Oberlandesgericht Saarbrücken
Urteil vom 15.12.2010
Az.: 5 U 147/10
Versicherungssparte: Gebäudeversicherung
Kürzung: 50%

Stichwörter: Frost, Leitungswasser

Urteil

Tenor

  1. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 12.2.2010 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken (12 O 176/09) geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

  1. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.
  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
  4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 11.143,10 € festgesetzt (Erstberufung der Beklagten 6.686,04 €; Zweitberufung der Klägerin 4.457,06 €).
  5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Beklagten streiten um versicherungsvertragliche Ansprüche wegen eines frostbedingten Leitungswasserschadens.

Die Klägerin hat bei der Beklagten gemäß Versicherungsantrag vom 18.8.2008 (Bl. 14 ff. d. A.) einen Gebäudeversicherungsvertrag für eine Lagerhalle in B. abgeschlossen (Versicherung Nr. ~7 G). Dem Vertrag wurden die Allgemeinen Bedingungen „für die XXX Universalpolice Plus zur Gebäude- und/oder Inhaltsversicherung“ (im Folgenden: AVB) zu Grunde gelegt, unter anderem deren Allgemeiner Teil, der Besondere Teil zur Leitungswasserversicherung (in Folgenden: AVB-BT Leitungswasser, Bl. 39 d. A.) und die Gemeinsamen Bestimmungen zu den Besonderen Teilen (im Folgenden AVB-BT GB, Bl. 41 d. A.).

In den AVB-BT GB Buchstabe K. 8. („Sicherheitsvorschriften“) ist Folgendes geregelt (Bl. 42 d. A.):

„K 8.1. Der Versicherungsnehmer hat über die in Teil A aufgeführten Sicherheitsvorschriften hinaus

K 8.1.1 in der Leitungswasserversicherung während der kalten Jahreszeit alle benutzen und nicht benutzten Gebäude und Gebäudeteile genügend zu beheizen und genügend häufig zu kontrollieren und in nicht benutzten Gebäuden alle Wasser führenden Anlagen und Einrichtungen abzusperren, zu entleeren und entleert zu halten;

[…]

K 8.2. Hinsichtlich der Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Sicherheitsvorschriften wird auf Teil A 9. verwiesen.“

Die Klausel A 9. AVB („Rechtsfolgen bei Verletzung von Obliegenheiten/Sicherheitsvorschriften“) lautet (Bl. 35 d. A.):

„A.9.1 Vor dem Versicherungsfall oder zur Gefahrsverhütung, -verminderung Verletzt der Versicherungsnehmer eine der genannten Obliegenheiten vorsätzlich oder grob fahrlässig, so ist der Versicherer nach Maßgabe des § 28 VVG zur Kündigung berechtigt oder auch leistungsfrei. Eine Kündigung des Versicherers wird einen Monat nach Zugang wirksam.

[…]“

Die Halle, deren Heizungsanlage bereits seit Jahren defekt ist, war seit Mitte 2008 an eine Firma R. M. aus V. vermietet. Sie besteht aus zwei Teilen. Der linke Teil wird als Warenlager genutzt, im rechten Teil befindet sich ein abgeschlossener Sanitärraum mit Waschbecken und Toilette. Dort ist ein elektrischer Heizlüfter mit automatischer Frostschutzsteuerung und einer Leistung von 2 kW installiert (Bl. 58, 68 d. A., Lichtbild Bl. 61 d. A.).

Am 8. oder 9.1.2009 platzte im linken Hallenteil nach längerem Frost ein unter dem Boden verlegtes Rohr. Die Beklagte regulierte diesen – nicht streitgegenständlichen – Schaden unter Verweis auf eine grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls zu 70%. Die Klägerin stellte das Wasser im linken Hallenbereich ab und entleerte die Leitung.

Die Kälteperiode dauerte unvermindert an, und am 18.1.2009 platzte, wiederum frostbedingt, die Hauptwasserzuleitung in dem Sanitärraum des rechten Hallenteils. Die Beklagte ermittelte den Schaden und bezifferte ihn auf 22.286,80 €. Die Hälfte des Betrags zahlte sie an die Klägerin. Die Leistungskürzung begründete sie mit einer von ihr angenommenen grob fahrlässigen Verletzung der Sicherheitsvorschrift zur Beheizung und Kontrolle von Gebäuden in der kalten Jahreszeit (Schreiben vom 25.3.2009, Bl. 4 d. A.).

Mit Anwaltsschreiben vom 3.4.2009 (Bl. 6 d. A.) forderte die Klägerin die Beklagte auf, bis zum 15.4.2009 schriftlich zu bestätigen, dass sie sich nicht auf grobe Fahrlässigkeit berufe. Die Beklagte wies das unter dem 22.4.2009 zurück (Bl. 8 d. A.).

Die Klägerin, die ihren versicherungsvertraglichen Ansprüchen bezogen auf den vorliegenden Rechtsstreit den von der Beklagten ermittelten Gesamtschadensbetrag zu Grunde legt (Bl. 2 d. A.), hat mit der Klage neben der Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten Zahlung weiterer 11.143,10 € verlangt. Sie hat sich darauf berufen, dass der Raum seit vielen Jahren problemlos und auch jetzt ausreichend durch den Heizlüfter beheizt und die Beheizung häufig kontrolliert worden sei. Weiter hat sie – zunächst unter Nichterwähnung des unstreitigen Schadens vom 8/9.1.2009 – vorgetragen, es sei in der Vergangenheit noch nie zu einem frostbedingten Wasserschaden gekommen (Bl. 3 d. A.). Dem hierauf erfolgten Hinweis der Beklagten auf den Erstschaden Anfang Januar 2009 hat die Klägerin entgegengehalten, die beiden Schäden seien nicht miteinander vergleichbar (Bl. 67/68 d. A.).

Die Klägerin hat ferner behauptet, der Wasserschaden wäre auch dann eingetreten, wenn sie die Wasserzuleitung im rechten Hallenteils abgestellt hätte, weil die Wasseruhr selbst durch den Frost geplatzt sei, „das“ Absperrventil sich aber erst dahinter befinde (Bl. 68/69 d. A.).

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

  1. an sie 11.143,10 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.3.2009 zu zahlen;
  2. an sie einen Betrag in Höhe von 341,90 € zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Beheizung durch den Heizlüfter für unzureichend gehalten und im Übrigen dessen Betrieb in der Zeit vor dem 18.1.2009 sowie die Durchführung von Kontrollen in Abrede gestellt (Bl. 58, 59 d. A.). Sie ist der Ansicht gewesen, der Klägerin sei in besonders gewichtiger Weise vorzuwerfen, trotz des (unstreitig) nach dem ersten Schadensereignis anhaltenden Frosts nicht auch das Wasser im rechten Teil der Halle abgestellt zu haben (Bl. 58 d. A.). Zum Vortrag der Klägerin, wonach dies den Schaden wegen der angeblichen Lokalisation vor dem Absperrventil nicht hätte verhindern können, hat die Beklagte- von der Klägerin im Schriftsatz vom 2.11.2009 nicht (mehr) bestritten (Bl. 79 d. A.) – darauf aufmerksam gemacht, dass es nicht nur eine Bruchstelle an der Wasseruhr, sondern mehre Bruchstellen auch an den Rohren selbst gegeben habe und dass außerdem ein Absperrventil auch unmittelbar vor der Wasseruhr gelegen habe (Bl. 72 d. A. in Verbindung mit den Lichtbildern Bl. 74 ff., insbesondere Bl. 76, 78 d. A.).

Nach Beweisaufnahme durch Vernehmung von Zeugen hat das Landgericht Saarbrücken mit dem am 12.2.2010 verkündeten Urteil (Bl. 107 d. A.) der Klage teilweise stattgegeben und den Leistungsanspruch der Klägerin gemäß §§ 81 Abs. 2, 28 Abs. 2 S. 2 VVG um 20% gekürzt. Es ist von einer grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls ausgegangen. Allerdings hat es im Hinblick auf die Bekundungen der Zeugen keine Überzeugung davon gewonnen, dass der Heizlüfter vor dem Wasserschaden nicht in Betrieb gewesen sei und die Klägerin dies gewusst habe (S. 5/6 des Urteils, Bl. 111/112 d. A.). Ebenso hat es, gestützt auf die Beweisaufnahme, der Klägerin geglaubt, dass der Sanitärraum bereits seit Jahren nur durch den Heizlüfter beheizt worden sei, ohne dass dort ein Frostschaden eingetreten sei (S. 6 des Urteils, Bl. 112 d. A.). Für die grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls hat das Landgericht darauf abgestellt, dass der im linken Teil der Halle Anfang Januar 2009 eingetretene Schaden an einer in grundsätzlich frostsicherer Tiefe verlegten Leitung die besondere Strenge der Frostperiode und die dadurch bedingte Gefährdung der Wasserleitungen hätte verdeutlichen müssen. Die Klägerin hätte deshalb entweder den Heizlüfter auf eine höhere Temperatur einstellen oder für eine weitere Heizquelle sorgen und zusätzlich den Raum ständig überprüfen müssen (S. 7 des Urteils, Bl. 113 d. A.). Das Maß des Verschuldens hat das Landgericht eher im Grenzbereich zur einfachen Fahrlässigkeit gesehen als zum bedingten Vorsatz. Es hat das mit der im Vergleich zum ersten Frostschaden etwas anderen Gefahrenlage begründet und deshalb eine Leistungskürzung um 20% für ausreichend erachtet.

Der Senat nimmt gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen dieses Urteils Bezug.

Beide Parteien haben Berufung eingelegt, soweit ihre Anträge in erster Instanz erfolglos geblieben sind.

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Berufung gegen die Kürzung ihres Leistungsanspruches und meint, nicht grob fahrlässig gehandelt zu haben. Insbesondere folge Gegenteiliges nicht aus dem zuvor im anderen Teil der Halle eingetretenen Frostschaden. Sie räumt ein, dass die Wasserleitung im ersten Schadensfall zwar wegen des Frostes geplatzt sei, behauptet jedoch, dies sei nicht tief im Hallenboden geschehen, sondern an der Stelle, an welcher die Leitung aus dem Boden austrete. Sie hält die in der zweiten Hallenhälfte durchgeführten Sicherungsmaßnahmen für ausreichend (Bl. 145 d. A.), und meint, es sei ihr wegen der Nutzung der sanitären Anlagen durch die Mieter nicht zuzumuten gewesen, täglich das Wasser aus den Leitungen abzulassen (Bl. 146 d. A.).

Den Hinweis der Beklagten darauf, dass der Raum lediglich auf 3-4 Grad Celsius geheizt worden sei, erklärt sie zum einen zwar für „nicht nachvollziehbar“, erachtet indessen, „selbst wenn dies der Fall gewesen wäre“ aus ihrer Sicht eine solche Temperatur als ausreichend (Bl. 146 d. A.).

Die Klägerin beantragt,

  1. die Erstberufung der Beklagten zurückzuweisen;
  2. unter Abänderung des am 12.2.2010 verkündeten Urteils des Landgerichts Saarbrücken die Beklagte zu verurteilen,
  3. an sie 11.143,10 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 25.3.2009 zu zahlen;
  4. an sie einen Betrag in Höhe von 341,90 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

  1. in Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen;
  2. die Zweitberufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Beklagte sieht den Leistungsanspruch der Klägerin um 50% reduziert.

Dem tatsächlichen Vorbringen der Klägerin in deren Berufungsbegründung hält sie entgegen, dass schon der erste Schaden nicht an der Austrittstelle des Rohres aus dem Boden eingetreten sei, sondern unterhalb der Oberfläche (Bl. 156 d. A.). Sie geht davon aus, dass eine geplatzte Leitung in einem Betonboden der Klägerin hätte Veranlassung geben müssen, die Frostsicherheit aller Leitungen genau zu prüfen. In Übrigen bleibt sie bei ihrer Einschätzung, dass ein auf 3 bis 4°C eingestellter Heizlüfter – dessen Funktion am Schadenstag sie zudem bestreitet – den Raum nicht genügend beheizt habe (Bl. 157, 158 d. A.).

Hinsichtlich des Sachverhalts, des Ergebnisses der erstinstanzlichen Beweisaufnahme und des Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften des Landgerichts vom 9.11.2009 (Bl. 81 d. A.) und vom 18.1.2010 (Bl. 85 d. A.) und des Senats vom 10.11.2010 (Bl. 168 d. A.) sowie auf das Urteil des Landgerichts vom 12.2.2010 (Bl. 107 d. A.) Bezug genommen.

II.

Die Erstberufung der Beklagten ist begründet, die Zweitberufung der Klägerin unbegründet.

1.

Richtigerweise hätte das Landgericht die Klage vollständig abweisen müssen, weil die Beklagte – unter Zugrundelegung einer von der Klägerin im Rechtsstreit nicht in Frage gestellten Gesamtschadenshöhe von 22.286,80 € – die der Klägerin zustehenden Ansprüche bereits vorgerichtlich erfüllt hat (§ 362 Abs. 1 BGB).

a.

Der Versicherungsvertrag, aus welchem die Klägerin ihre Ansprüche herleitet, ist im Jahr 2008 abgeschlossen worden. Daher sind die Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes in der seit dem 1.1.2008 geltenden Fassung anzuwenden.

b.

Der versicherungsvertragliche Anspruch wegen des Ereignisses vom 18.1.2009 ergibt sich dem Grunde nach aus Buchst. D. 1.1.1. i.V.m. D 1.1.3.1 AVB-BT Leitungswasser. Die Beklagte leistet danach Entschädigung für durch Leitungswasserzerstörte oder beschädigte versicherte Sachen. Auch Frost- und sonstige Bruchschäden an den Zu- oder Ableitungsrohren der Wasserversorgung fallen unter den Versicherungsschutz.

c.

Die Beklagte hat zu Recht den am 18.1.2009 eingetretenen Leitungswasserschaden in der mit dem Gebäudeversicherungsvertrag versicherten Halle nur zu 50% entschädigt.

(1)

Die Klägerin hat den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt, und die Schwere ihres Verschuldens rechtfertigt – zumindest – die von der Beklagten vorgenommene hälftige Leistungskürzung gemäß § 81 Abs. 2 VVG.

Dass vorliegend auch eine Verletzung vertraglicher Obliegenheiten gemäß § 28 VVG im Raum steht, hindert die Anwendbarkeit des § 81 VVG nicht. Die Vorschriften sind nebeneinander anwendbar (Prölss in: Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl. 2010, § 81 Rdn. 45 und § 28 Rdn. 165; OLG Köln, Urt. v. 17.8.2010 – 9 U 41/10 -; Senat, Urt. v. 20.4.1988 – 5 U 57/87 – VersR 1989, 397 [für §§ 61, 6 VVG a. F.]; KG, r+s 1996, 277).

(a)

Die Klägerin hat nicht durch positives Tun zum Eintritt des Versicherungsfalls beigetragen. Allerdings ist anerkannt, dass der Versicherungsnehmer, der nicht in ausreichendem Maße zur Gefahrvermeidung tätig wird, den Versicherungsfall auch durch Unterlassen herbeiführen kann (BGH, Urt. v. 23-6-2004 – IV ZR 219/03 – VersR 2005, 218; Heß in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechtshandbuch, 2. Aufl. 2009, § 16 Rdn. 25; Prölss in: Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl. 2010, § 81 Rdn. 9). Das setzt voraus, dass er die Entwicklung und die drohende Verwirklichung der Gefahr zulässt, obwohl er die geeigneten Mittel zum Schutz des versicherten Interesses in der Hand hat und bei zumutbarer Wahrnehmung seiner Belange davon ebenso Gebrauch machen könnte und sollte wie eine nicht versicherte Person. Damit andererseits der Versicherungsschutz nicht unangemessen beschränkt wird, ist Voraussetzung der Gleichstellung des Unterlassens mit positivem Tun, dass der Versicherungsnehmer die Umstände gekannt hat, derentwegen der Eintritt des Versicherungsfalls in den Bereich der praktisch unmittelbar in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten gerückt ist (BGH, Urt. v. 14.7.1986 – IVa ZR 22/85 – VersR 1986, 962). Das war hier der Fall. Die Klägerin wusste um die anhaltend niedrigen Temperaturen, und sie hätte in dem Sanitärraum ohne weiteres für eine wirkungsvollere Beheizung sorgen können und sollen, um ein Einfrieren des Wassers in den Leitungen zu verhindern.

(b)

Unter Kausalitätsgesichtspunkten ist für den Begriff des Herbeiführens im Sinne des § 81 VVG eine Mitursächlichkeit des Verhaltens des Versicherungsnehmers ausreichend (BGH, Urt. v. 14.7.1986 – IVa ZR 22/85 – VersR 1986, 962). Auch hiervon ist auszugehen. Dass die Wasserleitung frostbedingt geplatzt ist und dass dies auf der mangelhaften Beheizung des Raums beruhte, hat das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend festgestellt (Seite 7 des Urteils, Bl. 113 d. A.).

Eine ordnungsgemäße Beheizung muss die Raumtemperatur auf ein Niveau bringen – und sie dort halten -, welches angesichts zu erwartender niedriger Außentemperaturen ein Einfrieren von Rohren zu vermeiden geeignet ist (vgl. – zu vertraglichen Sicherheitsobliegenheiten – Rixecker, r+s 2009, 400; siehe auch Günther/Spielmann, r+s 2008, 180). An dem eingetretenen Schadensfall hat sich manifestiert, dass die von der Klägerin gewählte Art der Beheizung bei einer länger andauernden Frostperiode die Verwirklichung des Risikos eines Rohrbruchs nicht hindern konnte. Unstreitig verfügte die versicherte Halle nicht über eine eigentliche Heizungsanlage. Die einzige Einrichtung, das Herabsinken der Temperaturen unter den Gefrierpunkt zu verhindern, war der im Sanitärraum angebrachte Wandheizlüfter. Dieser wiederum beheizte den Raum nicht kontinuierlich, sondern schaltete sich automatisch ein, wenn die Temperatur unter den Nullpunkt absank, und dann auch nur bis auf drei bis vier Grad Celsius. Das hat der von der Klägerin benannte Zeuge C. B. in seiner erstinstanzlichen Vernehmung vom 18.1.2010 bekundet (S. 9, 10 der Sitzungsniederschrift vom 18.1.2010, Bl. 93, 94 d. A.). Die Klägerin stellt diese – von der Beklagten in ihren Sachvortrag einbezogenen – Umstände (Seite 4 des Schriftsatzes vom 21.6.2010, Bl. 158 d. A.) mit dem pauschalen Hinweis, die entsprechende Annahme sei „nicht nachvollziehbar“ (Bl. 146 d. A.), nicht substanziiert in Frage. Sie wurden vom Landgericht in nicht zu beanstandender Weise zur Entscheidungsgrundlage gemacht (Seite 7 des Urteils, Bl. 113 d. A., wonach die Klägerin den Heizlüfter auf eine höhere Temperatur einstellen oder für eine weitere Heizquelle hätte sorgen müssen). Ein bei Minustemperaturen anspringender kleiner Wandheizlüfter, der die Raumtemperatur auf drei bis vier Grad Celsius aufheizt und auch dies naturgemäß nur mit Blick auf die Umgebung der entsprechenden Messvorrichtung, kann ein Einfrieren von Wasser in Rohren des gesamten Raums nicht wirkungsvoll verhindern. Dies insbesondere auch deshalb, weil bei einer derart beschränkten Heizkapazität bereits ein kurzfristiger Ausfall des Anschaltautomatismus‘ genügt, um die Temperatur zwischen zwei (unterstellten) Kontrollbesuchen durch eine von der Klägerin beauftragte Person unter null Grad Celsius sinken zu lassen. Der Ehemann der Klägerin hat angegeben, letztmals etwa drei oder vier Tage vor dem Schadensfall in dem Sanitärraum gewesen zu sein (Seite 3 der Sitzungsniederschrift vom 18.1.2010, Bl. 87 d. A.).

Die Klägerin liefert mit ihrem Berufungsvorbringen, wonach zwar auch in der zweiten Hallenhälfte der Frost ursächlich für den Schaden gewesen sei, ihre Sicherungsmaßnahmen dort aber „ausreichend gewesen“ seien (Seite 2 des Schriftsatzes vom 17.5.2010, Bl. 145 d. A.), keine konkreten Anhaltspunkte dafür, welche die landgerichtlichen Feststellungen zur Kausalität im Zweifel ziehen könnten (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

(c)

Das Verhalten der Klägerin erfüllte das von § 81 Abs. 2 VVG verlangte Verschuldensmaß der groben Fahrlässigkeit.

Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders hohem Maße verletzt, wer einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und das nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss. Auch in subjektiver Hinsicht muss das Gewicht des Fehlverhaltens unentschuldbar erscheinen (vgl. Senat, Urt. v. 10.3.1999 – 5 U 767/98 – zfs 1999, 291; Urt. v. 20.4.1988-5 U 57/87 – VersR 1989, 397).

Das Landgericht hat ausgeführt, der Klägerin hätte der Versicherungsfall vom 8./9.1.2009 verdeutlichen müssen, dass die Frostperiode so außergewöhnlich streng war, dass sie aus ihrer Sicht zuvor stets ausreichend gesicherte Wasserleitungen gefährdete. So seien nach der eigenen Erklärung der Klägerin die Leitungen im linken Teil der Hallenhälfte in frostsicherer Tiefe im Boden verlegt gewesen, und wegen der unstreitig anhaltenden Kälteperiode habe Veranlassung bestanden, nunmehr die Frostsicherheit aller Leitungen und insbesondere auch die hinreichende Beheizung im Sanitärraum zu prüfen.

Der Senat schließt sich dieser Einschätzung auf der Grundlage der fehlerfrei getroffenen und das Berufungsgericht bindenden Feststellungen an. Die dagegen gerichteten Argumente der Klägerin überzeugen nicht. Wenn sie meint, der erste Schadensfall habe besondere Vorkehrungen für die rechte Hallenhälfte nicht nahe gelegt, weil diese beheizt gewesen sei, ist dem entgegenzuhalten, dass es auch in der linken Hallenhälfte zuvor nie zu einem Schaden gekommen war. Schon deshalb war evident, dass im hier maßgeblichen Zeitraum eine extreme Witterung gegeben war, die ein erheblich gesteigertes Risiko für Frostschäden an Wasserleitungen barg. Der Klägerin musste sich spätestens nach dem Eintritt des Schadens an den in früheren Wintern unversehrt gebliebenen Leitungen aufdrängen, dass nunmehr auch die Rohre in dem nur durch den Wandheizlüfter beheizten Raum einer zusätzlichen Sicherung bedurft hätten (zur Bedeutung eines vorangegangenen Frostschaden, der vom Versicherungsnehmer nicht zum Anlass für weitere Sicherungsaßnahmen genommen wurde, vgl. OLG Köln, VersR 2008, 1392; zur groben Fahrlässigkeit bei Frostschäden siehe auch Senat, Urt. v. 20.4.1988 – 5 U 57/87 – VersR 1989, 397; OLG Hamm, VersR 1989, 1083 [anhaltende Frostperiode]; OLG Hamm, VersR 1981, 1173; zur groben Fahrlässigkeit, wenn eine Ersatzbeheizung durch Radiatoren nur bei Minustemperaturen betrieben wird, KG, r+s 1996, 277).

Die gewählte Minimallösung für die Beheizung des Raums trotz des wenige Tage vorher geschehenen Rohrbruchs und der unveränderten Wetterlage aufrechterhalten und von jeglichen zusätzlichen Maßnahmen zur Gefahrvermeidung abgesehen zu haben, war auch in subjektiver Hinsicht in ungewöhnlich hohem und damit grobe Fahrlässigkeit begründenden Maße leichtfertig. Die Klägerin kannte nämlich die Dauerfrostsituation ebenso wie den Vorschaden vom 8./9.1.2009.

(2)

Der Senat hält die vom Landgericht vorgenommene Leistungskürzung um nur 20 % für zu gering. Die von der Beklagten vorgenommene 50-prozentige Kürzung, auf deren Grundlage sie reguliert hat, entspricht in jedem Fall der Schwere des Verschuldens, so dass es nicht darauf ankommt, ob, was der Senat für denkbar hält, auch eine höhere Kürzung gerechtfertigt wäre.

(a)

Hat ein Versicherungsnehmer den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt, so darf der Versicherer seine Leistung nach dem Maß der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers kürzen. Schon der Wortlaut des Gesetzes, der ein einseitiges, dem Versicherer zustehendes, inhaltlich von dem Gewicht des Vorwurfs abhängiges und der vollen gerichtlichen Kontrolle unterliegendes Leistungsbestimmungsrecht konzipiert, zeigt, dass entgegen einer in der Rechtslehre und Teilen der instanzgerichtlichen Rechtsprechung nicht von einem „festen“ oder „regelmäßigen Einstiegswert“ auszugehen ist sondern erst eine Würdigung aller Umstände des Einzelfalls das konkrete Kürzungsmaß ergibt. Nur das entspricht auch der Teleologie des § 81 Abs. 2 VVG, der nicht das „Alles-oder-Nichts“-Prinzip des § 61 VVG a.F. durch eine Art „50 % auf Alles“ ersetzen sondern Einzelfallgerechtigkeit walten lassen will. Im Übrigen zeigen schon die objektiven Gründe der Annahme grober Fahrlässigkeit – vor allem das unterschiedliche Gewicht erheblicher Regelverletzungen – die Notwendigkeit, das Maß der Schwere des Verschuldens von vornherein unterschiedlich zu tarieren.

(b)

Bei der Bemessung der Leistungskürzung ist danach zu fragen, wie nahe die grobe Fahrlässigkeit beim bedingten Vorsatz oder aber bei der einfachen Fahrlässigkeit lag (so die Begründung zum Regierungsentwurf BT-Drs. 16/3945, S. 80). Die genaue Bestimmung fußt für jeden Einzelfall auf einer Bewertung der konkreten, auf die Schwere des Verschuldens bezogenen Gesamtumstände. Bemessungskriterien sind vor allem die objektive Bedeutung der Obliegenheit für die Vermeidung des Risikos, das Gewicht, die Dauer und die Offenkundigkeit des Verstoßes gegen die Pflicht und die Vorhersehbarkeit seiner Folgen, außerdem der konkret erforderliche Aufwand für ihre Erfüllung einerseits und die Höhe des drohenden Schadens andererseits. In Bezug auf Frostvorsorgemaßnahmen wirken erschwerend besonders niedrige Temperaturen über einen längeren Zeitraum, eingetretene Vorschäden und eine störungsanfällige Beheizung (vgl. Günther/Spielmann, r+s 2008, 177, 180).

(c)

Im gegebenen Fall sind schon nach dem feststehenden Sachverhalt Ansprüche, die über die von der Beklagten vorgerichtlich geleisteten 50 % hinausgehen, nicht gegeben. Das ordnungsgemäße Beheizen von Räumen mit wasserführenden Leitungen ist die einzige Möglichkeit, Frostschäden zu verhindern. Das ist für jeden verständigen Versicherungsnehmer evident. Bei einer Verletzung dieses Verhaltensgebots drohen offenkundig erhebliche Schäden. Es einzuhalten, ist hingegen mit verhältnismäßig geringem Aufwand möglich. Hier hätte die Klägerin dafür sorgen können, einen Heizlüfter mit größerer Kapazität einzusetzen oder den vorhandenen auf Zimmertemperatur anstatt auf eine Temperatur knapp über null Grad Celsius einzustellen. Wie dargelegt, musste sich der Klägerin spätestens nach dem ersten Frostschaden im Januar 2009 und unter Berücksichtigung des Umstands, dass auch in der damals betroffenen Hallenhälfte in vielen Jahren zuvor niemals eine Wasserleitung geborsten war und die Frostperiode andauerte, die Erkenntnis aufdrängen, dass weitere Sicherungsmaßnahmen angezeigt waren. Gleichwohl blieb sie in Bezug auf den Teil der Halle, in welchem nur wenig später der streitgegenständliche Versicherungsfall eingetreten ist, schlicht untätig. Der von der Klägerin benannte Zeuge G. B. – ihr Ehemann – hat in seiner erstinstanzlichen Vernehmung vom 18.1.2010 angegeben, nach dem ersten Schaden habe man nachgedacht, was zu veranlassen sei. Die Wasserzufuhr in der linken Hallseite sei sofort abgedreht worden. Rechts sei das nicht gegangen, weil dort das WC habe benutzungsbereit gehalten werden müssen (S. 5 der Sitzungsniederschrift vom 18.1.2010, Bl. 89 d. A.).

Vor der sich bereits an anderer Stelle realisiert habenden Gefahr derart leichtfertig die Augen verschlossen zu haben, rechtfertigt nach Einschätzung des Senats jedenfalls ohne Weiteres zumindest die von der Beklagten bei der Schadensregulierung vorgenommene hälftige Leistungskürzung.

2.

Mit der Unbegründetheit der Hauptforderung entfällt zugleich die rechtliche Grundlage für den unter dem Aspekt des Verzugs geltend gemachten Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 713 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht gegeben.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 11.143,10 € (Erstberufung der Beklagten 6.686,04 €; Zweitberufung der Klägerin 4.457,06 €).