Insbesondere liegt es fern, anzunehmen, der Zweck der Betriebsschließungsversicherung liefe beim fehlenden Einschluss einer bestimmten Krankheit bzw. eines bestimmten Krankheitserregers leer, sodass der Vertragszweck insgesamt gefährdet sei (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB; z.B. LG Köln Urt. v. 2.12.2020 – 20 O 139/20, BeckRS 2020, 3406).
  1. Lediglich klarstellend weist die Kammer darauf hin, dass die hier streitgegenständliche Erkrankung bzw. Krankheitserreger nicht als „Influenzavirus“ im Sinne der Aufzählung verstanden werden kann (so z.B. auch LG Stuttgart Urt. v. 30.11.2020 – 18 O 271/20, BeckRS 2020, 34072). Die der medizinischen Fachsprache entnommenen Begriffe der Aufzählungen sind erkennbar bewusst präzise zugunsten einer Individualisierbarkeit der jeweiligen Krankheit/Krankheitserreger formuliert. Deshalb verbietet sich eine „analoge“ Auslegung der verwendeten Fachtermini.
  1. Nach alledem gehören die durch das Corona-Virus erforderlich gewordenen Einschränkungen in der betrieblichen Tätigkeit des Klägers nicht zu den durch den Versicherungsvertrag umfassten Risiken.

Eines Eingehens auf die übrigen Einwendungen der Beklagten bedarf es daher mangels Entscheidungserheblichkeit nicht mehr.

  1. Da der Kläger bereits in der Hauptsache unterliegt, weil er keinen Anspruch auf die Versicherungsleistung hat, steht ihm auch kein Anspruch auf Ersatz seiner vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten zu.

B.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 Satz 1 und 2 ZPO.