Sehr geehrte Mandantinnen und Mandanten,
sehr geehrte Versicherungsmaklerinnen und Makler,

dieser Newsletter von unserer Kollegin Frau Rechtsanwältin Sarah Kolß beschäftigt sich mit der praxisrelevanten Frage, was rechtlich zu beachten ist, wenn Versicherungsmaklerinnen und Versicherungsmakler mit Minderjährigen und/oder ihren Familien zusammenarbeiten. Immer dann, wenn Minderjährige im Spiel sind, gibt es einiges zu beachten. Dies gilt sowohl für die Zusammenarbeit zwischen Versicherungsmaklern und Minderjährigen als auch für die Vermittlung oder den Abschluss von Versicherungsverträgen. Auf all dies wird in unserem Newsletter eingegangen werden – dieser Beitrag wird selbstverständlich wie immer neben der rechtlichen Darstellung auch zahlreiche Praxistipps für Sie beinhalten.

I. Allgemeines zum Vertragsschluss mit Minderjährigen

Die rechtsgeschäftliche Zusammenarbeit mit Minderjährigen ist in den §§ 104-115 BGB geregelt. Es gilt folgende Konstellationen zu unterscheiden:

Wer nicht in das siebte Lebensjahr vollendet hat, ist geschäftsunfähig, § 104 Nr. 1 BGB. Dies bedeutet, dass es überhaupt nicht möglich ist, Verträge mit Kindern unter sieben Jahren abzuschließen.

Ab Vollendung des siebten Lebensjahres, also ab dem siebten Geburtstag, sind Minderjährige beschränkt geschäftsfähig, § 106 BGB. Beschränkt Geschäftsfähige haben einen eingeschränkten Freiraum zur selbständigen Teilnahme am Rechtsverkehr. Beschränkt geschäftsfähige Minderjährige können einen Vertrag ohne ihre Eltern schließen, wenn sie durch den Vertrag lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangen, § 107 BGB, oder wenn Sie einen Vertrag schließen und gleichzeitig die von Ihnen geforderte Leistung mit Mitteln bewirkt haben, die sie entweder zu diesem Zweck oder aus ihrem Taschengeld überlassen bekommen haben, § 110 BGB.

Mit der Einwilligung ihrer gesetzlichen Vertreter können beschränkt geschäftsfähige Minderjährige ebenfalls Verträge schließen. Die Einwilligung kann entweder vor Vertragsschluss geschehen oder nachträglich durch eine Genehmigung, §§ 107, 108 BGB.

Darüber hinaus gibt es noch einen Sonderfall – und zwar, wenn Minderjährige bereits selbstständig den Betrieb eines Erwerbsgeschäfts führen oder in einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis stehen. Wenn Minderjährige durch ihre gesetzlichen Vertreter und mit Genehmigung des Familiengerichts zum selbstständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts ermächtigt worden sind, so sind die Minderjährigen für alle Rechtsgeschäfte als unbeschränkt geschäftsfähig anzusehen, die der Geschäftsbetrieb mit sich bringt, § 112 Abs. 1 BGB. Zur Aufnahme eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses können Minderjährige allein durch den gesetzlichen Vertreter ermächtigt werden. Wenn Minderjährige in einem Arbeitsverhältnis stehen, so sind sie für alle Rechtsgeschäfte unbeschränkt geschäftsfähig, welche die Eingehung oder Aufhebung des Verhältnisses oder die Erfüllung der sich aus einem solchen Verhältnis ergebenen Verpflichtungen betreffen, § 113 Abs. 1 BGB.

Soviel zunächst zum allgemeinen Paragrafendschungel. Doch was heißt dies nun für Sie, liebe Mandantinnen und Mandanten?

II. Maklervertrag mit Minderjährigen

Was müssen Sie beachten, wenn Sie mit Minderjährigen als Kunden zusammenarbeiten? Zunächst stellt sich dabei die Frage, ob Sie überhaupt mit Minderjährigen den Maklervertrag schließen, oder ob Sie nicht vielmehr nur die Eltern als Kunden haben. Maßgeblich dürfte hierfür sein, ob der Minderjährige für die vermittelten Verträge Versicherungsnehmer oder nur versicherte Person werden soll. In vielen Fällen wird es so sein, dass die Eltern Versicherungsnehmer sind und eine Versicherung für ihr Kind als versicherte Person abschließen. In diesem Fall wäre der Maklervertrag mit den Eltern zu schließen. In einigen Fällen wird aber auch das Kind Versicherungsnehmer werden sollen. Wenn dies der Fall ist, zum Beispiel bei Lebensversicherungsverträgen, wird auch der Maklervertrag mit dem Minderjährigen geschlossen.

Es stellt sich nun die Frage, ob ein Maklervertrag nicht lediglich rechtlich vorteilhaft ist, sodass eine Einwilligung des gesetzlichen Vertreters für den Maklervertrag nicht erforderlich wäre. Lediglich rechtlich vorteilhaft sind Rechtsgeschäfte und Verträge, die die Rechtsstellung des Minderjährigen nur verbessern (Beck OK BGB, Hau/Poseck, 70. Edition, § 107, Rn. 8). Einzelne vertreten nun, dass der Abschluss eines Maklervertrages für den Minderjährigen nur einen rechtlichen Vorteil bringt, da dieser durch den Vertrag schließlich die Möglichkeit erhält, seine Rechtsstellung durch die Vermittlung von Versicherungsverträgen zu verbessern.

Auch wenn diese Ansicht eher abzulehnen ist, weil durch den Maklervertrag ggf. auch Pflichten auf den Minderjährigen zukommen (zum Beispiel Auskunfts-, Informations- und Mitteilungspflichten), kann es wohl dahinstehen, ob der Maklervertrag auch ohne Mitwirkung der gesetzlichen Vertreter abgeschlossen werden kann.

Denn spätestens, wenn ein Versicherungsvertrag vermittelt werden soll, wird auf den Minderjährigen ein Rechtsgeschäft zu kommen, das nicht nur rechtlich vorteilhaft für ihn ist. Denn so gut der vermittelte Vertrag auch für den Minderjährigen sein wird, er wird dadurch verpflichtet werden, Prämien zu zahlen, was einen rechtlichen Nachteil für den Minderjährigen darstellt. Für Sie als Makler heißt dies, dass Sie in jedem Fall Ihren Maklervertrag sowohl vom Minderjährigen als auch von den gesetzlichen Vertretern unterzeichnen lassen sollten. Die gesetzlichen Vertreter sind im Regelfall beide Eltern. Sie müssen deshalb den Maklervertrag mit einem Minderjährigen auch von beiden Eltern unterzeichnen lassen, es sei denn es ergibt sich, dass nicht beide erziehungsberechtigt sind.

III. Maklervollmacht

Sollen Sie aufgrund eines Maklervertrages für einen Minderjährigen tätig werden, so bedürfen Sie auch einer Vollmacht durch den Minderjährigen. Bei der Vollmacht ist zusätzlich zu beachten, dass es sich bei der Erteilung der Vollmacht um ein einseitiges Rechtsgeschäft handelt. In § 111 BGB ist geregelt, dass einseitige Rechtsgeschäfte, die von Minderjährigen vorgenommen werden, immer die Einwilligung der gesetzlichen Vertreter in schriftlicher Form erfordern. Für die Maklervollmacht bedeutet dies, dass die Vollmacht bei Minderjährigen immer durch alle Erziehungsberechtigten unterzeichnet sein muss. Sonst würde eine wirksame Vollmacht nicht bestehen.

IV. Datenschutz- und Werbeeinwilligung

Und was gilt für die Datenschutz- und die Werbeeinwilligung? Wer muss diese unterzeichnen?

Im Datenschutzrecht finden andere Rechtsgrundlagen Anwendung als die oben erläuterten Vorschriften des BGB. Die Beurteilung, ob ein Minderjähriger selbst eine Einwilligung zur Verarbeitung seiner Daten geben kann, richtet sich nämlich nicht nach seiner Geschäftsfähigkeit, sondern nach seiner Einwilligungsfähigkeit bzw. Einsichtsfähigkeit. Ob diese gegeben ist, wird einzelfallbezogen beurteilt.

Einsichtsfähigkeit wird bejaht, wenn Jugendliche die Fähigkeit haben, Bedeutung und Folgen einer datenschutzrechtlichen Einwilligung zu überschauen. Dies wird in einzelnen Bereichen mit 14 Jahren der Fall sein. Die Datenschutzgrundverordnung selbst sieht in § 8 DSGVO eine Spezialregelung vor für Einwilligungen bei einem Angebot von Diensten der Informationsgesellschaft, das einem Kind direkt gemacht wird. Hier wird 16-jährigen Einwilligungsfähigkeit zugestanden.

Da aber in Ihrem Arbeitsbereich regelmäßig von komplexen Fragestellungen ausgegangen werden kann, raten wir Ihnen, sich auch die Datenschutzeinwilligung immer von beiden Sorgeberechtigten unterzeichnen zu lassen. Dies ist die einzige Möglichkeit, um Rechtssicherheit zu schaffen – schließlich können Sie nicht in jedem Fall der Zusammenarbeit mit Minderjährigen prüfen, ob und inwieweit der Minderjährige einsichtsfähig ist. Zu beachten ist außerdem, dass die Zustimmung der Sorgeberechtigten nur vor der Datenverarbeitung gegeben werden kann. Eine nachträgliche Genehmigung wie beim Vertragsschluss ist nicht möglich.

Für die Werbeeinwilligung gilt entsprechendes. Auch hier kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Einwilligung für den Minderjährigen lediglich rechtlich vorteilhaft ist. Ebenfalls wäre die Einsichtsfähigkeit jedoch im Einzelfall zu beurteilen, vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler UWG § 7 Rn. 195. Aus Gründen der Rechtssicherheit ist deshalb auch hier eine Einwilligung der Sorgeberechtigten einzuholen.

V. Abschluss von Versicherungsverträgen

Es ist schon angeklungen, dass Versicherungsverträge für den Minderjährigen nicht lediglich rechtlich vorteilhaft sind und deswegen die Zustimmung der Eltern benötigen. Darüber hinaus ist jedoch noch eine weitere Besonderheit zu beachten:

Langjährige Versicherungsverträge, an die der Minderjährige ohne Kündigungsmöglichkeit länger als ein Jahr über das 18. Lebensjahr hinaus gebunden ist, benötigen nicht nur die Zustimmung der Eltern, sondern darüber hinaus auch noch die Zustimmung des Familiengerichts. Wurde die Zustimmung des Familiengerichts zu diesen Verträgen nicht eingeholt, was einen häufigen Fall darstellen dürfte, führt dies dazu, dass der Lebensversicherungsvertrag schwebend unwirksam ist und die rückwirkende Wirksamkeit davon abhängt, ob der (dann nicht mehr) Minderjährige nach Eintritt in die Volljährigkeit den Versicherungsvertrag genehmigt. Nur dann ist der Vertrag wirksam abgeschlossen.

Oben wurden noch zwei weitere Fälle angesprochen, in denen Minderjährige ohne die Einwilligung ihrer Eltern Verträge abschließen können. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn Minderjährige mit ihrem Taschengeld die von Ihnen geforderte Leistung bereits bewirkt haben. Für Sie als Versicherungsmaklerinnen und Versicherungsmakler dürfte dieser Möglichkeit jedoch von geringer praktischer Relevanz sein. Denn zunächst zu beachten, dass der Vertrag nur dann wirksam ist, wenn der Minderjährige die Prämie auch bereits aus seinem Taschengeld bezahlt hat. In den allermeisten Fällen wird die Prämie jedoch regelmäßig fällig werden, sodass sich zukünftig immer wieder die Frage stellen wird, ob der Minderjährige, denn die Prämie zu diesem Fälligkeitszeitpunkt wieder bezahlen wird. Aus Gründen der Rechtssicherheit kann deshalb nur davon abgeraten werden, ohne die Zustimmung der Eltern tätig zu werden.

Ein weiterer bereits angesprochene Fall wäre das Tätigwerden in Bezug auf eine Erwerbstätigkeit des Minderjährigen, die zuvor vom Familiengericht bzw. den Eltern genehmigt wurde. In diesem Fall ist es jedoch immer rechtlich problematisch, ob eine Versicherung, die im Zusammenhang mit der Erwerbstätigkeit steht, denn tatsächlich von den zitierten Vorschriften § 112 und § 113 BGB erfasst ist, sodass wir Ihnen auch in diesem Fall nur raten können, sich vor dem Abschluss von Versicherungsverträgen auch die Zustimmung der Eltern einzuholen.

VI. Eintritt des Minderjährigen in die Volljährigkeit

Bei Eintritt des Minderjährigen die Volljährigkeit stellten sich für Sie als Versicherungsmaklerinnen und Versicherungsmakler die Frage, was mit dem Maklervertrag, Vollmacht, Einwilligungserklärungen und mit den für den Minderjährigen vermittelten Versicherungsverträgen passiert.

Bei dieser Frage ist unter anderem auch der § 1629 a BGB zu beachten. Die Vorschrift regelt, dass die Haftung für Verbindlichkeiten, die die Eltern im Rahmen ihrer gesetzlichen Vertretung macht durch Rechtsgeschäft mit Wirkung für das Kind begründet haben, sich auf den Bestand des bei Eintritt der Volljährigkeit vorhandenen Vermögens des Kindes beschränkt. Diese Vorschrift hat zur Folge, dass sich die nun volljährig gewordenen Minderjährigen darauf berufen können, dass sie nicht verpflichtet sind, die Verbindlichkeiten aus Verträgen zu erfüllen, wenn die Verbindlichkeiten sich nicht aus ihrem Vermögen begleichen lassen.

Darüber hinaus gibt es Verträge, wie die bereits angesprochenen Lebensversicherungsverträge, die genehmigungspflichtig durch die Familiengerichte sind, wenn der Minderjährige Versicherungsnehmer ist. Hier kommt es dann ebenfalls darauf an, ob der Minderjährige den Vertrag als Volljähriger genehmigt.

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass auch dann, wenn die Eltern Versicherungsnehmer sind und für ihr Kind als Versicherungsnehmer Versicherungsverträge geschlossen haben, Besonderheiten zu beachten sind, wenn ein Kind volljährig wird. So ist es zum Beispiel so, dass einzelne Versicherungsverträge nicht ohne die vorherige Information an die volljährigen Kinder gekündigt bzw. aufgelöst werden können. Wenn die Inkenntnissetzung des Kindes nicht nachgewiesen werden kann, kann in manchen Fällen deshalb die Kündigung der Versicherung durch den Versicherungsnehmer unwirksam sein (vergleiche hierzu BGH, Urteil vom 21.02.2013, Aktenzeichen IV ZR 94/11).

VII. Fazit

Wie Sie sehen, ergibt sich zum Thema Minderjährigenrecht manchmal ein Strauß aus zahlreichen rechtlichen Problemen für Sie als Versicherungsmaklerinnen und Versicherungsmakler. Dieser Newsletter kann die Probleme nicht abschließend lösen, sondern verfolgt das Ziel, bei Ihnen Problembewusstsein zu entwickeln und im Zweifelsfall einmal lieber zu viel als zu wenig rechtlichen Rat einzuholen, um rechtswirksame Verträge zu vereinbaren.

Die erste Empfehlung lautet, dass alle Verträge und Einwilligungserklärungen von den erziehungsberechtigten Eltern und dem Kind unterzeichnet werden sollten. Ausnahmen kommen nur selten zu tragen.

Als praktischen Ratschlag können wir Ihnen an die Hand geben, dass der Eintritt in die Volljährigkeit eines Familienmitglieds von Ihren Kunden immer einen Beratungsanlass bietet. Legen Sie sich den 18. Geburtstag immer auf Termin und kontaktieren Sie Ihren volljährigen Kunden zur weiteren Beratung.

Dies gilt sowohl für den Fall, in dem die Eltern für ihre Kinder Versicherungsverträge als versicherte Personen abgeschlossen haben, als auch für den Fall, dass Sie Ihren Maklervertrag und die darüber vermittelten Verträge direkt mit den Kindern geschlossen haben. Diesen Termin sollten Sie auch dafür nutzen, sich von den nun volljährigen Kindern eigene Maklerverträge, Vollmachten und Einwilligungserklärungen unterzeichnen zu lassen und mit Eltern und Kindern über die Fortführung von Versicherungsverträgen und/oder den Neuabschluss solcher nachzudenken.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr,

Stephan Michaelis LL.M.
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht