Die Digitalisierung ist das aktuelle Thema für den Versicherungsvertrieb und könnte durch automatisierte Verfahren die Versicherungsvermittlung so viel einfacher machen. Die technischen Prozessabläufe können schematisiert werden und über Schnittstellen automatisch weiter geleitet werden. Der Vermittler bekommt nur noch eine Online-Nachricht über jeden erfolgten Vermittlungsvorgang in Form einer elektronischen Courtagebuchung, wie hoch sein Vergütungsanspruch ist, den er mit der nächsten Courtageüberweisung erhält. Während der Vermittler entspannt am Swimming-Pool seine Vertriebserfolge betrachtet, läuft die Online-Vermittlung seiner Zielgruppenkonzepte über das Internet ganz von alleine. Der Vermittler hat viel Zeit für strategische Konzeptionen, um neue Zielgruppenkonzeptionen auszuarbeiten. Damit geht der Traum vom voll automatisierten Neugeschäft in Erfüllung. Ebenso kann natürlich auch das Bestandsgeschäft durch ergänzende Zielgruppenkonzepte optimiert werden, um weitere Bestandssteigerungen zu erreichen. Alles wäre so einfach, wenn nicht die vielfältigen und komplexen Rechtsvorgaben diesen Entwicklungsschritt streng reglementieren würden.

In zwei aktuellen Entscheidungen (vom 7. Juli 2016) hat der zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes die Immobilienmakler in die Schranken gewiesen. Beide Makler hatten über Internetportale die Kunden akquiriert und beide Kunden hatten die jeweils über den Makler angebotenen Immobilien erworben. Die jeweiligen Käufer der Immobilien waren Verbraucher und wollten die Maklerprovision für ihren Immobilienerwerb nicht bezahlen. Beide Immobilienmakler hatten es versäumt, ihrem jeweiligen Kunden eine Widerrufsbelehrung zukommen zu lassen. In den beiden gerichtlichen Verfahren (BGH, Az. I ZR 30/15 und I ZR 68/15) hatten die Verbraucher den Widerruf erklärt und die Zahlung der Vermittlungsprovision verweigert. Zu Recht hatte jüngst der Bundesgerichtshof in beiden Fällen entschieden!

Dem Grunde nach sind die beiden aktuellen BGH-Entscheidungen sicherlich auch auf einen Versicherungsmakler übertragbar. Dieser erhält aber seine Vermittlungscourtage in der Regel jedoch nicht vom beauftragenden Kunden, sondern vom Versicherer. Hätte nun ein Versicherungsmakler die erhaltene Courtage des Versicherers an den Kunden zu erstatten, wenn der Kunde berechtigterweise den Maklervertrag für die Vermittlung der Versicherung widerruft? Im Lichte des § 667 BGB könnte dieses möglich sein. Andererseits könnte das Widerrufsrecht auch bereits erloschen sein, weil der Maklervertrag von den Beteiligten bereits vollständig erfüllt worden ist, bevor der Verbraucher sein Widerrufsrecht nach der Vermittlung ausgeübt hat. Andererseits kann auch möglicherweise ein sehr spätes Widerrufsrecht verwirkt sein, sodass der Courtageanspruch des Vermittlers unantastbar bleibt? Leider liegt zu diesen Rechtsfragen noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung vor und auch nicht zu den Folgen, wenn nur „kleine formale“ Fehler gemacht wurden.

Die Digitalisierung könnte also so einfach sein, wenn neben den gesetzlichen Bestimmungen des VVG auch die allgemeinen Pflichten im elektronischen Geschäftsverkehr beachtet werden. § 312 i BGB ist daher durchaus lesenswert und zwingend im Online-Vertrieb zu berücksichtigen. Exemplarisch sei also nur benannt, dass der Kunde die Möglichkeit haben muss, Eingabefehler vor Abgabe seiner Bestellung erkennen zu können und eine Berichtigungsmöglichkeit haben muss. Des Weiteren ist der Zugang seiner Beauftragung unverzüglich auf elektronischem Wege zu bestätigen. Ferner muss er die Möglichkeit haben, die Vertragsbestimmungen einschließlich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen bei Vertragsschluss abzurufen und in wiedergabefähiger Form speichern zu können. Dieses gilt zwingend für alle Online-Vereinbarungen mit Verbrauchern. Ansonsten kann auch etwas anderes vereinbart werden, also nur mit „Nicht-Verbrauchern“.

Zudem sind auch die gesetzlichen Informationspflichten gemäß Artikel 246 c EGBGB einzuhalten. Exemplarisch sei auch hier genannt, dass über die einzelnen technischen Schritte, die zu einem Vertragsschluss führen, der Kunde zu unterrichten ist.

Der Kunde ist auch immer zu unterrichten, ob der Vertragstext vom Makler gespeichert wird und ob er dem Kunden zugänglich ist; oder dass er die Möglichkeit hat, mit den zur Verfügung gestellten technischen Mitteln Eingabefehler vor Abgabe der Vertragserklärung erkennen und berichtigen zu können. Unterrichten Sie auch über die für den Vertragsschluss zur Verfügung stehenden Sprachen, oder über sämtlichen einschlägigen Verhaltenskodizes, denen Sie sich unterworfen haben?

All dies sind weitere gesetzliche Wirksamkeitsvoraussetzungen für den Vertragsschluss im elektronischen Geschäftsverkehr. Alle weiteren gesetzlichen Pflichten, wie die Erfüllung der Erstinformation, die Erstellung einer individuellen und geeigneten Beratungsdokumentation bleiben selbstverständlich auch im digitalisierten Geschäftsverkehr bestehen. Und zu alledem kommt dann noch das Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen nach § 355 BGB hinzu. Dabei entspricht es mit Sicherheit der Intention des Gesetzgebers, dass auch der spätere wirksame Widerruf der Vertragserklärung, also des Maklervertrages, zur Rückabwicklung des Vertrages führen soll. Ferner ist zu prüfen, ob der vermittelte Versicherungsvertrag rechtskonform Bestand hat oder ob es auch hier eine weitere Widerrufsmöglichkeit für den Kunden gibt. Wäre letzteres der Fall, so führt die Vertragsstornierung zunächst auch zur Rückzahlungspflicht der erhaltenen Courtage. Sodann erst stellt sich die weitere Frage, wenn das Verschulden der Vertragsstornierung durch den Versicherer begründet wurde, ob wiederum ein Vergütungsanspruch bestehen könnte, ggf. „im Kleid“ eines Schadenersatzanspruches, sofern die Widerruflichkeit des Versicherungsvertrages vom Versicherer zu vertreten war. Leider ist auch diese Fragestellung noch nicht höchstrichterlich geklärt worden.

Die Armutsgefahr aus dem Online-Vertrieb kann sich für den Makler also aus zwei Richtungen ergeben. Die Unwirksamkeit von Makler- und vermittelten Versicherungsverträgen kann zur Rückabwicklung beider Vertragsverhältnisse führen. Dabei gilt es, zu verhindern, dass der Versicherungsmakler an seinem Swimming-Pool nur noch über die Courtagebelastungen informiert wird und der Traum vom automatisierten Vermittlungserfolg platzt wie eine Seifenblase.

Im Rahmen des harten Wettbewerbes wird sich aber vielleicht vorher ein Mitbewerber finden, der im Rahmen einer einstweiligen Verfügung und der anschließenden Unterlassungsklage den Online-Makler auf seine Rechtsverletzungen hinweist, sodass vielleicht „dank“ der aufmerksamen Beobachtung der Konkurrenten weiteren Schaden vermieden wird und diese (unnützen) Verfahrenskosten sogar „schadenmindernd“ wirken. Besser wäre es aber, aus den Fehlern der anderen zu lernen.

Die Digitalisierung und der Online-Vertrieb stellen einen unaufhaltsamen Weiterentwicklungsprozess dar. Der Online-Vertrieb ist jedoch eine rechtliche neue Welt, die ergänzend zu der vollständig bestehend bleibenden alten Welt zwingend zu berücksichtigen ist, um Reichtum statt Armut zu gewährleisten.