Landgericht Frankfurt
Urteil vom 11.05.2012
Az.: 3 U 153/11
Versicherungssparte: Gebäudeversicherung
Kürzung:

Stichwörter:  Wasserschaden, Frost

Urteil

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 19.5.2011 (3 O 229/10) wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, das angefochtene Urteil nunmehr ohne Sicherheitsleistung.

Dem Kläger wird jedoch gestattet, die vorläufige Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% der Für die Beklagte festgesetzten Kosten abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des beizutreibenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger nimmt als Erbe seiner im Mai 2008 verstorbenen Mutter die Beklagte auf der Grundlage einer bei der Beklagten bestehenden Gebäudeversicherung wegen eines am 26. 12. 2009 zu Tage getretenen frostbedingten Wasserschadens in Anspruch. Das Haus war unbewohnt und stand zum Verkauf. Der Schaden wurde durch unter der Haustür hervortretendes Wasser von Nachbarn entdeckt; die herbeigerufene Feuerwehr stellte die Zufuhr von Wasser und Strom ab. Der Schaden wurde dem Kläger erst am 2.1.2010 bekannt.

Der Kläger hat behauptet, das Haus sei beheizt gewesen, der vom Gaszähler nicht registrierte Verbrauch (für die Heizung) müsse auf einem Defekt beruhen. Seine Ehefrau, die er unstreitig mit der Schadensregulierung beauftragt hatte, hat u. a. erstinstanzlich (Bl. 233 d.A.) auf die Frage nach den Temperaturen ausgesagt, bei einem Aufenthalt im Haus am 21/22.12.2009 sei es so angenehm gewesen, dass man den Mantel habe ausziehen können.

Das Landgericht hat durch Urteil vom 19.5.2011 die Klage abgewiesen und seiner Entscheidung zu Grunde gelegt, der Kläger, vertreten durch seine Ehefrau, habe im Rahmen der Schadensregulierung gegenüber der Beklagten arglistig verschwiegen, dass das Haus nicht beheizt gewesen sei. Dies ergebe sich daraus, dass der Stand des Gaszählers seit einer Kontrolle vom 28.9.2009 bis zur Schlussablesung am 9.3.2010 unverändert 31.725 betragen habe. Zudem hätten am 21./22.12.2009 entgegen der Angabe der Ehefrau keine angenehmen Temperaturen herrschen können, weil in der Zeit vom 18. 12. bis 21.12.2009 strenge Frosttemperaturen -10° geherrscht hätten und das Haus deshalb im buchstäblichen Wortsinne eiskalt gewesen sein müsse. Ein Defekt des Gaszählers sei auszuschließen, nachdem es am 28.9.2009 eine Kontrolle gegeben habe.

Das Landgericht stützt die Klageabweisung im übrigen darauf, dass der Kläger die Herbeiführung des Versicherungsfalls i.S. von § 81 VVG in einem Maße zu verantworten habe, die bedingtem Vorsatz gleichzusetzen sei, so dass ein Anspruch auf Versicherungsleistung vorliegend nicht bestehe.

Im übrigen wird auf die Gründe des angefochtenen Urteils, insbesondere dessen tatsächliche Feststellungen Bezug genommen, wobei jedoch die genaue Aussage der Ehefrau des Klägers zu korrigieren und dem Protokoll der Beweisaufnahme vom 24.3.2012 (Bl. 232 ff d.A.), auf das ebenfalls Bezug genommen wird, zu entnehmen ist.

Dagegen richtet sich die vom Kläger rechtzeitig eingelegte und rechtzeitig begründete Berufung, mit der er sein erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt.

Der Kläger rügt verschiedene Fehler zur Begründung der Klageabweisung im angefochtenen Urteil, insbesondere die nicht ausgewiesene Sachkunde des Gerichts zu Frostschäden.

Der Kläger ist darüber hinaus der Auffassung, dass auch die Hilfsbegründung des angefochtenen Urteils die Entscheidung nicht trage. Das Landgericht habe insbesondere die gebotene Gesamtabwägung zur Feststellung grober Fahrlässigkeit unterlassen.

Auf die Berufungsbegründung wird im übrigen Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 19.5.2011 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 95.459,24 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2.1.2010 zu zahlen sowie die Beklagte ferner zu verurteilen, an den Kläger weitere 2118,44 € vorgerichtliche Anwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil unter Vertiefung ihres tatsächlichen und rechtlichen Vorbringens.

II.

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Das angefochtene Urteil ist jedenfalls im Ergebnis nach dessen Hilfsbegründung nicht zu beanstanden.

Es kann allerdings fraglich sein, ob die Voraussetzungen für die Feststellung arglistigen Verschweigens fehlender Beheizung des streitgegenständlichen Schadensobjekts seit dem 28.9.2009 auf die vom Landgericht zitierte und als bewusst unwahr eingeschätzte Aussage der Ehefrau des Klägers gestützt werden kann. Deren Angaben sind dem Kläger im Rahmen des Versicherungsverhältnisses zwar zuzurechnen, weil sie als seine Repräsentantin anzusehen gewesen ist, nachdem er sie unstreitig mit der Schadensregulierung beauftragt hatte. Aus dem Protokoll der Beweisaufnahme ergeben sich jedoch nicht die im angefochtenen Urteil zu Grunde gelegten Formulierungen der als Zeugin vernommenen Ehefrau des Klägers. Sie hat insbesondere nicht erklärt, dass sie den Mantel ausgezogen habe, als sie das Haus zuletzt am 21. oder 22.12. 2009 besucht habe. Sie hat auch nicht erklärt, dass das Haus zu diesem Zeitpunkt angenehm warm beheizt gewesen sei. Sie hat vielmehr lediglich laut Protokoll erklärt: „Wenn ich gefragt werde, wie die Temperaturen waren, dann meine ich, dass der Wintereinbruch während der Weihnachtstage war. Als ich zuletzt in dem Haus war, war es so angenehm, dass man den Mantel ausziehen konnte.“ Damit hat die Zeugin lediglich ihre subjektive Empfindung wiedergegeben, nicht einmal behauptet, den Mantel tatsächlich ausgezogen zu haben, zumal sie in Begleitung ihres Sohnes gewesen sei, den sie von der Schule abgeholt habe, und nur geschaut habe, ob noch alles in Ordnung ist. Sie hat zwar anschließend auf Befragen des Klägervertreters erklärt, sie könne sagen, dass wenn sie in das Haus gegangen sei, sie eigentlich durch alle Räume gegangen sei und es wäre ihr dabei bestimmt aufgefallen, wenn die Heizung ausgefallen wäre.

Zusammengefasst kann die Aussage der Ehefrau zwar dahin verstanden werden, dass sie habe bestätigen wollen, das zum Zeitpunkt ihres Aufenthalts am 21. oder 22.12.2009 das Haus beheizt gewesen sei; beide protokollierten Aussagen erscheinen dazu jedoch zu allgemein. Eine Wiederholung oder Ergänzung der Beweisaufnahme kann jedoch unterbleiben, weil das Landgericht die Klageabweisung zutreffend auch auf § 81 VVG gestützt hat.

Der Kläger bzw. die von ihm mit der Überwachung des streitgegenständlichen Hauses betrauten Personen haben den Versicherungsfall (Frostschaden) in einem Maße grob fahrlässig herbeigeführt, dass dem Kläger ein Anspruch auf Versicherungsleistung nicht zusteht. Entgegen der Meinung des Klägers ist der mögliche vollständige Leistungsausschluss nach § 81 VVG bereits höchstrichterlich bestätigt, worauf bereits hingewiesen wurde (BGH IV ZR 225/10, NJW 2011, 3299 = VersR 2011, 1037).

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist festzustellen, dass das streitgegenständliche Objekt seit dem 28.9.2009, der Kontrolle des Gaszählers auf Veranlassung des Klägers wegen zu hohen Verbrauchs, nicht beheizt worden ist, weil der dort festgehaltene Zählerstand (31.725, Blatt 136 d.A.) im Beisein der Ehefrau des Klägers bei der Besichtigung zusammen mit dem Regulierungsbeauftragten der Beklagten 15.1.2010 (Bl. 380 d. A.) unverändert festgestellt worden ist, ebenso wie zum Zeitpunkt der Schlussablesung und Entfernung des Zählers durch das Versorgungsunternehmen am 9.3.2010.

  1. aa) Konkrete Anhaltspunkte für einen Defekt des Zählers hat der Kläger nicht vorgetragen. Dagegen spricht bereits eine ausdrücklich auf sein Betreiben wegen zu hohen Verbrauchs durchgeführte Kontrolle des Zählers am 28.9.2009. Der Kläger behauptet selbst nicht, dass der Zähler seitdem in einer Weise defekt gewesen sei, dass er keinerlei Verbrauch mehr gezählt habe. Er hat lediglich behauptet, ein Mitarbeiter des Versorgungsunternehmens habe geäußert, im Hinblick auf das Alter des Zählers könne ein solcher Defekt vorhanden gewesen sein. Diese allgemeine Aussage ist unerheblich.
  2. bb) Hinzu kommt, dass nach dem vom Kläger selbst vorgelegten Kostenvoranschlag der Firma A (Bl. 30 f d.A.) zum Teil aufgeplatzte Heizkörper festgestellt worden sind und der von der Beklagten beauftragte Gutachter G nach dem nunmehr vorgelegten Gutachten vom 6.8.2010 (B1, Bl. 378 d.A.) festgehalten hat, dass Frostaufplatzungen an mehreren Gliederheizkörpern (Seite 8) vorhanden gewesen sind und fast sämtliche Heizkörper auszutauschen gewesen sind (Seite 10). Aus diesen sachlich vom Kläger nicht angegriffenen Tatsachen ergibt sich ebenfalls, dass die Heizung des streitgegenständlichen Hauses jedenfalls nicht in der Frostperiode und auch nicht zum Zeitpunkt der von der Ehefrau angegebenen Kontrolle am 21./22.12.2009 in Betrieb gewesen ist, weil dann die schweren Schäden, insbesondere an den Heizkörpern nicht aufgetreten wären.

Dem steht die Aussage der als Zeugin vernommenen Ehefrau des Klägers nicht entgegen, weil sie lediglich ihre subjektive Empfindung über die im Haus herrschende Temperatur wiedergegeben und zur Frage der Kontrolle der Heizung lediglich allgemeine Angaben gemacht hat. Sie hat überdies lediglich bestätigt, zweimal im Heizungsraum gewesen zu sein, nämlich bei der Zähler Ablesung durch das Versorgungsunternehmen und dann etwa Mitte Oktober des Jahres mit einem Mitarbeiter der Wartungsfirma (Bl. 233 d.A.).

Der Feststellung fehlender Beheizung des Hauses steht auch nicht die Behauptung des Klägers auf der Grundlage der entsprechenden Angabe seiner Ehefrau (Blatt 233 d.A) entgegen, etwa im Oktober des Jahres habe ein Mitarbeiter der Firma A, die mit der Wartung beauftragt gewesen sei eine Überprüfung vorgenommen und bestätigt, dass die Heizung einwandfrei funktioniere. Denn damit ist nicht einmal behauptet, dass die Heizung seit dem angestellt gewesen ist. Dagegen stehen der Zählerstand des Gaszählers sowie die aufgetretenen Aufplatzungen an Heizkörpern.

Auf der Grundlage der unstreitigen Umstände, die auch die Ehefrau des Klägers als Zeugin bestätigt hat, dass es sich um ein im Jahr 1959 gebautes Haus ohne Wärmedämmung und ohne Doppelverglasung sowie leer stehend seit dem Tod der Mutter des Klägers gehandelt hat, stellt sich die fehlende Beheizung, insbesondere vor dem Hintergrund der Frostperiode mit Temperaturen im zweistelligen Minusbereich als eine derart grobe Vernachlässigung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt die Vermeidung von Frostschäden dar, dass ein Eintritt der Beklagten für den Versicherungsfall nach § 81 Abs. 2 VVG ausgeschlossen ist. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil der Kläger mit seiner Familie nur unweit von dem streitgegenständlichen Haus seine eigene Wohnung hat und ihm deshalb die Auswirkungen des strengen Frostes auf die wasserführenden Einrichtungen des leer stehenden Hauses unmittelbar gewärtig sein mussten. Es ist deshalb bereits völlig unverständlich, dass der Kläger bzw. seine Repräsentantin auch unter Zugrundlegung der Annahme, die Heizung des Hauses funktioniere, nicht in den Tagen des strengen Frostes bis zum 21. Dezember, sondern erst danach eine (auch nur oberflächliche) Kontrolle für notwendig erachtet hat. Auf der Grundlage des bewiesenen Umstands, dass das Haus tatsächlich nicht beheizt gewesen ist, ist das Landgericht demnach zutreffend davon ausgegangen, dass dieser Umstand in Verbindung mit fehlender engmaschiger Kontrolle Nähe zum bedingten Vorsatz (dolus eventualis) im Sinne des §§ 81 VVG aufweist (luxuria), die eine Entschädigungspflicht entfallen lässt. Eine engmaschige Kontrolle auch und gerade im Heizungsraum durch den Kläger oder Beauftragte hätte für den Fall, dass die Heizung ursprünglich eingestellt gewesen ist, die Möglichkeit eröffnet, für die Beseitigung eines möglichen Defekts zu sorgen oder die abgeschaltete Heizung in Betrieb zu setzen.

Die Unterlassung der Kontrolle eines in den fünfziger Jahren gebauten ungedämmten Hauses ohne Isolierverglasung rechtfertigt den vom Landgericht erhobenen Umfang des Schuldvorwurfs an den Kläger.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs.1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO sind vorliegend nicht erfüllt.