Arbeitnehmerregress: Wann muss der Arbeitnehmer für Schäden persönlich haften?

von Dr. Jan Freitag, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte, Hamburg

Im Arbeitsleben kann es vorkommen, dass durch Fehler eines Arbeitnehmers Schäden entstehen. Die Rechtsprechung hat bereits in einer Vielzahl von Entscheidungen Grundsätze entwickelt, nach denen auch der Arbeitnehmer selbst in die Haftung mit einbezogen werden kann. Nachfolgend erfahren Sie, unter welchen Voraussetzungen ein Mitarbeiter für entstandene Schäden persönlich haftbar gemacht werden kann (Arbeitnehmerregress).

Grundsätzlich unterscheidet der Gesetzgeber zwischen Schäden an Sachen und Personen:

  1. Personenschäden: In der Regel gesetzliche Haftungsübernahme

Wenn ein Arbeitnehmer bei einer betrieblichen Tätigkeit fahrlässig die Körperverletzung eines Kollegen hervorruft, springt die gesetzliche Unfallversicherung ein.

Damit werden zivilrechtliche Ansprüche aus § 823 BGB gegenüber dem anderen Arbeitnehmer wegen der Schädigung von Körper oder Gesundheit ausgeschlossen, soweit der Schädiger fahrlässig handelt. Bei vorsätzlicher Handlung eines Arbeitnehmers gilt dies also nicht.

Gesetzlich geregelt ist dies in § 105 Absatz 1 SGB VII. Anstelle der zivilrechtlichen Schadensersatzansprüche treten die öffentlich-rechtlichen Ansprüche gegen die zuständige Berufsgenossenschaft als Träger der Unfallversicherung.

Bei Sachschäden gibt es dagegen keine gesetzliche Haftungsübernahme. Es haben sich hier durch die Rechtsprechung Grundsätze entwickelt:

  1. Sachschäden: Unter Umständen persönliche Haftung des Arbeitnehmers

Der Arbeitnehmer muss seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung ordnungsgemäß erbringen und auch sogenannte Nebenpflichten beachten. So ist er z.B. (auch wenn dies naturgemäß nicht ausdrücklich im Arbeitsvertrag erwähnt ist) verpflichtet, mit den ihm überlassenen Arbeitsmitteln (z.B. Kundendaten, Computer, Maschinen, Kfz etc.) sorgfältig umzugehen.

Verletzt der Arbeitnehmer seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag schuldhaft und verursacht er dadurch einen Schaden beim Arbeitgeber, haftet er hierfür. Ein Verhalten ist schuldhaft, wenn entweder Vorsatz oder Fahrlässigkeit vorliegt. Unter Fahrlässigkeit wird „die Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt“ verstanden (§ 276 BGB).

Während das Bundesarbeitsgericht (BAG) früher an eine „gefahrgeeignete Arbeit“ anknüpfte, so reicht es heute aus, wenn es sich um eine „betriebliche veranlasste Arbeit“ handelt. Betrieblich veranlasst sind Tätigkeiten, die ein Arbeitnehmer im Interesse des Arbeitgebers vornimmt oder mit denen der Arbeitnehmer arbeitsvertraglich beschäftigt ist (abzugrenzen also von einer privat veranlassten Tätigkeit).

Wie ein Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis für Schäden gegenüber dem Arbeitgeber haftet, hängt nach den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleiches davon ab, was für ein Verschulden den Arbeitnehmer trifft. Der tatsächliche Umfang der Haftung des Arbeitnehmers bestimmt sich letztlich nach dem Grad des Verschuldens. So hat das BAG in einer Vielzahl von Entscheidungen die Auffassung vertreten, dass der Arbeitnehmer bei leichter Fahrlässigkeit nicht persönlich haftet, dass er bei grober Fahrlässigkeit und bei Vorsatz voll zu haften hat und dass der Schaden bei „mittlerer“ Fahrlässigkeit nach einer bestimmten Quote aufgeteilt wird.

Allerdings findet auch bei der persönlichen Haftung des Arbeitnehmers der im Arbeitsrecht allgegenwärtige Arbeitnehmerschutz Anwendung. Denn es sind sämtliche Umstände des Einzelfalles in die Betrachtung einzubeziehen. Viele dieser Umstände können im Ergebnis zu einer weitgehenden Entlastung des Arbeitnehmers führen.

Besondere Umstände des Einzelfalls, die zu einer Entlastung des Arbeitnehmers führen können, sind beispielsweise die objektive Gefährlichkeit der Arbeit, die Höhe des Schadens, die Vergütung des Arbeitnehmers, aber auch die Möglichkeit des Arbeitgebers, dem Schaden durch eine Versicherung vorzubeugen.

Alle diese Umstände können im Einzelfall eine Herabsetzung des vom Arbeitnehmer zu tragenden Anteils am Schaden zur Folge haben.

  1. Zusammenfassung für Versicherungsmakler

Der Bereich der Personenschäden ist also im Wesentlichen klar gesetzlich geregelt, spielt zudem in der Praxis eher im gewerblichen Bereich, weniger bei Versicherungsmaklern eine Rolle.

Der Bereich Sachschäden kann dagegen beim Versicherungsmakler eine größere Bedeutung haben:

Der „klassisch“ ärgerliche Fall jedes Versicherungsmaklers, dass z.B. ein Arbeitnehmer Kundendaten veruntreut und dass dadurch Schäden entstehen, ist dabei im Ergebnis eindeutig: Bei Vorsatz des Arbeitnehmers, der hier in der Regel zu unterstellen ist, haftet der Arbeitnehmer voll.

„Kleinere“ Fehler des Arbeitnehmers, Dinge, die jedem passieren können (z.B. ein Tippfehler bei einem Versicherungsantrag), werden dagegen zu keiner Arbeitnehmerhaftung führen.

Die „spannenden“ Fälle sind die fahrlässigen bis grob fahrlässigen Fehler eines Arbeitnehmers. Sie können im Büroalltag des Versicherungsmaklers von dem Ausgießen einer Kaffeekanne über dem teuren Laptop, über die versehentliche Löschung wichtiger Kundendaten oder Fristen, bis hin z.B. zu einem Sachschaden am Dienstfahrzeug gehen.

Dies sind auch für Versicherungsmakler die spannenden Einzelfälle der Rechtsprechung, wobei die Rechtsprechung das Bild geprägt hat, dass dann von einem grob fahrlässigen Verhalten des Arbeitnehmers auszugehen sei, wenn man sich „an den Kopf fassen muss“, was der Arbeitnehmer gerade getan habe. Dabei kommt es auf den Einzelfall an, so dass ein Fehler eines Büropraktikanten anders zu behandeln wäre, als z.B. der Fehler eine erfahrene Bürokraft.

Gerade auf solche Fälle sollte sich der Versicherungsmakler vorbereiten.

Es ist die Arbeitsvertragsgestaltung, bei der nicht nur bereits im Vorfeld geklärt werden sollte, wie bei solchen Fällen vorgegangen wird.

Noch wichtiger ist es, für typische Fälle in der Branche (z.B. vorsätzliches oder fahrlässiges Veruntreuen von Kundendaten) ein Strafversprechen in die Arbeitsverträge aufzunehmen. Denn es ist ein Dilemma im Schadensersatzrecht, dass ein Arbeitgeber häufig dem Grunde nach einen Schadenersatzanspruch hat, diesen aber der Höhe nach nicht spezifizieren kann (Welcher Schaden ist denn durch die verschwundenen Kundendaten genau entstanden?). Diese Nachweislücke können gut gestaltete Arbeitsverträge ggf. schließen.

Die Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte ist eine auf Probleme von Firmen, im Kern von Versicherungsmakler-Firmen, ausgerichtete Kanzlei, die sich mit ihren Anwälten das Ziel gesetzt hat, diese Firmen in allen branchentypischen rechtlichen Fragestellungen vertreten zu können.

Der Verfasser des Artikels ist der Fachanwalt für Arbeitsrecht der Kanzlei. In der Kanzlei gibt es aber auch Fachanwälte für Versicherungsrecht, für Gesellschaftsrecht, es ist das Wettbewerbsrecht genauso abgedeckt wie der gewerbliche Rechtsschutz, des Kapitalanlagerechtes oder des Erbrechtes sowie andere vertragsrechtliche und zivilrechtliche Bereiche, mit denen sich Versicherungsmaklerfirmen zu beschäftigen haben.

Dieser Artikel wurde ebenfalls veröffentlicht in der AssCompakt 05/2015

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