
Grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung – Was gibt es für Versicherungsmakler zu beachten?
von Rechtsanwalt Vincent Jacobsen
Sehr geehrte Mandantinnen und Mandanten,
sehr geehrte Versicherungsmaklerrinnen und Versicherungsmakler,
infolge der voranschreitenden Globalisierung verschränken sich Märkte immer weiter. Dies gilt in besonderem Maße für Europa, da der harmonisierte Binnenmarkt im europäischen Wirtschaftsraum die Voraussetzungen dafür schafft, dass Unternehmen größen- und strukturunabhängig in Nachbarländer expandieren. Daher ist die grenzüberschreitende Absicherung von Risiken keine alleinige Domäne der Industriemakler. Jeder Makler kann schnell damit befasst sein, dass Versicherungsnehmer aus seinem Bestand internationale Risiken an ihn herantragen. Die denkbaren Szenarien reichen dabei von der Absicherung des ausländischen Feriendomizils über die Expansion des Gewerbekunden bis zum Aufbau eines konzernweiten Versicherungsprogramms. Es darf daher verwundern, dass die Frage nach der gewerberechtlichen Zulässigkeit grenzüberschreitender Versicherungsvermittlung nur selten in öffentlichen Foren diskutiert wird. Dabei sollte es zum Grundwissen eines Versicherungsmaklers gehören, wo seine Erlaubnis beginnt und endet.
I. EWR oder nicht?
Zunächst muss kategorisch zwischen Risiken innerhalb und außerhalb des EWR unterschieden werden. Während in der Europäischen Union, Island, Liechtenstein und Norwegen ein gemeinsamer Rechtsrahmen Anwendung findet, gilt außerhalb von EU/EWR im Zweifel das Aufsichtsrecht des Staates, in dem das abzusichernde Risiko belegen ist.
Hier wird es im Einzelfall erforderlich sein, den anwendbaren Rechtsrahmen durch Konsultation örtlicher oder internationaler Anwaltskanzleien klären zu lassen. Etwaig erforderliche Zulassungen müssen nach Klärung der Rechtslage beantragt und positiv beschieden werden. In vielen Fällen führt der damit einhergehende Kosten- und Zeitaufwand dazu, dass alle Stakeholder besser bedient sind, wenn einer der global-ausgerichteten Versicherungsmakler, der Knowhow und regionale Marktzugänge bereits vorhält, in den Vermittlungsvorgang einbezogen wird.
II. Geringe Rechtshürden bei Eindeckung von Europarisiken
Anders verhält es sich demgegenüber bei Europarisiken. Hier profitieren Versicherer und Versicherungsvermittler von der Geltung der vier europäischen Grundfreiheiten. Für die Versicherungsbranche sind vor allem die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit von hervorgehobener Bedeutung. Sie erlauben es Marktteilnehmern, ihre Leistungen grenzüberschreitend anzubieten und sich ohne gravierende Hürden innerhalb des Binnenmarkts niederzulassen. Vom Europagesetzgeber sind diese Grundsätze für Versicherer unter anderem in Art. 145 ff. Solvency-II und für Versicherungsvermittler in Art. 4 ff. IDD berücksichtigt worden. Der nationale Gesetzgeber hat in den §§ 57 ff. VAG sowie in § 11a Abs. 4 GewO eine richtlinienkonforme Umsetzung im besonderen Gewerberecht für Versicherer und Versicherungsvermittler vorgenommen.
Die wesentliche Errungenschaft dieser Gesetzgebung ist das sog. Single-License-Prinzip, das teilweise auch als „Europäischer Pass“ bezeichnet wird. Hiermit wird eine Ausprägung der im Binnenmarkt geltenden Grundfreiheiten bezeichnet, der zufolge die Geschäftserlaubnis in einem EU/EWR-Staat auch zur Tätigkeit in den anderen Mitglieds- und Vertragsstaaten berechtigt. Dieses Prinzip findet in weiten Teilen des gesamten Finanzsektors Anwendung. In Versicherungsangelegenheiten bedeutet dies sowohl für Versicherer als auch für Makler, dass Sie im Binnenmarkt tätig werden können, ohne eine ausländische Erlaubnis beantragen zu müssen. Deutsche Versicherer können also europäische Auslandsrisiken mit sog. FoS-Policen zeichnen und deutsche Makler können die Absicherung von Europarisiken mit heimischen oder ausländischen Deckungen vermitteln.
III. Makler müssen vor Grenzüberschreitung IHK notifizieren
Einzige Voraussetzung ist die Durchführung des sog. Notifizierungsverfahren, bei dem man die Heimataufsicht, mithin also die BaFin für Versicherer und die örtliche IHK für Makler, über die beabsichtige Auslandstätigkeit informiert. Für Makler bedeutet dies, dass gem. § 8 Nr. 5 VersVermV der Staat, in dem der Makler grenzüberschreitend tätig werden will, zur Eintragung in das Vermittlerregister anzumelden ist. Dies erfolgt durch sehr einfache Formulare und stellt somit eine geringe bürokratische Hürde dar. Das Versäumnis der Anmeldung stellt gem. §§ 26 Abs. 1 Nr. 3 VersVermV, 144 Abs. 2 Nr. 1b GewO eine Ordnungswidrigkeit mit Bußrahmen bis zu € 3.000,00 dar. Die zuständige IHK informiert die einschlägige Auslandsbehörde und teilt dem Makler binnen eines Monats mit, dass das Verfahren durchgeführt worden ist und er seine transnationale Tätigkeit aufnehmen kann.
Gleichwohl ist hiermit noch keine Aussage darüber getroffen, wann überhaupt eine grenzüberschreitende Vermittlung, die anzumelden ist, vorliegt. IDD, GewO und VersVermV treffen hierzu keine Aussage. Maßgeblich ist in der koordinierten Verwaltungspraxis der europäischen Behörden das sog. Luxemburger Protokoll, das eine ungewöhnliche Geschichte hat. Zur IMD, der Vorgängerrichtlinie der IDD, hatte sich der unterdessen ebenso aufgelöste CEIOPS 2006 auf das Protokoll geeinigt. Die europäische Kommission referenzierte 2012 daher das Protokoll auch in der Genese der IDD. Das Europaparlament schlug 2014 gar vor, das Protokoll in die IDD zu inkorporieren. Letztlich schaffte es das Protokoll nicht in die finale Fassung der IDD, nur um dann 2018 von der EIOPA im IDD-Kooperationsbeschluss für das koordinierte Verwaltungshandeln als maßgeblich festgelegt zu werden.
IV. Grenzüberschreitung liegt erst bei doppeltem Auslandsbezug vor
Nach dem Luxemburger Protokoll liegt eine grenzüberschreitende Vermittlung erst vor, wenn zwei Voraussetzungen kumulativ (!) gegeben sind:
Der Versicherungsnehmer und das zu versichernde Risiko müssen im Ausland belegen sein.
Identität und Sitz von Risikoträgern sowie etwaigen versicherten Personen im Sinne von § 43 VVG bleiben außer Acht. Die Absicherung des Feriendomizils eines deutschen Privatkunden oder die Versicherung einer deutschen Holding, die auch das Risiko ausländischer Töchter mitversichert, stellt damit genauso wenig eine Auslandsvermittlung dar wie die Absicherung der deutschen Betriebsstätte einer französischen Gesellschaft. Doppelter Auslandsbezug wäre erst gegeben, wenn beispielsweise die niederländische Tochtergesellschaft eines Gewerbekunden mit ihren lokalen Risiken aus Deutschland heraus abgesichert wird.
Diese Betrachtung zeigt, dass nicht nur die bürokratischen Hürden einer Auslandstätigkeit für Makler gering sind, sondern auch viele internationale Sachverhalte gewerberechtlich als Inlandsvermittlung zu bewerten sind. Dennoch kann die Abgrenzung im Einzelfall schwierig und mit Unsicherheiten behaftet sein. Es bietet sich daher an, bei erwartbaren Unklarheiten vorsorgliche Anmeldungen zum Vermittlerregister vorzunehmen. Gleichzeitig sollte der Makler seinen Blick dafür schärfen, dass nicht nur das Gewerbe- sondern auch das internationale Privatrecht bei Grenzüberschreitung eingreift. Zwar bestehen auch hier einheitliche europarechtliche Regelungen, diese sind jedoch wesentlich komplexer und können je nach Einzelfall divergieren. Da hierbei auch das zu vermittelnde Vertragsverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer betroffen ist, kann die Rechtslage gegenüber dem Kunden beratungspflichtig sein.
V. Eingriff des internationalen Privatrechts beachten und beraten:
Bei Grenzüberschreitung stellt sich stets die Frage, welches Recht auf den Versicherungsvertrag anwendbar ist, welchem Recht der Maklervertrag unterworfen ist und wo geklagt werden kann. Es würde zu weit führen, die Vielfalt der denkbaren Konstellationen hier erschöpfend darzustellen. Als Orientierung kann aber gelten, dass gem. Art. 7 Rom-I-VO bei Großrisiken im Sinne von § 210 VVG für den Versicherungsvertrag das Recht am Sitz des Versicherers gilt. Bei allen anderen Risiken gilt das Recht am Risikoort. Rechtswahlvereinbarungen gehen vor und sind zulässig, wenn und soweit das gewählte Recht einen praktischen Bezug zu den Parteien oder dem Risiko hat. Aus dem Versicherungsvertrag kann – unabhängig von der Rechtswahl – regelmäßig gem. Art. 11 EuGVVO auch am Sitz des Versicherungsnehmers geklagt werden. Maklerverträge mit Privatkunden unterliegen meist den Statuten am Wohnsitz des Versicherungsnehmers, im unternehmerischen Rechtsverkehr gilt häufig das Recht am Sitz des Maklers; Rechtswahlvereinbarungen sind möglich.
V. Fazit:
Insgesamt lässt sich konstatieren, dass die Vermittlung von Nicht-EU/EWR-Risiken ohne lokale Zulassungen im Ausland unzulässig ist. Risiken mit transnationalem Bezug innerhalb Europas können auf Grundlage der inländischen Zulassung gem. § 34d GewO vermittelt werden. Sie stellen häufig aufsichtsrechtlich eine Inlandsvermittlung dar und auch bei Vorliegen einer Auslandsvermittlung sind die gewerberechtlichen Hürden gering. Umsicht ist bei Europarisiken allerdings unter dem Gesichtspunkt des internationalen Privatrechts geboten. Sowohl im Verhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer als auch für den Maklervertrag sollten klare Rechtswahl- und Gerichtsstandsvereinbarungen getroffen werden. In Abwesenheit solcher Absprachen muss der Versicherungsnehmer über die rechtlichen Implikationen beraten werden.
Eine gesunde Vorsicht im Umgang mit internationalen Risiken ist also geboten, Berührungsängste sind jedoch nicht gerechtfertigt! Auch begleiten wir Sie gern bei der grenzüberschreitenden Versicherungsvermittlung, wenn es Rechtsfragen zu navigieren gilt.
Für weiterführende Informationen zu diesem Thema verweise ich Sie gerne auf die Präsentation unter folgendem Link: Präsentation Grenzüberschreitende Vermittlung (im Binnenmarkt)
In diesem Sinne mit freundlichen Grüßen aus Hamburg, dem Tor zur Welt!

Ihr,
Stephan Michaelis LL.M.
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht