„Die Grenze der Leistungsfähigkeit bei Maklerwechsel“

Der Versicherungsmakler ist der treuhänderischeSachwalter des Versicherungsnehmers.[1]Er hat den Versicherungsnehmer, soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und zu beraten, vgl. § 61 Abs. 1 Satz 1 VVG. Der Versicherungsmakler hilft und unterstützt den Versicherungsnehmer nicht nur bei Abschluss eines Versicherungsvertrages, sondern betreut diesen vielmehr auch während des Versicherungsvertrages. Grundlage hierfür ist der Maklervertrag.[2] Der Versicherungsmakler erhält darüber hinaus für seine Betreuungstätigkeit vom Versicherer Zahlungen von Bestandspflegegeldern.

I. Einleitung

Der Versicherungsmakler schuldet die Betreuung der laufenden Versicherungsverträge. Hiernach überprüft er im Verhältnis zum Versicherungsnehmer, ob die aktuelle Risikoabsicherung noch stimmig ist und beantwortet allgemeine Fragen zum Versicherungsschutz.[3] Mit Vorlage einer Maklervollmacht legitimiert sich der Versicherungsmakler gegenüber der Versicherung, die Interessen des Versicherungsnehmers wahrzunehmen. Unproblematisch sind die Fälle in denen der Abschlussvermittler auch weiterhin der betreuende Vermittler ist. Was passiert hingegen mit den Rechten und Pflichten des Versicherungsmaklers, wenn ein neuer Versicherungsmakler die Vertretung des Versicherungsnehmers anzeigt? Besonders das Schicksal des Vergütungsanspruchs ist hierbei immer wieder Anlass für Streitigkeiten.[4]

II. Usancen des GDV

 Die Frage des Vergütungsanspruchs bei einem Maklerwechsel wurde 1988 auch Thema beim GDV (Gesamtverband der Versicherungswirtschaft).[5] Die Usancen im Versicherungsmaklerbereich / Courtageansprüche bei Vermittlerwechsel des GDV bilden hier seit jeher die Richtlinie, nach denen stillschweigend gearbeitet wird.[6]

  1. Regelungsinhalt

Die Usancen, welche nur für die Schaden- bzw. Sachversicherung gelten, unterscheiden zwischen ein- und mehrjährigen Verträgen.

Bei einjährigen Verträgen behält der Altmakler die gesamte Provision bis zum Ablauf des Versicherungsvertrages. Ab dem neuen Versicherungsjahr (bei wirksamer Kündigung vor der Hauptfälligkeit) erhält sodann der neue Makler die Provision/Courtage.[7] Dies soll auch bei einer Verlängerungsklausel gelten.[8]

Bei mehrjährigen Verträgen überwiegt die Praxis, die Vergütung für die Restlaufzeit des Versicherungsvertrages bis zum Vertragsablauf ab Übernahmezeitpunkt durch den neuen Makler zwischen diesem und dem alten Makler im Verhältnis 50:50 aufzuteilen.[9]

  1. Rechtliche Bindungswirkung

 Die Usancen des GDV stellen keine Gesetze dar, womit diese auch keinerlei rechtliche Bindung entfalten.[10] Sie dienen lediglich der Vereinfachung und Ersparnis von Zeit. Sie sollen so in der Maklerschaft langwierige Verhandlungen zwischen Maklerkollegen verhindern. Doch allein aufgrund der langjährigen und breitflächigen Anwendung durch die Versicherer wird aus den Usancen des GDV noch keine Rechtsnorm mit Gesetzescharakter.

III. Gesetzliche Regelung

Eine eindeutige gesetzliche Regelung, die den Wechsel des Maklers regelt, besteht nicht. Aufgrund der Dreiecks-Beziehung zwischen Makler, Versicherung und Versicherungsnehmer kommt es in der Interaktion zu vielerlei Störungen. Insbesondere wenn es um Vertragsschlüsse, -änderungen oder -beendigungen geht, führt dies in vielen Fällen zu einer mangelhaften Kommunikation. Dies veranschaulicht folgender Beispielsfall:

VN beauftragt den Ursprungsmakler A umfassend mit einem Maklermandat. A vermittelt dem VN mehrere Versicherungsverträge. Zwei Jahre später beauftragt der VN den Versicherungsmakler B nun umfassend für alle seine Versicherungsangelegenheiten samt Betreuungsauftrag. B zeigt dies dem Versicherer an, worauf hin A von der Versicherung eine Mitteilung bekommt, dass B nun der betreuende Makler des VN ist.

 Mangels eindeutiger Rechtsprechung zu diesem Thema gibt es zwei Möglichkeiten den Beispielsfall zu lösen. Dies wäre zum einen, dass man die Mandatierung des neuen Maklers als konkludente Kündigungserklärung des Altmandats versteht. Zum anderen könnte man auch von einer „Doppelmandatierung“ ausgehen, sodass zwei Versicherungsmakler unabhängig voneinander mit der Besorgung der Versicherungsangelegenheiten beauftragt sind.

  1. Doppelmandatierung

Durch die Anzeige der Maklervollmacht sowie des Maklervertrages gegenüber dem Versicherer hat sich der neue Makler ausreichend legitimiert. Dieser ist als Versicherungsmakler für den Versicherungsnehmer beauftragt die Angelegenheiten bezüglich seiner Versicherungen zu regeln. Die Maklervollmacht berechtigt den Makler in der Regel zum Abschluss von Versicherungsverträgen, zur Abgabe und Entgegennahme von Willenserklärung und der Geltendmachung von Ansprüchen aufgrund von Versicherungsfällen.[11]

Oftmals agiert der Versicherungsmakler auch als sog. Korrespondenzmakler, wonach sämtlicher Schriftverkehr, welcher für den Versicherungsnehmer bestimmt ist, über den Versicherungsmakler zu laufen hat.

Dies hat zum einen die praktische Folge, dass der Versicherer beiden Versicherungsmaklern sämtlichen Schriftwechsel vorzulegen hätte.[12] Ferner würden Belege oder Anzeigen des Versicherungsnehmers den Versicherer doppelt erreichen und würden nicht nur zu Verwirrungen, sondern auch zu einem nicht unerheblichen Mehraufwand führen.

Eine weitere Frage ist die der Betreuung. Als mandatierter Versicherungsmakler sorgt man grundsätzlich auch für die laufende Betreuung und Beratung hinsichtlich bestehender Verträge.[13] Bei einer doppelten Mandatierung hätte dies zur Folge, dass eine doppelte Beratungs- und Betreuungspflicht bestehen würde. Dies kann in der Regel selbst vom Versicherungsnehmer nicht gewünscht sein.

Besonders problematisch sind jedoch Haftungsfälle. Bei einer doppelten Mandatierung stellt sich berechtigterweise die Frage, ob der alte Versicherungsmakler auch für ein Fehlverhalten des neuen Versicherungsmaklers haftet, wenn diesem im Rahmen der Betreuung eine Pflichtverletzung vorzuwerfen ist.

Eine Doppelmandatierung kann daher auch aus Sicht des Kunden, sofern er sich hierüber überhaupt Gedanken gemacht hat, nicht gewünscht sein. Von einer bewussten Doppelmandatierung kann daher in der Regel nicht ausgegangen werden.

  1. Konkludente Kündigung

Mit der Mandatierung und der Übersendung der Vollmacht könnte zugleich auch eine Kündigung des alten Maklermandats verbunden sein.[14]Dem Versicherungsnehmer wird in der Regel daran gelegen sein, nur einen Ansprechpartner in Sachen Versicherungen zu haben und dies wird der neue Versicherungsmakler sein, dem dieser erst kurze Zeit zuvor sein Vertrauen geschenkt hat.

Die Anzeige der neuen Mandatierung wird also als Kündigungserklärung der bestehenden Maklervereinbarung und -vollmacht auszulegen sein.[15]Der neue Versicherungsmakler kündigt somit die bestehende Beziehung zwischen dem Alt-Makler und dem Versicherungsnehmer im Auftrag des Versicherungsnehmers. Die Kündigung wird dem neuen Versicherungsmakler durch die Versicherung bekanntgegeben, indem diese dem Altmakler mitteilt, dass nun ein neuer Versicherungsmakler die Versicherungsangelegenheiten des Versicherungsnehmers betreut.[16]

Der Versicherungsnehmer hätte nun in diesem Fall nur noch einen Versicherungsmakler, welcher als sein „treuhänderischer Sachwalter[17] dessen Versicherungsangelegenheiten wahrnimmt. Eine Doppelmandatierung mit all seinen Unklarheiten entsteht somit nicht.

  1. Zurückweisung der Kündigung

Gem. § 174 Satz 1 BGB kann eine Partei eine Kündigung bei einem einseitigen Rechtsgeschäft zurückweisen, wenn der Bevollmächtigte keine Vollmachtsurkunde vorlegt. Sofern also der neue Versicherungsmakler der Versicherung gegenüber nicht die Originalvollmachtsurkunde oder eine eigens unterschriebene Ausfertigung vorlegt,[18] welche diese an den bisherigen Versicherungsmakler weiterreichen kann, kann der alte Versicherungsmakler die Kündigung unverzüglich zurückweisen und muss diese dann folglich nicht gegen sich gelten lassen.[19] Er hat somit einen „mittelbaren“ Anspruch auf die Vorlage der Originalvollmacht, bevor eine Kündigungserklärung formal und materiell Wirksamkeit entfalten kann (vgl. § 174 Satz 1 BGB). Eine Fotokopie, ein eingescanntes Dokument oder ein Telefax langt selbstverständlich nicht für die richtige Form der Originalvollmachtsurkunde.[20]

  1. Rechtliche Konsequenzen

Hat also der Versicherungsmakler die Kündigung gegenüber dem Versicherer, der als Erklärungsbote des neuen Versicherungsmaklers agiert, unverzüglich zurückgewiesen und wurde er darüber hinaus nach § 174 Satz 2 BGB nicht von dem VN über die neue Bevollmächtigung  in Kenntnis gesetzt, so ist die Kündigung unwirksam.[21] Er ist also weiterhin der betreuende Versicherungsmakler des Versicherungsnehmers und durch seine wirksame Vollmacht in der Betreuung legitimiert. Die Versicherung muss nun also auch weiter mit diesem in Kontakt treten. Erst eine wirksame Kündigung des Versicherungsnehmers oder des neuen Maklers unter Vorlage einer Originalvollmacht oder einer weiteren Ausfertigung im Original muss der „Alt-Makler“ gegen sich gelten lassen. Zudem kann der VN den Ursprungsmakler von der neuen Bevollmächtigung des Folgemaklers in Kenntnis setzen, für dieses „in Kenntnis setzen“ gilt diese Anforderung der Vollmachtsurkunde nach § 174 Satz 1 BGB allerdings nicht. Solche Benachrichtigungen durch den VN stellen in praxi allerdings eher eine Seltenheit dar.

Den alten Makler treffen sodann weiterhin die Betreuungs- und Beratungspflichten, aber auch das Recht, das Bestandspflegeentgelt zu vereinnahmen, bis eine wirksame Kündigung durch die Vorlage der Originalvollmacht erfolgt.

IV. Ergebnis

 Insbesondere in Zeiten der InsureTechs, in denen ganze Bestände via Fingertippen verschwinden, sollten Versicherungsmakler vom Versicherer die Originalvollmacht  des neuen Maklers durch den eigenen Kunden fordern. InsureTechs können eine solche Originalvollmacht im Sinne des § 174  Satz 1 BGB meist nicht vorlegen, sodass eine Abwanderung des Kunden an ein solches Unternehmen häufig bereits aus „formalen“ Gründen unterbunden werden kann! Auch im Internetgeschäft gilt das BGB.

[1] BGH, Urteil vom 22.05.1985 – Iva ZR 190/83 , BGHZ 94, 356 Rn. 11.

[2] Michaelis, in: Schwintowski/Brömmelmeyer, PK-VersR, § 61 Rn. 25; Dörner, in: Prölss/Martin, § 59 VVG Rn. 72; Werber, VersR 2010, 553, 555.

[3] Ebd.

[4] Vgl. BGH, Urteil vom 13.06.1990 – IV ZR 141/89, VersR 1990, 1355; BGH, Urteil vom 27.111985 – IVa ZR 68/84, VersR 1986, 236; OLG Hamm, Urteil vom 08.12.1994 – 18 U 279/93, VersR 1995, 658.

[5] GDV, Rdschr. v. 22.2.1988 an Mitgl. (M-Tgb.-Nr. 27/88).

[6] Matusche-Beckmann, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, § 5 Rn. 418.

[7] Dörner, in: Prölss/Martin, § 59 Rn. 137.

[8] Michaelis, in: Schwintowski/Brömmelmeyer, PK-VersR, § 59 Rn. 18; Matusche-Beckmann, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, § 5 Rn. 400.

[9] BGH, Urteil vom 27.11.1985, VersR 1986, 236237 f.;  Michaelis, in: Schwintowski/Brömmelmeyer, PK-VersR, § 59 Rn. 18.

[10]  K. Schmidt, in: MüKo/HGB, § 346 Rn. 19.

[11] Matusche-Beckmann, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, § 5 Rn. 272.

[12] Matusche-Beckmann, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, § 5 Rn. 359 f.

[13] Dörner in: Prölss/Martin, § 59 VVG Rn. 74.

[14] Vgl. Karle, VersR 2001, 825, 826.

[15] Karle, VersR 2001, 825, 826.

[16] Vgl. Karle, VersR 2001, 825, 826.

[17] BGH, Urteil vom 22.05.1985 – Iva ZR 190/83, BGHZ 94, 356 Rn. 20.

[18] Schubert, in: MüKo/BGB, § 174 Rn. 15; BGH, Urteil vom 17. 10. 2000 – X ZR 97/99, NJW 2001, 289.

[19] Leverenz, VersR 1999, 525, 526 f.; Karle, VersR 2001, 825, 826.

[20] So auch Schubert, in: MüKo/BGB, § 174 Rn. 15; BGH, Urteil vom 17. 10. 2000 – X ZR 97/99, NJW 2001, 289.

[21] Vgl. Karle, VersR 2001, 825, 826.