Der Anspruch des Kunden auf Datenlöschung

von Stephan Michaelis

(Hamburg, den 19.09.2017) Die gestiegenen Anforderungen bei der Umsetzung des bundes- und EU-rechtlichen Datenschutzes stellen Versicherungsmakler regelmäßig vor Probleme, wenn Kunden nach Beendigung der Geschäftsbeziehung mit dem Wunsch an sie herantreten, bitte alle vorhandenen personenbezogenen Daten zu löschen. Dieser Anspruch ist sowohl im Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) als auch in der EU-Datenschutzgrundverordnung (EU-DSGV) verbrieft. Zu Recht stellt sich dann die Frage, wie sich Makler ohne entsprechende Unterlagen überhaupt gegen einen späteren, möglichen Schadensersatzanspruch zur Wehr setzen können?

Problematik der Beweislastumkehr

Um diese Problematik zu erörtern, muss etwas weiter ausgeholt werden. Zwar ist die Dokumentation einer Beratung im Zuge der Versicherungsvermittlung gesetzlich vorgeschrieben, jedoch muss stets mit der Besonderheit der Beweislastumkehr im § 63 VVG umgegangen werden. Diese besagt im Groben, dass im Fall der Maklerhaftung nicht der Anspruchsteller (der Versicherungsnehmer) die Pflichtverletzung beweisen muss und der Anspruch überhaupt begründet ist, sondern zunächst allein die plausible Behauptung dessen ausreichen kann. Kann der Versicherungsmakler nicht durch Vorlage einer Beratungsdokumentation diese Behauptung entkräften, bleibt er seiner sekundären Beweislast schuldig und der Versicherungsnehmer hat gute Chancen, Schadensersatz zugesprochen zu bekommen.

Demzufolge ist es überaus wichtig, dass der Versicherungsmakler stets über Beweise für den Inhalt, den Zeitpunkt und gegebenenfalls für die Richtigkeit seiner Beratung verfügt. Denn sobald er ein Schriftstück als „Urkunde“ im zivilprozessualen Sinne vorlegt, gilt wiederum zunächst dessen Richtigkeit als vermutet, wenn der Versicherungsnehmer nicht das Gegenteil beweisen kann. Was ist nun aber, wenn der Versicherungsmakler dem Wunsch des Kunden nach Datenlöschung konsequent entsprochen hat und nun über keinerlei weitere Dokumentation seiner Beratung verfügt?

Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen auch Jahre später denkbar

Denkbar ist z. B. der folgende Fall: Ein Kunde mit Vorerkrankungen wünscht die Beratung und gegebenenfalls die Vermittlung einer Berufsunfähigkeitsversicherung und der Versicherungsmakler findet keinen entsprechenden Versicherungsschutz, den der Kunde sich leisten will. 18 Jahre nach der Beratung und eventuell auch nach Beendigung des Maklermandates wird der Kunde berufsunfähig und findet heraus, dass entgegen der Aussage seines Versicherungsmaklers die Möglichkeit bestanden hätte, sich preisgünstig gegen Berufsunfähigkeit zu versichern. Den Anspruch auf Zahlung der Berufsunfähigkeitsrenten macht er nun im Wege des Schadensersatzes gegenüber dem Versicherungsmakler geltend. Dieser ist dann in der unangenehmen Situation, über keinerlei Beweismittel zur Entkräftung des Vortrages des ehemaligen Kunden zu verfügen. Die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung zur Zahlung eines entsprechenden Schadensersatzes ist nun wesentlich höher, als wenn der Makler durch Vorlage der entsprechenden Dokumentation beweisen könnte, dass damals tatsächlich kein gewünschter Versicherungsschutz am Markt verfügbar gewesen ist.

Um rechtssicher jegliche Beratungsdokumentation vernichten oder herausgeben zu können, bedürfte es schon einer gesetzlichen Regelung, nach wie vielen Jahren die Beweislastumkehr des § 63 S. 2 VVG erlischt. Eine solche gibt es nicht, allerdings haben die Gesetzgeber der entsprechenden datenschutzrechtlichen Vorschriften von BDSG und EU-DSGV an diese Problematik gedacht.

Datenschutzrechtliche Lösung

Gemäß § 35 BDSG müssen solche personenbezogenen Daten nicht vollständig herausgegeben oder gelöscht, sondern nur „gesperrt“ werden, wenn einer Löschung gesetzliche, satzungsmäßige oder vertragliche Aufbewahrungsfristen entgegenstehen (§ 35 Abs. 3 Nr. 1 BDSG) oder dies zur Behebung einer bestehenden Beweisnot oder aus sonstigen im überwiegenden Interesse der verantwortlichen Stelle liegenden Gründen unerlässlich ist (§ 35 Abs. 8 BDSG). Auch das in Art. 17 der EU-DSGV festgeschriebene „Recht auf Vergessenwerden“, dass insbesondere die Löschung aller personenbezogenen Daten durch ehemalige Auftragnehmer umfasst, ist insoweit beschränkt. Dies gilt nur dann, soweit die Verarbeitung zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung, die die Verarbeitung nach dem Recht der Union oder der Mitgliedstaaten, dem der Verantwortliche unterliegt, erfordert oder zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen nicht doch erforderlich ist (Art. 17 Abs. 3b) und e) EU-DSGV).

Denn nicht nur die Inanspruchnahme durch ehemalige Kunden ist denkbar, sondern auch die öffentlich-rechtlichen Auskunftsinteressen durch behördliche Maßnahmen (Finanzamt, Zoll, Staatsanwaltschaft, BaFin etc.) müssen berücksichtigt werden. Gerade hinsichtlich der finanzbehördlichen Interessen können ja ohnehin die in der Abgabenordnung vorgegebenen Fristen zu beachten sein. Gemäß § 147 AO sind Bücher und Aufzeichnungen, Inventare, Jahresabschlüsse, Lageberichte, die Eröffnungsbilanz (sowie die zu ihrem Verständnis erforderlichen Arbeitsanweisungen und sonstigen Organisationsunterlagen), Buchungsbelege und „Unterlagen nach Artikel 15 Absatz 1 und Artikel 163 des Zollkodex der Union“ zehn Jahre, übrige Unterlagen sechs Jahre aufzubewahren.

Was ist mit der Verjährung und wann können Unterlagen vernichtet werden?

Hinsichtlich des exemplarisch geschilderten Falls muss man stets bedenken, dass eine gesetzliche Verjährungsfrist von drei Jahren darüber hinaus erst dann zu laufen beginnt, wenn der Anspruchsteller Kenntnis aller Anspruch begründenden Tatsachen hat. Solange dieser insofern gar nichts von einem möglichen Schadensanspruch weiß bzw. von einem Beratungsfehler noch überhaupt keine Kenntnis hat, kann sich der Versicherungsmakler auch nicht seiner sicher sein. Ist ein möglicher Schadensersatzanspruch weder entstanden noch liegt Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis vor, dann verjährt er innerhalb von 30 Jahren ab Begehung der Handlung, der Pflichtwidrigkeit oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an (§ 199 Abs. 3 Nr. 2 BGB).

Da die mögliche Haftungszeit die in § 147 AO vorgegebenen Fristen deutlich übersteigen kann, kann insofern nur davon abgeraten werden, vor dem Ablauf von 30 Jahren sämtliche Beweise einer Beratungsdokumentation zu vernichten oder auf Wunsch des Kunden zu löschen. Das Gesetz verlangt es nicht zwingend!

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