Oberlandesgericht Oldenburg
Beschluss vom 19.02.2013
Az.: 5 U 3/13
Versicherungssparte: Krankentagegeld
Kürzung: 90%

Stichwörter: Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, Verspätung, Obliegenheitsverletzung

Beschluss

Gründe

I.

Der Senat beabsichtigt, die Berufung durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesem Hinweisbeschluss und Entscheidung über die Aufrechterhaltung der Berufung unter Kostengesichtspunkten binnen zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses.

II.

Der Senat lässt sich bei seiner Absicht, nach § 522 Abs. 2 ZPO zu verfahren, von folgenden Überlegungen leiten:

  1. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten.
  2. Die Berufung hat auch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, denn das angefochtene Urteil beruht nicht auf einer Rechtsverletzung im Sinne der §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO. Das Landgericht hat einen über den bereits gezahlten zehnprozentigen Anteil hinausgehenden Anspruch zu Recht verneint.
  3. a) Der zwischen den Parteien geschlossene, das Krankentagegeld beinhaltende Versicherungsvertrag bestand fortlaufend von Beginn an. Die Ausführungen der Beklagten zum Vertragsende in deren Schreiben vom 25.05.2010 beendeten den Krankentagegeldversicherungsvertrag tatsächlich nicht. Nach § 15 Abs. 1 lit. b) MB/KT endet das Versicherungsverhältnis hinsichtlich der betroffenen Person mit Eintritt der Berufsunfähigkeit. Diese liegt vor, wenn die versicherte Person nach medizinischem Befund im bisher ausgeübten Beruf auf nicht absehbare Zeit mehr als 50 % erwerbsunfähig ist. Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen endet damit das Versicherungsverhältnis, ohne dass es überhaupt auf eine diesbezügliche Feststellung oder eine Kündigungserklärung des Versicherers ankommt (vgl. Prölss/Martin, VVG28., § 15 MK/KT 2009 Rn. 1).

Die Voraussetzungen für eine Beendigung des Krankentagegeldversicherungsvertrags lagen aber nicht vor, denn eine Berufsunfähigkeit des Klägers war tatsächlich nicht gegeben. Das Landgericht Oldenburg hat in seiner Entscheidung vom 25.05.2011 (13 O 2580/10) zwar offengelassen, ob der Kläger berufsunfähig (gewesen) ist, da es darauf im damaligen Rechtsstreit nicht mehr ankam. Zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits steht aber nicht im Streit, dass sich aus dem Gutachten des Dr. J …. ergibt, dass eine Berufsunfähigkeit des Klägers tatsächlich nicht gegeben ist.

Eine Beendigung des Krankentagegeldversicherungsvertrages folgt auch nicht daraus, dass der von der Beklagten verfasste Nachtrag zum Versicherungsschein das Krankentagegeld nicht mehr beinhaltete. Eine dahingehende Änderung des Versicherungsvertrages käme nur bei zwei korrespondierenden Willenserklärungen in Betracht. Es fehlt bereits an einer Willenserklärung der Beklagten, die als Angebot an den Kläger auf Aufhebung der Krankentagegeldversicherung angesehen werden könnte. Das Schreiben vom 25.05.2010 beinhaltet ein solches Angebot nicht. Daraus geht vielmehr hervor, dass das Vertragsverhältnis wegen der angenommenen Berufsunfähigkeit nach Ablauf der Übergangsfrist als beendet angesehen werde. Im Übrigen hat der Kläger auch zu keinem Zeitpunkt erklärt, ein etwaiges Angebot der Beklagten auf Beendigung der Krankentagegeldversicherung anzunehmen. Bereits die Erhebung seiner Klage vor dem Landgericht Oldenburg (13 O 2580/10) zeigt außerdem, dass er trotz des Schreibens vom 25.05.2010 von der Fortsetzung des Krankentagegeldversicherungsvertrages ausging, denn andernfalls lässt sich nicht erklären, wie er ab dem 07.08.2010 Krankentagegeld von der Beklagten verlangen könnte.

Es kommt daher auch nicht darauf an, dass die Beklagte in ihrem Schreiben vom 31.08.2010 ausführte, sie ziehe ihre Entscheidung bezüglich der Berufsunfähigkeit zurück. Damit ist nicht eine einseitige Änderung des Vertragsinhaltes durch die Beklagte verbunden, sondern dies beschreibt nur den ohnehin bestehenden rechtlichen Zustand.

Deswegen waren für die Vertragsgestaltung die Schreiben des Klägers vom 24.11.2011 und der Beklagten vom 03.12.2011 auch nicht von konstitutiver Bedeutung, wobei sich ohnehin daraus ergibt, dass der Kläger nicht von der Aufnahme eines zwischenzeitlich beendeten Krankentagegeldversicherungsvertrages ausging. In seinem Schreiben vom 24.11.2011 lässt der Kläger ausdrücklich vom Fortbestand der Krankentagegeldversicherung vortragen bzw. davon, dass das Versicherungsverhältnis zum Krankentagegeld über den 06.08.2010 hinaus fortgesetzt werde.

  1. b) Die Beklagte ist gemäß § 28 Abs. 2 S. 2 VVG in Verbindung mit § 10 MB/KT von einer über die gezahlten 10 % hinausgehenden Leistung befreit.

Danach ist der Versicherer, wenn der Versicherungsnehmer seine Obliegenheit grob fahrlässig verletzt, berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen. Die vom Landgericht angenommene Quote ist angemessen.

(1) Der Kläger hat die Obliegenheit nach § 9 Abs. 1 MB/KT, seine Arbeitsunfähigkeit unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB) oder spätestens binnen der im Tarif festgesetzten Frist anzuzeigen, verletzt. Der Kläger hat den ihm obliegenden Beweis nicht geführt, dass die ärztliche Bescheinigung zu einem früheren Zeitpunkt, als der von der Beklagten zugestandene 03.01.2012, der Beklagten zuging. Auf den erstinstanzlichen Hinweis in der mündlichen Verhandlung hat er keinen Beweis angetreten, dass ein früherer Zugang bei der Beklagten erfolgt ist.

(2) Der Kläger hat gegen diese Obliegenheit grob fahrlässig verstoßen, denn er hat die im Verkehr erforderliche Sorgfalt gröblich außer Acht gelassen. Er hat sich völlig unbekümmert und leichtfertig verhalten, weil ihm nicht einmal in den Sinn gekommen ist, nach etwa drei, vier Wochen ohne Reaktion der Versicherung, dort nach dem Eingang seiner Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nachzufragen. Unter Berücksichtigung üblicher Postlauf- und Bearbeitungszeiten der Versicherung wäre nach Verstreichen einer derartigen Dauer auch während der gerade herrschenden Urlaubszeit, jedenfalls irgendeine Reaktion der Versicherung zu erwarten gewesen und – was jedem einleuchten muss – bei deren Ausbleiben eine Nachfrage seitens des Klägers. Nach seiner Behauptung habe er bereits am 12.07.2011, unmittelbar nachdem er das ärztliche Attest seines behandelnden Arztes S …. entgegen genommen habe, dieses der Beklagten übersandt. Erst Ende November 2011 trat sein Rechtsanwalt an die Beklagte heran, wobei jedoch auf die vermeintlich übersandte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung noch nicht einmal eingegangen wurde. Es ging vielmehr ausschließlich um die Frage des Fortbestands der Krankentagegeldversicherung.

Da der Kläger Versicherungsmakler ist, liegt auch in subjektiver Hinsicht ein erhebliches gesteigertes Verschulden vor. Bei jemanden der berufsmäßig mit derartigen Angelegenheiten zu tun hat und die nötigen Kenntnisse schon deshalb besitzt, kann es nicht als Versehen gewertet werden, sich nicht nachdrücklich von dem Zugang der Bescheinigung vergewissert zu haben.

(3) Das Vorbringen des Klägers, er sei davon ausgegangen, eine Anzeige des Versicherungsfalls nicht zu schulden, weil die Beklagte den Bestand des Versicherungsverhältnisses in Abrede gestellt habe, ist ersichtlich unzutreffend. Vielmehr hat er sogar positiv gewusst, den Nachweis gegenüber der Beklagten erbringen zu müssen, denn andernfalls ergäbe es keinen Sinn, dass er die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung schon im Juli 2011 dorthin versandt haben will.

(4) Die Beklagte kann sich auch auf den fehlenden rechtzeitigen Zugang der Bescheinigung berufen. Aus ihrem Schreiben vom 25.05.2010 folgt nicht, das dies als treuwidrig anzusehen ist. Die dort von der Beklagten geäußerte Ansicht, wegen der zunächst angenommenen Berufsunfähigkeit des Klägers ende die Krankentagegeldversicherung nach Ablauf der Übergangsfrist, wurde bereits durch ihr Schreiben vom 31.08.2010 wieder richtig gestellt. Ausgehend vom objektiven Empfängerhorizont war die Erklärung dahin zu verstehen, dass damit auch die Krankentagegeldversicherung nicht weiterhin als beendet angesehen werde, sondern fortbestehe. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass das Schreiben an den Rechtsanwalt des Klägers gerichtet gewesen ist, so dass auf dessen Horizont und Verständnismöglichkeit abzustellen ist. Die Zusammenhänge die sich daraus ergeben, dass die Krankentagegeldversicherung gerade nicht als beendet gelte, wenn die Berufsunfähigkeit entgegen ursprünglicher Annahme gar nicht vorliegt, durften deswegen bereits ohne eingehende Erklärungen erwartet werden. Dies ergibt sich aber auch aus dem Schreiben. Dort ist ausgeführt, […] Aus dem uns nun vorliegenden Bericht und auch der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung geht hervor, dass Herr H …. zumindest ab dem 01.08.2010 mitarbeitend, leitend oder aufsichtsführend tätig sein kann. Wir ziehen daher unsere Entscheidung bezüglich der Berufsunfähigkeit zurück, nachdem vorher dargestellt wurde […] Mit Schreiben vom 25.05.2010 haben wir Herrn H …. mitgeteilt, dass der Krankentagegeldtarif zum 07.08.2010 wegen Berufsunfähigkeit beendet werden muss. Aus dem leicht zu ziehenden Umkehrschluss folgt, dass der Krankentagegeldtarif deswegen nicht mehr als beendet anzusehen ist. Aus dem dann folgenden Zusatz Über dem 01.08.2010 hinaus besteht jedoch kein Leistungsanspruch mehr. Aufgrund der Teil-Arbeitsfähigkeit liegt eine völlige Arbeitsunfähigkeit im Sinne der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) nicht mehr vor. Herr H …. kann daher von diesem Tage an kein Krankengeld mehr erhalten. […], folgt nichts anderes, denn dieser Absatz bezieht sich schon nach seinem Wortlaut, als auch seiner Begleitumstände auf die fehlende völlige Arbeitsunfähigkeit des Klägers. Weil diese nicht gegeben ist, habe der Kläger über den 01.08.2010 hinaus keinen Leistungsanspruch. Dies steht aber ersichtlich in keinem Zusammenhang mit der Frage, ob ein Krankentagegeldtarif besteht oder nicht. Der Kläger will hier der Erklärung allein einen für ihn günstigen Sinn beilegen, ohne dabei zu berücksichtigen, was die Beklagte als Erklärende offensichtlich gemeint hat.

  1. c) Die Beklagte hat sich auch nicht zu ihrem eigenen früheren Verhalten in Widerspruch gesetzt hat. Nach den unter 2. b) (4) aufgezeigten Umständen ging sie nicht weiterhin von der Beendigung des Krankentagegeldtarifs aus. Dies gab sie dem Kläger auch nicht zu verstehen. Allein aus dem Umstand, dass sie trotz ihrer Ankündigung vom 31.08.2010, in der Folge die entsprechenden Prämien nicht einzog, folgt dies nicht.
  2. d) Die Beklagte ist auch nicht gemäß § 28 Abs. 3 VVG zur Leistung verpflichtet. Mit seinem im Berufungsrechtszug erstmaligen Bestreiten, dass der Beklagten im Hinblick auf ihre Leistungsprüfung Nachteile entstanden seien, ist der Kläger gem. § 531 Absatz 2 Ziffer 3 ZPO ausgeschlossen. Wie sich aus der Formulierung des § 28 Absatz 3 VVG ergibt, muss der Versicherungsnehmer die mangelnde Kausalität nachweisen. Als Beweis einer Negative ist dieser in der Weise zu führen, dass der Versicherungsnehmer die sich aus dem Sachverhalt ergebenden Möglichkeiten widerlegt und dann abwartet, welche dann ebenfalls von ihm zu widerlegenden Behauptungen der Versicherer über Art und Maß der Kausalität aufstellt. Der Kläger hat dem Sachvortrag der Beklagten, es sei ihr im Nachhinein nicht mehr möglich gewesen, die Arbeitsunfähigkeit durch einen Gutachter zu überprüfen, in erster Instanz aber nicht widersprochen.
  3. Danach kommt es nicht mehr darauf an, dass die Ausführungen auf Seite 5 unten im rechtsfehlerfreien Urteil nicht recht nachzuvollziehen sind. Offensichtlich hat sich die Einzelrichterin hier lediglich vertan.