Ein Fehler ist schnell passiert …
von Stephan Michaelis
Liebe Versicherungsmaklerinnen und -makler,
liebe Mandantinnen und Mandanten,
(Hamburg, den 31.01.2020) ich möchte Sie heute auf eine für den Praktiker bedeutsame Rechtsmeinung des Oberlandesgerichts Düsseldorf hinweisen. Der 4. Senat hat mit Urteil vom 13.07.2018 (Az. I – 4 U 47/14) deutlich geäußert, welche weiteren „neuen“ Maklerpflichten wohl zu berücksichtigen sind! Für Profis macht es auch Sinn, das vollständige Urteil einmal durchzulesen. Wir haben es hier auf unserer Internetseite für Sie hinterlegt.
Bevor Sie sich aber mit dem komplizierten „Juristendeutsch“ auseinandersetzen, möchten wir Ihnen wirklich grob vereinfacht den Sachverhalt skizzieren und die daraus folgenden Prüfungspflichten des Maklers aufgeben:
Im Wesentlichen ging es um einen Architekten, der wohl unstreitig einen „eigentlich versicherten“ Beratungsfehler begangen hatte. Ab dem 01.01.2005 wurde das Risiko auf einen anderen Versicherer umgedeckt.
Später, im Jahre 2009 erhielt der Architekt ein Schreiben und wurde erstmals wegen eines Fehlers in 2004 in Anspruch genommen. Der „eigentlich zuständige Handwerker“ meldete Insolvenz an, sodass in einem weiteren Verlauf der Architekt gerichtlich auf Schadenersatz in Anspruch genommen wurde. Die Parteien einigten sich schlussendlich in 2012 auf eine Zahlung des Architekten in Höhe von € 6.000,00.
Dann am 03.02.2012 meldete der Architekt seine Inanspruchnahme erstmals telefonisch dem Versicherungsmakler. Dieser übersandte sofort ein Schadenanzeigeformular und meldete den Schaden der Versicherung, die er vermittelt hatte (!).
Nachdem der Versicherer in die Prüfung eingetreten war, empfahl er am 12.03.2012 den Schaden doch beim Vorversicherer zu melden. Erneut unverzüglich schickte der Makler die Schadenanzeige dann auch an den Vorversicherer und bat auch dort um Regulierung.
Der Vorversicherer berief sich zum einen auf Fristablauf von 5 Jahren ab dem Zeitpunkt der Vertragsbeendigung, wie es in den Bedingungen stand. Dies war ja der 01.01.2005. Außerdem habe der Versicherungsnehmer die Obliegenheit der rechtzeitigen Schadenmeldung versäumt, weshalb sich der Vorversicherer ebenfalls auf Leistungsfreiheit berief.
Der Architekt hatte sich wegen der Diskussion um die erhobenen Einwände auch mit dem Vorversicherer vor dem OLG Hamm „etwa hälftig“ verglichen und bekam € 3.200,00, wobei er 55 % der Kosten des Rechtsstreites tragen müsste. Der klagende Architekt vertrat nun die Auffassung, dass der Makler in 2012 die Schadenanzeige nicht unverzüglich an den Vorversicherer übermittelt hätte, weshalb er nur wegen der behaupteten Pflichtverletzung der Anzeigepflichtverletzung einen derart nachteiligen Vergleich hätte abschließen müssen.
Wie würden Sie jetzt entscheiden?
Wir alle wissen natürlich, dass ein Versicherer nur dann leistungspflichtig ist, wenn das versicherte Schadenereignis auch in die dazugehörige richtige (versicherte) Versicherungsperiode fällt. Dementsprechend ist natürlich erst einmal zu prüfen, zu welchem Zeitpunkt denn überhaupt eine Pflichtverletzung eines Architekten behauptet wurde? Der Zeitpunkt der behaupteten Pflichtverletzung ist also dafür ausschlaggebend, welcher Versicherer grundsätzlich durch einen Versicherungsmakler zu informieren ist.
Der Versicherungsmakler hat im Wesentlichen zwei Verteidigungsstrategien vorgebracht. Er hatte vorgebracht, dass er den Vorvertrag überhaupt nicht vermittelt hatte und daher eigentlich mit dem Vorversicherer nichts zu tun habe. Schließlich habe er dem Versicherer, den er selbst vermittelt hatte, unverzüglich die Schadenanzeige zur Verfügung gestellt. Damit habe er doch aus seinem Pflichtenkreis alles Erforderliche getan?
Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat die Vorinstanz aufgehoben und den Versicherungsmakler verurteilt. Dies mit folgendem Leitsatz:
1.
Ein den Versicherungsnehmer betreuender Versicherungsmakler muss bei einer Schadensmeldung auch prüfen, ob möglicherweise ein Vorversicherer eintrittspflichtig ist.
2.
Dies gilt auch dann, wenn der Vorversicherungsvertrag nicht durch Versicherungsmakler vermittelt worden war.
3.
Ggf. hat der Versicherungsmakler seinen Kunden zumindest darauf hinzuweisen, dass eine unverzügliche Schadenanzeige auch dem Vorversicherer gegenüber erforderlich ist.
Meines Erachtens kann durchaus diskutiert werden, ob diese Rechtspflichten nicht überstrapaziert und zu weitreichend sind. Denn grundsätzlich darf ein Versicherungsmakler eine Rechtsberatung und Prüfung nur leisten, wenn er selbst der betreuende Versicherungsmakler dieses Vertrages ist. Dabei wäre es unerheblich, wenn er den Vertrag in die Betreuung übernommen hat oder ob er ihn auch selbst vermittelte. Aber den Vorvertrag hatte der in Anspruch genommene Versicherungsmakler nie selber vermittelt, nie betreut und auch nie in seine eigene Betreuung übernommen. Möglicherweise wusste er gar nicht, welche Verpflichtungen sich aus dem Vorvertrag ergeben würden.
Würden wir die rechtliche Prüfung und Beratung von Ansprüchen aus einem Vorversicherungsvertrag, den der Versicherungsmakler nicht vermittelt hatte, nicht mehr als berechtigte Nebenleistung im Sinne des § 5 Rechtsdienstleistungsgesetz ansehen, dann würde sich der Makler auch einer unerlaubten Rechtsberatung ausgesetzt sehen müssen. Da der Versicherungsmakler natürlich nicht gegen die Grundsätze der Rechtsordnung verstoßen darf, hätte eine rechtliche Beratung, ob Ansprüche gegen den Vorversicherer bestehen, möglicherweise nach dem von mir entwickelten Rechtsgedanken nicht erfolgen müssen.
Das hiesige Gericht argumentierte aber recht „clever“. Es verlangt keine Rechtsberatung des Versicherungsmaklers zu dem Vorvertrag, nur eine („gegenwärtige“) Hinweispflicht gegenüber dem Versicherungsnehmer, dass möglicherweise auch der Vorversicherer unverzüglich zu informieren sei. Aber die Verletzung einer solchen Hinweispflicht führt dann wiederum zu einem Haftungsanspruch gegen den Versicherungsmakler.
Es ist durchaus und gut vertretbar, dass ein solcher, fast naheliegender Hinweis, natürlich gegenüber einem bestehenden Versicherungsnehmer als Beratungspflicht in Form eines Hinweises auszusprechen ist. Diesen Hinweis könnte man fast immer erteilen…
In der Praxis sieht es bestimmt häufig so aus, dass die Sekretärin die Koordination der Schadenanzeige vornimmt. Diese steigt natürlich nicht in eine inhaltliche Prüfung ein, sondern „leitet einfach nur weiter“. Daher kann ein solcher Fehler – der wegen des Maklers verspäteten Schadenanzeige – schnell passieren…. Die Folge ist dann, dass natürlich nur automatisch der selbst vermittelte aktuelle Versicherer informiert wird und nicht der lange Zeit zurückliegende Vorversicherer.
Daher sollte der Versicherungsnehmer immer sehr deutlich nach dem Schadenzeitpunkt oder nach dem behaupteten Schadenzeitpunkt gefragt werden!
Dann müsste es in einer Schadenanzeige auch schnell auffallen, welcher Versicherer, je nach Versicherungsperiode, für eine Schadenmeldung wirklich zuständig ist.
Sollten Unklarheiten bestehen, dann gilt es am besten immer zweierlei zu tun. Informieren Sie zum einen alle in Betracht kommenden Versicherer und weisen Sie zum anderen auch Ihren Kunden darauf hin, dass vorsichtshalber alle in Betracht kommenden Versicherer zu informieren sind. Vielleicht gibt es ja sogar noch ein Versicherer, von dem sie noch gar nichts wissen!
Im Ergebnis ist es unglücklich, dass hier eine Haftung gegenüber dem Versicherungsmakler festgestellt wird, obwohl er mit dem Vorvertrag überhaupt nichts zu tun hatte. Es war aber rückwirkend betrachtet leicht erkennbar, dass nur der Vorversicherer einstandspflichtig sein könnte und dass auch bei einer intensiven rechtlichen Prüfung – entgegen des Wortlautes der AVB – berechtigte Leistungsansprüche bestehen. Im Nachhinein kann ein Jurist so etwas ja immer leicht feststellen…
Neben diesen einfach gehaltenen Feststellungen wirft dieser Fall natürlich auch weitere spannende rechtliche Fragestellungen auf, die jedoch den derzeitigen Rahmen unseres kurzen Beitrages sprengen würden.
Passen Sie also auf, dass in Ihrem Büro nicht derartige leichte Fehler zur richtigen Schadenmeldung an den richtigen Versicherer passieren!
Einen tollen Februar wünscht Ihnen,
Ihr,
Stephan Michaelis LL.M. Fachanwalt für Versicherungsrecht Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
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