Abgewiesen
Landgericht Dresden
Urteil vom 06.01.2021
Aktenzeichen: 8 O 909/20
Stichwörter: AGB Kontrolle, keine dynamische Verweisung
Urteil
Tatbestand:
Die Klägerin hat bei der Beklagten unter der Versicherungsnummer 200.053.0151158.8
einen Versicherungsvertrag über eine „… Business All Inclusive “- Versicherung
abgeschlossen, Versicherungsbeginn 1.1.2018.
Diese Versicherung beinhaltet nach der Versicherungspolice eine „Betriebsschließungsversicherung für die Betriebsschließung infolge einer Seuchengefahr für
Schließungsschäden bzw. für Warenschäden“ (vgl. S. 4 des Versicherungsscheins, Anl. K1).
In Abschnitt C der Versicherungsbedingungen ist die Betriebsschließungsversicherung wie
folgt geregelt:
„1 Betriebsschließung
1.1 Der Versicherer leistet Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des
Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen
(Infektionsschutzgesetz – lfSG) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder
Krankheitserreger
- a) den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der
Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen
schließt;
Tätigkeitsverbote gegen sämtliche Betriebsangehörige eines Betriebes oder einer
Betriebsstätte werden einer Betriebsschließung gleichgestellt;
…
1.2 Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger Meldepflichtige Krankheiten und
Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die folgenden, im Infektionsgesetz in
den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger:
- a) Krankheiten
– Botulismus
– Cholera
– Diphterie
…
- b) Krankheitserreger
– Adenoviren (Meldepflicht nur für den direkten Nachweis im Konjunktivalabstrich);
– Bacillus anthracis
…
SARS-CoV-2 bzw. COVID-19 sind nicht in den Bedingungen genannt.
1.3 Nicht versicherte Schäden
Nicht versichert sind ohne Rücksicht auf mitwirkende Ursachen Schäden a) durch innere
Unruhen; b) durch Terror; c) durch Überschwemmung, Rückstau, Erdbeben, Erdfall,
Erdrutsch, Schneedruck, Lawinen, Vulkanausbruch, Grundwasser;
- d) durch Ableitung von Betriebsabwässern, nukleare Strahlung, radioaktive Substanzen;
- e) von Prionenerkrankungen oder. dem Verdacht hierauf;
- f) wenn der Versicherungsnehmer oder seine mit der Durchführung oder Einhaltung von
Gesetzen oder den dazu erlassenen Verordnungen Beauftragten von diesen schuldhaft
abweichen und dadurch zu der behördlichen Maßnahme bzw. Empfehlung Anlass gegeben
haben;
- g) wenn im Zeitpunkt der Übergabe an den Versicherungsnehmer oder der Einbringung in
den versicherten Betrieb Waren und Vorräte bereits durch Krankheitserreger infiziert waren;
- h) vor oder nach der Schlachtung Schlachttiere im Wege der amtlichen Fleischbeschau für
untauglich oder nur unter Einschränkung tauglich erklärt werden. Das gleiche gilt für
Einfuhren, die der Fleischbeschau unterliegen.
2 Entschädigungsberechnung für Betriebsschließungsversicherung
Der Versicherer haftet für den Unterbrechungsschaden, der innerhalb der vereinbarten
Haftzeit entsteht. Die Haftzeit beginnt mit der behördlichen Anordnung. Je nach Umfang
ersetzt der Versicherer den Schaden im Falle 2.1 einer angeordneten Schließung des
Betriebes in Höhe der vereinbarten Tagesentschädigung für jeden Tag der Betriebsschließung
bis zur vereinbarten Dauer. Tage, an denen der Betrieb auch ohne die behördliche Schließung
geschlossen wäre, zählen nicht als Schließungstage.
3 Mehrfache Anordnung
Wird eine der durch die Versicherung gedeckten Maßnahmen mehrfach angeordnet und
beruhen die mehrfachen Anordnungen auf den gleichen Umständen, so wird die nach Ziffer
2 zu leistende Entschädigung nur einmal zur Verfügung gestellt.“
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den als Anlage K1 zur Akte gereichten
Versicherungsschein nebst den als Anlage K21 zur Akte gereichten
Versicherungsbedingungen verwiesen.
Mit Wirkung zum 01.02.2020 wurde durch die Verordnung „2019-nCoV“ eine Meldepflicht
nach §§ 6 und 7 (Infektionsschutzgesetz) IfSG für das neuartige Coronavirus bzw. COVID-
19 angeordnet.
Mit Wirkung zum 23.05.2020 wurde COVID-19 in § 6 Abs. 1 Nr. 1 t) IfSG und SARS-CoV-2
in § 7 Abs. 1 Nr. 44a IfSG aufgenommen.
Die Klägerin betreibt in der W2. Str. 24, 0… D., das Restaurant „…“.
Die Klägerin stellte ihren Geschäftsbetrieb ab dem 21.3.2020 aufgrund der Allgemeinverfügung zum Vollzug des Infektionsschutzgesetzes, Maßnahmen anläßlich der Corona-Pandemie, Verbot von Veranstaltungen des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschftlichen Zusammenhalt vom 20.3.2020, Az.15-5422/5, ein. Ob er vollständig geschlossen war, ist zwischen den Parteien streitig. Das Sächsische Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt erließ anschließend die Allgemeinverfügung zum Vollzug des Infektionsschutzgesetzes, Maßnahmen anlässlich der Corona-Pandemie, Verbot von Veranstaltungen, vom 31.03.2020 (AZ: 15-5422/5) mit Wirkung ab dem 1.4.2020.
In Ziff. 4 der Allgemeinverfügung vom 31.03.2020 ist bestimmt:
„Gaststätten im Sinne des Sächsischen Gaststättengesetzes sind zu schließen. Erlaubt ist
auch der Außer-Haus-Verkauf durch Gaststätten zwischen 6.00 Uhr und 20.00 Uhr bzw. ein
entsprechender Liefer- und Abholservice ohne zeitliche Beschränkung“. Wegen des weiteren Inhaltes der Allgemeinverfügung wird auf die Anlage BLD6 Bezug genommen.
Mit der hiesigen Teilklage wird zunächst nur die Tagesentschädigung für die Betriebsschließung vom 01.04.2020 bis 05.04.2020 geltend gemacht. Abzüglich eines
Selbstbehaltes von 2 Tagen, wird für diesen Zeitraum eine zu entschädigende Schließungszeit von 3 Tagen zu je 3.000,00 Tagesentschädigung, insgesamt mithin € 9.000,00 geltend gemacht.
Die Klägerin hat der Beklagten den Versicherungs- bzw. Schadensfall über ihren Versicherungsmakler zeitnah am 24.03.2020 angezeigt. Die Beklagte hat diesen unter der Schadennummer … bearbeitet. Mit Schreiben vom 25.03.2020 lehnte die Beklagte den Versicherungsschutz ab.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Betriebsschließungsversicherung die Schließung wegen Covid 19 mit umfasse. Die Schießungsanordnung in der Allgemeinverfügung habe für die Klägerin eine vollständige Betriebsschließung bedeutet. Der Anspruch umfasse darüber hinaus auch
partielle Betriebsschließungen nach Ziffer 1.1. AVB. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin eine „… Business All Inclusive“ – Versicherung abgeschlossen hat, also eine Versicherung, die alle möglichen und denkbaren Schäden abdecke, mithin „All-Inclusive“ sein sollte und sein soll. Entsprechend enthalte der Versicherungsschein (Anlage K1) auch die Angabe „Betriebsschließungsversicherung für die Betriebsschließung infolge einer Seuchengefahr für Schließungsschäden bzw. für Warenschäden“. Genau ein derartiger Fall sei nunmehr eingetreten und genau einen solchen Fall habe die hiesige Versicherung nach ihrem Sinn und Zweck abdecken sollen. Ein Anspruch ergebe sich aus Abschnitt C.1.1 der Versicherungsbedingungen.
Die Klausel sei weder in der Weite begrenzt noch verweise sie auf die Regelung in C. 1.2.
der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (im weiteren AVB genannt). Allein entscheidend
für die Einstandspflicht sei somit die Schließung des versicherten Betriebes oder der versicherten Betriebsstätte durch die zuständige Behörde aufgrund des
Infektionsschutzgesetzes zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen
Krankheiten und Krankheitserregern beim Menschen. Dies sei auch nicht durch die anschließende Regelung unter C.1.2. ausgeschlossen. Bei der namentlichen Auflistung der Erkrankung der meldepflichtigen Krankheiten
Krankheitserreger handle es sich nicht um eine abschließende Aufzählung . Nach § 315 Abs.
2 BGB gingen Unklarheiten und Zweifel bei der Auslegung insoweit zulasten des Verwenders,
mithin der Beklagten. Die Regelung in Ziff. 1.1, welche die Entschädigungspflicht regelt, verweise nicht auf Ziff.
1.2, sodass die Entschädigungspflicht nach Ziff. 1.1. insofern unter keine weiteren
Bedingungen oder Voraussetzungen gestellt werde Durch diesen Verweis auf alle
meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger nach den §§ 6 und 7 IfSG sei
klargestellt, dass die streitgegenständliche Versicherung alle meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger erfasse, die auch das IfSG erfasse, bei denen also das IfSG eine Meldepflicht vorsehe. Genau dies sei bei dem Coronavirus aufgrund der Ausdehnung der Meldepflicht durch die Verordnung des Bundesministeriums für Gesundheit vom 30.01.2020 der Fall gewesen.
Die Regelung in Ziff. 1.2. AVB schränke deshalb die anspruchsgewährende Regelung nach C. 1.1. AVB nicht ein, sondern dokumentiere nur, welche meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses in §§ 6, 7 IfSG benannt gewesen seien. Der Verweis in Ziff. 1.2. der AVB auf §§ 6, 7 IfSG und das IfSG im Generellen, könne nur so verstanden werden, dass alle behördlichen Maßnahmen in den Versicherungsschutz eingeschlossen seien, die sich auf das IfSG beziehen. Ansonsten wäre ein Verweis in C. 1.2 auf das IfSG und §§ 6, 7 IfSG nicht erforderlich gewesen und eine abschließende Aufzählung in den AVB (ohne Bezug auf §§ 6,7 IfSG) hätte genügt. Der Verweis auf §§ 6, 7 IfSG zeige, dass es sich um eine dynamische Verweisung handele. Denn damit werde auch auf § 6 Abs.1 Nr. 5 IfSG verwiesen, welcher eine generalklauselartige Formulierung dahingehend beinhaltet, dass auch weitere, nicht nach § 6 Nr. 1 4 IfSG bereits meldepflichtigen bedrohlichen übertragbaren Krankheiten, zu melden sind .
Bei dem Corona-Virus handele es sich aufgrund der Verordnung des Bundesministerium für Gesundheit vom 30.01.2020 über die Ausdehnung der Meldepflicht nach § 6 Absatz 1
Satz 1 Nummer 1 und § 7 Absatz 1 Satz 1 IfSG auf Infektionen mit dem erstmals im
Dezember 2019 in Wuhan/Volksrepublik China aufgetretenen neuartigen Coronavirus „nCoV“schon im hier maßgeblichen Zeitraum um eine meldepflichtige Krankheit i.S.d. IfSG. Im Zuge
des Zweiten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von
nationaler Tragweite wurde dann das Coronavirus vollständig in das IfSG integriert. Ob die Anordnung der Meldepflicht durch eine Verordnung oder eine Gesetzesänderung erfolgt,
könne nicht zu Lasten der Versicherungsnehmer gehen. Entscheidend sei einzig und allein,
dass die behördlichen Maßnahmen auf das IfSG gestützt werden.
Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse könne die Regelungen in den Versicherungsbedingungen der Beklagten nur so verstehen, dass auch die Betriebsschließung aufgrund einer Allgemeinverfügung
versichert sei.
Es sei in der Formulierung der streitgegenständlichen Versicherungsbedingungen auch
nicht klar und deutlich, dass nur oder ausschließlich die aufgelisteten Krankheiten und
Krankheitserreger erfasst sein sollen. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer ohne
versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse werde die Klausel bei verständiger Würdigung und
aufmerksamer Durchsicht sowie Berücksichtigung des erkennbaren Sachzusammenhangs
vielmehr so verstehen, dass durch den Verweis auf die §§ 6, 7 des IfSG sämtliche dort
beinhalteten Krankheiten und Krankheitserreger, welche eine Schließung auslösen können,
erfasst seien. Ein verständiger Versicherungsnehmer werde zudem davon ausgehen, dass
spätere Änderungen der §§ 6, 7 IfSG auf den Vertrag Anwendung finden, denn dies liege
auch im Interesse des Versicherers, da nicht ausgeschlossen sei, dass bestimmte
Krankheiten aus diesem Gesetz zukünftig wieder hier herausgenommen werden. Als
sachgerecht wird er mithin nur eine dynamische Verweisung auf alle meldepflichtigen
Krankheiten und Krankheitserreger ansehen (so LG Mannheim, Urt. v. 29.04.2020, AZ: 11
O 66/20).
Anders als die Beklagte meine, führe die Verwendung des Wortes namentlich in Ziff. 1.2
AVB nicht zu einer statischen Verweisung und abschließenden Aufzählung. Denn das Wort namentlich habe keine ausschließende Bedeutung, sondern sei vielmehr im Sinne der
Aufzählung von Regelbeispielen zu verstehen.Hätte die Beklagte eine statische Verweisung
gewollt, hätte sie dies auch kenntlich machen müssen, z.B. durch Verwendung der Worte
explizit, ausschließlich oder nur .
Auch der Versicherungsmakler sei davon ausgegangen, dass ein Anspruch bestehe (K10).
Dies müsse sich der Versicherer über § 71 VVG zurechnen lassen.
Das Risiko einer Pandemie durch SARS-Viren und den damit verbundenen wirtschaftlichen
Folgeschäden sei seit Jahren allgemein bekannt und stellt demzufolge auch kein
unvorhersehbares Risiko dar.Der Klägerin sei es um die Absicherung sämtlicher Betriebsschließungsrisiken gegangen,
mithin auch um die Absicherung von Schäden durch eine Betriebsschließung infolge von
Maßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 9.000,00 nebst Zinsen hieraus i.H.v. 9
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.04.2020 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, ein Anspruch der Klägerin bestehe nicht.
In Ziffer 1.2 a) und b) AVB seien alle meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger
im Sinne der Bedingungen abschließend aufgezählt. In der tabellarischen Auflistung in den
AVB der versicherten Krankheitserreger ist der SARS-Krankheitserreger unstreitig nicht
aufgelistet. Der Versicherungsnehmer könne aus den Versicherungsbedingungen die
Reichweite der Deckung unschwer erkennen.
Die allgemeinen Ausführungen zu § 305c BGB oder gar zur Unwirksamkeit seien rechtlich
fehlsam. Sie verkennen, dass Zweifel bestehen müssen und diese (so Rixecker, in: Schmidt,
Covid-19, 2. Aufl., § 11 Rz. 63) „setzen voraus, dass nach Ausschöpfung aller
Auslegungsmethoden unbehebbare Unsicherheiten verbleiben und ein unterschiedliches
Verständnis der Klausel möglich bleibt“.
Mit Namen genannte Risiken oder gar vollständig genannte Krankheiten und Kranheitsereger, wie hier, ließen aber keine Zweifel offen.
In den AVB werde ausdrücklich, in C. 1.2 AVB, übersichtlich in Tabellenform die gedeckten
Krankheiten und Krankheitserreger aufgelistet („im Sinne dieser Bedingungen sind die
folgenden “). Was daran unverständlich sein soll, sei nicht nachvollziehbar. Sprachlich und
grammatikalisch sei es eindeutig, dass eben die „im folgenden“ aufgeführten Krankheiten
und Krankheitserreger gedeckt sein sollen.
Eine dynamische Verweisung liege nicht vor. Diese Ansicht würde übersehen, dass der
Krankheitserreger „namentlich“ in §§ 6, 7 IfSG aufgeführt sein müsse. Der SARS-CoV-2 sei
nur aufgrund einer Eilverordnung des Bundesgesundheitsamtes vom 30.01.2020 mit
Wirkung zum 01.02.2020 als temporär meldepflichtige Krankheit bzw. meldepflichtiger
Krankheitserreger auf Grundlage von § 15 Abs. 2 IfSG erklärt worden; eine solche
Eilverordnung ändere aber nichts daran, dass trotz der temporären Meldepflicht dieser
Erreger nicht im Gesetzestext des § 7 IfSG enthalten sei.
Soweit die Klägerin auf die Allgemeinverfügungen abstelle, seien diese rechtswidrig.
Es könne bei der Versicherung nur um betriebsinterne Gefahren gehen.
Es habe auch durch die zuständige Behörde eine Betriebsschließung angeordnet worden
sein müssen. Daran fehle es hier. Der Betrieb der Klägerin sei nicht vollständig geschlossen
worden. Maßgeblich wäre allein die Allgemeinverfügung des Sächsischen Sozialministerium
vom 31.03.2020 (15-5422/10) (Anlage BLD 6). Danach habe es kein Tätigkeits- oder
Betretungsverbot gegeben. Sämtliche Arbeiten ohne Außenkontakt seien erlaubt gewesen
(z.B. Bürotätigkeiten, vorbereitende Werbemaßnahmen, Lagerarbeiten,
Renovierungsarbeiten usw.).
Nach der Allgemeinverfügung seien zudem bei Gaststätten (Ziff. 4) weiterhin erlaubt
„auch der Außer-Haus-Verkauf durch Gaststätten zwischen 06:00 Uhr und 20:00 Uhr bzw.
ein entsprechender Liefer- und Abholservice ohne zeitliche Beschränkung“.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen und dem Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unbegründet.
Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten keinen Entschädigungsanspruch wegen der
Coronabedingten Betriebsschließung aus dem zwischen den Parteien bestehenden
Betriebsschließungsversicherungsvertrag .
Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus C. 1.1, 1.2 der AVB. Die streitgegenständlichen
Versicherungsbedingungen sehen einen Deckungsschutz nur bei Betriebsschließungen
aufgrund der unter C. 1.1 i.V.m. C. 1.2 einzelnen aufgelisteten Krankheiten und
Krankheitserregern vor. Covid 19/Sars-Cov-2 sind dort nicht mit aufgeführt.
Die streitgegenständlichen Versicherungsbedingungen sind klar und eindeutig gefasst. Sie
halten auch einer AGBrechtlichen Inhaltskontrolle stand.
- Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie sie ein
durchschnittlicher Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse bei
verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren
Sinnzusammenhangs verstehen muss. In erster Linie ist vom Wortlaut der jeweiligen Klausel
auszugehen (BGH, Urteil vom 06.07.2016, IV ZR 44/15, RN 17, m.w.N.).
Vom Versicherer verfolgte Zwecke sind nur insoweit maßgeblich, sofern sie in den
Allgemeinen Versicherungsbedingungen Ausdruck gefunden haben, sodass sie dem
aufmerksamen und verständigen Versicherungsnehmer erkennbar sind oder ihm zumindest
Anlass für seine Nachfrage geben. Risikoausschlüsse dürfen dabei nicht weiter ausgelegt
werden, als der Zweck es erfordert. Der Versicherungsnehmer muss nicht mit
Deckungslücken rechnen, die ihm die Klausel nicht hinreichend verdeutlicht. Auf die dem
durchschnittlichen Versicherungsnehmer in der Regel unbekannte Entstehungsgeschichte der
Allgemeinen Versicherungsbedingungen und auf den Vergleich mit anderen – dem
durchschnittlichen Versicherungsnehmer in der Regel ebenfalls unbekannten –
Bedingungswerken kommt es nicht an. Maßgeblich sind die Verhältnisse zum Zeitpunkt des
Vertragsschlusses (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 22.01.2020, Az: IV ZR 125/18; BGH, Urteil
vom 06.03.2019, Az.: IV ZR 72/18).
Unter Berücksichtigung dieser Auslegungsgrundsätze, besteht kein Zweifel, dass die
Betriebsschließungen aufgrund Covid 19/ Sars-Cov 22 nicht von der Deckung umfasst sind.
Unter C.1 der AVB sind die Voraussetzung für eine Betriebsschließung definiert. C. 1 ist
mit dem Begriff „Betriebsschließung“ überschrieben und definiert die Voraussetzung für die
von der Versicherung gedeckten Betriebsschließungen.
Nach C. 1.1. a) leistet der Versicherer Entschädigung, wenn die zuständige Behörde
aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten bei
Menschen (Infektionsschutzgesetz-IfSG) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder
Krankheitserreger, den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur
Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserreger bei
Menschen schließt.
Meldepflichtige Krankheiten im Sinne dieser Versicherung sind unter C. 1.2 definiert,
wonach meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingung die
folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten
und Krankheitserregern sind. In den nachfolgend aufgeführten Erkrankungen sind die hier
genannten, Covid19/Sars-COV-2 nicht genannt.
Diese Regelung ist eindeutig abschließend. Danach ist die Betriebsschließung nur
versichert bei den dort namentlich genannten Krankheiten oder Krankheitserregern.
Der Zusatz, dass es sich um die in §§ 6 und 7 IfSG namentlich genannten Krankheiten
handelt, ändert hieran nichts. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer hat keinen Anlass
anzunehmen, eine Entschädigungspflicht entstehe auch, wenn nach Abschluss des
Versicherungsvertrages weitere Krankheiten oder Krankheitserreger im IfSG (oder in einer
aufgrund des IfSG ergangenen Rechtsverordnung) namentlich genannt werden. Ein Verweis
auf die Rechtsgrundlage, auch für die nicht §§ 6 und 7 IfSG mit Namen (“namentlich“)
genannten Krankheiten und Krankheitserregern eine Meldepflicht zu statuieren (§§ 2 Abs. 1
Nr. 5, 7 Abs. 2 IfSG), enthält die Klausel gerade nicht.
Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird die sprachlich eindeutige Aufzählung
vielmehr als abschließend ansehen und auch nicht auf den Gedanken kommen, die
Aufzählung unter C. 1.2 der AVB beinhalte nur eine nachrichtliche Mitteilung, welche
Krankheiten und Krankheitserreger zum Zeitpunkt des Abschlusses des
Versicherungsvertrages in § § 6 und 7 IfSG namentlich aufgelistet sind. Dagegen spricht
schon eindeutig der Zusatz „Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingung“.
Dass dies lediglich eine namentliche Auflistung sein soll, welche Krankheiten zum
Zeitpunkt des Abschlusses des Versicherungsvertrages in §§ 6 und 7 IfSG namentlich
auflistet, ist nicht ersichtlich und lässt sich aus der Klausel auch nicht entnehmen. Es ist
üblich in Versicherungsbedingungen, den Umfang der Versicherungsdeckung durch eine
Auflistung bestimmter Einzelpunkte zu definieren und dies ist für den durchschnittlichen
Versicherungsnehmer nicht unbekannt. Der übliche Versicherungsnehmer wird vom Regelfall
ausgehen und im Regelfall beinhalten Versicherungsbedingungen Regelungen und keine
bloßen Mitteilungen ohne Regelungscharakter. Auch der durchschnittliche
Versicherungsnehmer weiß, dass der Versicherer grundsätzlich bestrebt ist, keine Deckung
für Fälle zu versprechen, die er nicht kennt, wie etwa vorliegend das Auftreten neuer
Krankheiten und Krankheitserreger, die dann unter das IfSG fallen können, nach § 6 Abs. 1
Nr. 5, 7 Abs. 2 IfSG.
Der einzige Sinn dieser umfangreichen Auflistung kann nach dem Verständnis des
durchschnittlichen Versicherungsnehmer nur darin liegen, die Einstandspflicht des
Versicherers auf die dort aufgezählten Fälle zu begrenzen. Hierzu bedarf es auch nicht einer
zusätzlichen sprachlichen Verdeutlichung, etwa mit dem Wort „nur“.
Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird auch nicht die Aufzählung der
Krankheiten und Krankheitserreger lediglich als beispielhaft und nicht abschließend ansehen,
da nach der Formulierung der Ziffer 2, durch den Begriff „im Sinne dieser Bedingung“ und
„namentlich“, für eine lediglich beispielhafte Aufzählung keine Anhaltspunkte bestehen. Dies
ergibt sich auch nicht aus den Bezug auf §§ 6 und 7 IfSG.
Es ist zwar richtig, das namentlich die Bedeutung von „hauptsächlich“ oder „besonders“
haben kann, was für eine beispielhafte Aufzählung sprechen könnte. Hier ist aber für den
verständigen Versicherungsnehmer erkennbar, dass “namentlich“ im vorliegenden Kontext
als „mit Namen genannt“ zu verstehen ist.
Bei der hier vorliegenden Satzstellung kommt dem Wort „namentlich“ die Funktion zu, die
Generalklauseln der §§ 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 5, 7 Abs. 2 IfSG vom Versicherungsschutz
auszunehmen und den Schutz auf die dort namentlich benannten Erregern Krankheiten zu
beschränken.
Das Interesse des Versicherungsnehmer ist, dass er schon bei Vertragsschluss anhand der
enumerativen Aufzählung leicht feststellen kann, in welchen Fällen die
Betriebsschließungsversicherung greift. An diesem Ergebnis ändert auch der Ausschluss der
Prionenerkrankung unter. Z. 1.3 nichts. Zwar ist diese Art der Erkrankung in der Auflistung
unter C. 1.2 nicht enthalten. Durch den Ausschluss wird aber für den verständigen
Versicherungsnehmer nicht zum Ausdruck gebracht, dass die abschließend zu verstehenden
Liste wieder geöffnet wird. Vielmehr wird hierdurch klargestellt, dass der Versicherer für
Erkrankungen dieser Art kein Versicherungsschutz übernehmen will.
- Die Klausel C.1.2 der AVB ist auch wirksam. Es liegt keine überraschende Klausel gemäß
- 305c Abs. 1 BGB vor und sie hält auch der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB stand. Ein
Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt nicht vor.
Gemäß § 305c Abs. 1 BGB ist eine Bestimmung in Allgemeinen
Versicherungsbedingungen, die nach den jeweiligen Umständen, insbesondere nach dem
äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, überraschend ist, nicht Vertragsbestandteil.
Entscheidend für die Einordnung einer Klausel als überraschend ist, ob zwischen den
Erwartungen des Versicherungsnehmers und dem Klauselinhalt eine deutliche Diskrepanz
besteht, mit der der Versicherungsnehmer vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht.
Nach diesem Kriterium ist die streitgegenständliche Regelung nicht überraschend. Ein
durchschnittlicher verständiger Versicherungsnehmer kann und muss damit rechnen, dass
der Versicherer den Versicherungsschutz auf im Vertrag ausdrücklich genannten Fälle
beschränkt und gerade keinen Versicherungsschutz für künftig auftretende, jedoch bei
Vertragsschluss unbekannte oder noch nicht meldepflichtige Krankheiten bzw.
Krankheitserreger bieten will, deren Gefahrenpotenzial er bei Vertragsschluss nicht
kalkulieren und deshalb auch nicht bei der Bemessung von Versicherungsumfang und –
prämien berücksichtigen konnte.
Ebenso ist die streitgegenständliche Regelung nicht mehrdeutig im Sinne von bei § 305
Abs. 2 BGB. Die Klausel ist klar formuliert und erweckt keine Fehlvorstellung über den
Umfang des Versicherungsschutzes. Bereits durch die Verwendung der Worte „die folgenden“
wird ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer davon ausgehen können, dass allein die
danach genannten Krankheiten und Krankheitserreger vom Versicherungsschutz umfasst
sein sollen. Im Übrigen wird insoweit auf die Ausführungen zur Auslegung der
Versicherungsbedingungen, wie oben erfolgt, verwiesen.
Die Klausel hält auch einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB stand.
Die Klausel verstößt nicht gegen das in § 307 Absatz 1S. 2 BGB niedergelegte
Transparenzgebot. Danach ist der Verwender allgemeiner Versicherungsbedingungen
gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar
darzustellen. Es kommt insoweit nicht nur darauf an, dass eine Klausel in ihrer Formulierung
für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich ist. Vielmehr gebieten Treu und
Glauben auch, dass sie die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen soweit erkennen lässt,
wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (BGH, Beschluss vom 11.2.2009, IV
ZR 28/08, Rn. 14).
Die streitgegenständliche Klausel genügt diesen Anforderungen. Durch den eindeutigen
Wortlaut wird bei dem durchschnittlichen und verständigen Versicherungsnehmer nicht die
Erwartung gedeckt, dass noch andere als die unter Z. 1.2 genannten Krankheiten und
Krankheitserreger vom Versicherungsschutz umfasst sind. Auch wenn die Klausel
möglicherweise etwa durch eine ausdrückliche Klarstellung, dass der nachfolgende Katalog
abschließend ist, noch klarer hätte gefasst werden können, reicht dies für die Annahme einer
Verletzung des Transparenzgebotes dies nicht aus.
Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung
des BGH zu den Versicherungsschutz einschränkenden Ausschlussklauseln. Hinsichtlich
solcher Ausschlussklauseln wird durch die Rechtsprechung gefordert, dass dem
Versicherungsnehmer die damit verbundenen Nachteile und Belastungen, soweit nach den
Umständen möglich, so verdeutlicht werden, dass er den danach noch bestehenden Umfang
des fälligen Versicherungsschutzes erkennen kann (BGH, Urteil vom 23.06.2004, IV ZR
130/03, Rn. 29). Dabei braucht der durchschnittliche Versicherungsnehmer nicht mit Lücken
im Versicherungsschutz zu rechnen, ohne dass die Klausel ihm dies hinreichend verdeutlicht.
Im vorliegenden Fall handelt es sich bei C. 1.2 nicht um eine Ausschlussklausel, sondern
in dieser Klausel werden abschließend die Krankheiten und Krankheitserreger aufgezählt, die
einen Versicherungsfall begründen. Dabei wird dem Versicherungsnehmer auch mit der
Klausel ausreichend vor Augen geführt, welchen Versicherungsschutz er erhält. Dabei muss
der Versicherungsnehmer auch keinen Abgleich mit § 6 und § 7 IfSG vornehmen, sondern
der gewährte Versicherungsschutz ergibt sich hier aus den Bedingungen selbst. Insofern
würde ein Abgleich auch gar nichts nützen, da zum Zeitpunkt des Abschlusses des
Versicherungsvertrages im Jahre 2018 zukünftige Erreger noch gar nicht im Gesetz enthalten
sein können.
Die Gewährung von Versicherungsschutz auf die in C. 1.2 der AVB aufgezählten
Krankheiten und Krankheitserreger führt auch nicht zu einer Vertragszwecksgefährdung im
Sinne des § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB.
Eine Begrenzung des Leistungsumfanges begründet nach ständiger Rechtsprechung des
BGH für sich genommen noch keine Vertragszweckgefährdung in diesem Sinne, sondern
bleibt grundsätzlich der freien unternehmerischen Entscheidung des Versicherers überlassen,
soweit er nicht mit der Beschreibung der Hauptleistung beim Versicherungsnehmer falsche
Vorstellungen erweckt. Eine Gefährdung des Vertragszwecks im Sinne des § 307 Abs. 2 Nr.
2 BGB liegt erst dann vor, wenn die Einschränkung den Vertrag seinem Gegenstand nach
ausgehöhlt und damit in Bezug auf das zu versichernde Risiko zwecklos macht (BGH
Beschluss vom 11.2.2009, Az. IV ZR 28/8). Danach ist eine Vertragszweckgefährdung hier
nicht gegeben. Die in C. 1.2 ausdrücklich genannten Krankheiten und Krankheitserreger
begrenzen lediglich den Leistungsumfang ohne dabei den Versicherungsschutz auszuhöhlen.
Unter Berücksichtigung dieses umfangreichen Katalogs besteht vielmehr ein weiter
Anwendungsbereich der Betriebsschließungsversicherung,.
In der abschließenden Aufzählung der vom Versicherungsschutz umfassten Krankheiten
und Krankheitserreger liegt auch keine unangemessene Benachteiligung des
Versicherungsnehmers vor, da die Versicherer grundsätzlich in ihrer Entscheidung frei sind,
in welchem Umfang sie im Hinblick auf Gefahren aus dem Infektionsschutzgesetz
Versicherungsschutz bieten wollen. Durch die unmissverständlich formulierte enumerative
Aufzählung der vom Versicherungsschutz umfassten meldepflichtigen Krankheiten und
Krankheitserreger ermöglicht es dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer
gleichermaßen, den Umfang des Versicherungsschutzes nachzuvollziehen. Die Regelung
trägt auch dem berechtigten Interesse des Versicherers Rechnung, das versicherte Risiko
nicht zuletzt in Bezug auf die Prämienhöhe seriös einschätzen zu können. Dies dient auch
dem Schutz der Versicherungsgemeinschaft und ist für einen durchschnittlichen verständigen
Versicherungsnehmer auch erkennbar.
Die Beklagte ist auch nicht an die Rechtsauffassung ihres Versicherungsvertreters
gebunden, sofern dieser von der Deckung der Betriebschließungsversicherung im
vorliegenden Fall ausgegangen sein mag. Auch wenn es sich um einen Abschlussvertreter
gemäß § 71 VVG gehandelt haben mag, ist dies hier nicht relevant, da diese Mitteilung nicht
im Zusammenhang mit einem Vertragsabschluss oder Vertragsänderung erfolgt ist. Im
übrigen berechtigt die Abschlussvollmacht nicht die Befugnis zur Anerkennung einer
Entschädigung (vgl. Prölss/Martin, VVG, 29.Aufl., § 71 Rn 5).
- Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO und die Anordnung der vorläufigen
Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.