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Die gebrochene Überwurfmutter

Landgericht Osnabrück
Urteil vom 10.04.2012
Az.: 9 O 762/10
Versicherungssparte: Wohngebäudeversicherung
Kürzung: 70 %

Schlagwörter: Waschmaschine, Wasserschlauch, Wasserschaden, Aqua-Stopp

Urteil

1.) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 585,10 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.03.2010 sowie 93,02 € zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2.) Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 9/10 und die Beklagte zu 1/10.

3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Zwangs-vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der jeweilige Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Leistung aus einer Wohngebäudeversicherung aufgrund eines Wasserschadens.

Die Klägerin ist Eigentümerin einer Wohnung im 2. Obergeschoss des Hauses …. Im Hinblick auf dieses Haus besteht bei der Beklagten zu Gunsten der Wohnungseigentümergemeinschaft, der auch die Klägerin angehört, eine Wohngebäudeversicherung mit der Versicherungsschein-Nummer …. Diese Versicherung umfasst unter anderem Leitungswasserschäden aus Zu- und Ableitungsrohren.

Am 29.06.2009 rutschte unmittelbar in der Wohnung der Klägerin der Wasserschlauch ihrer ausgeschalteten Waschmaschine infolge eines Bruchs der Überwurfmutter, welche auf das Gewinde des Wasserhahns geschraubt wird, vom Wasseranschluss ab. Da der Wasserhahn nicht zugedreht war, weil die Klägerin diesen nie bei Verlassen der Wohnung zudreht, lief aus der Anschlussleitung Wasser in die Wohnung der Klägerin. Diese befand sich zu dem Zeitpunkt für einen etwa einstündigen Friseurbesuch außer Haus; es war auch keine andere Person in der Wohnung. Unterwegs wurde die Klägerin dann von einer Nachbarin telefonisch informiert, dass in ihrer Wohnung etwas nicht in Ordnung sei.

Mit der Klage macht die Klägerin die aus dem Wasserschaden resultierenden Schäden geltend, die sie wie folgt beziffert:

Malerarbeiten 1.460,75 €

Fliesenarbeiten und Bodenreinigung 484,21 €

Instandsetzung der Tür 3.073,30 €

Entfernung des Wassers, Räumungs- und Reinigungsarbeiten 375,00 €

Stromverbrauch für Trocknung der Wohnung 275,00 €

Gesamt 6.053,76 €

Hierbei sind nur die Kosten für die Entfernung des Wassers aus der Wohnung sowie für Strom für die Trocknung der Wohnung unstreitig.

Der von der Beklagten beauftragte Sachverständige … gab in seinem Gutachten im Gegensatz zur Klägerin einen erstattungsfähigen Schaden in Höhe von insgesamt 2.435,59 € an, insoweit wird auf den Inhalt der Schadensfeststellung des Parteisachverständigen, Bl. 48 ff. d. A., Bezug genommen.

Die Beklagte zahlte an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 730,68 €, so dass die Klägerin entsprechend ihrer Kalkulation noch 5.323,08 € geltend macht. Zur Durchsetzung der Schäden, die an ihrem Sondereigentum entstanden sind, wurde sie von der Verwalterin der Wohnungseigentümergemeinschaft ermächtigt.

Die Klägerin behauptet, die von ihr bezifferten Schadenspositionen seien in der geltend gemachten Höhe erforderlich und angemessen. Sie behauptet zudem, die Waschmaschine seit 2006 zu nutzen, bei Einzug in die Wohnung … Ende Januar 2009 sei dann ein neuer Zulaufschlauch angeschafft und fachgerecht montiert worden. Auch sei der Anschluss fortlaufend überprüft worden, dies ergäbe sich schon daraus, dass sich Waschmaschine in der Wohnung der Klägerin befindet und ein etwaiger Defekt bei Reinigungsarbeiten aufgefallen wäre.

Die Klage ist am 30.03.2010 zugestellt worden.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 5.323,08 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit sowie außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 546,69 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass das Verhalten der Klägerin grob fahrlässig gewesen sei und daher eine Kürzung der Leistung um 70 % berechtigt sei. Die Klägerin hätte den Wasserhahn zudrehen oder aber eine Aqua-Stopp-Vorrichtung einbauen müssen, andernfalls hätte sie die Wohnung nicht verlassen dürfen. Daher seien sämtliche Forderungen mit der vorprozessualen Zahlung in Höhe von 730,68 € und somit von 30 % der von dem Sachverständigen … ermittelten Kosten, abgegolten, da auch der Schaden unzutreffend von der Klägerin angeführt worden sein und vielmehr die Kalkulation des Sachverständigen … den entstandenen Schaden zutreffend wiedergebe.

Das Gericht hat gemäß Beweisbeschluss vom 22.09.2010 (Bl. 128 d.A.) Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird insoweit auf den Inhalt des schriftlichen Sachverständigengutachtens des … vom 13.02.2012 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

I.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von weiteren 585,10 € aus dem Versicherungsvertrag, ein darüber hinausgehender Anspruch besteht indessen nicht.

1.

Zunächst haftet die Beklagte dem Grunde nach für den Wasserschaden in der Wohnung der Klägerin vom 29.06.2009, dieser stellt nämlich unstreitig einen Versicherungsfall im Sinne der Versicherungsbedingungen der Beklagten dar.

2.

Jedoch ist die Beklagte gemäß § 81 II VVG zu einer Kürzung der Leistung um 70 % berechtigt.

Der Klägerin ist nämlich im Hinblick auf die Herbeiführung des Versicherungsfalles grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen, weil sie die Wohnung verlassen hat, ohne den Wasserzufluss abzustellen oder über eine Schutzvorrichtung (Aqua-Stopp) zu verfügen.

Grob fahrlässig handelt derjenige, der die im Verkehr erforderliche Sorgfalt unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und jenes unbeachtet lässt, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen, OLG Oldenburg in VersR 2005, 976 ff.; OLG Karlsruhe in NJWE 1998, 200 ff.; LG Düsseldorf in VersR 2008, 347 ff.; Langheid in Römer/Langheid, VVG, 3. Auflage, § 81, Rdnr. 47; Prölss in Prölss/Martin, VVG, 28. Auflage, § 81, Rdnr. 15 mit Verweis auf § 28, Rdnr. 121 ff.. Dies ist mithin dann der Fall, wenn der Versicherungsnehmer wusste oder wissen musste, dass sein Verhalten geeignet war, den Eintritt des Versicherungsfalls oder die Vergrößerung des dabei entstehenden Schadens zu fördern, Langheid in Römer/Langheid, VVG, 3. Auflage, § 81, Rdnr. 47; Prölss in Prölss/Martin, VVG, 28. Auflage, § 81 Rdnr. 15 m.w.N.. Die Wahrscheinlichkeit des Schadens – und zwar gerade die des eingetretenen Schadens – muss dabei offenkundig so groß sein, dass es ohne Weiteres nahe lag, zur Vermeidung des Versicherungsfalles ein anderes Verhalten, als dasjenige, welches zum Eintritt des Versicherungsfalls geführt hat, in Betracht zu ziehen.

Unstreitig hat die Klägerin den Zulaufschlauch der Maschine unter Druck gelassen und die Wohnung verlassen, um einen circa eine Stunde andauernden, auswärtigen Termin wahrzunehmen, ohne dass eine Schutzvorrichtung, wie etwa ein sogenannter Aqua-Stopp, montiert war. Diese Außerachtlassung allgemeingültiger Sicherheitsregeln ist sowohl subjektiv als auch objektiv grob fahrlässig erfolgt. Vom durchschnittlichen Versicherungsnehmer ist nämlich durchaus zu erwarten, die Gefahr, die von einer Waschmaschine ausgeht, deren Schlauch unter Druck gelassen wird, zu erkennen und dementsprechend den Wasserhahn während der Zeit des Nichtgebrauchs zuzudrehen oder aber eine entsprechende Sicherheitsvorrichtung zu montieren. Insbesondere das Schließen der Wasserzufuhr für die Zeit des Nichtgebrauchs ist nämlich ohne Weiteres und ohne einen besonderen Aufwand an Kosten und Unbequemlichkeiten möglich und daher ohne weiteres zumutbar.

Entscheidend ist bei der Beurteilung der Schwere der Fahrlässigkeit vorliegend, dass der Hahn der Maschine unabhängig von deren Betrieb geöffnet war, vgl. OLG Koblenz in VersR 2002, 231 ff.. Etwas anderes würde allenfalls dann gelten, wenn der Versicherungsnehmer die Wohnung für einen kurzen Zeitraum verlässt, während sich die Waschmaschine im Betrieb befindet oder aber der Betrieb während der Abwesenheit endet.

Indessen ist nicht erschwerend zu berücksichtigen, dass die Klägerin den Wasserhahn stets offen ließ, da im Rahmen des § 81 II VVG nur solche grob fahrlässigen Handlungen relevant sind, die für die Herbeiführung des Versicherungsfalles auch unmittelbar kausal waren. Der Schaden muss gerade infolge der groben Fahrlässigkeit eingetreten sein. Denn das ständige Offenlassen mag gefährlich sein, es wird aber erst dann grob fahrlässig, wenn die Klägerin ihre Wohnung für längerer Zeit verlässt und die Maschine bzw. den Anschluss nicht mehr überwachen kann, vgl. hierzu Prölss in Prölss/Martin, VVG, 28. Auflage, § 81, Rdnr. 22, m.w.N.; OLG Hamm in VersR 2001, 1234 ff.; LG Passau in VersR 2007, 242 ff..

Weil schon das Verlassen der Wohnung bei offener Leitung grob fahrlässig ist, kommt es nicht darauf an, zu welchem Zeitpunkt die Waschmaschine bzw. der Zuleitungsschlauch erworben wurden und ob eine regelmäßige Kontrolle erfolgt ist.

Zu berücksichtigen ist, dass die Klägerin von vorneherein geplant hatte, die Wohnung nur kurz zu verlassen und dies auch erfolgte. Ein weit größerer Vorwurf wäre ihr zu machen gewesen, wenn sie beispielsweise in einen zweiwöchigen Urlaub gefahren wäre, ohne die Leistung zu verschließen oder aber die Wohnung bei in Betrieb genommener Waschmaschine verlassen hätte. Weder das eine noch das andere ist indessen der Fall. Vor diesem Hintergrund ist eine Kürzung der Quote in Höhe der von der Beklagten vorprozessual angenommenen 70% auch angemessen, weil insoweit wie ausgeführt Fälle denkbar und lebensnah sind, in denen der Vorwurf ungleich größer wäre.

Soweit in zurückliegenden gerichtlichen Urteilen eine Leistungspflicht der Versicherung in derartigen Fällen insgesamt nach § 61 VVG a.F. ausgeschlossen wurde, so ist nach dem nunmehr geltenden Recht und damit gemäß § 81 VVG n.F. eine sachgerechtere Lösung möglich, weil dieser bei grober Fahrlässigkeit auch die Kürzung ermöglicht, was zur gegebenen Quote von 70 % zu führen hatte.

3.

Bei der Berechnung der aus der Versicherung zu zahlenden Leistung geht die Beklagte zwar von der zutreffenden Quote, indes aber von einem unzutreffenden Schadensbetrag aus.

Der Gesamtschaden der Klägerin beläuft sich zur Überzeugung des Gerichts (§ 286 ZPO) auf insgesamt 4.385,92 €. Dieser setzt sich zusammen aus den durch den Sachverständigen … festgestellten Kosten in Höhe von 3.716,92 € sowie den unstreitigen Kosten für die Entfernung des Wassers und Trocknung der Wohnung in Höhe von insgesamt 669,00 €. Die Ausführungen des Sachverständigen sind nämlich plausibel, nachvollziehbar und frei von jeglichen Widersprüchen. Sie werden insbesondere auch nicht durch die Kalkulation des von der Beklagten eingeschalteten Parteisachverständigen oder durch die Aufstellung der Klägerin entscheidend in Frage gestellt, weswegen das Gericht die Ausführungen des Sachverständigen … aus dessen Gutachten der eigenen Entscheidung vollumfänglich zugrunde legen konnte.

Bei einer Regulierungsquote von 30% ergibt sich danach rechnerisch zunächst ein Betrag in Höhe von 1.315,78 €. Weil die Beklagte vorprozessual bereits 730,68 € gezahlt hat, verbleibt ein Restanspruch zu Gunsten der Klägerin in Höhe von 585,10 €. Nur in dieser Höhe kann die Klägerin weitere Zahlung von der Beklagten verlangen.

II.

Vor diesem Hintergrund ist im Hinblick auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten auch nur ein Anspruch in Höhe von 93,02 € nach dem betreffenden Gegenstandswert von 585,10 € gegeben. Daneben besteht ein Anspruch auf Zinsen bezogen auf den restlichen Leistungsanspruch gemäß den §§ 280 I, II, 286 I 2, 288 I BGB seit dem 31.03.2010.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus § 92 I 1 2. Alt. ZPO sowie den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Der Streitwert wird auf 5.323,08 € festgesetzt.

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