Zusprechend
Landgericht Hannover
Urteil vom 01.02.2021
Aktenzeichen: 19 O 163/20

Stichwörter: kundenfreundlichste Auslegung, Verstoß gegen Transparenzgebot, namentlich genannt kann auch insbesondere bedeuten

Urteil

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Leistungen aus einer Betriebsschließungsversicherung in Anspruch.

Die Klägerin unterhält für das von ihr betriebene Restaurant bei der Beklagten – unter anderem – als Teil der Ertragsausfallversicherung eine Betriebsschließungsversicherung. Versicherungsbeginn war der 15. November 2019; Versicherungsende der 1. Januar 2021.

Vereinbart wurde für den Fall einer Betriebsschließung ein Jahres-Entschädigungsbetrag in Höhe von 100.000 € was einem Entschädigungsbetrag von 274,73 € pro Tag entspricht.

Dem Versicherungsvertrag lagen unter anderem die „Zusatzbedingungen für die Betriebsschließungsversicherung Fassung 2019“ (im Folgenden: ZB-BSV) zu Grunde, denen insbesondere Folgendes entnommen werden kann:

㤠2 Gegenstand der Versicherung, versicherte Gefahren

  1. Der Versicherer leistet Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG in der Fassung vom 20.07.2000) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Nr. 2)
  2. a) den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen schließt; Tätigkeitsverbote gegen sämtliche Betriebsangehörige eines Betriebes oder einer Betriebsstätte werden einer Betriebsschließung gleichgestellt. (…)
  3. Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger

Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten oder Krankheitserreger:

  1. a) Krankheiten (…)
  2. b) Krankheitserreger (…)
  • 3 Umfang der Entschädigung
  1. Entschädigungsberechnung

Der Versicherer ersetzt im Falle

  1. a) Einer Schließung nach § 2 Nr. 1 a)

den Schaden in Höhe der vereinbarten Tagesentschädigung für jeden Tag der Betriebsschließung bis zur vereinbarten Dauer von 30 Schließungstagen. Tage, an denen der Betrieb auch ohne die behördliche Schließung geschlossen wäre, zählen nicht als Schließungstage. (…)

Tagesversicherungssumme ist die Wochenversicherungssumme geteilt durch die Zahl der wöchentlichen Arbeitstage des versicherten Betriebes.

Wochenversicherungssumme ist 1/52 der Jahresversicherungssumme.

  • 5 Ausschlüsse
  1. Krankheiten und Krankheitserreger

Der Versicherer haftet nicht bei Prionenerkrankungen oder dem Verdacht hierauf. (…)

  • 7 Wegfall der Entschädigungspflicht aus besonderen Gründen

Öffentlich-rechtliches Entschädigungsrecht

  1. ein Anspruch auf Entschädigung besteht insoweit nicht, als Schadenersatz aufgrund öffentlich-rechtlichen Entschädigungsrecht beansprucht werden kann) z.B. nach den Bestimmungen des Infektionsschutzgesetzes, den Vorschriften über Amtshaftung oder Aufopferung oder EU-Vorschriften). Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, unverzüglich entsprechende Anträge zu stellen. (…)

Unter den Überschriften Krankheiten und Krankheitserreger in § 2 der ZB-BSV findet sich eine Auflistung von insgesamt 19 Krankheiten und 49 Krankheitserregern; weder das SARS-CoV-2-Virus noch Covid-19 sind in den Versicherungsbedingungen aufgeführt. Unter den Ausschlüssen sind weitere Krankheiten oder Erreger nicht aufgeführt.

Am 30. Januar 2020 wurden mittels Verordnung über die Ausdehnung der Meldepflicht nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und § 7 Abs. 1 S. 1 des Infektionsschutzgesetzes auf Infektionen mit dem erstmals im Dezember 2019 in Wuhan/Volksrepublik China aufgetretenen neuartigen Corona-Virus, das SARS-CoV-2 und COVID-19 in die Liste meldepflichtiger Krankheiten aufgenommen.

Am 16. März 2020 erließ das niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung eine fachaufsichtliche Weisung und am 17. März 2020 erließ der Landkreis H-P im Wege der Allgemeinverfügung zur Beschränkung von sozialen Kontakten im öffentlichen und nichtöffentlichen Bereich angesichts der Corona-Epidemie und zum Schutz der Bevölkerung vor der Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 auf dem Gebiet des Landkreises für die Zeit vom 17. März 2020 bis einschließlich 18. April 2020 unter anderem folgende Regelung:

„(…)

  1. für den Publikumsverkehr werden geschlossen:

– Bars, Clubs, Kulturzentren, Diskotheken, Kneipen und ähnliche Einrichtungen (…)

(…)

  1. die Allgemeinverfügung gilt sofort ab dem Zeitpunkt der Bekanntmachung bis einschließlich Sonnabend, den 18. April 2020.

Wegen der Einzelheiten bezüglich der Allgemeinverfügung wird auf Anlage K 3 (im Anlagenband der Klägerin) verwiesen. Gemäß den Regelungen der Allgemeinverfügung schloss die Klägerin ihr Restaurant in H.. Sie unter hielt jedoch während dieser Zeit einen Außer-Haus-Verkauf.

Mit Wirkung zum 23. Mai 2020 wurden SARS-CoV-2 und COVID-19 in das Infektionsschutzgesetz aufgenommen.

Nachdem die Klägerin den Schadensfall der Betriebsschließung aufgrund behördlicher Verfügung bei der Beklagten über den Versicherungsmakler M. GmbH angezeigt und um Schadenregulierung gebeten hatte, meldete sich die Beklagte mit Schreiben vom 5. Mai 2020 und legte dar, dass sie ihre Einstandspflicht ablehne.

Nach Beauftragung des jetzigen Prozessbevollmächtigten forderte dieser die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 12. Mai 2020 erneut auf, die Leistungen aus der Betriebsschließungsversicherung in Höhe von (274,73 € x 30) 8241,75 € zu zahlen. Die Kosten für diese außergerichtliche Vertretung beziffert die Klägerin mit 679,10 €.

Die Klägerin behauptet, durch den Außerhaus-Verkauf keine nennenswerten Umsätze erzielt zu haben. Der Umsatz habe im Vergleich zu den normalen Umsätzen im Restaurantbetrieb deutlich unter 5 % gelegen. Die Klägerin ist der Auffassung, dass aufgrund der Erweiterung der Meldepflicht auf das neuartige Coronavirus dieses sehr wohl vom Versicherungsschutz erfasst sei, da die Erweiterung der Meldepflicht bereits bei Eintritt des Versicherungsfalls galt.

Im Übrigen ergebe sich bereits aus dem Wortlaut der Regelung unter § 1 der ZB-BSV, dass die Versicherung grundsätzlich beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger eingreifen solle. Hingegen enthalte der Wortlaut keinen Hinweis darauf, dass die Eintrittspflicht der Beklagten auf solche Fälle beschränkt sein solle, die auf Meldepflichtige Krankheiten oder Krankheitserreger nach dem Infektionsschutzgesetz der bei Vertragsabschluss geltenden Fassung gestützt werden soll. Wenn Sie eine solche Beschränkung hätte erreichen wollen, hätte sie dies, nach Ansicht der Klägerin, in den von ihr vorformulierten Versicherungsbedingungen klar erkennbar regeln können und müssen.

Eine Beschränkung der Entschädigungspflicht auf solche behördlich verfügten Schließungen, die auf Krankheiten gestützt werden, die bei Abschluss des Versicherungsvertrages als meldepflichtig gesetzlich bestimmt waren, ergebe für den Versicherungsnehmer keinen Sinn, da dies nichts anderes bedeute, als einen vollständigen Ausschluss künftiger und damit neu auftretender Infektionskrankheiten.

Eine Auslegung der ZB-BSV aus Sicht eines verständigen Versicherungsnehmers und unter Berücksichtigung des Wortlautes könne nur ergeben, das ist der Beklagten allein auf die Gesetzeslage bei Eintritt des Versicherungsfalls angekommen sei. Der Hinweis auf die Regelungen in §§ 6 und 7 IfSG könne daher nur so zu verstehen sein, dass auf die dort gelisteten meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger nach der aktuell geltenden gesetzlichen Bestimmung abzustellen sei. Andernfalls würde für den Versicherungsvertrag, wegen der Bezugnahme auf das im Jahr 2000 geltende Infektionsschutzgesetz, ein 20 Jahre altes Gesetz gelten, dass seither bereits mehrfach geändert wurde.

Die Klägerin beantragt,

  1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 8.241,75 € zuzüglich Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz jährlich ab 6. Mai 2020,
  2. als Nebenforderung 679,10 € nebst Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, dass der Betrieb der Klägerin nicht im Sinne der Versicherungsbedingungen habe geschlossen werden müssen, da ein Außerhaus-Verkauf jedenfalls zulässig gewesen sei und ausweislich des Internetauftritts der Klägerin einen wesentlichen Umsatzfaktor dargestellt habe.

Die Beklagte ist zudem der Ansicht, dass es sich nur dann um eine Betriebsschließung im Sinne der ZB-BSV handele, wenn der versicherte Betrieb gezielt geschlossen werde. Es liege aber ohnehin kein Versicherungsfall vor, weil der Anlass der behördlichen Regelungen keine vom Deckungsschutz erfasste Krankheit bzw. kein davon erfasster Krankheitserreger gewesen sei. Insoweit verweise § 2 Ziffer 1 ZB-BSV eindeutig auf § 2 Ziffer 2 ZB-BSV, der seinerseits Meldepflichtige Krankheiten oder Krankheitserreger deutlich und unter Auflistung sämtlicher im Infektionsschutzgesetz namentlich genannte Krankheiten oder Krankheitserreger definiere. Insoweit handele es sich um eine inhumane kreative Aufzählung die keineswegs eine dynamische Verweisung enthalte. Für eine ergänzende Auslegung, wie die Klägerin sie vornehmen wolle, findet sich weder im Wortlaut eine Stütze, noch ergebe sich aus den gängigen Auslegungsgrundsätzen eine entsprechende Grundlage. Aus dem Wortlaut ergebe sich, dass lediglich „die folgenden“ Krankheiten und Krankheitserreger vom Versicherungsschutz erfasst sein sollen. Wäre eine dynamische Verweisung gewollt gewesen, wäre es schlicht unnötig gewesen, den darauf folgenden Katalog aufzunehmen. Eines besonderen sprachlichen Hinweises, im Sinne von „ausschließlich“ oder „nur“ habe es nicht bedurft.

Auch unter Berücksichtigung des Sinn und Zwecks der ZB-BSV scheide ein bedingungsgemäßer Versicherungsschutz aus, da tragender Gedanke einer jeden Betriebsschließung Versicherung sei, dass eine Krankheit nur im eigenen, versicherten Betrieb, auftrete und dieser eben deswegen geschlossen werden müsse. Prototyp Fischer Versicherungsfall sei insoweit der Salmonellenbefall.

Irrelevant sei auch, dass COVID-19 oder das SARS-CoV2 Virus im Januar 2020 in den Kreis der meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger aufgenommen worden ist. Eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes war damit nicht verbunden; insoweit könne man allenfalls auf die entsprechende Änderung, die am 23. Mai 2020 in Kraft trat, abstellen, und damit auf einen Zeitpunkt, der nach dem streitgegenständlichen Versicherungsfall liegt.

Die Klauseln der ZB-BSV seien auch nicht intransparent und enthielten keine überraschenden Regelungen.

Auch unter Berücksichtigung der Interessenlage beider Parteien könne man nicht auf eine dynamische Verweisung auf das Infektionsschutzgesetz schließen. Dies führte letztlich zu einer uferlosen und für den Versicherer nicht mehr überschaubaren Risikosituation mit unkalkulierbaren Versicherungsfällen.

Selbst wenn ein Versicherungsfall eingetreten wäre, müsse die Klägerin sich die empfangenen öffentlich-rechtlichen Leistungen anrechnen lassen.

Der Zinsanspruch bestünde allenfalls in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, dass ich bei der Versicherungsleistung nicht um eine Entgeltforderung handele.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringen der Parteien wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst nebst deren Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist weit überwiegend begründet.

I.

Der Klägerin steht ein Anspruch auf die vereinbarte Versicherungsleistung aus der zwischen den Parteien bestehenden Ertragsausfallversicherung, namentlich der Betriebsschließungsversicherung in der geltend gemachten Höhe zu. Das – versicherte – Unternehmen der Klägerin war im Zeitraum vom 16. März 2020 bis einschließlich 18. April 2020, also für 34 Tage, im Sinne der ZB-BSV wegen einer Anordnung der zuständigen Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger geschlossen. Die Beklagte ist daher aufgrund der Deckungszusage verpflichtet, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 8.241,75 € zu zahlen.

1.

Der Betrieb der Klägerin wurde durch die Allgemeinverfügung vom 17. März 2020 des Landkreises H-P zur Beschränkung von sozialen Kontakten im öffentlichen und nichtöffentlichen Bereich angesichts der Corona-Epidemie und zum Schutz der Bevölkerung

vor der Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 geschlossen. Diese Allgemeinverfügung beruhte auf dem IFSG. Auch wenn das Coronavirus SARS-CoV-2 bzw. die Covid-19 Erkrankung bis dahin nicht ausdrücklich in das IFSG aufgenommen worden war, sind gemäß § 7 Abs. 2 IFSG auch neu auftretende Krankheiten oder Erreger, die nicht in der Aufzählung aufgeführt sind, meldepflichtig, soweit deren örtliche und zeitliche Häufung auf eine schwerwiegende Gefahr für die Allgemeinheit hinweist. Dies trifft auf das Coronavirus und auf die Covid-19 Erkrankung zu.

Unerheblich ist insoweit, welche Handlungsformen die zuständige Behörde, der Landkreis H-P genutzt hat, um die Schließung des Betriebes anzuordnen. Dem Wortlaut der Klausel in § 2 Ziffer 1 ZB-BSV ist eine entsprechende Einschränkung, dass es sich bei der Schließungsanordnung um einen Verwaltungsakt gegenüber dem jeweiligen Betrieb handeln müsse, wie die Beklagte andeutet, nicht zu entnehmen. Ob sich die Behörde nun eine Allgemeinverfügung bedient oder einen Verwaltungsakt erlässt ist darüber hinaus für das versicherte Interesse gleichgültig.

2.

Es handelt sich bei SARS-CoV-2 und Covid-19 um eine meldepflichtige Krankheit bzw. einen meldepflichtigen Krankheitserreger im Sinne des § 2 Ziffer 1 ZB-BSV, der auf das Infektionsschutzgesetz verweist. Voraussetzung für den Eintritt des Versicherungsfalls ist demnach, dass die zuständige Behörde aufgrund des Infektionsschutzgesetzes beim Vorliegen meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger die Schließungsanordnung getroffen hat. Bei dieser Verweisung handelt es sich um einen Verweis auf das vollständige Infektionsschutzgesetz und daher auch auf die Generalklauseln in §§ 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 und 7 Abs. 2 IfSG, die schon vor der Gesetzesänderung am 22. Mai 2020 und damit im Zeitpunkt des Vertragsschlusses galten.

Gemäß § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 IFSG besteht demnach eine Meldepflicht bei „bedrohlichen übertragbaren Krankheiten“, die nicht bereits in § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1-4 IFSG ausdrücklich genannt sind; eine entsprechende Meldepflicht ergibt sich gemäß § 7 Abs. 2 IfSG. Wenn unter Berücksichtigung der Art des Krankheitserregers und der Häufigkeit seines Nachweises Hinweise auf eine „schwerwiegende Gefahr für die Allgemeinheit“ bestehen. Daraus ergibt sich zwanglos, dass unter den genannten Voraussetzungen auch eine Meldepflicht für nicht explizit in den Vorschriften der §§ 6 und 7 IfSG genannte Krankheiten und Krankheitserreger besteht. Sowohl bei SARS-CoV-2, als auch bei COVID-19 handelt es sich angesichts ihres Pandemischen Ausmaßes und ihrer Verbreitung um Unterfälle der vorgenannten Regelungen im IFSG, was sich im Übrigen auch daraus ergibt, dass am 30. Januar 2020 die Krankheit

unter Krankheitserreger mittels Verordnung über die Ausdehnung der Meldepflicht nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und § 7 Abs. 1 S. 1 des Infektionsschutzgesetzes auf Infektionen mit dem erstmals im Dezember 2019 in Wuhan/Volksrepublik China aufgetretenen neuartigen Corona-Virus, das SARS-CoV-2 und COVID-19 in die Liste meldepflichtiger Krankheiten aufgenommen wurden.

3.

Dieses in § 2 Ziffer 1 ZB-BSV beschriebene Risiko wird auch nicht wirksam durch die in § 2 Ziffer 2 ZB-BSV enthaltene Aufzählung meldepflichtiger Erkrankungen und Krankheitserreger eingeschränkt.

Denn eine dahingehende Auslegung, dass mit der Auflistung der Krankheiten und Krankheitserregern eine abschließende Regelung getroffen werden soll und der Versicherungsschutz insoweit auf die dort gelisteten Krankheiten und Erreger beschränkt wird, ergibt sich aus der Perspektive eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers nicht.

Wie das LG Hamburg, in seinem Urteil vom 4. November 2020 (AZ: 412 HKO 91/20) ausgeführt hat, hätte der Verwender der Bedingungen, der eine derartige Bedeutung zum Ausdruck hätte bringen wollen, dies hinreichend deutlich tun müssen. Im Ergebnis scheitert eine Auslegung dahingehend, es handele sich um einen abschließenden Katalog an der Unklarheitenregelung in § 305c Abs. 2 BGB in Verbindung mit dem in § 307 Absatz 1 Satz 2 BGB enthaltenen Transparenzgebot und dem Grundsatz der kundenfreundlichsten Auslegung.

Denn die in § 2 Ziffer 2 ZB-BSV enthaltene Regelung ist einer eindeutigen Auslegung nicht zugänglich. Bei den verbleibenden Auslegungsmöglichkeiten ist sie – nach dem Grundsatz der „kundenfeindlichsten“ und damit der „kundenfreundlichsten“ Auslegung – dahingehend auszulegen, dass mit dieser Regelung der zunächst in § 2 Ziffer 1 ZB-BSV gewährte umfassende Versicherungsschutz eingeschränkt werden soll.

Eine dahingehende Einschränkung wird jedoch für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer wiederum nicht ausreichend deutlich, so dass die Klausel in diesem Falle gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Nr. 1 BGB verstieße und damit unwirksam ist.

Dazu im Einzelnen:

a)

Im Versicherungsrecht sind Vertragsbedingungen nach ständiger Rechtsprechung des BGH so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer die Versicherungsbedingungen bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen kann. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Wortlaut der jeweiligen Klausel auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (BGH, Urteil vom 06. Juli 2016 – IV ZR 44/15 –, BGHZ 211, 51-66).

b)

Unter Berücksichtigung dieses Auslegungsmaßstabes ergibt sich jedoch nicht mit der zu fordernden Deutlichkeit, dass der in § 2 Ziffer 2 ZB-BSV enthaltene Katalog mit meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserregern abschließend ist.

Festzuhalten ist, dass die Eingangsformulierung unter § 2 Ziffer 1 ZB-BSV dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer zunächst den Eindruck vermittelt, dass jede Betriebsschließung auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes vom Versicherungsschutz erfasst sei. Denn diese Formulierung knüpft für die Einstandspflicht ganz allgemein gefasst an das Merkmal des Auftretens meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger nach dem Infektionsschutzgesetz an. Greift also der Versicherungsnehmer an dieser Stelle zum Gesetz, wird er, da das Infektionsschutzgesetz in jeder Fassung auch eine generalklauselsartige Regelung für solche Krankheiten und Krankheitserreger vorsah die nicht explizit genannt sind, davon ausgehen, dass er auch eine Absicherung für neuartige, im Zeitpunkt des Vertragsschlusses weder bekannt noch im Infektionsschutzgesetz aufgenommene, Krankheitserreger und Krankheiten genießt.

Im Anschluss an diese allgemeine Tatbestandsfassung erläutern die ZB-BSV in der Regelung zu § 2 Ziffer 2 dann die Begrifflichkeit der Meldepflicht im Sinne der Versicherungsbedingungen unter Verweis auf die §§ 6 und 7 IfSG und lassen sodann eine umfassende Auflistung folgen. Da weder das SARS-CoV-2 Virus, noch die COVID-19 Erkrankung in dieser Auflistung enthalten sind, gibt es auf den ersten Blick keine konkrete Zusage von Versicherungsschutz gerade für diese Erkrankung bzw. diesen Erreger.

Dementsprechend gelangt der überwiegende Anteil der bislang ergangenen Entscheidungen, die sich mit Versicherungsbedingungen von ähnlichem Wortlaut zu befassen hatten, zu der Auffassung, der sich die Kammer jedenfalls im Ausgangspunkt anschließt, nämlich, dass der Wortlaut von Klauseln wie der in § 2 Ziffer 2 ZB-BSV für sich genommen keinen Einschluss von SARS-CoV-2 oder COVID-19 in den Versicherungsschutz zu begründen vermag, denn der Wortlaut dieser Klausel ist mehrdeutig.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich aus dem Wortlaut nicht zweifelsfrei, und damit ohne jede weitere Auslegung oder Betrachtung des Gesamtzusammenhangs zwingend, dass solche Krankheiten oder Erreger, die in dem nachfolgenden Katalog einzeln aufgeführt werden ausdrücklich ausgenommen sein sollen vom Versicherungsschutz. Denn die Regelung stellt nicht klar, ob sie abschließend oder beispielhaft zu verstehen ist.

Wenn es in den Versicherungsbedingungen heißt, meldepflichtige Krankheiten oder Krankheitserreger im Sinne der Bedingungen seien „die folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger“ kann man dies zwanglos so verstehen, dass vor der zitierten Passage gedanklich das Wort „nur“ oder auch das Wort „ausschließlich“, um nur zwei Beispiele zu nennen, einzufügen wären und es sich daher um eine abschließende Aufzählung handeln soll. Eine dahingehende Auslegung ergibt sich jedoch gerade nicht aus dem Wortlaut der Regelung selbst, sondern es bedarf vielmehr zusätzlich eines Umkehrschlusses, mit dem der jeweiligen Leser bereits seinen eigenen Verständnishorizont in den Wortlaut hinein trägt. Genauso gut könnte man statt der beiden vorgenannten Ergänzungswörter die Wörter „im Wesentlichen“, „insbesondere“ oder auch „beispielweise“ einfügen, um erneut nur einige Beispiele zu nennen, und daraus sodann den Schluss ziehen, dass die Auflistung nicht abschließend ist.

Im Ergebnis gilt damit, dass ein Hinweis darauf fehlt, dass sich die Auflistung als abgeschlossen verstanden wissen will rechtfertigt freilich nicht den Umkehrschluss, dass sie als beispielhaft zu verstehen ist ebenso wenig, wie der fehlende Hinweis darauf, dass sie beispielhaft den Umkehrschluss rechtfertigen könnte, sie sei abschließend. Der beabsichtigte Regelungsgehalt bleibt vielmehr unklar.

Daran ändert sich auch nichts durch die eingefügten Wörter „die folgenden“ und „namentlich“.

Zunächst dürfte darauf abzustellen sein, dass eine Auflistung, die etwa ein abstrakt angepasstes Tatbestandsmerkmal durch Beispiele veranschaulichen will, grundsätzlich eher nicht auf eine Eröffnungsformulierung wie „die folgenden“ zurückgreifen würde.

Ausgeschlossen ist dies aber – und damit gelangte man wieder beim Wortlaut an – bei einer Auslegung dieser Formulierung wiederum auch nicht. Ebenso denkbar wäre es, dass die Versicherungsbedingungen die Krankheiten und Krankheitserreger aus dem Infektionsschutzgesetz auflistet um im Sinne einer klaren und deutlichen Umschreibung die ergänzende Lektüre des Gesetzes überflüssig zu machen. Dagegen ließe sich dann wieder einwenden, dass der Verwender in diesem Fall die Auflistung, die immerhin nahezu eine ganze Seite einnimmt, schon im Sinne der Übersichtlichkeit dann eher als Anhang am Ende der Versicherungsbedingungen eingefügt hätte, sodass sich aus der Stellung der Auflistung ableiten lassen könnte, dass eben diese Auflistung und nicht die jeweilige Gesetzesfassung maßgeblich sein soll.

Der Versuch einer dahingehenden Auslegung übersieht jedoch, dass damit die Bezugnahme auf die §§ 6 und 7 IfSG keinerlei Funktion hätte, da es eines solchen schlicht nicht bedürfte, wenn sich doch die Auflistung in der Wiedergabe des Gesetzestextes erschöpfen soll. Soweit teilweise die Auffassung vertreten wird, dass sich aus der Bezugnahme die Quelle der Regelung zu den dann aufgelisteten Erregern und Krankheiten ergebe, übersieht diese Argumentation, dass diese Quelle bereits in § 2 Ziffer 1 ZB-BSV angegeben worden ist. Eine Bezugnahme auf gesetzliche Vorschriften an dieser Stelle ist im Gegenteil vielmehr geeignet, beim Leser die Vorstellung zu erzeugen, dass sich die Reichweite seines Versicherungsschutzes danach bestimmen soll, welchen Inhalt die zitierten Vorschriften haben.

Nämliches gilt für die Eingangsformulierung „namentlich“, die ebenfalls nicht geeignet ist, eine Erwartungshaltung eindeutig in die eine oder die andere Richtung zu begründen. So kann dieser Formulierung im allgemeinen Sprachgebrauch sowohl die Bedeutung einer einschränkenden Funktion zugeordnet werden, was für eine abschließende Regelung spräche, sie wird im allgemeinen Sprachgebrauch aber auch als Synonym für „insbesondere“ verwandt, was zu einer gegenteiligen Einordnung führte.

c)

Ergibt sich hernach aus dem Wortlaut kein hinreichender Anhalt für eine eindeutige Auslegung der Versicherungsbedingungen, ist für die Frage, ob der durchschnittlich Versicherungsnehmer aus der Auflistung in den ZB-BSV, die – in leicht abgeänderter Form – der Auflistung in den §§ 6 und 7 IfSG vom 20. Juli 2000 entspricht, darauf schlösse, dass ganz allgemein für Betriebsschließungen wegen des Auftretens meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger Versicherungsschutz bestehen soll, auf den Gesamtzusammenhang der Regelung an.

Doch auch aus dem strukturellen Zusammenhang ergibt sich keine eindeutige Auslegung dahingehend, dass die enthaltene Auflistung abschließend sein soll und damit den in § 2 Ziffer 1 ZB-BSV zunächst umfänglich gewährten Versicherungsschutz entsprechend einschränken soll.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die ZB-BSV verschiedener Überschriften bedient und die Überschrift zu § 2 ZB-BSV „Gegenstand der Versicherung, versicherte Gefahren“ lautet und diejenige für § 2 Ziffer „Versicherungsumfang“. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird daraus schließen, dass der Versicherungsumfang in § 2 Ziffer 1 ZB-BSV festgelegt wird. Liest er dann, den in Klammern gesetzten Hinweis auf Ziffer 2, an entsprechender Stelle weiter, begegnet ihm sodann die Überschrift „meldepflichtige Krankheiten oder Krankheitserreger“. An dieser Stelle wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer, der bei einem überfliegen der Überschriften der einzelnen in den ZB-BSV enthaltenen Paragraphen im vorangestellten Inhaltsverzeichnis der ZB-BSV bereits § 5 ZB-BSV mit der Überschrift „Ausschlüsse“ entdeckt haben wird, nicht damit rechnen, dass der zuvor ganz allgemein gewährte Versicherungsschutz bereits jetzt eingeschränkt werden soll.

Liest er sodann die in § 2 Ziffer 2 ZB-BSV enthaltene Auflistung unter einer Überschrift, die keinen Hinweis auf eine Beschränkung oder einen Ausschluss enthält, geht er im Gesamtgefüge der in den ZB-BSV enthaltenen Regelungen wohl davon aus, dass nun eine Konkretisierung des eingangs allgemein definierten Versicherungsschutzes im Falle einer Betriebsschließung beim auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger folgt. Davon ausgehend wird er annehmen, dass sich Ausschlüsse oder Einschränkungen durch eine Abweichung vom Normtext der §§ 6 und 7 IfSG gemäß der so lautenden Überschrift des § 5 ZB-BSV ausschließlich an dieser Stelle finden werden. Gleicht er also nun die Auflistung mit den Ausschlusstatbeständen in § 5 ZB-BSV ab, ergibt sich für ihn, dass gemäß Ziffer 4 der Versicherer nicht bei Prionenerkrankungen oder dem Verdacht hierauf haftet. Eine Rückschau in die Auflistung unter § 2 Ziffer 2 ZB-BSV bestätigt ihm, dass die Prionenerkrankung von der Auflistung nicht erfasst ist. Hieraus wiederum kann er einerseits schließen, dass der Versicherer lediglich klarstellend und damit im Grunde redundant den Versicherungsschutz für Prionenerkrankung ausschließen wollte auch wenn diese in der – unterstellt abschließenden – Auflistung nicht enthalten ist; er wird aber, was aus Sicht der Kammer weitaus naheliegender ist, auch den Schluss ziehen können, dass neben den gelisteten Erkrankungen und Erregern auch weitere, nicht aufgeführte, vom Versicherungsschutz erfasst sind und diese, in Ermangelung eines expliziten Ausschlusses, auch erfasst bleiben, und es insoweit auf den

Gesetzeswortlaut in den §§ 6 und 7 des IfSG ankommt. Denn andernfalls bedürfte es einer Regelung wie in § 5 Ziffer 4 ZB-BSV nicht.

Sicherlich könnte man einem dahingehenden Verständnis entgegenhalten, dass Wiederholungen oder auch unnötige, das tautologische streifende, Zusätze im juristischen Alltag mit einer gewissen Regelmäßigkeit zu finden sind. Dass dies aber dazu führen könnte, dass der durchschnittliche Versicherungsnehmer, der mit dem juristischen Sprachgebrauch kaum bis gar keine Berührungspunkte haben dürfte, diesen Schluss bezüglich der in § 5 Ziffer 4 ZB-BSV getroffenen Ausschlussregelung zieht, nicht anzunehmen.

d)

Im Ergebnis bleibt damit für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer unklar, welchen Deckungsschutz er beanspruchen kann.

Wegen der sich daraus ableitenden Mehrdeutigkeit und Intransparenz ist die Klausel unter § 2 Ziffer 2 ZB-BSV ist diese Klausel entsprechend § 305c Abs. 2 BGB auszulegen, nach der Unklarheiten zu Lasten des Verwenders gehen.

Denn die Unklarheitenregel aus § 305c Abs. 2 BGB kommt dann zur Anwendung, sofern nach Ausschöpfung aller in Betracht kommender Auslegungsmöglichkeiten Zweifel verbleiben und zumindest zwei Auslegungsergebnisse rechtlich vertretbar sind (vgl. BGH, Urteil vom 5. Mai 2010 – III ZR 209/09). Dabei bleiben Verständnismöglichkeiten unberücksichtigt, die zwar theoretisch denkbar, praktisch aber fernliegend sind und für die an solchen Geschäften typischerweise Beteiligten nicht ernsthaft in Betracht kommen (BGH, aaO.).

Ausgehend davon ergeben sich bei „kundenfeindlichster“ Auslegung – als abschließende Auflistung damit Einschränkung des Versicherungsschutzes – Lücken im Versicherungsschutz, mit denen der durchschnittliche Versicherungsnehmer – wie eingangs dargestellt – nicht zu rechnen braucht.

Denn aus den oben geschilderten Grundsätzen zur Auslegung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen ergeben sich nach den Grundsätzen von Treu und Glauben Anforderungen an die Transparenz der Regelungen dahingehend, dass der Verwender allgemeiner Versicherungsbedingungen die Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen hat. Es kommt demnach nicht nur darauf an, dass eine Klausel in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer

verständlich ist, sondern vielmehr gebieten es Treu und Glauben auch, dass die Klausel die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen so weit erkennen lässt, wie dies nach den einzelnen Umständen gefordert werden kann (BGH, Urteil vom 4. Juli 2018 – IV ZR 200/16). Dabei gilt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch, dass der durchschnittliche Versicherungsnehmer nicht mit Lücken im Versicherungsschutz zu rechnen braucht BGH, NJW 2019, 2172).

Die Abweichung von der gesetzlichen Regelung in §§ 6 und 7 IfSG wird nämlich im Ergebnis nur durch die Formulierung deutlich, dass es sich um „meldepflichtige Krankheiten oder Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen“ handeln soll. Dass damit ein nicht unbeachtlicher Anwendungsbereich des in Bezug genommenen Infektionsschutzgesetzes ausgeklammert werden soll, wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer nicht erkennen. Dies ergibt sich zunächst daraus, dass Versicherungsnehmer regelmäßig den Gesetzestext nicht kennen und von ihnen auch nicht erwartet werden kann, dass sie ihn vor dem Abschluss des Vertrages lesen. Vorliegend hätte dem Versicherungsnehmer das Infektionsschutzgesetz zudem noch in seiner aktuellen Fassung sowie der bis dahin vorgenommenen Änderungen inhaltlich bekannt sein müssen, um die seit Inkrafttreten des Infektionsschutzgesetzes im Jahr 200 hinzugekommenen Krankheiten und Krankheitserreger als vom Versicherungsschutz ausgenommen erkennen zu können. Dies führt dazu, dass der durchschnittliche Versicherungsnehmer nicht erkennt, dass die Aufzählung mehrere explizit genannte Krankheiten und Erreger aus dem Infektionsschutzgesetz nicht auflistet und nach dem Gesetz auf solche Krankheiten oder Erreger meldepflichtig sind, die gar nicht aufgezählt werden aber unter die generalklauselartigen Regelungen in §§ 6 Abs. 1 Ziffer 5, 7 Abs. 2 IfSG fallen.

Der im Fließtext eingefügte Zusatz, der auch nicht in irgendeiner Weise vom übrigen Text hervorgehoben ist genügt als Warnhinweis dafür, dass durch die Versicherungsbedingungen ganz erheblich vom Gesetz abgewichen werden soll, sodass die dann folgende Formulierung eine stark einschränkende Bedeutung erlangt, nicht aus. Dabei kann nicht unberücksichtigt bleiben dass die Bedingungen an dieser Stelle nochmals auf die §§ 6 und 7 IfSG Bezug nehmen und dadurch der Eindruck entstehen kann, die folgenden Listung entspreche vollumfänglich den in den genannten Normen erfassten Krankheiten und Erregern, sodass der Anwendungsbereich der behördlichen Schließungsanordnungen nach dem Infektionsschutzgesetz vollständig abgedeckt wäre. Dies weckt beim durchschnittlichen Versicherungsnehmer vielmehr die Erwartung, er sei gegen jedwedes Risiko aus dem Infektionsschutzgesetz abgesichert. Denn dass es sich lediglich um eine beschränkte Auswahl aus dem gesetzlichen Regelungswerk handelt, wird an keiner Stelle deutlich.

Insbesondere kann nicht erwartet werden, dass dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer der Gesetzeswortlaut und die damit verknüpften Regelungen in einem Maße vertraut sind, die ihn ohne weitere Umschweife erkennen lässt, dass eine abweichende Regelung getroffen wurde. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird vielmehr erwarten, und dies nach den Grundsätzen von Treu und Glauben auch dürfen, dass sein betriebliches Risiko, infolge einer Schließung auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes vollständig abgesichert zu sein. Anderes könnte sich allenfalls dann ergeben, wenn der Versicherer ausdrücklich darauf hinweist, wie etwa in § 5 ZB-BSV, dass er bestimmte Bereiche vom Versicherungsschutz ausnehmen will.

Zu fordern ist, dass der Versicherer, der das Risiko einer Betriebsschließung aufgrund des Infektionsschutzgesetz abweichend von seiner anfänglichen Beschreibung nur teilweise absichern will, dies hinreichend deutlich macht und den Versicherungsnehmer darüber auch verständlich und vollständig aufgeklärt. Unterlässt er dies stellen sich die Regelung zur intendierten Einschränkung des Versicherungsschutzes als überraschend oder auch intransparent dar, was nach der gesetzlichen Wertung dazu führt, dass sie unwirksam sind. Es verbleibt damit bei der unter § 2 Ziffer 1 ZB-BSV getroffenen Regelung, dass der Versicherer Entschädigungen leistet, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten bei Menschen beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger den versicherten Betrieb schließt.

Davon ist betreffend das Virus SARS-CoV-2 und die Erkrankung COVID-19 gemäß den Generalklauseln in §§ 6 Abs. 1 Ziffer 5, 7 Abs. 2 IfSG zwanglos auszugehen.

Insbesondere steht dem nicht entgegen, dass das Auftreten einer Corona-Pandemie ein für niemanden vorhersehbares Ereignis gewesen wäre. Denn das Infektionsschutzgesetz selbst ist, wie sich schon aufgrund der enthaltenen Generalklauseln in §§ 6 Abs. 1 Nr. 5 und 7 Abs. 2 IfSG ergibt, ein Gesetz, das dem stetigen Wandel und den Entwicklungen weltweit unterworfen ist; dies ergibt sich ohne weiteres auch aus der bisherigen Gesetzeshistorie, da das Infektionsschutzgesetz seit seiner Entstehung bereits mehrfach geändert und um Krankheiten und Krankheitserreger ergänzt wurde.

Diesem Ergebnis kann auch nicht entgegengehalten werden, dass es den Interessen der Vertragsparteien erkennbar zuwiderliefe. Denn der Versicherungsnehmer einer Betriebsschließungsversicherung möchte umfassenden Schutz für behördliche Schließungsanordnungen im Zuge eines epidemischen oder pandemischen Geschehens erreichen und möchte sich nicht, zumal er medizinischer Laie ist, gegen das Auftreten

bestimmter Krankheiten – deren Ausbreitung oder Gefährlichkeit im in der Regel unbekannt sind, sodass er keine Risikobewertung vornehmen kann – absichern.

Hinzutritt, dass die ZB-BSV die ausweislich der Überschrift in der Fassung von 2019, Stand Juni 2019, dem im November 2019 geschlossenen Vertrag zugrunde lagen, durchweg auf das Infektionsschutzgesetz in der Fassung vom 20. Juli 2000 Bezug nehmen (vgl. oben). Wenn aber nun der Versicherer seinen allgemeinen Versicherungsbedingungen eine Auflistung zugrunde legen möchte, die nicht der Gesetzeslage im Zeitpunkt des Vertragsschlusses entspricht, er also sämtliche Änderungen in den vergangenen 19 Jahren außen vor lassen will, bedürfte es insoweit jedenfalls eines ausdrücklichen Hinweises, da andernfalls beim durchschnittlichen Versicherungsnehmer der Eindruck entsteht, ihm werde Versicherungsschutz nach den im Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden gesetzlichen Vorgaben des Infektionsschutzgesetzes gewährt. Demgegenüber ist aber der in den ZB-BSV aufgeführte Katalog der Krankheiten und Erreger unvollständig und erfasst verschiedene, erst nach der Ursprungsfassung eingefügte, Krankheiten und deren Erreger nicht (etwa Röteln, Windpocken, Mumps und Keuchhusten).

e)

Damit stellt sich die „kundenfeindlichste“ als die „kundenfreundlichste“ Auslegung dar, denn sie führt, wegen des darin liegenden Verstoßes gegen das Transparenzgebot zur Unwirksamkeit der Klausel und damit zu einem Versicherungsschutz entsprechend § 2 Ziffer 1 ZB-BSV, der in Ermangelung weiterer Beschränkungen umfassend auf §§ 6, 7 IfSG verweist und damit auch auf Generalklauseln.

f)

Schließlich unterliegt § 2 Ziffer 2 ZB-BSV auch der Inhaltskontrolle, da es sich nicht um einen Teil der allgemeinen Leistungsbeschreibung handelt.

4.

Auch wenn während der Betriebsschließungsanordnung „Außerhaus“ verkauft wurde, handelt es sich im Ergebnis um eine Schließung i.S.d. ZB-BSV. Dem Vortrag der Klägerin, dass durch diesen Betrieb deutlich unter 5 % des regulären Umsatzes erwirtschaftet werden konnten, ist die Beklagte nicht entgegentreten; er gilt damit als zugestanden.

Eine Auslegung der Bedingungen ergibt, dass auch faktische Betriebsschließungen von dem Deckungsschutz umfasst sind. Außerdem sprechen der Sinn und Zweck einer Regelung, Betriebsunterbrechungen durch behördliche Maßnahmen aufgrund des IfSG abzufedern, dafür, auch faktische Schließungen unter die Klausel zu subsumieren (LG Mannheim, Urteil vom 29. April 2020 – 11 O 66/20, Rn. 36). Durch die Anordnungen des Landkreises H.-P. wurde der Betrieb zwar nicht ausdrücklich geschlossen, aber es wurden alle Restaurants – als „ähnliche Einrichtungen“ – für den Publikumsverkehr geschlossen.

Liegt damit bei einem Gastronomiebetrieb wie dem der Klägerin, der auf die Bewirtung von Gästen vor Ort ausgerichtet ist mit dem Außerhaus-Verkauf lediglich ein reines Mitnahmegeschäft von – in wirtschaftlicher Hinsicht – absolut untergeordneter Bedeutung vor, stellt sich die Berufung der Versicherung darauf, dass die Fortführung der unternehmerischen Tätigkeit in diesem Bereich einer faktischen Schließung des Betriebes entgegenstehe, als unzulässige Rechtsausübung dar. Denn der Außerhaus-Verkauf stellt keine echte unternehmerische Alternative dar, mit der es der Klägerin auch nur im Ansatz möglich gewesen wäre die üblicherweise zu erzielenden Einnahmeergebnisse zu generieren. Die Klägerin muss sich daher wegen dieser marginalen Betriebseinnahmen nicht darauf verweisen lassen, dass sie ihren Betrieb insoweit ausreichend hat oder hätte fortführen können.

5.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es nach dem Wortlaut der Versicherungsbedingungen nicht erforderlich, dass der Betrieb selbst von der meldepflichtigen Krankheit oder dem Erreger betroffen sein muss, sondern die Schließungsmaßnahme muss lediglich aufgrund des Infektionsschutzgesetzes erlassen worden sein. Für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer ist an keiner Stelle erkennbar, dass der Versicherungsschutz nur vor sogenannten „intrinsischen Gefahren“ schützen wollte.

II.

Die Höhe der zu gewährenden Versicherungsleistung von täglich 274,73 € für einen maximalen Haftungszeitraum von 30 Tagen steht zwischen den Parteien nicht in Streit. Ob das Restaurant der Klägerin nun am 16. März 2020, wie vorgetragen, geschlossen wurde oder erst durch das Inkrafttreten der Allgemeinverfügung vom 17. März 2020 kann dabei dahinstehen, da so oder so der maximale Haftungszeitraum von 30 Tagen erreicht wurde. Ausgehend davon steht der Klägerin ein Entschädigungsanspruch in Höhe von 8.241,75 € zu.

Soweit die Beklagte einwendet, die Klägerin müsse sich Leistungen, die sie vom Staat erhalten hat auf die Versicherungsleistung anrechnen lassen, verkennt sie, dass es ein allgemeines Bereicherungsverbot im Versicherungsvertragsrecht in dieser Form (nicht mehr) gibt.

Gleichwohl müsste sich die Klägerin gemäß § 7 Nr. 1 ZB-BSV diejenigen Leistungen anrechnen lassen, die sie als Schadensersatz aufgrund öffentlich-rechtlichen Entschädigungsrechts beanspruchen kann.

Daraus folgt jedoch nicht, dass die (eventuell) gewährten staatlichen Corona-Hilfen anzurechnen wären, da sie jedenfalls nicht den Zweck haben, den Versicherer zu entlasten. Bei diesen Leistungen handelt es sich vielmehr um kurzfristige Hilfsleistungen zu Überwindung der, mit den Betriebsschließungen im Zusammenhang stehenden, Liquiditätsengpässen. Es handelt sich ausdrücklich nicht um eine Schadensersatzleistung im Sinne des § 7 Nr. 1 ZB-BSV.

Ein öffentlich-rechtlicher Entschädigungsanspruch dürfte der Klägerin, wie sich aus der Entscheidung des Landgerichts Hannover vom 9. Juli 2020 8 O 2/20 ergibt, gerade nicht zustehen.

III.

Der Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten sowie der Zinsanspruch ergeben sich aus § 286 BGB. Allerdings kann die Klägerin Zinsen nur in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz geltend machen, da es sich, wie die Beklagte zutreffend angewandt hat, nicht um eine Entgeltforderung handelt.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO. Der Streitwert war gemäß § 3 ZPO festzusetzen.