Liebe Versicherungsmaklerinnen und Versicherungsmakler,
liebe Mandantinnen und Mandanten,

als Versicherungsmakler, der Gebäudeversicherungsverträge vermittelt oder im Bestand hat, sollte die Entscheidung des BGH vom 20.10.2021 (Az. IV ZR 236/20) aufhorchen lassen! Den Prozessverlauf stelle ich Ihnen gleich noch ein wenig genauer dar. Das Ergebnis vorweg: Der BGH hat entschieden, dass die undichte Fuge bei einer Duschkabine keinen versicherten Leitungswasserschaden (mehr) darstellt. Denn die Duschkabine sei nach Auffassung des BGH eben keine „sonstige Einrichtung“ im Rohrleitungssystem, wie es die Versicherungsbedingungen erfordern.

1. Was muss der Versicherungsmakler jetzt tun?

Die Regulierungspraxis und auch die jahrelange Instanzenrechtsprechung hatte bei den undichten Duschkabinen regelmäßig eine „sonstige Einrichtung“ angenommen und damit den Versicherungsfall bestätigt. Diese bislang gefestigte Regulierungspraxis wird sich bei einigen Versicherern bestimmt künftig ändern und es wird sehr streng der Wortlaut der jeweiligen Versicherungsbedingungen ausgelegt.

Für uns stellt sich zunächst die Rechtsfrage, ob ein Versicherungsmakler auf die geänderte BGH-Rechtsprechung seine Bestandskunden hinweisen muss? Es gibt durchaus gerichtliche Entscheidungen, die dies als erforderlich angesehen haben (z.B. OLG Hamm MedR 1997, 463). Unter dem Gesichtspunkt der anwaltlichen Vorsicht ist daher anzuraten, dass ein Versicherungsmakler seine Kunden über diese geänderte Rechtsprechung informiert. Diese Rechtsfrage wurde aber vom BGH selbst noch nicht abschließend geklärt. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass der BGH auch genau diese Auffassung vertreten könnte. Daher lautet die erste Empfehlung an Sie, dass Sie Ihre Bestandskunden mit einer Wohngebäudeversicherung auf diese Rechtsprechung hinweisen, um Ihre Beratungspflichten zu erfüllen.

Dem Kunden könnte ein Schaden durch die Nichtinformation aber nicht entstehen, wenn stets -also immer – der Versicherungsschutz versagt werden würde. Dem ist wohl nicht zwingend so. Es soll durchaus einige Versicherer geben, die nunmehr bewusst in ihren Versicherungsbedingungen auch darauf hinweisen, dass diese sogenannten „Fugenschäden“ ausdrücklich unter den gewünschten Versicherungsschutz fallen.

Dies werden Sie als Experte sicherlich im Versicherungsmarkt beobachten? Wenn denn die Fugenschäden künftig versicherbar sind, sollten Sie natürlich Ihren Bestandskunden fragen, ob er die Fugenschäden versichert haben möchte und gegebenenfalls eine Umdeckung des Versicherungsschutzes erforderlich wird? Insofern können Sie die BGH-Rechtsprechung als Akquisemöglichkeit ansehen und Ihrem Kunden zu dem für ihn individuell bestmöglichen Versicherungsschutz verhelfen.

Kümmern Sie sich hingegen nicht um Ihre Bestandskunden, besteht die Gefahr, dass Sie im Rahmen der sogenannten „Quasi-Haftung“ wie ein Versicherer zu haften hätten, wenn das Risiko anderweitig versicherbar wäre, weil Sie diese Information eben nicht an Ihren Kunden weitergegeben hatten. Der sorgfältige Versicherungsmakler wird aber diese Information sicher schon an seinen Kunden weitergegeben haben. Außerdem wurde bestimmt auch geklärt, ob diese sogenannten Fugenschäden bei anderen Versicherern künftig versicherbar sind oder per Nachtrag in den bestehenden Versicherungsschutz aufgenommen werden. Denn die Schadenvolumina derartiger Leitungswasserfälle würde ich aus den vergangenen Jahren als sehr hoch einstufen!

2. Der Neukunde

Auch im Rahmen von Neuvermittlungen sollten Sie natürlich diese BGH-Rechtsprechung beachten. Es ist nicht abwegig, den Kunden darauf hinzuweisen, dass er gegebenenfalls keinen Versicherungsschutz hat, wenn das Wasser durch undichte Fugen weiteren Schaden am Gebäude verursacht. Denn naturgemäß werden diese „schleichenden Schadenereignisse“ oft nicht rechtzeitig erkannt und es entstehen größere unerkannte Folgeschäden.

Da Sie mit dem Kunden die Wünsche und Bedürfnisse abzuklären haben, dürfte auch dieser Punkt anzusprechen sein. Wenn der Kunde den Wunsch hat, dass derartige „Fugenschäden“ versichert sind, müssen Sie prüfen, ob Sie hierfür einen geeigneten Versicherer finden. Folglich dürfte eine solche neue BGH-Rechtsprechung auch im Rahmen der Produktauswahl und der individuellen Beratungsgespräche Berücksichtigung finden müssen.

In jedem Fall, so auch der BGH, sollten Sie, als Versicherungsmakler, nach den Bedürfnissen des Kunden die jeweiligen Versicherungsklauseln beurteilen und gegebenenfalls den individuell passenden Versicherungsschutz besorgen (BGH-Urteil vom 26.03.2014, AZ: IV ZR 422/12). Bei Ihrer Beurteilung der derzeitigen Versicherungsbedingungen werden Sie unter Berücksichtigung der nachfolgenden Rechtsprechung zu dem Ergebnis kommen, dass ein sehr schadenträchtiger Bereich der Leitungswasserschäden durch undichte Fugen künftig nicht mehr versichert ist.

Damit Sie umfassend informiert sind, möchte ich Ihnen einmal kurz die unterschiedlichen Rechtsauffassungen der Instanzen aufzeigen:

3. Der Instanzenweg zum BGH

Der Versicherungsnehmer hatte einen Feuchtigkeitsschaden in der Wand zwischen seinem Wohnzimmer und seinem Badezimmer. Grund hierfür war, dass Wasser aus der Duschbrause in eine Wandfliese der Duschkabine durch eine undichte Silikonfuge eindrang und damit die Zwischenwand kontaminierte. Es entstand ein Schaden im fünfstelligen Bereich. Die Versicherung verweigerte nach Schadenmeldung die geforderte Versicherungsleistung.

Und so kam es zu einer Klage vor dem Landgericht Aschaffenburg.

Das Landgericht entschied sich, zu Gunsten der Versicherung die Klage abzuweisen, da kein Versicherungsfall vorläge. Dabei schloss sich das Landgericht der Argumentation der Versicherung an, dass hier kein bestimmungswidriger Austritt von Leitungswasser vorgelegen habe. Schließlich habe das Wasser den Duschkopf und damit das versicherte Rohrsystem ordnungsgemäß verlassen.[1] Ausschlaggebender sei aber, dass man die Duschkabine mit der Wasserleitung nicht als verbundene Einrichtung sehen könne, die bedingungsgemäß mitversichert ist.

In den Bedingungen der Allgemeine Wohngebäude-Versicherungsbedingungen der Versicherung in Teil A VGB 2008 heißt es nämlich:

§ 3 Leitungswasser
1. Bruchschäden innerhalb von Gebäuden Der Versicherer leistet Entschädigung für innerhalb von Gebäuden eintretende

2. Bruchschäden außerhalb von Gebäuden

3. Nässeschäden

Der Versicherer leistet Entschädigung für versicherte Sachen, die durch bestimmungswidrig austretendes Leitungswasser zerstört oder beschädigt werden oder abhandenkommen.

Das Leitungswasser muss aus Rohren der Wasserversorgung (Zu- und Ableitungen) oder damit verbundenen Schläuchen, den mit diesem Rohrsystem verbundenen sonstigen Einrichtungen oder deren wasserführenden Teilen, aus Einrichtungen der Warmwasser- oder Dampfheizung, aus Klima-, Wärmepumpen oder Solarheizungsanlagen, aus Wasserlösch- und Berieselungsanlagen sowie aus Wasserbetten und Aquarien ausgetreten sein.“

Das Landgericht zeigte sich davon überzeugt, dass mit dem Eindringen des Wassers in die undichte Fuge der Duschkabinenwand jedenfalls nicht mehr einer mit dem Rohrsystem verbundenen sonstigen Einrichtung zuzurechnen sei.

Gegen diese Entscheidung legte der Versicherungsnehmer[2] Berufung ein. Das OLG Bamberg entscheid sich nun zu Gunsten des VN.

Das OLG Bamberg gab dem VN Recht und erklärte, dass die undichte Wandfliese zugehörig zur Duschkabine sehr wohl als eine mit dem Rohrsystem verbundene sonstige Einrichtung sei.[3] Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen wie ein durchschnittlicher und VN sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen kann. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeit eines VN ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an.[4]

In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Hier sei aber der Begriff Einrichtung bewusst abstrakt formuliert. Damit könne der Versicherer nur eine weite Auslegung des Begriffs verstehen. Darunter würde der VN auch alle in einem Haus üblicherweise vorhandene Wasserverbrauchsstellen verstehen, sofern ihnen Wasser über Zuleitungen zugeführt und anschließen wieder in Ableitungen weggeführt werden.

Bildlich gesprochen sei mit der Zuleitung aus der Duschbrause fließende Wasser in die Duschkabine (– und den Wänden runter fließendes Wasser-), und der Ableitung, (-durch das weitere Abfließen in den Abfluss-) ein gesamter stationärer Wasserkreislauf zu sehen.

Deshalb seien Duschwände oder auch Duschwannen, die eine undichte Fuge aufweisen mitversichert. Jene Einrichtungen sollen schließlich auch den Austritt des Wassers während des Reinigungsvorgangs verhindern.

Mit dem Eindringen in die undichte Fuge läge ein bestimmungswidriger Austritt von Leitungswasser vor.

Nach sehr ähnlicher Argumentation entscheid auch das OLG Naumburg. Dort ging es allerdings um Duscharmaturen, die nicht richtig an der Duschwand versiegelt waren und herunterlaufendes Wasser in die dort liegende Fuge eindrang.[5] Undichte Fugen die ursächlich für solche Schadenhergänge sind – wie sich zeigt- nicht selten der Fall.

Zurück zu unserem Instanzenzug: Die Versicherung legte Revision gegen das Urteil ein. Der BGH gab dem OLG nur insoweit Recht, dass Versicherungsbedingungen so anzulegen sind, wie ein durchschnittlich verständiger VN sie verstehen dürfe.

Dabei kann der VN eben nicht davon ausgehen, dass mit sonstigen Einrichtungen auch (undichte Fugen bzw. undichte) Duschkabinen-/Wände gemeint sind. Der Passus „sonstige Einrichtungen“ verdeutlicht dem Versicherungsnehmer, dass diese Einrichtungen mit einem zuvor genannten Röhren und Schläuchen vergleichbare Qualität haben, also ebenfalls abgrenzbare Einzelgegenstände sein müssen. Eine physische Verbindung mit dem Rohrsystem sei folglich notwendig und für den VN auch erkennbar und anzunehmen.

Hierfür spreche auch, dass sich Duschen oder Duschkabinen in ihrer Bauweise stark voneinander unterscheiden. So gibt es bspw. seitlich offene Dusche oder Duschwannen. Sie könnten räumlich kaum abgrenzbar sein und bspw. bei Duschräumen in Schwimmbädern oder Sporteinrichtungen den gesamten Raum erfassen.[6]

4. Fazit

Es ist also rechtlich noch nicht vom BGH geklärt, ob aufgrund der weitreichenden Beratungsverpflichtungen eines Versicherungsmaklers dieser seinem Bestands- und/oder Neukunden über die höchstrichterliche Rechtsprechung zum Versicherungsschutz von sich aus (unaufgefordert) zu informieren hat.

Trotzdem muss ein Versicherungsmakler (auch für mögliche Nachfragen des Kunden) selbst informiert sein, wie der Bundesgerichtshof übliche Versicherungsbedingungen und -klauseln auslegt. Der hier vorgenommene Wechsel der Rechtsprechung hat also durchaus weitreichende Auswirkungen für die Schadenregulierungspraxis! Es bedarf einer genaueren Analyse der Versicherungsbedingungen durch den Makler als Experten.

Ferner steht zu erwarten, dass künftig einige Versicherer bewusst die sogenannten „Fugenschäden“ mitversichern werden. Im Rahmen der Angebotsanalyse hat ein Versicherungsmakler selbstverständlich auf diese Unterschiede in den Versicherungsbedingungen zu achten und seinen Kunden im Rahmen der Vertragsvermittlung hierüber zu informieren.

Es tut mir also leid, wenn ich Ihnen die Sorge bereite, dass durch diese geänderte BGH-Rechtsprechung möglicherweise eine Haftungsverantwortung auf Sie zukommen könnte, wenn Sie Ihre Kunden über die Erkenntnisse dieses Artikels nicht informieren. Bitte begreifen Sie diese Hinweise doch lieber als Akquiseanregung, Ihren Kunden zu zeigen, wie tief Sie mit der Versicherungsmaterie vertraut sind, wie kompetent Sie beraten und wie Sie alle Ihre Kunden im Rahmen des Möglichen mit optimalem Versicherungsschutz versorgen können.

Auf jeden Fall sorgte diese Entscheidung des Bundesgerichtshofs für Gesprächsbedarf, sowohl mit den Versicherern als auch mit Ihren Versicherungsnehmern. Viel Erfolg!

Herzliche Grüße

Ihr,

Stephan Michaelis LL.M.
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

[1] LG Aschaffenburg vom 04.12.2019 Az. 15 O 324/18
[2] Folgend mit VN abgekürzt
[3] OLG Bamberg vom 27.08.2020 Az. 1 U 14/20
[4] BGHZ 211, 51 m. w. N.
[5] OLG Naumburg vom 08.02.2018 Az. 4 U 67/17
[6] OLG Sarbrücken VersR 2019, 353 (juris Rn.47)