Die größten zehn Irrtümer im Arbeitsverhältnis
„Während meiner Krankheit darf ich nicht gekündigt werden!“ „Mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses habe ich einen Anspruch auf Abfindung!“
(Hamburg, den 14.11.2017) Diese und auch weitere Aussagen haben Sie vermutlich schon des Öfteren gehört und sich gefragt, ob solche Aussagen tatsächlich richtig sind? Es gibt viele Irrtümer im Arbeitsrecht, welche sich bis heute hartnäckig halten. Leider ist jedoch wenig bekannt, dass die wirkliche Rechtslage meist ganz andere ist!“
Vorliegend werden für Sie die zehn größten Irrtümer im Arbeitsrecht kurz aufgegriffen und die tatsächliche Rechtssituation dargestellt:
1. Bei einem Vorstellungsgespräch darf alles gefragt werden?
Die Frage nach der künftigen Familienplanung ist selbstverständlich gerade für den Arbeitgeber eine nachvollziehbare Frage, da die Schwangerschaft einer Arbeitnehmerin zu einer betrieblichen Umorganisation führt. Dennoch sind ausschließlich solche Fragen zulässig, welche sich auf die Qualifikation und Fähigkeiten und damit auf die beworbene Tätigkeit bezieht. Sämtliche Fragen, welche in die Privatsphäre des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin fallen, sind grundsätzlich als unzulässig anzusehen. Insbesondere Fragen nach der Familienplanung, dem Gesundheitszustand, der Religion oder der Mitgliedschaft in einer Partei oder Gewerkschaft stellen alle immer eine unzulässige Frage dar! Damit hier insbesondere der Arbeitnehmer nicht mit bloßem Schweigen auf solche Fragen reagieren kann, hat der Gesetzgeber dem Arbeitnehmer das sogenannte Recht zur Lüge gewährt.
Der Arbeitnehmer darf daher jede unzulässige Frage mit einer Lüge beantworten. Selbstverständlich bezieht sich dieses Recht ausschließlich auf die unzulässigen Fragen.
2. Ein mündlicher Arbeitsvertrag ist immer unwirksam?
Grundsätzlich kann ein Arbeitsvertrag selbstverständlich auch mündlich geschlossen werden, um wirksam zu sein. Ausnahmen sieht das Gesetz jedoch auch vor. So ist beispielsweise ein befristeter Arbeitsvertrag nur wirksam, wenn dieser vor Arbeitsbeginn schriftlich festgehalten wurde und von beiden Vertragsparteien vorher unterzeichnet wurde.
Darüber hinaus kann der Arbeitnehmer auch nach § 2 NachwG (Nachweisgesetz) von dem Arbeitgeber verlangen, dass dieser die wesentlichen Inhalte des Arbeitsverhältnisses schriftlich festhält, unterzeichnet und ihm aushändigt.
Aus Gründen der Rechtssicherheit und insbesondere aus Beweisgründen, ist ein schriftlicher Arbeitsvertrag immer zu empfehlen.
3. Während der Arbeitszeit darf nicht zu privaten Zwecken im Internet gesurft werden?
Ist die private Nutzung des Internets nicht ausdrücklich geregelt, so ist eine private Nutzung grundsätzlich verboten. Ist dem Arbeitgeber jedoch bekannt, dass das Internet von den Mitarbeitern nicht bloß dienstlich genutzt wird, und duldet er die private Nutzung, so ist trotz einer fehlenden vertraglichen Regelung oder sogar eines ausdrücklichen vertraglichen Verbots der Privatnutzung von einer Duldung und damit auch von einer privaten Nutzung des Internets auszugehen.
Selbstverständlich muss eine solche private Nutzung angemessen sein und darf daher im Vergleich zur Arbeitszeit nicht unverhältnismäßig sein. Auch ist zu beachten, dass eine Kontrolle des Arbeitgebers nur eingeschränkt zulässig ist, da hierbei insbesondere das Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters zu beachten ist.
4. Ein ärztliches Attest ist im Falle von Krankheit dem Arbeitgeber vom ersten Tag an vorzulegen?
Nach § 5 Abs. EntgFG (Entgeltfortzahlungsgesetz) ist der Arbeitnehmer verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, hat der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens an dem darauffolgenden Arbeitstag vorzulegen. Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung früher zu verlangen.
Damit muss zumindest dem Arbeitgeber unverzüglich, d.h. vor oder spätestens mit Arbeitsbeginn telefonisch oder in sonstiger Weise fernmündlich mitgeteilt werden, dass der Arbeitnehmer arbeitsunfähig ist. Auch muss hierbei bereits mitgeteilt werden, wie lange der Arbeitnehmer vermutlich krank ist.
Sollte die Erkrankung länger als drei Tage andauern, ist der Arbeitnehmer verpflichtet seine Erkrankung aufgrund eines ärztlichen Attestes nachzuweisen und spätestens am vierten Tag seiner Erkrankung den Nachweis seinem Arbeitgeber vorzulegen.
Allerdings bietet das Gesetz auch hier die Möglichkeit, einer anderweitigen vertraglichen Regelung, welche sogar vorsieht, dass ab dem ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit ein ärztliches Attest bei dem Arbeitgeber vorzulegen ist. Ist im Arbeitsvertrag jedoch keine anderweitige Regelung enthalten, so ist eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erst bei einer Erkrankung von mehr als drei Tagen dem Arbeitgeber vorzulegen.
Um insbesondere einen Missbrauch dieser Regelung zu vermeiden, kann daher die vertragliche Regelung der früheren Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung sinnvoll sein.
5. Solange der Arbeitnehmer krankgeschrieben ist, darf er nicht gekündigt werden?
Ein weit verbreiteter und noch heute bestehender Irrtum ist, dass solange der Arbeitnehmer krankgeschrieben ist, er einem besonderen Kündigungsschutz unterliegt und eine Kündigung unwirksam ist. Das Gesetz kennt vielzählige Regelungen, welche einen besonderen Kündigungsschutz des Arbeitnehmers darstellen. Eine Erkrankung des Arbeitnehmers hingegen stellt kein Kündigungsschutz dar.
Besondere Kündigungsschutzregelungen sind beispielsweise im Kündigungsschutzgesetz zu finden, sodass bei einem Arbeitsverhältnis von mehr als sechs Monaten und mindestens zehn Vollzeitarbeitnehmern der Arbeitgeber nur bei Vorliegen eines betriebsbedingten, personenbedingten oder verhaltensbedingten Kündigungsgrundes kündigen kann. Weitere Kündigungsschutzregelungen sieht das Gesetz bei einer Schwangerschaft, bei Elternzeit, einer Schwerbehinderung oder auch einer Betriebsratstätigkeit vor.
Ein Verbot der Kündigung bei Arbeitsunfähigkeit, ist jedoch gesetzlich nicht vorgesehen, sondern kann darüber hinaus insbesondere bei Langzeiterkrankungen oder ständigen Kurzzeiterkrankungen sogar einen besonderen personenbedingten Kündigungsgrund darstellen.
6. Eine geringfügige Beschäftigung (Minijob) stellt kein vollwertiges Arbeitsverhältnis dar?
Gerade eine geringfügige Beschäftigung ist in den meisten Fällen durch flexible Arbeitszeiten ausgestaltet. Viele gehen deshalb davon aus, dass aufgrund der flexiblen Arbeitszeitgestaltung Krankheitstage später nachgearbeitet werden müssen und ein Urlaubsanspruch überhaupt nicht gegeben ist.
Eine geringfügige Beschäftigung bis zu 450 € stellt jedoch ein vollwertiges Arbeitsverhältnis mit allen Rechten und Pflichten dar. Das Gesetz sieht hierbei nicht nur eine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall vor, sondern darüber hinaus auch einen Urlaubsanspruch von 20 Urlaubstagen bei einer Fünf-Tage-Woche.
Auch ein Minijobber hat daher die gleichen Rechte und Pflichten wie eine Teilzeit- oder Vollzeitkraft.
7. Bei Nacht-, Feiertags-oder Sonntagsarbeit ist ein Lohnzuschlag zu zahlen?
Sofern aufgrund eines Tarifvertrages oder einer sonstigen arbeitsvertraglichen Regelung kein ausdrücklicher Zuschlag bei Nachtarbeit oder Arbeit an Feiertagen oder Sonntagen vereinbart wurde, findet ausschließlich die gesetzliche Regelung Anwendung.
Nach § 6 Abs. 5 ArbZG (Arbeitszeitgesetz) hat der Arbeitnehmer für die geleisteten Arbeitsstunden in der Nachtzeit entweder einen Anspruch auf Gewährung angemessener bezahlter freie Tage oder eines angemessenen Zuschlages auf das ihm hierfür zustehende Bruttomonatsgehalt. Allerdings hat der Arbeitgeber diesbezüglich ein Wahlrecht, ob er dem Arbeitnehmer freie Tage zur Verfügung stellen will oder tatsächlich einen Lohnzuschlag zahlen will.
Hinsichtlich der Tätigkeit an Sonntagen oder Feiertagen, ist dem Arbeitnehmer nach § 11 Abs. 3 ArbZG lediglich ein Ersatzruhetag zu gewähren, ein Anspruch auf einen Lohnzuschlag, sieht das Gesetz jedoch nicht vor.
Damit hat der Arbeitnehmer bei Erbringung seiner Arbeitsleistung in der Nacht, am Sonntag oder an einem Feiertag lediglich einen Anspruch auf zusätzliche freie Tage, jedoch nicht auf einen entsprechenden Lohnzuschlag.
8. Der Urlaub kann auf das nächste Jahr übertragen werden?
Ein weiterer fester Irrglaube ist, dass der im Kalenderjahr nicht genommene Urlaub immer auf das Folgejahr übertragen werden kann, jedoch bis spätestens zum 31. März des Folgejahres genommen werden muss.
Nach § 7 Abs. 3 BUrlG (Bundesurlaubsgesetz) muss der Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen.
Betriebliche Gründe des Arbeitgebers können beispielsweise darin liegen, dass gerade zu Jahresende ein höherer Arbeitsanfall besteht und daher insbesondere eine Urlaubssperre angeordnet wurde. Auch die Erkrankung des Arbeitnehmers kann dazu führen, dass der Urlaub im laufenden Kalenderjahr nicht mehr genommen werden konnte.
Sind jedoch weder betriebliche noch personenbedingte Gründe des Arbeitnehmers gegeben, so ist eine Übertragung des Urlaubs auf das nachfolgende Kalenderjahr nicht zulässig.
In der Praxis wird jedoch eine solche Übertragung von den meisten Arbeitgebern toleriert, sofern der Urlaub bis zum 31. März genommen wird. Ein rechtlicher Anspruch besteht aber nicht!
9. Eine Kündigung kann auch per E-Mail erklärt werden?
Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses kann ausschließlich in Form einer schriftlichen Kündigung erfolgen. Dies bedeutet, dass der Arbeitnehmer oder Arbeitgeber die Kündigung eigenhändig unterzeichnet haben muss.
Eine Kündigung per E-Mail, Fax oder aktuell per Whatsapp ist unwirksam. Auch eine mündliche Kündigung ist nicht ausreichend.
Ausschließlich eine schriftliche Kündigung kann die richtige Form wahren und das Arbeitsverhältnis beenden.
10. bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses steht dem Arbeitnehmer eine Abfindung zu?
Bei Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber, hat der Arbeitnehmer die Möglichkeit binnen einer Frist von drei Wochen Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht einzulegen. Ist die Kündigung beispielsweise aufgrund des Fehlens eines Kündigungsgrundes unwirksam, so stellt sich dann meist die Frage, ob eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers gewollt ist, oder sich die Parteien auf eine Abfindung einigen können. Eine Abfindung kommt jedoch nur dann in Betracht, wenn beide Parteien dieser zustimmen.
Können sich die Parteien jedoch nicht auf eine Abfindung einigen und ist die Kündigung als unwirksam anzusehen, so muss der Arbeitnehmer weiterhin für den Arbeitgeber seine Arbeitsleistung erbringen.
Einen Anspruch auf eine Abfindung hat ein Arbeitnehmer jedoch nicht. Die Praxis zeigt jedoch, dass die meisten Kündigungsschutzprozesse in einem Vergleich enden, welcher meist auch eine Regelung zu einer Abfindungszahlung enthält.
Es ist zu empfehlen, durch schriftliche arbeitsvertragliche Regelungen Rechtsstreitigkeiten zu verhindern. Die Kanzlei Michaelis unterstützt Sie gerne bei der Gestaltung und Prüfung ihrer Arbeitsverträge.
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