Liebe Mandantinnen und Mandanten,
liebe Versicherungsmaklerinnen und Versicherungsmakler,

dieser Beitrag von unserem Kollegen Markus Kirner, Of Counsel und Rentenberater, beschäftigt sich mit der Haftungsfalle im Hinblick auf das Übertragungsabkommens sowohl für den Arbeitgeber als auch den Makler. Die betriebliche Altersversorgung ist aufgrund der Herausforderungen für die gesetzliche Rentenversicherung mehr denn je ein wichtiger Baustein für den Aufbau einer ausreichenden Vorsorge für den Ruhestand. Aus diesem Grund versucht der Gesetzgeber seit Jahren, die Attraktivität der betrieblichen Altersversorgung zu erhöhen, wenngleich zuweilen mit untauglichen Mitteln. Zweifelsfrei als positiv zu bewerten ist die Möglichkeit der Fortsetzung von Verträgen und Zusagen der betrieblichen Altersvorsorge bei Arbeitgeberwechsel. Aber wie so oft sind auch hier Theorie und Praxis nicht immer deckungsgleich.

Grundsätzlich zwei Optionen der betrieblichen Weiterführung

Seit Inkrafttreten 1974 sieht das Betriebsrentengesetz die Möglichkeit eine Übernahme von Zusagen der betrieblichen Altersversorgung durch den neuen Arbeitgeber im Einvernehmen aller Beteiligten vor (§ 4 Abs. 2 BetrAVG). Dieser Weg setzt also auch die Zustimmung des neuen Arbeitgebers voraus. Entgegen weit verbreiteter Meinungen handelt es sich bei dieser Vorgehensweise aber nicht nur um die Übernahme der Versicherungsnehmereigenschaft des bestehenden Versicherungsvertrages, sondern um die Übernahme der arbeitsrechtlich durch den Vorarbeitgeber erteilten Zusage mit allen Rechten und Pflichten und somit auch der damit ggfs. verbundenen Risiken.

Da dies in früheren Jahren regelmäßig zur Ablehnung der Übernahme durch den neuen Arbeitgeber führte, wurde durch den Gesetzgeber mit Wirkung zum 01.01.2005 für Arbeitnehmer mit seit diesem Zeitpunkt erteilten Direktversicherungs-, Pensionskassen- und Pensionsfondszusagen bei Arbeitgeberwechsel gegenüber dem neuen Arbeitgeber ein einseitiger Rechtsanspruch auf Übernahme des sog. Übertragungswertes und dessen wertgleiche Wiederanlage im Betriebsrentengesetz verankert (§ 4 Abs. 3 BetrAVG). Eingeschränkt ist dieser Rechtsanspruch auf die sog. Portierung nur in zweierlei Hinsicht: er besteht nur innerhalb der ersten 12 Monate nach Ausscheiden bei Vorarbeitgeber und gilt nur soweit, als der Übertragungswert die Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung nicht übersteigt.

Die Wertgleichheit der neuen Zusage nach Übertragung bezieht sich ausdrücklich nicht auf Leistungsinhalte oder Leistungshöhen. Bei der der Übertragung von Übertragungswerten (Deckungskapital) im Zusammenhang mit einem Arbeitgeber- und damit verbunden einem Anbieterwechsel kann allein schon aufgrund unterschiedlicher Rechnungsgrundlagen der unterschiedlichen Produktanbieter nicht der identische Rentenwert in Euro und Cent entstehen. Daneben finden im Zuge der Portierung ggfs. auch Umstellungen auf die neuen Rechnungsgrundlagen (Sterbetafeln, Garantiezinsen, Unisex- anstelle Bisex-Tarifierung etc.) statt.

Vielmehr bedeutet Wertgleichheit in diesem Zusammenhang, dass der Gegenwert der Zusage über den neuen Versorgungsträger dem der Zusage des ehemaligen Versorgungsträgers entspricht. Hierbei ist auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Übertragung abzustellen. Somit ist bei Übertragung des Übertragungswertes und dessen Wiederanlage ohne erneute Kosten die Wertgleichheit erfüllt.

Theoretisch (und meistens auch in der Praxis) sind über den Weg der Portierung damit die Risiken des neuen Arbeitgebers aus der Zusage des Vorarbeitgebers auszuschließen, kann doch der neue Arbeitgeber nun selbst den Anbieter, den versicherungsförmigen Durchführungsweg und die genutzten Versicherungstarife auswählen. Daher war und ist dieses Verfahren auch tatsächlich geeignet, die Akzeptanz der Arbeitgeber zur betrieblichen Fortführung von vom Vorarbeitgeber dem neu eintretenden Mitarbeiter erteilten Zusagen zu erhöhen.

Problemstellung in Folge von Leistungskürzungen bei Pensionskassen

Aufgrund der Entwicklungen am Kapitalmarkt einerseits und zu optimistischen Annahmen bei der Kalkulation andererseits kamen in den letzten 10 Jahren eine ganze Reihe von Pensionskassen in wirtschaftliche Probleme. Die bekanntesten Fälle dabei waren die Kölner Pensionskasse VVaG, die Pensionskasse für die Deutsche Wirtschaft VVaG, die Deutsche Steuerberater-Versicherung – Pensionskasse des steuerberatenden Berufs VVaG und die Pensionskasse der Caritas VVaG. Daneben gab es aber noch eine ganze Reihe anderer Pensionskassen, die allesamt nicht mehr über ausreichend Mittel verfügten, um dauerhaft die zugesagten (Garantie-)Leistungen erbringen zu können. In der Folge wurden mit Genehmigung und auf Anordnung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die garantierten Leistungen auch für den Bestand gekürzt.

Diese Kürzungen wiederum führten und führen zwangsläufig zu einer Subsidiärhaftung des Arbeitgebers aufgrund der Bestimmungen des § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG. Demnach hat der Arbeitgeber für die Erfüllung der von ihm (bzw. in seinem Auftrag) erteilten Zusage einzustehen, selbst wenn er sich für die Durchführung der betrieblichen Altersversorgung über einen externe Versorgungsträger entscheidet und dieser nicht (ausreichend) leistet. Die Differenzhaftung entsteht dabei aber erst zum Zeitpunkt der Leistungsverpflichtung (z.B. Rentenbeginn), könnte aber grundsätzlich über Nachdotierungen des Arbeitgebers ausgeglichen werden.

Da aber manche der notleidenden Pensionskassen kein Neugeschäft mehr annehmen dürfen, ist bei diesen auch eine Nachdotierung nicht möglich. Zudem sehen betroffene Arbeitgeber oftmals nicht ein, warum sie hier zusätzliche Finanzierungsmittel aus eigener Tasche nachschießen sollen (zumal bei einer durch Entgeltumwandlung finanzierten Zusage), verfügen ggfs. auch nicht über eine entsprechende freie Liquidität oder warten schlicht ab, was bei Renteneintritt tatsächlich passiert. Dies hat zur Folge, dass die Unterdeckung der Zusage latent weiter besteht.

Übernahme der Unterdeckung

Wechselt nun ein Arbeitnehmer mit einer von Unterfinanzierung betroffenen Pensionskassenzusage seinen Arbeitgeber und übernimmt der neue Arbeitgeber die Zusage im Einvernehmen gem. § 4 Abs. 2 BetrAVG, so übernimmt er zwangsläufig eben nicht nur den Versicherungsvertrag als Versicherungsnehmer, sondern zugleich die Unterdeckung!

Soweit sich der neue Arbeitgeber dieses Risikos bewusst ist, wird er im Regelfall einer einvernehmlichen Übernahme nicht zustimmen. Getreu der Redewendung „Den Letzten beißen die Hunde“ besteht schließlich das Risiko, als letzter Arbeitgeber bei Renteneintritt des neuen Arbeitnehmers die Unterdeckung ausgleichen zu müssen. Auch wird der neue Arbeitgeber lieber einen von ihm präferierten Versorgungsträger haben wollen und nicht Mitglied im notleidenden VVaG werden wollen.

So werden sich die Beteiligten sehr schnell auf die Portierung nach § 4 Abs. 3 BetrAVG verständigen, da es dabei für den neuen Arbeitgeber keine Subsidiärhaftung aus dem übernommenen Teil gibt.

Das Übertragungsabkommen

Das Abkommen zur Übertragung zwischen den Durchführungswegen Direktversicherung, Pensionskasse oder Pensionsfonds bei Arbeitgeberwechsel (Übertragungsabkommen) ermöglicht grundsätzlich die Fortsetzung von Verträgen der betrieblichen Altersvorsorge bei Arbeitgeberwechsel. Jedoch sind im Übertragungsabkommen eine ganze Reihe von Ausnahmen vorgesehen, die eine Übertragung des Übertragungswertes zwischen den Versorgungseinrichtungen ausschließen!

Das Übertragungsabkommen gilt naturgemäß nur für die Versorgungsträger, die dem Abkommen auch beigetreten sind. Dies heißt, eine Übertragung von Übertragungswerten wird auch nur zwischen diesen Versorgungseinrichtungen durchgeführt. Zwar sind derzeit 98 Versorgungsträger beigetreten, darunter auch 17 Pensionskassen. Bei diesen aber handelt es sich nahezu ausnahmslos um die zu namhaften Versicherungskonzernen gehörenden Pensionskassen. Hingegen ist bis auf eine Ausnahme (Deutsche Steuerberater-Versicherung Pensionskasse des steuerberatenden Berufs VVaG) keine der von Leistungskürzungen betroffenen Pensionskassen dem Abkommen beigetreten oder dort aufgenommen worden. Insofern ist die Portierung für den neuen Arbeitgeber als schuldbefreiendes Instrument für die aus der beim Vorarbeitgeber entstandenen Unterdeckung in all diesen Fällen in der Praxis nicht möglich.

Aber selbst zwischen dem Abkommen beigetretenen Versorgungseinrichtungen ist nicht alles übertragbar. Denn auch die bei den insgesamt 8 dem Abkommen beigetretenen Pensionsfonds bestehenden Pensionspläne gemäß § 236 Abs. 2 VAG (also ohne „versicherungsförmige Durchführung“, stattdessen mit Verpflichtung zur Nachschusszahlung bei Unterdeckung) sind von der Übertragung ausgeschlossen.

Auswirkungen für Arbeitgeber

Aus den Ausnahmetatbeständen des Übertragungsabkommens ergibt sich nun für den neuen Arbeitgeber ein Problem. Denn die für ihn risikolose Option der Portierung scheidet aus. Die Übernahme der Zusage ist aus oben genannten Gründen der Übernahme der Subsidiärhaftung vom Vorarbeitgeber ebenfalls nicht erwünscht.

Während letzteres Verfahren aber von der Zustimmung des neuen Arbeitgebers abhängig ist, besteht für die Portierung ein Rechtsanspruch des Arbeitnehmers. Ob und wie dies durch den neuen Arbeitgeber umgesetzt werden kann, liegt allein in dessen Verantwortlichkeit, mithin auch die Haftung infolge einer Nichtumsetzung. Hier hat es der Gesetzgeber in den letzten Jahren versäumt, praxisnähere Regelungen zu erlassen, um nicht dem neuen Arbeitgeber ein von ihm ursprünglich nicht zu verantwortendes Risiko aufzubürden.

Lösungsansätze

Wenigstens für einen Teil der „Problemzusagen“ sieht das Betriebsrentengesetz aber seit der Reform des § 2 zum 24.06.2020 einen weitestgehend unbeachteten Lösungsansatz vor. Nach § 2 Abs. 2 S. 3 bleibt die Einstandspflicht des Arbeitgebers für mittelbare Versorgungszusagen, zu denen die Direktversicherungs-, Pensionskassen- und Pensionsfondszusage gehört, unberührt. Daraus folgt, dass der Arbeitgeber nicht nur für das Quotierungsprinzip („m/n-tel“), sondern auch bei Anwendung des Ersatzverfahrens (sog. versicherungsvertragliche Lösung) im Zusammenhang mit dem Ausscheiden des Arbeitnehmers für Leistungen aus seiner Zusage insoweit einstehen muss, wie sie zugesagt wurden, aber von dem Versicherer nicht erbracht werden. Einen entsprechenden Verweis enthält auch der die Pensionskassenzusagen betreffende Abs. 3 S. 3. Diese Einstandspflicht ist verschuldensunabhängig und gilt – obwohl erst zum 23.6.2020 durch die Veröffentlichung im BGBl. I in das BetrAVG eingefügt worden – auch für Zusagen, deren Erteilung vor dem 24.6.2020 erfolgt ist.

Dies bedeutet, dass bei Anwendung der versicherungsvertraglichen Lösung (diese ist nicht gleichbedeutend mit der „Mitgabe der Versicherung“, sondern eine Option zur Anspruchsbegrenzung aus der Zusage und somit rechtlich etwas vollkommen anderes), verbunden mit der Übertragung der Versicherungsnehmereigenschaft auf den ausgeschiedenen Arbeitnehmer die Subsidiärhaftung aus der Unterdeckung beim alten Arbeitgeber verbleibt. Wenn dann zu einem späteren Zeitpunkt eine Übertragung der Versicherungsnehmereigenschaft auf einen neuen Arbeitgeber erfolgt, ist das für diesen folgenlos.

Leider ist dies wie bereits erwähnt jedoch nur für einen Teil der „Problemzusagen“ die Lösung. Denn die Erfüllung der sog. sozialen Auflagen des § 2 Abs. 3 i.V.m. § 2 Abs. 2 BetrAVG obliegt anders als bei Direktversicherungen ausschließlich den Organen der Pensionskasse und ist der unmittelbaren Einflussnahme des Arbeitgebers entzogen. Manche Pensionskassen lassen auf dieser Grundlage generell kein versicherungsvertragliches Verfahren zu, bei anderen Pensionskassen ist dies zumindest für einen Teil des Bestandes der Fall. In diesen Fällen ist dann leider auch der vorher beschriebene Lösungsansatz nicht wirksam. Stattdessen bedarf es hier dann einer kreativen einvernehmlichen Lösung zwischen Arbeitgeber und dem neu eintretenden Arbeitnehmer.

Empfehlung

Die Übernahme von Zusagen auf betriebliche Altersversorgung neu eintretender Arbeitnehmer wird in der Praxis gerne vom Arbeitgeber an den Versicherungsmakler delegiert. Jedoch ist dies wie beschrieben ggfs. auch mit Haftungsrisiken verbunden, wenn im Zuge der Prüfung und Umsetzung der einvernehmlichen Übernahme eine Unterdeckung übersehen wird.

Da eine derartige Dienstleistung grundsätzlich nicht über das Maklermandat erfolgt (der Versicherungsvertrag befindet sich ja im Zeitpunkt der Prüfung noch nicht in der Sphäre des Mandanten, sondern noch in der des alten Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers), kann diese Prüfung grundsätzlich eigentlich nur im Rahmen einer anderweitigen Dienstleistungsvereinbarung erfolgen. In dieser Vereinbarung sollte ausdrücklich auf den Umstand hingewiesen werden, dass die Prüfung einer etwaigen Unterdeckung einer Zusage nicht Gegenstand der Dienstleistung ist.

Dies gilt umso mehr, als viele Versorgungsträger im Zusammenhang mit dem beliebten Argument des Datenschutzes auch nur wenig bis gar nicht bereit sind, hierzu offen Auskünfte zu erteilen.

Für Fragen rund die bAV als auch Versorgungsordnung steht Ihnen das Team der Kanzlei Michaelis gerne zur Verfügung.

Herzlichst,

Ihr,

Stephan Michaelis LL.M.
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht