Landgericht Kassel
Urteil vom 27.05.2010
Az.: 5 O 2653/09
Versicherungssparte: Hausratversicherung
Kürzung: 50%

Stichwörter: §81 VVG, Einbruchdiebstahl

Urteil:

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten Leistungen aus dem Hausratsversicherungsvertrag mit der Versicherungsnummer „…“.

Im Dezember 2008 schloss der Kläger bei der Beklagten eine Hausratsversicherung ab; auf diese finden die VHB der Beklagten Anwendung. Danach wird Entschädigung gem. Ziff. 4.1 unter anderem für Einbruchdiebstahl geleistet. Dieser liegt gem. Ziff. 6.1.1 unter anderem dann vor, wenn der Dieb in einen Raum eines Gebäudes einbricht, einsteigt oder mittels falscher Schlüssel oder anderer nicht zum ordnungsgemäßen Öffnen bestimmter Werkzeuge eindringt. Ziff. 20 listet als Obliegenheit des Versicherungsnehmers im Versicherungsfall auf, der zuständigen Polizeidienststelle unverzüglich ein Verzeichnis der abhanden gekommenen Sachen einzureichen (Ziff. 20.1.3) sowie der Beklagten ein vom Versicherungsnehmer unterschriebenes Verzeichnis der abhanden gekommenen, zerstörten oder beschädigten Sachen unverzüglich vorzulegen, wobei hierbei Versicherungswert unmittelbar vor Eintritt des Versicherungsfalls der Sachen oder Anschaffungspreis und Anschaffungsjahr anzugeben sind (Ziff. 20.1.5). Bei einem Verstoß gegen eine derartige Obliegenheit bestimmt Ziff. 20.2.1, dass die Beklagte bei grob fahrlässiger Verletzung einer derartigen Obliegenheit berechtigt ist, ihre Leistung in dem Verhältnis zu kürzen, das der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entspricht, wobei der Versicherungsnehmer das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit zu beweisen hat. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die allgemeinen Hausrat-Versicherungsbedingungen (VHB 2008), Bl. 49 ff. d.A., Bezug genommen.

Am Abend des 19.12.2008 zeigten der Kläger und seine Lebensgefährtin, die mit ihm zusammen wohnt, bei der Polizei einen Einbruchdiebstahl in die Wohnung des Klägers, die sich in einem Mehrfamilienhaus befindet, an. Ob ein Einbruchdiebstahl tatsächlich stattgefunden hat, ist zwischen den Parteien streitig.

Die Wohnungstür war unstreitig nicht abgeschlossen, sondern nur zugezogen.

In dem polizeilichen Tatortbericht heißt es: „Es konnten keinerlei Aufbruchspuren festgestellt werden.“ Es ist dann die Rede davon, dass Nachtschränkchen und Schrank sowie Kommode durchwühlt, das Kinderzimmer durchsucht und Schreibtischschubladen aufgehebelt worden seien. Diesbezüglich wird auf den Tatortbericht, Bl. 12 – 14 d. A., Bezug genommen.

Unter dem 12.01.2009 erstellten der Kläger und seine Lebensgefährtin eine handschriftliche Liste, in der es heißt:

„Es wurden am 19.12.2008 in unserer Wohnung folgende Gegenstände gestohlen. Der Polizei haben wir zwar angegeben nur in den Moment was uns aufgefallen war.

Später haben wir festgestellt das noch andere Sachen weggekommen sind. …“

Es folgt sodann eine Auflistung verschiedener Wertgegenstände. Diesbezüglich wird auf die genannte Liste Bl. 15 d. A. Bezug genommen. Diese Liste gelangte in die Ermittlungsakte und an die Beklagte.

Ob der Kläger vorher, wenige Tage nach dem 19.12.2008, gegenüber Herrn „…“ Vertreter der Beklagten vor Ort, durch diesen eine Liste erstellen ließ, ist zwischen den Parteien streitig. Jedenfalls hat die Beklagte eine derartige, von Herrn „…“ erstellte Liste nicht.

Der Kläger behauptet,

am 19.12.2008 zwischen 16.00 Uhr und 18.15 Uhr sei es zu einem Wohnungseinbruch in seine Privatwohnung gekommen.

Er ist der Ansicht, das äußere Bild eines Einbruchs setze nicht zwingend Aufbruchspuren am Schloss – die hier unstreitig fehlen – voraus; ausreichend seien vielmehr die durchwühlte Wohnung, das Fehlen von Wertgegenständen und der aufgebrochene Schreibtisch im Kinderzimmer (aus dem selbst nichts entwendet wurde).

Bei dem Wohnungseinbruch seien folgende Dinge entwendet worden:

– ein Möbeltresor, in dem sich insbesondere Bargeld und Schmuck seiner Lebensgefährtin befunden hätten;- der „…“ Personalausweis von ihm, dem Kläger, und seiner minderjährigen Tochter „…“- der „…“ Nationalpass seiner Tochter „…“- der Fahrzeugbrief des „…“ von ihm, dem Kläger;- mehrere Schmuckschatullen nebst Inhalt, die auf der Schlafzimmerkommode gestanden hätten;- eine Sporttasche.

Diesbezüglich wird Bezug genommen auf die Klageschrift und auf die Liste des Klägers und seiner Lebensgefährtin vom 12.01.2009, Bl. 15 d. A.

Der Wiederbeschaffungswert des Schmuckes belaufe sich auf 16.745 Euro; diesbzgl. wird Bezug genommen auf das vorgerichtliche Schreiben des Klägervertreters vom 15.10.2009 nebst Anlage (Bl. 23 – 25 d. A.); weiter seien ihm noch 47 Euro (Gebühren für die Ersatzbeschaffung des Passes), 15 Euro (Verwaltungsgebühren der Ausländerbehörde zwecks Neubescheinigung der Aufenthaltserlaubnis für die Tochter „…“) sowie 50 Euro (Sporttasche) an Schaden entstanden.

Er, der Kläger, habe zeitnah ein Verzeichnis der abhanden gekommenen Sachen für die Beklagte erstellen lassen, und zwar durch Herrn „…“ Versicherungsvertreter bei der Beklagten. Dieser sei wenige Tage nach dem Einbruchdiebstahl bei ihm zu Hause gewesen, habe ein entsprechendes Verzeichnis erstellt und zugesagt, dieses an die Beklagte weiterzureichen. Der Kläger ist der Ansicht, hierdurch habe er das Erforderliche getan, er könne sich darauf verlassen, dass Herr „…“ der im Lager der Beklagten stehe, ein derartiges Verzeichnis weiterleite.

Er ist schließlich der Ansicht, das Nichtverschließen der Wohnungstür bilde keine grobe Fahrlässigkeit; bei einem nur kurzen Verlassen der Wohnung zum Einkaufen müsse nicht abgeschlossen werden, es reiche das Zuziehen der Wohnungstür mit einem einrastenden Schloss.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 16.857 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 23.10.2009 sowie vorgerichtliche Kosten von 977,94 Euro zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bestreitet mit Nichtwissen, dass am 19.12.2008 unbekannte Täter mittels Einbruchsdiebstahls in die Wohnung des Klägers eingedrungen seien; dass die in der Klageschrift aufgelisteten Gegenstände existiert hätten und sich im Eigentum und Besitz des Klägers bzw. seiner Familie befunden hätten; und dass diese durch unbekannte Täter mittels eines versicherten Einbruchsdiebstahls entwendet worden seien. Insbesondere bestreitet die Beklagte auch, dass sämtliche durch den Kläger als entwendet gerügten Gegenstände sich unmittelbar vor dem behaupteten Einbruchsdiebstahl in der Wohnung befunden hätten und danach nicht wieder vorgefunden worden seien. Auch bestreitet sie sämtliche vom Kläger behaupteten wertbildenden Faktoren und Wiederbeschaffungspreise.

Die Beklagte ist der Ansicht, das äußere Bild eines Einbruchs erfordere das Vorhandensein von Einbruchsspuren an den Zugangsöffnungen (Fenster, Türen). Einbruchsspuren im Inneren des Versicherungsortes genügten nicht, wenn die Zugangsöffnungen keine Aufbruchsspuren aufwiesen; erst recht gelte dies für Spuren im Inneren des Versicherungsortes, aus denen sich allenfalls der Nachweis eines einfachen Diebstahls (z. B. durchwühlte Schubladen) ergeben könne. Da unstreitig keinerlei Aufbruchsspuren am Türschloss festgestellt werden konnten, fehle es schon am äußeren Bild eines Einbruchs. Die Beklagte behauptet im Übrigen, es sei nicht möglich, spurenlos einzudringen; zumindest am Schnappschloss müssten bei einem Einbruch Spuren vorhanden sein.

Im Übrigen verweist die Beklagte darauf, dass dem Kläger der Nachweis des Verlustes der als entwendet gemeldeten Gegenstände, also der Entwendungsnachweis obliege, und zwar im Wege des Vollbeweises; daran fehle es.

Die Beklagte ist des Weiteren der Ansicht, das Verlassen der Wohnung – auch nur zum Einkaufen – ohne Abschließen der Wohnungstür sei grob fahrlässig.

Die Beklagte bestreitet, dass der Kläger wenige Tage nach dem 19.12.2008 durch Herrn „…“ ein Verzeichnis der angeblich abhanden gekommenen Sachen erstellt habe.

Im Übrigen trägt sie vor, der Kläger habe auch bei der Kriminalpolizei nicht unverzüglich ein Verzeichnis der abhanden gekommenen Sachen in hinreichend individualisierter Weise eingereicht und auch darum gegen seine Obliegenheiten grob fahrlässig verstoßen.

Schließlich verweist die Beklagte auf die Entschädigungsgrenze gem. Ziff. 2.2 der VHB.

Hinsichtlich der geltend gemachten vorgerichtlichen Anwaltsgebühren bestreitet die Beklagte, dass bereits eine Rechnung i. S. d. RVG erstellt und durch den Kläger ausgeglichen worden sei.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf die Erbringung von Leistungen aus dem Hausrat-Versicherungsvertrag.

  1. Es fehlt schon an der hinreichenden Darlegung eines versicherten Einbruchsdiebstahls i. S. v. Ziff. 4.1 der VHB.
  2. a) Zwar genügt ein Versicherungsnehmer seiner Beweislast, wenn er das äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung beweist, also ein Mindestmaß an Tatsachen, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf eine bedingungsgemäße Entwendung zulassen (vgl. OLG Frankfurt, Urteil v. 10.08.2000, Az.: 3 U 210/98).
  3. b) Dabei mag dahinstehen, ob ein Einbruch auch dann nachweisbar ist, wenn nur eine durchwühlte Wohnung geltend gemacht wird, aber an der Tür (und an den Fenstern) keine Aufbruchsspuren ersichtlich sind. Ebenso mag es dahinstehen, ob es technisch möglich ist, eine zugezogene – nicht abgeschlossene – Tür aufzubrechen, ohne dass Spuren verbleiben.
  4. c) Denn erforderlich für einen Einbruchsdiebstahl – neben Einbruchsspuren im oben genannten Sinne – ist zumindest auch das äußere Bild eines (einfachen) Diebstahls. Ausreichend, aber auch erforderlich für das derartige Bild eines (einfachen) Diebstahls ist es, wenn feststeht, dass der versicherte Gegenstand zu einer bestimmten Zeit vor dem behaupteten Diebstahl an einem bestimmten Ort vorhanden war und nach dem behaupteten Diebstahl dort nicht mehr vorgefunden wurde (BGH 132, 79; 130, 1; 123, 217; NVersZ 2002, 220). An dem derartigen Nachweis eines auch nur einfachen Diebstahls fehlt es hier.

Der Kläger hat sich als Beweis für sämtliche Behauptungen lediglich auf die Ermittlungsakte bezogen (vgl. Bl. 4 d. Klageschrift), die beigezogen wurde.

Diese Ermittlungsakte vermag zu beweisen, dass der Kläger und seine Lebensgefährtin am 19.12.2008 einen Einbruchdiebstahl bei der Polizei gemeldet haben; sie mag auch Auskunft darüber zu geben, in welchem Zustand die Polizei die Wohnung vorgefunden hat.

Eine derartige Ermittlungsakte kann aber nicht beweisen, was fehlt; insbesondere kann sie auch nicht Beweis dafür erbringen, dass die – vom Kläger als fehlend behaupteten – Gegenstände vorher da waren (und hinterher fehlten).

Dass die vom Kläger als fehlend gerügten Gegenstände vor dem behaupteten Einbruchdiebstahl sich in der Wohnung befanden und danach nicht mehr vorgefunden werden konnten, hat die Beklagte bestritten (vgl. Bl. 43 d. A.). Diesbezüglich vermag die einzig als Beweis angebotene Ermittlungsakte keinen Beweis zu erbringen, so dass der Kläger diesbzgl. bereits beweisfällig geblieben ist und schon aus diesem Grund ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte nicht vorliegt.

  1. Selbst wenn man aber zugunsten des Klägers das Vorliegen eines Einbruchdiebstahls annähme, fehlt es hier an einem Anspruch des Klägers gegen die Beklagte. Denn den Kläger trifft in zweifacher Weise grobe Fahrlässigkeit (vgl. a) und b)), die in der Addition zum Ausschluss des Anspruches – wenn er denn gegeben sein sollte – führen (c).
  2. a) Der Kläger hat vorgetragen, er habe die Wohnung mit seiner Lebensgefährtin für einen Einkauf bei „ „ am 19.12.2008 verlassen. Die Abwesenheitszeit sei ca. von 16.00 Uhr bis 18.15 Uhr gewesen. Die Wohnungstür sei nur zugezogen, nicht aber abgeschlossen gewesen.

Für das Gericht begründet ein derartiges Verhalten den Vorwurf grober Fahrlässigkeit i. S. v. § 81 Abs. 2 VVG n. F.

Der Kläger hat vorgetragen, dass Ziel des Verlassens der Wohnung ein Einkauf bei „…“ am 19.12.2008 gewesen sei. Es ist gerichtsbekannt, dass es bei „…“ in den Nachmittagsstunden eines Freitags 5 Tage vor Weihnachten überaus voll ist. Bei einem derartigen Plan kann nicht davon ausgegangen werden, dass es sich nur um ein ganz kurzes Verlassen der Wohnung – wie es etwa der Fall wäre, wenn man nur Brötchen beim Bäcker an der Ecke kaufen wollte – handelt. Vielmehr ist bei einem derartigen Plan durchaus mit einem nicht ganz kurzen, sondern zeitlich durchaus erheblichen Verlassen der Wohnung zu rechnen, wie es hier denn auch der Fall war (nach eigenen Angaben war der Kläger von ca. 16.00 Uhr bis ca. 18.15 Uhr nicht in der Wohnung).

Das bloße Zuziehen der Wohnungstür ins Schloss, ohne diese noch einmal umzuschließen, hält das Gericht angesichts dessen für grob fahrlässig. Der Kläger hat nicht beachtet, was unter den gegebenen Umständen allgemein einleuchtet. Er hat die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders hohem Maße außer acht gelassen. Er hat eine einfach vorhandene Sicherungsmöglichkeit – bloßes Zuschließen der Tür mit einem Schlüssel, der sich ohnehin an seinem Schlüsselbund befindet – nicht genutzt. Es ist allgemein bekannt, dass eine lediglich zugezogene Wohnungseingangstür ohne große Schwierigkeiten von Einbrechern geöffnet werden kann. Nur das versperrte Sicherheitsschloss bietet größeren Schutz. Dieses zu öffnen ist für einen Einbrecher erheblich schwieriger.

Es kann auch nicht angeführt werden, dass es sich hier um die Nachmittagsstunden handelte. Es ist allgemein bekannt, dass Einbruchsdiebstähle nicht nur in der Nacht, sondern gerade auch bei Tage vorgenommen werden, wenn eher mit einer Abwesenheit des Wohnungsinhabers zu rechnen ist.

Angesichts all dieser Umstände hält das Gericht das bloße Zuziehen der Wohnungstür, ohne diese abzuschließen, für grob fahrlässig i. S. v. § 81 Abs. 2 VVG (ähnlich LG Düsseldorf, VersR 1995, 334: 1 ½ Std.; LG Aachen, RUS 2000, 383: 4 Std.; LG Wiesbaden, RuS 1996, 455: mehrstündig; LG Krefeld, VersR 1988, 1285: ¾ Std.; OLG München, NJW-RR 1986, 656: 3 ½ Std.).

Rechtsfolge einer derartigen groben Fahrlässigkeit ist, dass der Versicherer berechtigt ist, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen, § 81 Abs. 2 VVG. Anders als bei dem alten § 61 VVG besteht also nicht mehr das Alles-oder-Nichts-Prinzip, sondern es kommt zu einer anteiligen Kürzung des Erstattungsanspruchs nach dem Grad des Verschuldens.

Wie das Kürzungsrecht im Einzelfall auszugestalten ist, lässt sich weder dem Gesetzeswortlaut noch der Entstehungsgeschichte entnehmen (Rüffer/Halbach/ Schimikowski, VVG, 2009, § 81 Rdnr. 98). Das Gericht hält für sachgerecht, im Regelfall der grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalles – und darum auch hier – eine Kürzung um 50 % vorzunehmen (vgl. a.a.O., Rdnr. 98; Nugel, Sonderbeilage MDR 2007, 23, 26, 33; Weidner/Schuster, R+S 2007, 363, 364). Diese Vorgehensweise fügt sich nämlich in einen dreistufigen Aufbau ein, wonach bei leichter Fahrlässigkeit eine volle Leistungspflicht des Versicherers besteht, bei Vorsatz der Anspruch des Versicherungsnehmers ganz entfällt und bei grober Fahrlässigkeit eine Leistungskürzung vorzunehmen ist. Diese liegt für den Regelfall mit 50 % genau auf der Hälfte zwischen voller Erstattung und vollständiger Leistungsverweigerung (Rüffer/Halbach, Schimikowski, § 81 Rdnr. 98). Der Versicherungsnehmer, der eine Kürzung von weniger als 50 % erreichen will, muss im Sinne einer sekundären Darlegungslast die Umstände auftun, die für einen geringeren Verschuldensgrad sprechen (a.a.O.). Da derartige Umstände hier nicht dargetan und für das Gericht auch sonst nicht ersichtlich sind, hält es hier aufgrund des Nichtverschließens der Wohnungstür die Kürzung des Anspruches um 50 % für gerechtfertigt.

  1. b) Der Kläger hat weiter gegen die Obliegenheit der Ziff. 20 der VHB verstoßen. Danach muss er sowohl der zuständigen Polizeidienststelle unverzüglich ein Verzeichnis der abhanden gekommenen Sachen einreichen als auch dem Versicherer ein von ihm unterschriebenes Verzeichnis der abhanden gekommenen, zerstörten oder beschädigten Sachen unverzüglich vorlegen (vgl. Bl. 54 d. A.).
  2. aa) Soweit der Kläger behauptet, der Versicherungsvertreter der Beklagten, Herr „…“ habe wenige Tage nach dem Versicherungsfall mit ihm gemeinsam ein derartiges Verzeichnis erstellt und versprochen, dieses an die Beklagte weiterzureichen, so hat der Kläger diesen – durch die Beklagte bestrittenen – Vortrag nicht bewiesen.
  3. bb) Unabhängig davon ist aus einem weiteren Grunde ein Verstoß gegen die Obliegenheit der Ziff. 20 der VHB gegeben. Denn Obliegenheit des Klägers ist es auch, der zuständigen Polizeidienststelle – und nicht nur der Beklagten – unverzüglich ein Verzeichnis der abhanden gekommenen Sachen einzureichen. Ein derartiges Verzeichnis – unabhängig von der Frage, ob dieses hinreichend individualisiert ist – hat der Kläger aber erst unter dem 12.01.2009 erstellt. Da der Einbruch, den der Kläger behauptet, bereits am 19.12.2008 war, ist eine Liste vom 12.01.2009, also über 3 Wochen später erstellt, unabhängig von deren Ausgestaltung im Übrigen jedenfalls nicht mehr unverzüglich i. S. d. VHB.
  4. cc) Rechtsfolge eines Verstoßes gegen diese Obliegenheit ist gem. Ziff. 20.2.1 der VHB, dass die Beklagte bei grob fahrlässiger Verletzung der Obliegenheit berechtigt ist, ihre Leistung in dem Verhältnis zu kürzen, das der Schwere des Verschuldens entspricht, wobei der Versicherungsnehmer das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit zu beweisen hat.

Aus dieser Formulierung folgt, dass die grobe Fahrlässigkeit vermutet wird, der Versicherungsnehmer also darlegen und beweisen muss, warum ihn keine grobe Fahrlässigkeit trifft. Da dies hier nicht geschehen ist, ist vom Regelfall der groben Fahrlässigkeit auszugehen, so dass die Beklagte berechtigt ist, in dem Verhältnis zu kürzen, das der Schwere des Verschuldens entspricht.

Auch hier besteht also nicht mehr das Alles-oder-Nichts-Prinzip, vielmehr besteht auch hier ein quotales Leistungskürzungsrecht des Versicherers (Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG, VGB 2008 Abschn. „B“ § 8 Rdnr. 10 i.V.m. § 28 VVG Rdnr. 150).

Das Gericht hält es hier – ebenso wie im Rahmen des § 81 VVG – für sachgerecht, dass die – nach den VHB ohne Weiteres vermutete – grob fahrlässige Begehungsweise des Versicherungsnehmers eine solche ist, die im durchschnittlichen, mittleren Bereich grober Fahrlässigkeit angesiedelt ist und daher zunächst mit einer Leistungsfreiheitsquote von 50 % korrespondiert (a.a.O., Rdnr. 161 m. w. N.). Will der Versicherungsnehmer schuldprägende Umstände geltend machen, die eine Senkung der Leistungsfreiheitsquote auf unter 50 % rechtfertigen, so muss er die sie tragenden Tatsachen vortragen und beweisen. Ihm dies aufzuerlegen ist schon deshalb sinnvoll, weil diese Umstände oft in die gleiche Richtung weisen wie der dem Versicherungsnehmer ohnehin obliegende Entlastungsbeweis (a.a.O., Rdnr. 162). Umgekehrt kann und muss der Versicherer Umstände darlegen und beweisen, die die grobe Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers gewichtiger erscheinen lassen und deshalb eine Leistungsfreiheitsquote von mehr als 50 % rechtfertigen (a.a.O.).

Da weder klägerseits noch beklagtenseits Umstände dargelegt wurden, die eine Erhöhung bzw. Erniedrigung des Mittelwerts von 50 % rechtfertigen, hält das Gericht für diesen Obliegenheitsverstoß eine Leistungskürzung um 50 % für sachgerecht.

  1. dd) Gemäß Ziff. 20.2.2 der VHB ist die Versicherung – außer im Falle einer arglistigen Obliegenheitsverletzung – doch zur Leistung verpflichtet, soweit der Versicherungsnehmer nachweist, dass die Verletzung der Obliegenheit weder auf den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles noch auf die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht der Versicherung Einfluss hatte. Darlegungs- und beweisbelastet ist hierfür der Versicherungsnehmer, also der Kläger. Ziff. 20.2.2 der VHB entspricht diesbzgl. § 28 3 VVG (vgl. Rüffer/Halbach/Schimikowski, VGB 2008 Abschn. „B“ § 8 Rdnr. 10). Die genannte Regelung eröffnet dem Versicherungsnehmer im Falle einer Obliegenheitsverletzung also die Möglichkeit, die eventuelle Leistungsfreiheit des Versicherers durch den Kausalitätsgegenbeweis abzuwenden (a.a.O., § 28 Rdnr. 45). Ein derartiger Kausalitätsgegenbeweis ist hier nicht dargetan oder angetreten, so dass hiervon nicht auszugehen ist.
  2. ee) Damit bleibt es dabei, dass aufgrund des Verstoßes gegen die Obliegenheit, die aus Ziff. 20.1 der VHB folgt, die Beklagte berechtigt ist, die Leistung um 50 % zu kürzen.
  3. c) Damit hat der Kläger in zweierlei Weise grob fahrlässig gehandelt: zum einen durch Nichtverschließen der Wohnungstür (siehe oben a)), was isoliert eine Kürzung um 50 % rechtfertigte, zum anderen durch nicht unverzügliche Einreichung eines Verzeichnisses i. S. v. 20.1 der VHB (vgl. b)), was ebenfalls isoliert eine Kürzung um 50 % rechtfertigte.

Das Gericht hält es in einem derartigen Fall von mehreren Obliegenheitsverletzungen, wie sie hier gegeben sind, für sachgerecht, eine Quotenaddition vorzunehmen, also die genannten Kürzungsquoten (50 % (vgl. a)) und 50 % (vgl. b)) – zu addieren.

Die Frage, wie ein derartiges Zusammentreffen mehrerer Obliegenheitsverletzungen rechtlich zu beurteilen ist, stellt sich erst unter dem neuen VVG, da beim alten VVG aufgrund des Alles-oder-Nichts-Prinzips der Anspruch bei grober Fahrlässigkeit ganz ausgeschlossen war, nunmehr aber – aufgrund des nicht völligen Ausschlusses des Anspruches – mehrere Obliegenheitsverletzungen zusammenstoßen können. Für einen derartigen Fall des Zusammentreffens mehrerer Obliegenheitsverletzungen ließen sich verschiedene Lösungen aufführen, nämlich die – hier vertretene – Quotenaddition; eine Quotenmultiplikation in der Weise, dass etwa der Versicherer die Leistung zunächst um 60 %, die restliche 40 %-Leistung dann nochmals um beispielsweise weitere 40 % auf zuletzt noch verbleibende 24 % gekürzt bekäme; oder eine Quotenkonsumption, bei der sich im Ergebnis allein diejenige Fehlhandlung des Versicherungsnehmers auf die Leistungshöhe auswirkt, die dem Versicherer die höchste Freistellungsquote eröffnet, wobei die dahinter zurückbleibenden Leistungsfreiheitsquoten aus parallelen Fehlhandlungen des Versicherungsnehmers überlagert und konsumiert werden. Schließlich wäre noch denkbar, mittels einer Gesamtbewertung aller grob fahrlässigen Verstöße zu einer einheitlichen Leistungsfreiheitsquote zu finden (vgl. zu den verschiedenen Lösungsmodellen Rüffer/Halbach/Schimikowski, § 28 Rdnr. 185 ff.).

Das Gericht hält von den genannten Lösungsmodellen – Quotenaddition, Quotenmultiplikation, Quotenkonsumption und Gesamtbewertung – das Modell der Quotenaddition für angemessen. Alle anderen Modelle führen nämlich dazu, dass derjenige Versicherungsnehmer, der mehrfach grob fahrlässig gegen den Versicherungsvertrag verstößt, im Ergebnis privilegiert wird. Derjenige Versicherungsnehmer, der sich nur einmalig falsch verhält, müsste die prozentuale Kürzung in voller Weise hinnehmen, während derjenige Versicherungsnehmer, der mehrfach grob fahrlässig gegen den Versicherungsvertrag verstößt, nicht alle Kürzungen hinnehmen müsste, sondern in gewisser Weise Rabatt bekäme. Dies erscheint nicht gerecht. Vielmehr muss ein Versicherungsnehmer, der mehrfach grob fahrlässig gegen den Versicherungsvertrag verstößt, sich hieran festhalten lassen und sich auch die – jeweils einzeln verwirkten – Kürzungen in voller prozentualer Höhe entgegenhalten lassen. Dieses Ziel – den mehrfach grob fahrlässig gegen den Versicherungsvertrag verstoßenden Versicherungsnehmer nicht zu privilegieren – erreicht nur die reine Quotenaddition, die das Gericht darum für sachgerecht hält.

Da hier der Kläger zweifach gegen den Versicherungsvertrag verstoßen hat und jeder einzelne Verstoß eine Kürzung um 50 % bewirkt, wie oben dargelegt, führt die hier vorgenommene Quotenaddition dazu, dass der Anspruch des Klägers aus dem Versicherungsvertrag – wenn er denn gegeben wäre, was dahinstehen mag – auf 0 zu reduzieren ist.

Der Kläger hat darum (unabhängig von der oben unter 1. ausgeführten Frage der Beweislast) keinen Anspruch gegen die Beklagte aus dem Versicherungsvertrag.

II.

Mangels eines in der Hauptsache bestehenden Anspruchs hat der Kläger auch keinen Anspruch auf vorgerichtliche Anwaltsgebühren.

III.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht aufgrund des § 709 S. 1, S. 2 ZPO.

IV.

Der Streitwert wird auf 16.857,- Euro festgesetzt.