Mit dieser Fragestellung hatte sich der Bundesgerichtshof (Aktenzeichen VII ZR 107/15) jüngst zu beschäftigen.

Diese Rechtsfrage kann aber möglicherweise auch Sie als Versicherungsvermittler selbst betreffen! Klären Sie Ihre eigenen Kunden über ihren Versicherungsschutz auf, oder sind Sie dazu überhaupt nicht verpflichtet? Der Bundesgerichtshof hat hierzu zwei Kriterien aufgestellt, die sowohl hinsichtlich des Versicherungsschutzes Ihrer Mandantschaft, als auch hinsichtlich Ihrer eigenen Aufklärungspflichten berücksichtigt werden sollten.

In dem Leitsatz heißt es, dass nach Treu und Glauben über das Fehlen eines Versicherungsschutzes aufzuklären sein könnte, wenn eine solche Versicherung branchenüblich ist.

Hinsichtlich Ihrer Pflichtversicherung für die Versicherungsvermittlung wird also zunächst festzustellen sein, dass hier aus Treu und Glauben eine Branchenüblichkeit dem Grunde nach festgestellt werden könnte.

Weiter heißt es in der BGH-Entscheidung:

„Eine Rechtspflicht zur Aufklärung bei Vertragsverhandlungen auch ohne Nachfrage besteht allerdings dann, wenn der andere Teil nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicher Weise die Mitteilung von Tatsachen erwarten durfte, die für deine Willensbildung offensichtlich von ausschlaggebender Bedeutung sind.“

Sofern Sie also als Versicherungsvermittler den Versicherungsschutz für ein Risiko des Kunden vermitteln, welches wesentlich höher ist, als die bei Ihnen vorhandene Versicherungssumme Ihres eigenen Versicherungsvertrages, so kann nach dem vorgenannten Grundsatz möglicherweise die Verpflichtung bestehen, auch ohne Nachfrage des Kunden diesen über den Umfang – also die Höhe – des eigenen Versicherungsschutzes aufklären zu müssen.

Des Weiteren konkretisiert der BGH, dass eine solche ungefragte Aufklärungspflicht nur dann besteht, wenn es sich um einen außergewöhnlich hohen Wert handelt, der in Rede steht. Dieses kann natürlich auch bei einem Versicherungsmakler schnell gegeben sein, wenn der Gegenstand der Beratung vom „Wert“ weit über die eigene Versicherungssumme hinausgeht.

Neben dem besonderen Wert, der eine Aufklärungspflicht voraussetzen kann, kann aber auch eine ungefragte Aufklärungspflicht bestehen, wenn es sich um branchenüblichen Versicherungsschutz handelt.

So definiert der BGH nochmals die Branchenüblichkeit:

„Branchenüblichkeit liegt vor, wenn sich innerhalb einer Gruppe von Unternehmen, die ähnliche Leistungen auf dem Markt anbieten, eine Gepflogenheit oder ein Brauch innerhalb einer bestimmten Tätigkeit entwickelt hat, der nicht nur vorübergehend besteht, sondern eine gewisse Kontinuität erkennen lässt.“

Besteht also eine Branchenüblichkeit hinsichtlich eines „üblichen“ Versicherungsschutzes eines Vermittlers, so ist aufgrund der Branchenüblichkeit auch ein Kunde darüber aufzuklären, wenn entgegen der Branchenüblichkeit ein solcher Versicherungsschutz nicht besteht. Und dieses wohlgemerkt auch ohne Erfordernis einer Nachfrage des Kunden. Eine solche Aufklärung hat unaufgefordert und von sich aus zu erfolgen.

Wenn also andere Makler für bestimmte Versicherungsprodukte regelmäßig eine höhere eigene Versicherungssumme eingedeckt haben, so kann dies auch eine ungefragte Aufklärungspflicht gegenüber dem eigenen Kunden begründen. So kann z. B. durch eine Verbandsempfehlung und Umsetzung der Verbandsmitglieder ein branchenüblicher Standard einer Vermögensschadendeckung begründet werden.

Diese vorvertraglichen Aufklärungspflichten können aber alle Marktteilnehmer treffen, da es sich hier um allgemeine Grundsätze handelt. In dem vorliegenden Fall konnte der Bundesgerichtshof nicht ausschließen, dass der Juwelier ungefragt seinem Kunden auskunftspflichtig ist, ob der in Verwahrung genommene Schmuck gegen das Risiko des Verlustes oder Diebstahls versichert ist. Ebenso kann beispielsweise eine Kfz-Werkstatt aufklärungspflichtig sein, ob die in Reparatur befindlichen Fahrzeuge ebenfalls gegen Diebstahl oder gegen die Feuergefahr versichert sind. Auch hier gilt das Kriterium einer Üblichkeit innerhalb einer Branche oder aber die Tatsache, dass es sich um einen außergewöhnlich hohen Wert handelt. Dieses wäre bei vielen Kraftfahrzeugen vermutlich schnell der Fall, wenn diese in Obhut genommen werden.

Neben der Frage der eigenen Aufklärungspflicht der Vermittler kann diese BGH-Entscheidung in Kundenkreisen als Akquiseargumentation genutzt werden. Denn grundsätzlich sollte bei einem Kunden nicht nur der Eigenschaden versichert werden, sondern es sollte auch eine Beratung darüber stattfinden, welche „Fremdschäden“ versicherbar sind, gerade wenn es um die Verwahrung, Reparatur oder Obhutsnahme fremder Sache von bedeutendem Wert geht.

Fazit:

Aus Treu und Glauben kann sich eine ungefragte Aufklärungspflicht über das Fehlen eines Versicherungsschutzes ergeben, wenn ein außergewöhnlich hoher Wert in Rede steht oder ein solcher Versicherungsschutz branchenüblich ist. Dann besteht eine spontane vorvertragliche Aufklärungspflicht aus Treu und Glauben gegenüber dem jeweiligen (künftigen) Vertragspartner. Die Verletzung dieser Aufklärungspflicht kann einen selbständigen Schadenersatzanspruch begründen, der dann nicht oder nicht vollständig versichert ist.