zurück zur Übersicht

Der Ibuprofen Einfluss

Landgericht Bochum
Urteil vom 02.03.2012
Az.: I-5 S 102/11
Versicherungssparte: Kfz-Haftpflichtversicherung
Kürzung: 2/3

Stichwörter: Alkohol, Schmerzmittel, Regressforderung, Regresshöchstbetrag

Urteil

(gem. § 540 ZPO)

Die Klägerin nimmt die Beklagte im Wege des Regresses auf Ersatz ihrer Aufwendungen im Zusammenhang mit der Regulierung eines Kfz-Haftpflichtschadens in Anspruch.

Die Beklagte war Halterin eines Pkw BMW mit dem amtlichen Kennzeichen … welches sie bei der Klägerin haftpflichtversichert hatte.

Am 17.05.2008 gegen 22:35 Uhr befuhr die Beklagte in Begleitung ihrer Schwester, der Zeugin … die …Straße in …. An der Kreuzung …Straße/…straße, die durch drei Hochmasten mit Doppelleuchten ausgeleuchtet ist, bog sie nach links in die vorfahrtsberechtigte …straße ein. Die Lichtzeichenanlage war zu diesem Zeitpunkt abgeschaltet. Die Beklagte schätzte dabei den Abstand zu dem von links auf der …straße herannahenden Fahrzeug der Zeugin … falsch ein. Kurz vor Beendigung des Abbiegevorgangs kam es deshalb – trotz Vollbremsung durch die Zeugin … zur Kollision der Fahrzeuge, wobei diese erheblich beschädigt wurden.

Die Beklagte hatte vor Fahrtantritt an einer Familienfeier teilgenommen und dort Alkohol konsumiert. Die um 23:50 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration (BÄK) von 0,95 Promille. Die Beklagte, welche selten Alkohol trinkt, hatte im Tagesverlauf lediglich drei oder vier Nektarinen gegessen und zudem zwei “Ibuprofen 800”-Schmerztabletten zu sich genommen.

Die Unfallschäden am von der Zeugin … geführten Fahrzeug verursachten Reparaturkosten in Höhe von 8.826,77 € sowie Mietwagenkosten in Höhe von 1.064,00 €. Diese Kosten wurden der Halterin, der Firma … durch die Klägerin ersetzt.

Die Klägerin forderte die Beklagte mit Schreiben vom 13.11.2008 erfolglos zur Zahlung von 4.707,91 € unter Fristsetzung bis zum 15.12.2008 auf.

Die Beklagte wurde durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Bochum (33 Ds 520 Js 381/08 – 319/08) wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung zu einer Geldstrafe von 35 Tagessätzen zu je 20,00 € verurteilt. Die Klägerin wurde ihrerseits durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Bochum (4 O 143/09) zum Ersatz von 1/3 des Kaskoschadens verurteilt.

Die Klägerin behauptet, die Beklagte sei ohne merklich abzubremsen und ohne auf die Vorfahrt der Fahrzeuge auf der …straße zu achten, in den Kreuzungsbereich hineingefahren.

Sie ist der Ansicht, die Beklagte habe den Verkehrsunfall aufgrund ihrer vorsätzlich, zumindest aber grob fahrlässig herbeigeführten Alkoholisierung verursacht und sei infolgedessen gemäß Ziffer D. 3.1 in Verbindung mit Ziffer D. 2.1 der Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung (AKB 2008) leistungsfrei. Sie habe deswegen einen gemäß Ziffer D. 3.3 auf 5000 € beschränkten Ersatzanspruch gegenüber der Beklagten.

Die Beklagte behauptet, lediglich ca. 300 ml Prosecco getrunken und sich vor Fahrtantritt nicht in ihrer Fahrtüchtigkeit eingeschränkt gefühlt zu haben. Vor Einleitung des Abbiegevorgangs habe sie kurz angehalten und den vorfahrtsberechtigten Verkehr bemerkt. Die Fehleinschätzung hinsichtlich der Entfernung des anderen Fahrzeugs sei auf die nächtlichen Sichtverhältnisse und die zum Unfallzeitpunkt nasse Fahrbahn zurückzuführen.

Nachdem sich die Parteien mit der Verwertung der Beweisaufnahme aus dem Verfahren vor dem Landgericht Bochum, Aktenzeichen: 4 O 143/09, vom 16.12.2009 einverstanden erklärt haben, hat das Amtsgericht der Klage vollumfänglich stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Klägerin stehe der Regresshöchstbetrag zu, da die Beklagte grob fahrlässig eine Obliegenheit aus dem Versicherungsvertrag verletzt habe, indem sie das Fahrzeug im erheblich alkoholisierten Zustand geführt und aufgrund eines alkoholtypischen Fahrfehlers den streitgegenständlichen Unfall verursacht habe. Der Beklagten habe bewusst sein müssen, dass der getrunkene Alkohol aufgrund der äußerst geringen Nahrungsaufnahme am Unfalltag durch ihren Körper sehr schnell aufgenommen werden würde. Zudem habe sie sich bewusst sein müssen, dass die Schmerzmitteleinnahme in Verbindung mit Alkohol geeignet gewesen sei, ihre Reaktionsfähigkeit erheblich herabzusetzen. Der Einlassung der Beklagten, lediglich ca. 300 ml Prosecco getrunken zu haben, könne anhand der bindend feststehenden Blutalkoholkonzentration von 0,95 Promille kein Glauben geschenkt werden. Nach dem Ergebnis der im Parallelverfahren durchgeführten Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Beklagte ohne merklich abzubremsen und die Vorfahrt des gegnerischen Fahrzeugen missachtend in den Kreuzungsbereich eingefahren sei. Dabei handele es sich um einen alkoholtypischen Fahrfehler. Es könne dahinstehen, ob die Klägerin vollständig leistungsfrei oder lediglich teilweise leistungsfrei geworden sei, denn auch bei einer in Betracht kommenden Quotelung sei nicht der Regresshöchstbetrag nach der Schwere des Verschuldens prozentual zu verringern. Vielmehr sei die Quote auf den an sich bestehenden Regressanspruch anzurechnen. Die Regresshöchstgrenze greife erst im zweiten Schritt ein. Selbst wenn man daher eine Quote von 2/3 zu 1/3 zu Lasten der Beklagten annehme, so läge der Betrag deutlich über 5.000 €. Es bliebe daher jedenfalls beim Regressanspruch in Höhe von 5.000 €. Etwas anderes ergebe sich erst bei einer Quote von 50 %, welche jedoch angesichts der Schwere des Verschuldens, welches der Beklagten vorzuwerfen sei, nicht angemessen sei.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Zur Begründung führt sie aus, eine quotenmäßige Kürzung habe im Hinblick auf den Regresshöchstbetrag zu erfolgen. Bei diesem handele es sich nicht nur um eine rein rechnerische Obergrenze.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.

II.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch unbegründet.

Das Amtsgericht hat der Klage zu Recht vollumfänglich stattgegeben. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 4.707,91 € gem. § 426 BGB i. V. m. dem zwischen den Parteien geschlossenen Versicherungsvertrag und D. 3.1, 3.3 der AKB.

Zwischen den Parteien bestand zum Unfallzeitpunkt unstreitig eine Kfz-Haftpflichtversicherung bzgl. des Pkw BMW mit dem amtl. Kennzeichen …. Versicherungsnehmerin war die Beklagte.

Mit dem versicherten Fahrzeug ist es am 17.05.2008 zu einem Verkehrsunfall der mit einem durch die Zeugin … geführten Fahrzeug gekommen, bei dem dieses Fahrzeug erheblich beschädigt wurde. Die Klägerin hat den Schaden an diesem Fahrzeug, dessen Halterin die … war, i. H. v. 9.890,77 € unstreitig beglichen.

Die Klägerin ist auch berechtigt, bei der Beklagten als Versicherungsnehmerin bis zu dem Höchstbetrag gem. D. 3.3 der AKB Regress zu nehmen, da im Innenverhältnis zu der Beklagten als Versicherungsnehmerin die Voraussetzungen für eine Leistungskürzung vorliegen. Gem. D. 3.1 der AKB wird der Versicherer leistungsfrei, wenn dem Versicherungsnehmer eine vorsätzliche Verletzung der Pflichten aus D.1 oder D.2 der AKB zur Last fällt. Der Versicherer ist zur Leistungskürzung berechtigt, wenn der Versicherungsnehmer eine solche Pflicht grob fahrlässig verletzt. Vorliegend hat die Beklagte ihre Pflichten aus D. 2.1 der AKB grob fahrlässig verletzt. Danach darf das versicherte Fahrzeug nicht gefahren werden, wenn der Fahrer durch alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen. Die Feststellungen des Amtsgerichts zu einer grob fahrlässigen Verletzung dieser Pflichten durch die Beklagte werden durch die Beklagte mit der Berufung nicht weiter angegriffen. Insoweit bestehen auch im Hinblick auf die Ausführungen des Amtsgerichts -insbesondere an der Beweiswürdigung des Amtsgerichts und an der Quotierung von 1/3 zu 2/3 zu Lasten der Beklagten – keine Bedenken.

Auch der Höhe nach besteht der klageweise geltend gemachte Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte im Hinblick auf die Regelungen in D. 3.1 und D. 3.3 der AKB. Entgegen der Ansicht der Beklagten hat eine Quotierung im Rahmen einer Leistungskürzung keine Anwendung auf den Höchstbetrag zu finden, so dass dieser quotenmäßig zu kürzen wäre. Vielmehr hat beim Vorliegen von grober Fahrlässigkeit und einer entsprechender Quotierung im Rahmen des Regresses nach D. 3.3 der AKB zunächst die Quotierung des durch den Versicherer regulierten Gesamtschadens zu erfolgen (vorliegend dann 2/3 von 9.890,77 € = 6.593,85 €) und erst in einem zweiten Schritt dann die Begrenzung auf den Höchstbetrag gem. D. 3.3 der AKB zu erfolgen (so auch Prölss/Martin-Knappmann, WG, 28. Aufl., AKB 2008 D.3, Rn. 24). Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Regelung des D.3.3, wonach “die sich aus D.3.1 ergebende … Leistungskürzung … auf den Betrag von höchstens je 5.000,00 € beschränkt” ist. Danach hat zunächst eine Quotierung im Hinblick auf den durch den Versicherer regulierten Gesamtschaden des Geschädigten zu erfolgen und erst im zweiten Schritt ist der Regress gegenüber dem Versicherten auf den Betrag von 5.000,00 € begrenzt. Insoweit ist auch dem Schutzbedürfnis des Versicherten, nicht einem unüberschaubaren Haftungsrisiko ausgesetzt zu sein, ausreichend Rechnung getragen.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus dem Gesichtspunkt des Verzuges.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Kammer hat die Revision nicht zugelassen, da die diesbezüglichen Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.

zurück zur Übersicht