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Der Tresorschlüssel hinter dem Heizkörper

Kammergericht Berlin
Urteil vom 27.07.2018
Az.: 6 U 38/17
Versicherungssparte:
Kürzung: 0

Stichwörter: Schlüssel, Tresor, Einbruch

Urteil

Tenor

In dem Rechtsstreit

hat der Senat nunmehr über die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der Zivilkammer 44 des Landgerichts Berlin vom 16. Februar 2017 beraten und beabsichtigt im Ergebnis, die Berufung durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Gründe

I.

Die Klägerin verlangt mit ihrer Klage von der Beklagten aus einer Hausratversicherung weitergehende Leistungen wegen eines Schadensfalles, die Beklagte mit ihrer Widerklage die Rückzahlung darauf bereits erbrachter Versicherungsleistungen.

Am 30./31.08.2014 kam es zu einem Einbruchdiebstahl in das Einfamilienhaus der Klägerin in … Berlin, …, für das seinerzeit eine Hausratversicherung bei der Beklagten bestand. Die Beklagte erbrachte vorgerichtlich Versicherungsleistungen, u.a. erstattete sie 20.452,00 € für abhandengekommene Wertsachen, die in einem eingemauerten Wandtresor verwahrt waren. Für Wertsachen, die in § 19 Ziff. 1c der vereinbarten Allgemeinen Hausratversicherungsbedingungen (VHB 84, Anlage K 1) beschrieben sind und die nicht in einem gegen Wegnahme besonders gesicherten Behältnis verwahrt werden, ist in § 19 Ziff. 3 c der Bedingungen eine Entschädigungshöchstgrenze von 40.000,- DM (= 20.452,- €) je Versicherungsfall festgelegt (vgl. auch die Entschädigungsgrenze für Wertsachen im Nachtrag zum Versicherungsschein vom 10.08.2009, ebenfalls Anlage K 1).

Das Landgericht hat der Klage teilweise in Höhe von 3.034,57 € stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Es hat den von der Beklagten im Rechtsstreit allein erhobenen Vorwurf einer arglistigen Verletzung der Aufklärungsobliegenheit und einer grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalles (bzw. Verletzung der Schadensminderungspflicht) als nicht durchgreifend erachtet. Die Beklagte habe nicht bewiesen, dass die Klägerin gegenüber ihrer Regulierungsbeauftragen falsche Angaben zum Verschlusszustand des alten Wandtresors gemacht habe. Der Vorwurf grob fahrlässiger Schadensverursachung sei unberechtigt; insbesondere sei das Verstecken der Safeschlüssel im Haus nicht grob fahrlässig.

Wegen des Sach- und Streitstandes der Parteien im Einzelnen sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 522 Abs. 2 S. 4 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Die Beklagte rügt mit ihrer Berufung, das Landgericht habe sich bei seiner Beurteilung der Art der Verwahrung der Wertsachen in einem alten Tresor, dessen Schlüssel im Haus versteckt waren, u.a. auf die Angabe der jungen und unerfahrenen Kriminalkommissarin und Zeugin Z… gestützt. Deren Sicht, ein Auffinden der Schlüssel durch Diebe im Haus sei unwahrscheinlich, decke sich nicht mit den Äußerungen erfahrener Kriminalbeamter. Nach Auffassung der Beklagten hätten die Schlüssel mitgeführt oder im Banksafe verwahrt werden müssen. Ferner sei der weitere Tresor der Klägerin, der auf dem Foto Anlage K 21 zu sehen ist, deutlich größer, moderner und sicherer. Darüber hinaus sei das Landgericht aufgrund falscher Beweiswürdigung nicht zu dem Ergebnis gekommen, dass die Klägerin falsche Angaben zum Verschlusszustand des Wandtresors gemacht habe und die Beklagte deswegen wegen arglistiger Täuschung leistungsfrei sei.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des am 16.02.2017 verkündeten Urteils des Landgerichts Berlin – 23 O 54/16

  1. die Klage abzuweisen und
  1. die Klägerin zu verurteilen, 29.582,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.03.2015 zu zahlen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sachvortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Terminsprotokolle erster Instanz verwiesen.

II.

1.) Auf die streitgegenständlichen Ansprüche findet das VVG in der ab dem 01.01.2008 geltenden Fassung (künftig: VVG) Anwendung, weil der Versicherungsfall nach dem genannten Zeitpunkt eingetreten ist, Art. 1 EGVVG.

2.) Zu Recht hat das Landgericht der Klägerin weitere Leistungen aus der Hausratsversicherung zugesprochen und die widerklagend geltend gemachte Forderung der Beklagten auf Rückzahlung erbrachter Leistungen als unbegründet zurückgewiesen, weil die Beklagte nicht leistungsfrei geworden ist.

Gemäß § 513 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Beides trifft im vorliegenden Fall nicht zu.

a.) Die Beklagte rügt, das Landgericht habe grobe Fahrlässigkeit hinsichtlich der Verwahrung der Wertsachen im Wandtresor zu Unrecht verneint, weil es die Gefahr einer Entdeckung von im Haus versteckten Schlüsseln durch Einbrecher und damit das Risiko der Entwendung der im Tresor verwahrten Wertsachen fehlerhaft beurteilt habe.

Dieser Einwand geht fehl. Das gilt selbst dann, wenn man zugunsten der Beklagten unterstellt, dass die Sicherheit, die ein Tresor bietet, entwertet ist, wenn die Schlüssel im gleichen Haus versteckt sind. Die Leistungspflicht der Beklagten besteht unabhängig davon fort.

aa.) Die Beklagte ist nicht nach § 28 Abs. 2 VVG i.V.m. § 9 Ziff. 1a VHB 84 von ihrer Leistungspflicht freigeworden. Die Beklagte sieht zwar richtigerweise in § 9 Ziff. 1a VHB 84 eine vertraglich vereinbarte Obliegenheit, die dem Versicherungsnehmer abverlangt, schon vor Eintritt des Versicherungsfalls Maßnahmen zur Schadensverhütung und -minderung zu ergreifen. Selbst wenn man die in § 21 Nr. 3 VHB 84 festgelegte Rechtsfolge für die Verletzung der in § 21 Nr. 1 und 2 VHB 84 geregelten Obliegenheiten für anwendbar hielte, kommt ein vollständiger oder teilweiser Wegfall der Leistungspflicht nicht in Betracht. Denn dort wird auf die außer Kraft getretenen Rechtsfolgen der §§ 6 Abs. 3, 62 Abs. 2 VVG a.F. verwiesen. Die Rechtsfolgen nach diesen außer Kraft getretenen Bestimmungen weichen zum Nachteil des Versicherungsnehmers von den gesetzlichen Bestimmungen ab und führen zur Unwirksamkeit nach § 32 S. 1 VVG i.V.m. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB. Die durch die Unwirksamkeit entstandene Vertragslücke kann nicht durch Anwendung der gesetzlichen Regelung des § 28 Abs. 2 S.1, Abs. 3 und 4 VVG n. F. geschlossen werden (vgl. dazu BGH, Urteil vom 02.4.2014 – IV ZR 156/13 -, ZfSch 2016, 38; Urteil vom 12.10.2011 – IV ZR 199/10 -, VersR 2011, 1550).

  1. bb) Auch eine Herabsetzung der Leistungspflicht oder Leistungsfreiheit der Beklagten nach § 81 VVG oder § 82 VVG kommt im vorliegenden Fall nicht in Betracht. Es fehlt bereits an den tatbestandlichen Voraussetzungen der genannten gesetzlichen Bestimmungen. § 81 VVG ist mangels eines kausalen Zusammenhangs zwischen den beanstandeten Verwahrmodalitäten und dem Eintritt des Versicherungsfalls nicht erfüllt. Die Täter haben sich durch gewaltsames Aufhebeln der Terrassentür Zugang in das versicherte Wohnhaus verschafft, was durch die Verwahrung von Wertsachen im Tresor bei in der Wohnung verstecktem Schlüssel nicht begünstigt worden ist. § 82 VVG, der Obliegenheiten bei Eintritt des Versicherungsfalles zum Gegenstand hat, ist nicht einschlägig, weil die Beklagte der Klägerin vorwirft, vor Eintritt des Versicherungsfalls ungenügende Schutzmaßnahmen ergriffen zu haben.

Abgesehen davon ist der Vorwurf grober Fahrlässigkeit auch nicht berechtigt. Denn der Vorwurf der grob fahrlässigen Schadensverursachung setzt grundsätzlich voraus, dass das fragliche Verhalten, das zum Schaden geführt hat, den nach dem Vertrag vorausgesetzten Standard an Sicherheit im Hinblick auf die versicherte Diebstahlsgefahr deutlich unterschritten hat (vgl. dazu BGH, Urteil vom 21.02.1996 – IV ZR 321/94 -, NJW 1996, 1411, Rn. 9 nach juris, bestätigt mit Urteil vom 15.10.1997 – IV ZR 264/96NJW-RR 1998, 166, Rn. 3, 4 nach juris). Das kann hier gerade nicht festgestellt werden. Denn nach den Versicherungsbedingungen gilt für Wertsachen (Schmuck, Münzen o.ä.) bis zu einer Wertgrenze von 20.452,- € kein spezieller Sicherheitsstandard. Insoweit hat die Beklagte Versicherungsschutz unabhängig von den Verwahrverhältnissen zugesagt (vgl. § 19 VHB 84 und den Nachtrag zum Versicherungsschein, jeweils Anlage K 1). Da die Klägerin mit der Verwahrung in dem eingemauerten Tresor sogar einen höheren Sicherheitsstandard als vertraglich vorausgesetzt gewahrt hatte, ist der Vorwurf grob arglistigen Verhaltens erst Recht nicht begründet.

2.) Die Beklagte greift mit ihrer Berufung ebenfalls ohne Erfolg die Beweiswürdigung des Landgerichts zur Frage einer arglistigen Täuschung der Klägerin durch falsche Angaben zum Verschlusszustand des eingemauerten Wandsafes an.

a.) Zum einen gilt auch hier, dass der Leistungsfreiheit nach § 28 Abs. 2 VVG entgegen steht, dass die Beklagte ihre Versicherungsbedingungen nicht an das neue Recht angepasst und es damit an einer vertraglichen Vereinbarung der Rechtsfolgen, die nach § 28 VVG bei vertraglichen Obliegenheitsverletzung nur eintreten können, wenn sie vereinbart sind, fehlt, während die in § 21 VHB 84 vertraglich bestimmten Rechtsfolgen nichtig sind. Diese Nichtigkeitsfolge ist unabhängig von der Art des Schuldvorwurfs; sie tritt insbesondere auch ein, wenn dem Versicherungsnehmer Arglist angelastet wird (vgl.BGH, Urteil vom 02.4.2014 a.a.O.).

b.) Zum anderen ist die Tatsachenfeststellung des Landgerichts auch unter Berücksichtigung der Ausführungen in der Berufungsbegründung nicht zu beanstanden.

Grundsätzlich hat das Berufungsgericht gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO seiner Verhandlung und Entscheidung die erstinstanzliche Tatsachenfeststellung zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen des Landgerichts begründen und deshalb eine erneute Feststellung durch das Berufungsgericht gebieten (vgl. dazu BGH VersR 2014, 1018 – 1020, zitiert nach juris, dort Rdz. 10; BGH VersR 2007, 102 – 104, zitiert nach juris dort Rdz. 23).

Erhebliche Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Beweiswürdigung des Landgerichts legt die Beklagte mit ihrer Berufung nicht dar. Sie rügt lediglich ein aus ihrer Sicht unzutreffendes Ergebnis der Beweiswürdigung, wobei sie dabei jedoch nur ihre eigene – abweichende – Beweiswürdigung gegen die des Landgerichts setzt, was jedoch, da es regelmäßig nicht nur ein vertretbares Ergebnis der Beweiswürdigung gibt, nicht genügt. Konkrete Umstände dagegen, die geeignet sind, Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit Beweiswürdigung zu begründen, zeigt sie nicht auf.

Zweifel an der Beweiswürdigung durch das Landgericht ergeben sich entgegen der Beklagten insbesondere nicht aus den Feststellungen des Landgerichts in der mündlichen Verhandlung vom 01.12.2016, die mit dem Ergebnis der Beweiswürdigung nicht vereinbar seien. Einen Widerspruch zeigt die Beklagte insoweit nicht auf, weil es sich bei den von ihr zitierten Passagen nicht um Feststellungen des Landgerichts handelt, sondern um protokollierte Hinweise ihres Prozessbevollmächtigten (S. 10 f. d. Terminsprotokolls vom 01.12.2016). Auch hindert der Umstand, dass die Angaben in dem Sachverhaltsbericht, den der am Tatort tätige Polizeibeamte, der Zeuge F…, verfasst hat, von den Angaben des Zeugen K… abweichen, nicht, der Schilderung des Zeugen K… zu glauben und der Entscheidung zugrunde zu legen. Das Landgericht hat auch nicht die Beweiskraft des Berichts des Zeugen F… verkannt. Es hat, wie auch die Beklagte, darin eine öffentliche Urkunde i.S.v. § 415 ZPO gesehen, die Beweis für die Tatsache erbringt, dass die aufgenommenen Erklärungen von den genannten Personen mit dem in dem Bericht niedergelegten Inhalt abgegeben sind. Ob dieses richtig ist, kann dahin stehen, da nach § 415 Abs. 2 ZPO der Gegenbeweis möglich ist und das Landgericht diesen als geführt gesehen hat. Die Gründe dafür hat es im angefochtenen Urteil ausführlich und überzeugend dargelegt. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht dem Zeugen … geglaubt hat und die Abweichungen zwischen dessen Aussage und dem Inhalt des Berichts zur Strafanzeige auf Missverständnisse zurückgeführt hat, die aufgrund der Existenz von zwei Tresoren im Haus der Klägerin und der damaligen Situation unmittelbar nach der Tat und zur Nachtzeit nachvollziehbar seien. Das Landgericht legt dabei, ohne dass insoweit Verfahrensfehler ersichtlich sind, zugrunde, dass es im Haus der Klägerin zwei Tresore gab, was das Auftreten von Missverständnissen erklärlich macht. Der Zeuge K… hat das Vorhandensein von zwei Tresoren sicher bestätigt. Diese Aussage wird gestützt durch die Angaben der Zeugin Z…, die als Polizeibeamtin am 31.08.2014 bei der Aufnahme der Ermittlungen am Tatort tätig war, und sich jedenfalls vage an einen zweiten Tresor erinnert hat (“Das kann gut sein, mir war auch immer irgendwie so wie zwei Tresore; sicher bin ich da aber nicht.” “Der moderne weiße Tresor kommt mir bekannt vor”, S. 7 des Terminsprotokolls vom 16.02.2017). Die Aussage des Zeugen F…, der den Bericht vom 31.08.2014 verfasst hat, steht nicht in Widerspruch dazu, da er keine Erinnerung daran hatte, ob sich im Arbeitszimmer der Klägerin ein weiterer Tresor befand. Entsprechendes gilt für die Aussage des Zeugen Ku…, der keine eigenen Wahrnehmungen zur Ausstattung des Hauses der Klägerin mit Tresoren gemacht hatte, sich vielmehr seine Meinung dazu nur aufgrund von Schlussfolgerungen aus einem Gespräch mit dem Zeugen F… im März 2015 gebildet hatte.

III.

Auch die weiteren Voraussetzungen für eine Zurückweisung der Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind erfüllt. Weder kommt der Rechtssache nach den vorstehenden Ausführungen grundsätzliche Bedeutung zu (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO) noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung vorliegend eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO), weshalb auch eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO).

VI.

Der Beklagten wird Gelegenheit gegeben, binnen dreier Wochen ab Zugang dieses Beschlusses Stellung zu nehmen oder – schon aus Kostengründen – eine Berufungsrücknahme zu erwägen. In diesem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, dass sich im Falle der Berufungsrücknahme die Gerichtskosten auf die Hälfte reduzieren würden (vgl. KV 1222 zum GKG, dort Anlage 2).

RechtsgebieteVVG, VHB 1984Vorschriften§ 1 S. 2 VVG, § 81 Abs. 2 VVG, § 82 Abs. 2 VVG, § 19 Nr. 1 Buchst. c VHB 1984, § 19 Nr. 3 Buchst. c VHB 1984

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