Audio Sonderausgabe

Beratungspflicht des Versicherungsmaklers trotz positiver Kenntnis des VN?

von Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski

I. Problemstellung Natürliche Personen sind, davon geht unsere Rechtsordnung aus, für ihr Verhalten verantwortlich. Deshalb haften Sie für Vertragsverletzungen (§ 280 BGB) oder aus unerlaubter Handlung (§ 823 BGB). Gelegentlich sind sie auch aus einem gesetzlichen Schuldverhältnis (GoA oder Bereicherung) verantwortlich. Nur bei Minderjährigen geht die Rechtsordnung davon aus, dass sie für ihr Verhalten entweder noch gar nicht oder nur eingeschränkt verantwortlich gemacht werden können (§ 828 BGB). Von diesen Ausnahmen abgesehen, sind natürliche Personen für ihr Handeln verantwortlich. Eine natürliche Person kann sich nicht durch den Hinweis entlasten, sie sei schon deshalb nicht verantwortlich, weil sie etwas nicht gewusst habe. Auch der Farbenblinde darf die Ampel bei Rot nicht überfahren, auch wenn er gar nicht weiß, wie „Rot“ eigentlich aussieht – er muss sich eine Wissensbrücke schaffen, um seine Farberkennungsschwäche zu kompensieren. Wer ein Kfz betankt, muss den Unterschied zwischen Benzin und Diesel kennen – davon gehen alle Beteiligten aus – die Tankstelle hat keine Pflicht den Tankenden erst einmal darüber aufzuklären, welcher Kraftstoff für seinen PKW geeignet ist. Bei Unternehmen, die im Rechtsverkehr handeln, ist vieles anders. Es beginnt mit der Frage, ob das Unternehmen überhaupt Träger von Rechten und Pflichten und damit verantwortlich sein kann. Selbst wenn das Unternehmen rechts- oder teilrechtsfähig ist, so muss ihm das Wissen natürlicher Personen zugerechnet werden – das Unternehmen als solches ist, aus Sicht der Rechtsordnung, wissensblind. 1 Diese relativ komplizierte Zurechnung von Wissen gegenüber einem Unternehmen soll hier nicht vertieft werden, weil es im Kern um das Wissen von natürlichen Personen gehen soll. Die hier interessierende Frage lautet, ob es auch bei positiver Kenntnis des Versicherungsnehmers über die Umstände, die Gegenstand der Beratung sein sollen, noch eine Beratungspflicht des Versicherungsmaklers geben kann. Die Frage stellt sich, weil der Versicherungsnehmer in diesem Falle alles zu wissen scheint, eine Beratung also leer laufen könnte. Die folgenden Überlegungen versuchen zu zeigen, dass die Dinge jedenfalls dann etwas komplizierter sind, wenn der Kunde/VN sich beraten lässt. Wer sich durch einen anderen beraten lässt, so der BGH in ständiger Rechtsprechung, bedient sich des Beraters, um eigene Wissen- und Erfahrungslücken zu kompensieren.2 Der Anleger darf sich deshalb auf die Richtigkeit und die Vollständigkeit der ihm erteilten Aufklärung und Beratung verlassen; alles andere widerspräche dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB).3 Es gelte, so der BGH, der Erfahrungssatz, dass ein Anleger, der bei seiner Entscheidung die besonderen Erfahrungen und Erkenntnisse eines Anlageberaters in Anspruch nehme, den Ratschlägen, Auskünften und Mitteilungen des Beraters, die dieser in einem persönlichen Gespräch unterbreite, besonderes Gewicht zumessen dürfe.4 Allerdings sei, so der BGH, eine Ausnahme von diesen Grundsätzen dann anzunehmen, wenn der Geschädigte über eigene Sachkunde oder über zusätzliche Informationen von dritter Seite verfüge.5 Diese Grundsätze gelten auch für den Versicherungsmakler, der, wie der Finanzberater, dem Kunden mit besonderen Erfahrungen und Kenntnissen im Bereich des Versicherungswesens und zwar als sein Sachwalter gegenüber tritt. Von ihm kann und darf der VN eine sachkundige, umfassende, kompetente Beratung erwarten. Die Beratungs- und Bedarfsermittlung stellt sich für den Versicherungsmakler als Hauptleistungspflicht dar.6 Der Versicherungsmakler hat individuell angemessenen Versicherungsschutz zu besorgen und muss dazu „von sich aus“ das zu versichernde Risiko ermitteln.7 Dabei muss der Versicherungsmakler klären, wie für den VN die effektivste Deckung erreicht werden kann, bei welchem Risikoträger die Absicherung vorgenommen werden sollte und zu welcher Prämienhöhe, welche Risikoabdeckung erhältlich ist.8 Grundsätzlich muss der den Schadensersatz begehrende VN darlegen und beweisen, dass der Makler seine Beratungspflicht verletzt hat.9 Darüber hinaus umfasst der Pflichtenkreis des Versicherungsmaklers grundsätzlich auch die Hilfestellung bei der Regulierung eines Versicherungsschadens.10 Umgekehrt besteht keine Verpflichtung des Maklers, die gesamte Versicherungssituation des Kunden ungefragt einer umfassenden Prüfung zu unterziehen.11 Muss sich allerdings einem Makler bei einer Anfrage des VN aufdrängen, dass der Versicherungsfall eingetreten ist und der VN dessen Voraussetzungen verkennt, so ist er verpflichtet dem VN einen entsprechenden Hinweis zu geben.12 Es geht somit um eine Grenzziehung zwischen den Fällen, in denen davon auszugehen ist, dass der VN über eigene Sachkunde, positive Kenntnis oder über ihm zurechenbares Wissen Dritter verfügt, so dass der Versicherungsmakler davon ausgehen kann und darf, dass der VN eine Beratung nicht benötigt. In diesen Fällen geht es rechtlich um die Frage, ob eine Beratungspflichtverletzung von vornherein ausscheidet, weil der VN über eigene positive Kenntnisse verfügt. Infolgedessen würde es am objektiven Tatbestand einer Beratungspflichtverletzung fehlen – es ginge nicht um die Frage, ob das Verhalten des Maklers schuldhaft war und auch nicht darum, ob der eingetretene Schaden kausal auf der Beratungspflichtverletzung beruhte. Schließlich geht es nicht um die Frage des mitwirkenden Verschuldens (§ 254 BGB) des VN. Es geht allein um die vorgelagerte Frage, ob eine Beratungspflicht (objektiv) auch dann verletzt werden kann, wenn der VN über hinreichende positive Sachkenntnis verfügt. II. Die Abgrenzung zur anlassbezogenen Beratung Vermittler und Versicherer schulden (§§ 6 Abs. 1, 61 Abs. 1 VVG) dann und nur dann eine Beratung, wenn dafür Anlass besteht. Fehlt es am Beratungsanlass, so scheidet eine Pflichtverletzung wegen fehlender Beratung tatbestandlich aus – weder der Versicherer noch der Vermittler sind, in einem solchen Fall, zum Schadensersatz verpflichtet (§§ 6 Abs. 5, 63 VVG). Dieses Modell der anlassbezogenen Beratung wurde ursprünglich von der Rechtsprechung entwickelt.13 Der BGH formulierte bereits im Jahre 1981: „Es ist nicht Sache des Versicherers (oder Vermittlers)…, umfangreiche Befragungen durchzuführen, um festzustellen, ob für den VN möglicherweise eine andere als die beantragte Versicherungsart vorteilhafter ist; er wird vielmehr nur dann aufklären müsse, wenn er erkennen oder mit der naheliegenden Möglichkeit rechnen muss, dass der Antragsteller aus mangelnden versicherungsrechtlichen oder versicherungstechnischen Kenntnissen nicht die für ihn zweckmäßigste Vertragsgestaltung gewählt hat.14 Der Gesetzgeber, der dieses Konzept erstmals in den früheren § 42 c VVG überführte, knüpfte hieran an und formulierte: „Eine Pflicht, den Kunden nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen, soll nur insoweit gelten, als auf Grund der konkreten Umstände für den Versicherungsvermittler ein erkennbarer Anlass dazu besteht. Hierunter ist keine eingehende Ermittlungs- und Nachforschungstätigkeit zu verstehen, sondern es soll lediglich eine angabenorientierte Beratung sichergestellt werden…Der Umfang der Verpflichtung richtet sich zum einen nach Art, Umfang und Komplexität des konkreten Versicherungsproduktes…Zum anderen ist maßgeblich, inwieweit der Kunde bereit und vor allem in der Lage ist, seine Bedürfnisse und Wünsche klar zu benennen…auch Informationen, die sich dem Vermittler in der konkreten Vermittlungssituation aufdrängen, muss er berücksichtigen. Wenn es also um eine Hausratsversicherung geht und dem Vermittler im Haus des Kunden weit überdurchschnittliche Wertgegenstände auffallen, hat er auf die Gefahr einer möglichen Unterdeckung hinzuweisen“. Andererseits muss der Vermittler von sich aus keine allgemeine Risikoanalyse durchführen und z. B. nach dem Bestehen einer Berufsunfähigkeitsversicherung fragen, wenn er vom Kunden wegen einer Hausratversicherung kontaktiert wird.15 Hieran wird deutlich, dass die Frage, ob ein Beratungsanlass besteht, in Wahrheit in zwei sehr unterschiedliche Teilbereiche zerfällt. Auf der einen Seite geht es um die Frage, ob der Vermittler auch über Produkte zu beraten hat, nach denen er nicht gefragt wurde. Insoweit weist der Gesetzgeber zutreffend darauf hin, dass der „Vermittler von sich aus keine allgemeine Risikoanalyse durchführen muss“. 16 Es besteht keine allgemeine Beratungs- und Belehrungspflicht, insbesondere keine Pflicht zur umfassender Vermögens- und Anlageberatung.17 Daneben steht die Abgrenzung zum produktinternen Beratungsanlass. In diesen Fällen wendet sich der VN an den Vermittler mit einem konkreten Produktwunsch (z. B. Lebensoder Hausratversicherung). Ob bezogen auf diesen konkretisierten Produktwunsch ein Beratungsanlass besteht, hängt von der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen und der Person des VN und dessen Situation ab. Zu berücksichtigen sind Art, Umfang und Komplexität des konkreten Versicherungsproduktes und die produktspezifischen Vorkenntnisse des VN. Bei klar artikulierten, begrenzten Wünschen des Kunden, so der Gesetzgeber, „können Befragung und Beratung auf ein Minimalmaß reduziert sein“.18 Offensichtliche Fehlvorstellungen des VN muss der Vermittler erkennen und ausräumen.19 Zusammenfassend kann man festhalten, dass es am Beratungsanlass aus zwei Gründen fehlen kann: • Zum einen produktextern (keine Pflicht zur allgemeinen Risikoanalyse) und zum anderen • produktintern: keine Pflicht bei einfachen Standardprodukten, klar artikuliertem Kundenwunsch und wohlinformiertem VN (ich weiß, was ich will). Die im vorliegenden Zusammenhang interessierende Frage lautet, ob positives Wissen des Kunden, den Beratungsanlass berührt, oder ihm vorgelagert ist. Die Antwort ist nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick scheint. Grundsätzlich gilt der Vorrang des Beratungsanlasses. Wenn und soweit kein Beratungsanlass besteht, spielt etwaiges Wissen oder positive Kenntnis des VN über Versicherungsprodukte, Berechnung von Versicherungssummen, Obliegenheiten oder Risikoausschlüssen von vornherein keine Rolle. Der VN benötigt in diesen Fällen keine Beratung, z. B. weil er das Produkt seit längerem kennt und in seinem Unternehmen, etwa für die Versicherung von Gebäuden oder von KFZFlotten, gleichförmig seit Jahren einsetzt. Ein VN ohne Beratungsbedürfnis kann und muss nicht beraten werden. Es besteht, in einer Privatrechtsordnung, keine Möglichkeit einem Kunden eine Beratung quasi aufzudringen, obwohl er sie weder wünscht noch braucht. Daraus folgt, dass die positive Kenntnis des VN mit Blick auf bestimmte Versicherungsprodukte, Deckungskonzepte, Ausschlussfristen oder Konzepte zur Bestimmung der Versicherungssumme (Stichwort: Wert 1914) überhaupt nur dann gestellt werden können, wenn der Beratungsanlass ohne Wenn und Aber feststeht. Ohne einen solchen Beratungsanlass kann die Frage nicht gestellt und nicht vertieft werden, ob es an einer Beratungspflichtverletzung seitens des VR/Vermittlers möglicherweise deshalb fehlt, weil der VN selbst von den Tatsachen und Umständen (positive) Kenntnis hatte, auf die der VR/Vermittler womöglich hinweisen hätte sollen/müssen. Es handelt sich somit um Fälle, in denen der Hinweis des VR/Vermittlers materiell leerläuft, weil der VN selbst positive Kenntnis hatte und infolgedessen keiner weiteren Beratung mehr bedurfte. Dies sind Fallgestaltungen, in denen der VR/Vermittler möglicherweise annehmen müsste, dass er durchaus zur Beratung aufgerufen und verpflichtet wäre. Es fehlt aber an der objektiven Möglichkeit die Beratungspflicht zu verletzen, weil der VN seinerseits genau weiß, worum es geht. Es handelt sich folglich nicht um Fragen der Kausalität oder um Fragen des Verschuldens einer Beratungspflichtverletzung, sondern es geht dogmatisch darum, ob und wann in Fällen der positiven Kenntnis des VN eine Beratungspflichtverletzung tatbestandlich ausscheidet, weil der VN nicht über etwas beraten werden kann, was er bereits positiv weiß. III. Fallgruppen 1. Eigene Verantwortung In der Fallgruppe eigene Verantwortung wird (positives)Wissen des VN unterstellt. Er muss wissen, er trägt insoweit die Verantwortung selbst. Typisch sind Fälle, in denen darauf hingewiesen wird, dass es „Sache des VN ist, sich in eigener Verantwortung um den von ihm benötigten Versicherungsschutz zu kümmern, z. B. anhand von Werbebroschüren, Versicherungsbedingungen oder Ähnlichem“.20 Es sei grundsätzlich Sache des Kunden selbst darüber zu befinden, welche der in Betracht kommenden Gestaltungsformen, etwa zur Finanzierung eines Darlehens durch eine Kapitallebensversicherung, seinen wirtschaftlichen Verhältnissen am besten entspreche.21 Anders ist es, wenn der Kunde ausdrücklich fragt oder erkennbar ist, dass er nicht besonders geschäftserfahren ist. Das gilt auch dann, wenn es um die richtige Versicherungssumme, etwa für eine Immobilie nach dem Gebäudewert von 1914, geht.22 Muss die Finanzierung eines Kredits durch eine Lebensversicherung, wegen der bei Vertragsschluss bestehenden Zinssituation (Niedrigzinsphase), unweigerlich zu einem Verlust führen, so muss beim VN zumindest nachgefragt werden, ob er sich dieses Risikos wirklich bewusst ist.23 2. Besondere Sachkunde In der Fallgruppe besondere Sachkunde wird der Beratungsanlass, anders als in der Fallgruppe „eigene Verantwortung“, grundsätzlich bejaht. Durch besondere Sachkunde eines VN kann ein Beratungsanlass aber entfallen, zumindest soweit es um Umstände geht, die zweifelsfrei von seiner Sachkunde erfasst werden.24 Je höher der Informationsstand des VN, umso weniger ausgeprägt sei die produktbezogene Beratungspflicht des Vermittlers. 25 Die gleichen Grundsätze gelten bei der Kapitalanlagevermittlung. Eine Bank muss bei Vermittlung einer Kapitalanlage nicht ungefragt über Umstände aufklären, von denen sie bei Anwendung eines objektiv-abstrakten Maßstabs voraussetzen darf, dass diese dem Anleger bekannt sind.26 So muss das Mitglied des Verwaltungsrats einer Sparkasse wissen, dass die Sparkasse für die Vermittlung fremder Finanzprodukte Provisionen vereinnahmt. Weiß der Anleger aus früheren Geschäften, dass bei Derivate-Geschäften der Emittent insolvent werden kann (Risiko des Totalverlustes), so bedarf es über dieses Emittentenrisiko keiner erneuten Aufklärung.27 Andererseits reicht die allgemeine Berufserfahrung eines Rechtsanwaltes und Notars zur Verneinung seiner Aufklärungsbedürftigkeit in Bezug auf Börsengeschäfte nicht aus.28 Die Fallgruppe „besondere Sachkunde“ geht von einer grundsätzlichen Beratungsverpflichtung aus. Diese kann jedoch im Einzelfall wegen besonderer Sachkunde, also eigenen Wissens des Kunden, entfallen. Für den Berater ist es – im Vergleich zur Fallgruppe „eigene Verantwortung“ noch schwerer zu erkennen, ob seine Verpflichtung zur Beratung wegen besonderer Sachkunde des VN entfällt. Genau besehen, kann er diese Frage nur durch Befragung des VN klären. Sinnvollerweise sollte der Berater, um sich vor Prozessrisiken zu schützen, diese Befragung sodann dokumentieren. Jedenfalls müsste der Berater den Kunden, seine Vorkenntnisse und Lebensumstände schon sehr gut (z. B. aus der bisherigen Geschäftsbeziehung) kennen, um sicher einschätzen zu können, ob er es mit einem Kunden zu tun hat, der über eine hinreichende besondere Sachkunde verfügt und folglich keiner Beratung bedarf. Eines jedenfalls lässt sich resümierend festhalten: Die Kategorie „besondere Sachkunde“ ist nicht objektiv standardisierbar. Es kommt auf den Einzelfall und damit auf das individuelle Wissen und die individuelle Sachkunde des jeweiligen Kunden an. 3. Wissen müssen Auch in dieser Fallgruppe besteht grundsätzlich ein Beratungsanlass. Es entstehen aber Umstände, aus denen folgt, dass der VN bestimmte Tatsachen kennen muss, sodass es einer weitergehenden Beratung nicht bedarf. Davon ist das OLG Hamm am 20.01.1997 ausgegangen.29 Der VN beantragte die Aufhebung der Fahrzeugversicherung für zwei KFZ. Er füllte einen entsprechenden Antrag aus. Der Antrag bezog sich auf eine größere Anzahl von Voll- und Teilkaskovarianten. Der VR übersandte daraufhin einen Nachtrag zur KFZVersicherung. Dort wurde bestätigt: „Ausschluss der Fahrzeugvollversicherung mit 650 DM Selbstbeteiligung einschließlich Fahrzeugteil ohne Selbstbeteiligung“. Als das Fahrzeug später entwendet wurde, lehnte der Versicherer, in Ermangelung einer Teilkaskodeckung, Versicherungsschutz ab. Der VN meinte, er sei über den Umfang des zukünftigen Versicherungsschutzes (Wegfall der Teilkaskoversicherung) nicht angemessen informiert worden. Das OLG Hamm wies diesen Vorwurf zurück, weil der VN den Wegfall der Deckung schon wegen seiner Antragstellung aber auch wegen des Inhalts des Nachtrages hätte wissen müssen. Wie schwierig die Fälle werden können, wenn es um „wissen müssen“ geht, zeigt der Fall den der BGH am 30.11.2017 zu entscheiden hatte.30 Es ging um eine Versicherungsfachfrau, die eine Unfallversicherung nahm, bei der ihr Ehemann versicherte Person war. Der Ehemann erlitt einen schweren Verkehrsunfall, den die VN dem VR meldete. Der VR wies am 19.06.2012 darauf hin, ein Anspruch auf Versicherungsleistung bestehe nur, wenn die unfallbedingte Invalidität innerhalb von 12 Monaten nach dem Unfall eintrete und innerhalb von 18 Monaten nach dem Unfall ärztlich festgestellt werde. Die 18 Monatsfrist für die ärztliche Feststellung wurde versäumt. Deshalb lehnte der VR den später gestellten Antrag auf Invaliditätsleistung ab. Die VN verklagte den Makler, der einwandte, dass die VN auf die 18 Monatsfrist vom VR schriftlich hingewiesen worden war. Sie habe also gewusst, dass diese Frist ablaufe und sie dennoch nicht eingehalten. Dieses unstreitig vorhandene Wissen habe den Makler, so der BGH, letztlich aber nicht entlasten können. Er, der Makler, schulde dem VN grundsätzlich Hilfestellung bei der Regulierung eines Versicherungsschadens. 31 Hiervon ausgehend, könne von einem Versicherungsmakler ein Hinweis auf den drohenden Verlust des Versicherungsanspruchs, wegen Nichteinhaltung der Frist zur ärztlichen Feststellung und Geltendmachung einer eingetretenen Invalidität, erwartet werden.32 Eine Belehrungsbedürftigkeit des VN sei regelmäßig anzunehmen, wenn für den Makler erkennbar sei, dass Ansprüche wegen Invalidität gegen die Unfallversicherung ernsthaft in Betracht kämen. Der Umstand, dass es zur eigenen Verantwortung des VN gehöre, sich über Ausschlussfristen nach den Versicherungsbedingungen zu informieren, lasse keinen Raum für die Verteidigung des Maklers, sich auf diese Obliegenheit des VN zu berufen, weil diese lediglich das Verhältnis des VN zum VR beträfen. Der VN bediene sich aber gerade des Maklers als sachkundigem Fachmann, um seine Ansprüche zu wahren und durchzusetzen.33 Es spreche auch nach der Lebenserfahrung nichts dafür, dass die VN, die im Schreiben des VR vom 19.06.2012 auf die Fristen hingewiesen worden war, auf den drohenden Ablauf dieser Frist durch einen gezielten Hinweis des Makler ebenfalls nicht reagiert hätte.34 Die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens sei im vorliegenden Fall, deshalb nicht entkräftet, weil für die VN bei Aufklärung über den Rechtsverlust bei Versäumung der Frist von 18 Monaten keine andere sachgerechte Handlungsalternative, als die Geltendmachung der unfallbedingten Invalidität unter Vorlage einer entsprechenden ärztlichen Feststellung bestanden hätte.35 Der Fall ist lehrreich, weil er zeigt, wie schwierig es ist, zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen ein VN deckungsrelevante Informationen kennen muss. Der BGH verkannte nicht, dass die selbst fachkundige VN im vorliegenden Fall positive Kenntnis von den, die Unfallversicherung prägenden, Ausschlussfristen hatte.36 Es ging mit anderen Worten also nicht um das positive Wissen mit Blick auf diese Ausschlussfristen. Der BGH ging erkennbar davon aus, dass sich der Versicherungsmakler als Sachwalter des Kunden, auch bei der Schadensregulierung, zu vergewissern hat, ob der VN, wegen dieser gefährlichen Ausschlussfristen einen Fristenkalender führt. Es ist so ähnlich, wie wenn ein Mandant von einem Rechtsanwalt betreut wird. Der Mandant weiß in der Regel, ebenso wie der Anwalt, wann bestimmte Fristen, etwa für die Einreichung eines Schriftsatzes oder einer Klage oder einer Beschwerde, ablaufen. Möglicherweise weiß der Mandant auch, ob es sich um Ausschlussfristen handelt, die bei Versäumung nicht mehr geheilt werden können. Trotz dieses Wissens wird der Mandant seinen Anwalt in jedem Falle auf Schadensersatz in Anspruch nehmen können, wenn dieser eine Ausschlussfrist versäumt und dadurch dem Mandanten einen Vermögensnachteil zufügt. Sehr ähnlich argumentiert der BGH mit Blick auf den Makler. Er, der Makler, der zugleich Sachwalter des Kunden ist, habe sozusagen für diesen stellvertretend den Fristenkalender zu führen und auf den drohenden Fristablauf hinzuweisen. Die Tatsache, dass der selbst sachkundige VN von der Frist weiß und somit den Ablauf der Frist auch selbst berechnen könnte, ändert jedenfalls nichts an der Verpflichtung des Maklers, vor Ablauf der Frist so rechtzeitig nachzufragen, dass es dem VN im Zweifel noch möglich wird die Frist einzuhalten. Der Fall belegt exemplarisch, dass es Fälle gibt, in denen der VN positives Wissen hat, aber trotzdem für die Umsetzung und Kontrolle dieses Wissens nicht selbst verantwortlich ist. Die eigene Verantwortung für das Wissen, so der BGH, entfällt deshalb, weil sich der VN eines Maklers, nämlich seines Sachverwalters, mit dem Ziel bedient, sich von der Kontrolle der relevanten Fristen im Zusammenhang mit der Abwicklung des Schadenfalles zumindest entlasten zu können. Dahinter steht der Gedanke, dass zwar jeder „seines eigenes Glückes Schmied“ ist, bedient er sich hingegen des sachkundigen Rates und der Unterstützung eines Dritten (gegen Entgelt), so wird die eigene Verantwortung auf einen Dritten verlagert. 4. Vertrauen auf das Wissen des VN Unter bestimmten Voraussetzungen kann und darf der Makler auf das Wissen des VN, das dieser ihm weitergibt, vertrauen. Einen solchen Fall endschied das OLG Hamm am 20.06.201837. Es ging um passenden Versicherungsschutz für eine Immobilie. Im Gespräch mit dem Geschäftsführer des Unternehmens, dass die Immobilie versichern wollte, wurde ausdrücklich (Zeichnungsfrage 3) geklärt, dass es sich bei dem Gebäude nicht um ein Sanierungsobjekt handele. Diese Antwort war falsch, in Wirklichkeit stand das Gebäude leer und sollte saniert werden. Der VN wandte im Prozess gegen den Makler ein, er, der Makler hätte das Gebäude besichtigen können und müssen. Das OLG Hamm widersprach: Bei einer klaren und eindeutigen Frage nach dem Zustand der Immobilie bestehe kein Anlass für den Makler an der Richtigkeit der Antwort des VN zu zweifeln. In einem solchen Fall dürfe der Makler auf das Wissen des VN vertrauen- eine Immobilie müsse folglich nicht stets besichtigt werden. Der Fall zeigt, dass der Makler dem Wissen und den Kenntnissen des VN im Grundsatz vertrauen darf. Die Grenze ist dann erreicht, wenn der Makler mit der naheliegenden Möglichkeit eines Irrtums beim VN rechnen muss. 38 Auch falsche Vorstellungen des VN können das Vertrauen in die Aussage des VN erschüttern und eine Beratungsnotwendigkeit eröffnen. Im Urteil des OLG Düsseldorf vom 16.11.201840 ging es um die Frage, ob eine Patentrechtsnichtigkeitsklage vom Deckungsschutz einer Rechtsschutzversicherung umfasst war. Der Makler wies darauf hin, dass sich aus den dem VN übersandten Bedingungen und Rahmenverträgen eindeutig ergeben habe, dass die Abwehr von Patentrechtsnichtigkeitsklagen nicht versichert gewesen sei. Das OLG Düsseldorf erwiderte, dass der Makler sich darauf nicht berufen könne, weil er selbst dem VN in einer E-Mail bestätigt hatte, dass die Abwehr von Klagen dieser Art mitversichert sei. Tatsächlich war das nicht der Fall, aber so das OLG Düsseldorf, ein Makler, der Versicherungsschutz gegenüber dem VN bestätige, den es in Wahrheit nicht gäbe, mache sich selbst wegen Verletzung einer Nebenpflicht nach §280 BGB schadensersatzpflichtig. 5. Zurechnung des Wissens Dritter Schließlich ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass sich der VN das Wissen eines von ihm selbst beauftragten fachkundigen Dritten, zum Beispiel eines Sachverständigen, wie eigenes Wissen zurechnen lassen muss. Bedient sich der VN etwa bei der Feststellung des Versicherungswertes 1914 eines Sachverständigen Dritten, so hat er keinen Anspruch gegen den Versicherer aus Beratungsverschulden, wenn dieser Wert zu niedrig bestimmt wurde. 41 IV. Schlussfolgerungen 1. zunächst ist noch einmal auf den Vorrang des Beratungsanlasses zurück zu kommen. Ohne Beratungsanlass kann keine Beratungspflicht verletzt werden (§§ 6, 61 VVG). Besteht ein Anlass zur Beratung, typischerweise bei schwierigen, komplexen Versicherungsprodukten wie Lebens-Kranken-oder Berufsunfähigkeitsversicherungen, so kann es dennoch an einer Beratungs-Ausklärungs-Informationspflicht fehlen, weil der VN über positives Wissen verfügt, also Kenntnis von den Tatsachen hat, über die aufzuklären, zu informieren oder zu beraten war. Es fehlt an einer objektiven Aufklärungs-Informations-Beratungsmöglichkeit, weil der VN informiert ist. 2. Die Frage, ob eine Informations-Aufklärungs-oder Beratungspflicht besteht, stellt sich ferner immer dann von vorneherein nicht, wenn es um Fragen und Problembereiche geht für die der VN eigene Verantwortung trägt. Es ist im Grundsatz Sache des VN sich in eigener Verantwortung um den von ihm benötigten Versicherungsschutz zu kümmern.42 Hinter dem Gedanken der grundsätzlichen Eigenverantwortung steht das Prinzip, wonach natürliche Personen die am Rechtsverkehr volljährig teilnehmen, für ihr Handeln persönlich verantwortlich sind. Die Rechtsordnung geht davon aus, dass sie wissen was sie tun und sich das notwendige Wissen verschaffen, das sie benötigen. Dies ist auch der Grund, warum § 675 Abs. 2 BGB den Grundsatz formuliert: Wer einem anderen einen Rat oder eine Empfehlung erteilt, ist zum Ersatz des aus der Befolgung des Rates oder der Empfehlung entstandenen Schadens nicht verpflichtet. Dieser, das Prinzip der Privatautonomie spiegelnde und durchsetzende Gedanke betont das Prinzip der Eigen- und Selbstverantwortung, für das, was man tut. Aber: § 675 Abs. 2 beschreibt auch die Grenze und stellt klar, dass die Haftung in dem Augenblick beginnt, in dem der Rat oder die Empfehlung auf einem Vertrag beruht. Aus § 311 Abs. 2 BGB folgt, dass ein Schuldverhältnis schon mit der Aufnahme von Vertragsverhandlungen entsteht. In den hier relevanten Fällen geht es um die Vermittlung von Versicherungen oder von Finanzanlagen. Mit der Aufnahme von Vertragsverhandlungen zwischen Versicherer/Vermittler und Kunden entsteht somit bereits ein Schuldverhältnis, das die Haftung nach § 675 Abs. 2 BGB, aber auch nach §§ 6, 63 VVG und § 280 BGB auslöst. Daraus folgt eine sehr wichtige Grunderkenntnis für die Anbieter von Versicherungsund Finanzprodukten: Da sie in aller Regel auf der Grundlage eines (sich anbahnenden) Vertrages agieren, müssen sie sich folglich darüber Gedanken machen, wie weit die Sphäre der Eigenverantwortung des VN reicht und wann die Sphäre beginnt, wo der Anbieter/Vermittler über Information, Aufklärung und Beratung vertieft nachzudenken hat. Eine für alle Zeiten feststehende, objektive Grenzziehung, die über den Grundgedanken hinausweist, dass der VN sich in eigener Verantwortung um den von ihm benötigten Versicherungsschutz zu kümmern hat, gibt es nicht und kann es auch nicht geben, weil es in all diesen Fällen um die Abgrenzung zu der Frage geht, ob der VR/Vermittler möglicherweise hätte erkennen können und müssen, dass der VN einen Wunsch nach Information, Aufklärung oder Beratung möglicherweise hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht hat. Insoweit können sich die Anforderungen an notwendige Nachfragen gegenüber dem VN im Zeitablauf unter Berücksichtigung der jeweils neu gemachten Erfahrungen verändern. Wollen VR/Vermittler sicher sein, angemessen und hinreichend informiert, aufgeklärt und beraten zu haben, so bleibt ihnen nur eines: sie müssen den Kommunikationsprozess mit dem VN dokumentieren, um beweisen zu können, dass alle Wünsche die der VN ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten geäußert hat, tatsächlich Gegenstand des Beratungsgespräches gewesen ist. In diesen Zusammenhang gehört auch die Zurechnung des Wissens sachverständiger Dritter, die der VN selbst einschaltet oder einschalten lässt. Dadurch übernimmt der VN die eigene Verantwortung für bestimmte, von ihm selbst beschaffte Informationen und Tatsachen. In der Dokumentation sollte darauf hingewiesen werden, dass es keiner vertieften Information, Aufklärung oder Beratung bedurfte, weil der VN auf der Grundlage des Wissens von ihm selbst eingeschalteter Dritter gehandelt hat. 3. Die Kategorie besondere Sachkunde des VN ist dadurch gekennzeichnet, dass er wegen dieser eigenen Sachkunde, keine Beratung benötigt. Der Vermittler/VR braucht den Kunden in diesen Fällen nicht zu informieren, aufzuklären oder zu beraten, weil der Kunde entsprechend informiert ist. Er kennt die entscheidenden Fragen und Antworten- er benötigt insoweit keinen Berater. Ob und wann das allerdings der Fall ist, hängt vom Vorwissen, von Vorerfahrungen und der finanziellen Situation ab, in der sich der Kunde befindet. Anders formuliert: Die besondere Sachkunde ist eine im Kunden angelegte, ihn prägende, individuelle Eigenschaft, die nach außen hin oft nicht erkennbar ist. Für den Vermittler/VR bedeutet dies, dass er nur in den Fällen, in denen er eine längere Geschäftsbeziehung mit dem Kunden unterhält oder aus anderen Gründen den Kunden persönlich gut kennt wissen kann, ob der Kunde über besondere Sachkunde verfügt oder nicht. Der Vermittler/VR kann sich somit nicht aufgrund objektiver Kriterien darüber vergewissern, ob der Kunde wohl über besondere Sachkunde verfügt. Daraus folgt, dass der Vermittler/VR auch bei dieser Kategorie nur eines tun kann, um sich selbst zu schützen: Er muss den Kunden zunächst einmal über dessen persönliche Erfahrungen und Kenntnisse sowie seine finanzielle Situation befragen und muss sodann diese Befragung dokumentieren, um sich selbst zu entlasten. 4. Sehr ähnlich ist die Situation in der Kategorie des Wissen müssens. Ob der VN, der den Wegfall der Vollkaskoversicherung beantragt wissen muss, dass damit auch die Teilkaskoversicherung fortfällt ist eine Frage, die nicht generell und für jeden Einzelfall im Voraus beantwortet werden kann. Entscheidend kommt es darauf an, welchen Antrag der VN gestellt hat, wie mit ihm über diesen Antrag kommuniziert wurde, welchen Inhalt die neue Police hatte. Wollen Vermittler/VR sicher sein, alles getan zu haben, um nicht womöglich auf Schadensersatz zu haften, so bleibt auch bei dieser Kategorie nur die Möglichkeit der Nachfrage. Mit Übersendung der neuen Police könnte der Versicherer/Vermittler fragen, ob dem Kunden klar ist, das er nicht nur die Voll,- sondern auch die Teilkaskoversicherung abgewählt hat, so das er etwa für Glasbruch oder bei Diebstahl des Fahrzeugs keinen Versicherungsschutz hat. 5. Auch die Kategorie des Vertrauens auf das positive Wissen des VN ist von großen Unsicherheiten für die Vermittler/VR geprägt. Auch hier hilft in aller Regel nur die Dokumentation. Der Vermittler/VR sollten dokumentieren, das bestimmte, vertragswesentliche Tatsachen auf Angaben des VN beruhen, die nicht überprüft wurden. So etwa, wenn der VN ein Gebäude versichern will und erklärt, es handle sich nicht um ein sanierungsbedürftiges Gebäude.43 Erst die Dokumentation stellt klar, dass der Vermittler/ VR einer bestimmten Information des VN (ungeprüft) gefolgt ist. Widerspricht der VN einem solchen Vorgehen nicht, so entsteht spätestens hierdurch ein Vertrauen zugunsten des Vermittlers/VR. Eine Dokumentation hilft aber in den Fällen nicht weiter, in denen den Vermittler/VR gegenüber dem VN eine besondere Betreuungsverpflichtung trifft, etwa bei der Regulierung eines Versicherungsschadens. Es mag sein, so der BGH, dass der VN die Einhaltung einer bestimmten (Ausschluss-)Frist gegenüber dem Versicherer selbst schuldet. Das ändert aber nichts daran, dass der Versicherungsmakler, der Sachwalter des VN ist, quasi neben ihm eine Art Kontrollstation bildet, die insbesondere auch einen Fristenkalender führt, wenn die Gefahr besteht, dass durch Fristablauf Versicherungsleistungen endgültig verloren gehen könnten. Der Versicherungsmakler muss sich somit eine Struktur schaffen, um seine Verpflichtung zur Hilfestellung bei der Regulierung eines Versicherungsschadens hinreichend und angemessen nachkommen zu können. Er benötigt eine Datei, die ihn darauf hinweist, wann bei den Versicherungsfällen, die er mitbetreut, möglicherweise die Einschränkung oder der Verlust des Versicherungsschutzes drohen könnte. Das sind Fragen, die sich nicht generell für alle Zeiten und immer wieder gleich beantworten lassen, denn sie hängen von den Vereinbarungen ab, die zwischen VN und VR im Versicherungsvertrag jeweils geschlossen wurden. Diese Vereinbarungen können sich in Zeiten des freien Wettbewerbs und der Privatautonomie bei der Gestaltung der Versicherungsprodukte ständig verändern. Es gibt keine Kontinuität im Leistungskatalog- d. h. der Makler ist, ob er will oder nicht, gezwungen im Versicherungsfall sich selbst mit den vertraglichen Vereinbarungen auseinander zu setzten. Es könnte sinnvoll sein, dass er Kontakt mit dem Schadensachbearbeiter des Versicherers aufnimmt und klärt, ob und unter welchen Voraussetzungen es im Einzelfall zu Deckungsverweigerungen, zum Beispiel durch bloßen Fristablauf, kommen könnte. Hiervon ausgehend muss der Makler für sich selbst ein „Warnsystem“ entwickeln, das es ihm erlaubt, seinen VN bei Gefahr im Verzug auf Maßnahmen hinzuweisen, die die Einschränkung oder den Verlust des Versicherungsschutzes verhindern. Der Makler ist jedenfalls nicht gut beraten, wenn er sich auf das positive Wissen des VN, wie im Falle, den der BGH am 30.11.2017 zu entscheiden hatte, verlässt.44 Denn in diesem Fall hat der BGH den Versicherungsmakler als Sachwalter des VN verpflichtet, diesem auch dann Warnungen zu geben, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass der VN womöglich ohne diese Warnungen alles richtig gemacht hätte und zwar kraft eigenen Wissens. Die Frage ist und war nur, ob der VN den drohenden Fristablauf tatsächlich in seinem Hinterkopf hatte. Wegen der besonderen Gefahren, die mit dem Fristablauf verbunden sind, hat der BGH eine Nachfrage und Warnpflicht für den Versicherungsmakler entwickelt, die letztlich in der Vergewisserung mündet, dass dem VN im Einzelfall ein Gegensteuern noch möglich bleibt. V. Dokumentation Alles in Allem zeigen diese Überlegungen, das positives Wissen des VN über bestimmte Informationen oder Tatsachen den Vermittler/VR entlasten kann, aber nicht notwendig entlasten muss. Wollen Vermittler/VR einer Haftungsfalle entgehen, so bleibt nur die Möglichkeit der Dokumentation und das Entwickeln von Frage-, und Warnsystemen, mit deren Hilfe der (vorsorgend und vorausschauende) Sachwalter herausfindet, ob versicherungstypische Risiken dem VN so klar sind, dass sie entweder akzeptiert oder aber überwunden werden können. Die Dokumentation darf sich nicht auf ein schematisches Ankreuzen von Beratungsthemen beschränken, sondern muss den Gang und den Inhalt der Beratung des VN, sowie etwaige Motive des VN für einen Versichererwechsel45 und vor allem die Begründung der Empfehlung klar und verständlich in ihren wesentlichen Zügen nachzeichnen46. Es ist Aufgabe des VN das Fehlen der Dokumentation oder ihre Fehlerhaftigkeit zu beweisen.47 Fehlt die Dokumentation oder enthält sie beratungsrelevante Lücken/Fehler so kommen dem VN Beweiserleichterungen bis hin zur Beweislastumkehr zu Gute. 48 Die Rechtsprechung hat zu Gunsten des VN die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens entwickelt, geht also davon aus, dass der VN bei richtiger Aufklärung eine andere Entscheidung getroffen hätte, als die die er getroffen hat.49 Das Gesetz geht davon aus, dass der Vermittler die Gründe für jeden Rat dokumentiert (§61 Abs.1 VVG). Die Dokumentation hat die Komplexität des Versicherungsvertrages zu berücksichtigen. Weitere Hinweise zur angemessenen, sachgerechten und den Vermittler entlastenden Dokumentation enthält das Gesetz nicht. Einigkeit besteht wohl darüber, dass die Dokumentation kein „Wortprotokoll“ des Beratungsverlaufs darstellen kann und muss.50 Eine zielführende Dokumentation sollte den Kern der Beratung wiedergeben, und damit zunächst einmal auf das Produktinformationsblatt zurückgreifen. Das Produktinformationsblatt (§4 VVG-InfoV) enthält die Basisinformationen, die jeder VN benötigt, bevor er eine bindende Vertragserklärung abgibt. In der Dokumentation sollte bestätigt werden, dass VN und Vermittler alle Punkte des PIB durchgegangen sind, so dass dem VN die Leistungsmerkmale des Vertrages, vor allem aber auch die Risikoausschlüsse und die von ihm zu beachtenden Obliegenheiten völlig klar sind. Im nächsten Schritt sollte in der Dokumentation hervorgehoben werden, welche Leistungen für den VN besonders wichtig (womöglich unverzichtbar) waren und -vor allem mit Blick auf Risikoausschlüsse- sollte geklärt sein, dass dem VN klar ist, was nicht mitversichert ist, sodass er insoweit möglicherweise eine anderweitige Risikoabsicherung suchen muss. Eine solche PIB- orientierte Dokumentation müsste geradezu notwendig die Punkte aufnehmen, die für den VN und seine Wünsche und Bedürfnisse von besonderer Bedeutung waren. Darüber hinaus sollte eine Dokumentation am Schluss erwähnen, dass das Produkt eine Vielzahl weiterer Leistungsmerkmale, Leistungsausschlüsse und auch Obliegenheiten enthält, auf die deshalb nicht ausdrücklich und vertiefend eigegangen wurde, weil beide Seiten davon ausgingen, dass diese Parameter und die daraus folgenden versicherungstechnischen Wirkungen dem VN geläufig waren. Mit Blick auf eine Rürup-Police wäre es, um ein Beispiel zu bilden, klar, dass man über die Leistungsmerkmale dieser besonderen Lebensversicherung gesprochen hätte, insbesondere darüber, dass es keine Auszahlung in der Ansparphase gibt und das nur Renten, aber keine Kapitalzahlungen, zur Auszahlung kommen. Bei Hausrat oder Gebäudeversicherungen ist es naheliegend, dass über die Deckungssummen gesprochen wird, um Unterversicherungen zu vermeiden. Besteht die Dokumentation aus einem „Kreuz“ beim Wort Rückkaufswert, so ist dies nahezu aussagelos, weil unklar bleibt, ob der VN darüber informiert wurde, ob es einen Rückkaufswert (wenn ja in welcher Höhe), oder ob es womöglich keinen Rückkaufswert wegen einer ordnungsgemäßen Kostenausgleichsvereinbarung gibt. Welche Leistungen und Risikoausschlüsse für den jeweiligen Vertrag letztlich prägend sind, also zu den Kernelementen gehören, lässt sich nicht generalisierend für alle Vertragstypen beantworten. Ein guter Makler kennt die Unterschiede der Produkte und weiß, dass der Durchschnittskunde bei einer fondsgebundenen Lebensversicherung darauf hinzuweisen ist, dass dieses Produkt meist keine Beitrags- und regelmäßig keine Zinsgarantie enthält. Aus alledem folgt, dass es die eine, für alle Fälle immer richtige Dokumentation nicht gibt. Festhalten kann man, dass die Dokumentation jedenfalls „kein Wortprotokoll“ ist. Umgekehrt darf sie sich nicht auf ein schematisches Ankreuzen von Beratungsthemen beschränken. Zielführend dürfte es sein, sich am Leistungskatalog des Produktinformationsblattes und der Leistungsausschlüsse entlang zu bewegen und vor allem noch einmal herauszuheben, ob man mit dem VN über außergewöhnliche, vom typischen Versicherungsvertrag abweichende,v Wünsche und Bedürfnisse gesprochen hat.

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